Die moderne Physik steckt voll von ziemlich seltsamen Ideen – Vakuumfluktuationen, virtuelle Teilchen, Higgsmechanismen (das berühmte “Gott-Teilchen”) und und und. Alle diese Konzepte stammen aus einer einzigen Theorie, der Quantenfeldtheorie. Und die will ich euch in der nächsten Zeit ein bisschen zu erklären versuchen. Heute gibt es erst mal einen ganz groben Überblick, bevor es dann in die Einzelheiten geht.
Die Quantenfeldtheorie (QFT) – oft spricht man auch etwas genauer von “relativistischer QFT” entstand aus dem Versuch, die Quantenmechanik und die spezielle Relativitätstheorie (SRT) miteinander in Einklang zu bringen.
Das Verhältnis zwischen Quantenmechanik und SRT ist ein bisschen seltsam: Die Quantenmechanik, die das Verhalten von Elektronen beschreibt, basiert nicht auf der SRT. Und das berühmte “Messproblem” zeigt, dass in der Quantenmechanik tatsächlich “nichtlokale” Effekte auftreten. Trotzdem verletzt sie die zentrale Forderung – dass es keine überlichtschnelle Signalübertragung geben darf – nicht; man spricht deshalb auch von der “friedlichen Koexistenz” der beiden.
Die Schrödingergleichung (also die Grundgleichung der Quantenmechanik) ist selbst allerdings auch keine relativistische Gleichung – sie behandelt Ort und Zeit in einer Weise, die nicht mit der SRT zusammenpassen, und sie verhindert nicht direkt, dass man z.B. Elektronen auf Überlichtgeschwindigkeit beschleunigen kann.
Abschnitte wie diesen hier, die mit dem bösen Formelwarnschild gekennzeichnet sind, könnt ihr schadlos überspringen, wenn ihr keine Formeln mögt. Sucht einfach nach dem durchgestrichenen Zeichen – da geht’s dann wieder harmlos weiter.
Dass die Schrödingergleichung nicht relativistisch korrekt ist, sieht man leicht an der mathematischen Form:
(-ħ2/2m) ΔΨ(x,t) + V(x) Ψ(x,t) = i ħ dΨ(x,t)/dt
Auf der linken Seite steht eine zweite Ableitung nach dem Ort, auf der rechten eine erste Ableitung nach der Zeit. Damit Raum und Zeit sich korrekt zueinander verhalten, müssten beide dieselbe Ableitungsstufe (sagt man das so?) haben.
Man
sieht es auch daran, dass der Ort – zumindest in der üblichen Darstellung der Quantenmechanik – als Operator behandelt wird, die Zeit aber nicht.
So, ab hier ist alles wieder harmlos…
Tatsächlich hat Schrödinger zunächst eine relativistische Gleichung für Elektronen hergeleitet, die er dann allerdings wieder verworfen hat, weil sie falsche Vorhersagen machte. Sie ist dann kurz darauf wiederentdeckt und unter dem Namen Klein-Gordon-Gleichung bekannt geworden. Die Klein-Gordon-Gleichung wird uns später übrigens auch noch begegnen.
Dass es notwendig war, Quantenmechanik und SRT in Einklang zu bringen, war allen Physikern in den zwanziger Jahren (als die Quantenmechanik entwickelt wurde) natürlich klar – Teilchen der kosmischen Strahlung beispielsweise bewegen sich mit nahezu Lichtgeschwindigkeit und können deshalb nicht mit der gewöhnlichen Schrödingergleichung beschrieben werden. Die Vereinigung brauchte allerdings einige Zeit und erwies sich als deutlich schwieriger als man ursprünglich annahm. Je genauer man zu rechnen versuchte, desto absurder wurden die Antworten, die man berechnete – insbesondere ergaben sehr viele Rechnungen als Ergebnis einfach unendlich, was mit dem Experiment eher nicht so gut übereinstimmte.
Es waren einige konzeptionelle Hürden zu überspringen und raffinierte Ideen zu entwickeln, bis man schließlich zum Ziel kam, und auch eine Menge ziemlich kniffliger Mathematik wurde benötigt. Unter Physik-Studis gilt die QFT entsprechend als extrem schwierig und anspruchsvoll – von meinen eigenen Vorlesungen erinnere ich nur wenig, weil die Physik hinter mathematischem Formalismus vollkommen zu verschwinden schien. Diesen Sommer (jaja, das nennt man “Urlaub”) habe ich aber ziemlich viel über QFT gelesen – vielleicht ist das, was ich jetzt anschaulich verstanden habe, ja auch für andere interessant.
Streng genommen ist die QFT nicht eine einzige Theorie, sondern mehr ein Rahmen, in dem man die unterschiedlichen Naturkräfte beschreiben kann, die dann so schöne Namen wie Quantenelektrodynamik oder Quantenchromodynamik (oder auch die noch nicht so richtig verstandene Quantengravitation) bekommen. Diese Theorien haben alle sehr viele gemeinsame Eigenschaften, die sich ergeben, wenn man eine Theorie haben will, die gleichzeitig Quantenphänomene und die Relativitätstheorie umfasst – wie zum Beispiel die schon erwähnten Vakuumfluktuationen.
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