Komodowarane sind die größten lebenden Echsen und gefährliche Raubtiere. Erstaunlicherweise haben sie vergleichsweise schwache Kiefer, mit denen sie nicht besonders kräftig zubeißen können. Neue Experimente zeigen, wie die Drachenechsen auch mit ihrem sanften Biss erfolgreiche Jäger sein können.

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Bild: Public domain

Komodowarane wie dieser hier leben heutzutage nur noch auf einigen Inseln Indonesiens. Das war allerdings nicht immer so – ein naher Verwandter, Megalania, lebte bis vor etwa 40000 Jahren in Australien und übertraf die heutigen Komodowarane noch um einiges an Größe. Wie groß Megalania genau war, ist umstritten – Schätzungen liegen zwischen 3,5 und knapp 8 Metern Körperlänge, mit einem Maximalgewicht irgendwo zwischen 100 und 2000 Kilogramm. Nicht sehr genau, weil man keine vollständigen Fossilien kennt und so von wenigen Knochen zurückschließen muss.

Aber auch der heutige Komodowaran ist nicht gerade klein – immerhin erreicht er eine Länge von 3 Metern und ein Gewicht von 70 Kilogramm. Er ernährt sich von Fleisch und ist ansonsten nicht wählerisch – Vögel, Reptilien, Säugetiere und Insekten stehen alle auf seiner Speisekarte. Wie die meisten Fleischfresser frisst der Komodowaran Aas, wenn er es bekommen kann, aber er jagt auch selbstständig Tiere wie zum Beispiel Hirsche.

Der Komodwaran ist ein Lauerjäger, der sich irgendwo verbirgt und dann, wenn die Beute nahe genug herankommt, aus seinem Versteck hervorschießt und sie angreift. Lange Zeit glaubte man, dass er durch seinen Biss die Beute mit Bakterien infiziert, so dass diese, selbst wenn sie ihm entkommt, kurze Zeit später daran stirbt, doch neuere Untersuchungen lassen daran Zweifel aufkommen: vermutlich sind es nicht die Bakterien, die die Beute verenden lassen, sondern Gift. Komodowarane haben nämlich Giftdrüsen im Unterkiefer, die einen Giftcocktail enthalten, der Schock, Blutgerinnung und Lähmungen verursachen kann.

In Tierfilmen werden Komodowarane gern als “Überbleibsel aus der Zeit der Dinosaurier” oder “die letzten Dinosaurierverwandten” oder so bezeichnet – das ist aber natürlich Unsinn – zwar gab es zur Zeit der Dinosaurier schon Waranverwandte, aber diese waren vermutlich mit den Mosasauriern verwandt, nicht aber besonders eng mit den Dinosauriern. Trotzdem sind Komodowarane gerade für Dino-Forscherinnen interessant: Sie haben nämlich Zähne, die in ihrer Form denen von Raubsauriern ähneln, seitlich relativ schmal und mit Zacken auf der Rückseite. Das einzige gute Bild, das ich im Internet finden konnte, ist leider nicht frei verfügbar – also bitte hier klicken, um so einen Zahn zu sehen.
Zum Vergleich hier ein Zahn eines echten Dinosauriers (entnommen aus dieser Veröffentlichung)

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Als größte lebende Warane, die noch dazu große Beute jagen, und zudem als Analogie für Dinosaurier sind Komodowarane also gleich doppelt interessant. Bereits vor einigen Jahren wurden deshalb die Schädel von Komodowaranen detailliert untersucht und mit Hilfe der Finite-Element-Methode (über die ich wirklich mal was schreiben sollte) daraufhin analysiert, welche Kräfte so ein Waran beim Zubeißen entwickeln kann. Dazu modelliert man die Muskeln wie in diesem Bild:

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und berechnet dann die Spannungsverteilung und die Bisskraft (Bild zum Vergrößern klicken):

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(Diese Simulationsbilder stammen aus dieser Veröffentlichung, die übrigens frei verfügbar ist.)

Dem Schädel sieht man schon an, dass er relativ leicht gebaut ist, und das geben die Simulationsrechnungen auch wieder: Die berechnete Bisskraft ist mit maximal etwa 40 Newton für einen 1,60Meter großen Waran ziemlich mau, wenn man sie mit Krokodilen vergleicht, die Werte im Bereich von 10000 Newton erreichen können (Löwen liegen bei etwa 4000N). Das wiederum passt auch gut zu einigen Dinosauriern – ein Allosaurus beispielsweise hat eine berechnete Bisskraft von etwa 800-2000Newton, deutlich weniger also als z.B. ein Löwe. Auch ein Allosaurus war also ein eher schwacher Beißer und hatte einen eher leicht gebauten Schädel:

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Bild: Public domain

Ganz anders zum Beispiel der Tyrannosaurus: Mit etwa 13000Newton konnte der wirklich kraftvoll zubeißen, und der Schädel sieht auch entsprechend wuchtig aus:

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By A.E. Anderson – https://digitallibrary.amnh.org/dspace/handle/2246/49, Public Domain, Link

Nebenbemerkung: Wenn ich es richtig verstehe, wird die Bisskraft immer pro Zahn angegeben, nicht für den gesamten Kiefer. Da bei einem gezielten Biss aber immer nur wenige Zähne gleichzeitig voll zupacken, macht das keinen gigantischen Unterschied.

Sowohl der Komodowaran als auch der Allosaurus haben aber ziemlich kräftige Muskelansätze am Hals. Und beim Komodowaran beobachtet man auch, dass er seine Beute zerreißt, indem er den Kopf kräftig nach hinten (und eventuell ein bisschen nach unten) ruckt und so an der Beute zieht. Die Simulationsrechnungen zeigten schon, dass diese Kräfte wesentlich größer sein können. Und dafür gibt es nun auch experimentelle Untersuchungen.

Dazu wurden zehn Komodowarane dazu gebracht, entweder auf Fleischstücken mit Kraftmessdosen drin zu beißen (um die Bisskraft zu messen) oder an Fleischstücken zu zerren, die an entsprechenden Sensoren hingen.

Die Bisskraft lag dabei relativ dicht an den berechneten Werten – für einen 1,60Meter-Waran ergeben sich etwa 54Newton, die gemessene Maximalkraft lag bei knapp 150Newton. Und eine Auftragung der Bisskraft im Vergleich zu anderen Wirbeltieren zeigt, dass der Biss der Komodo-Warane tatsächlich eher schlapp ist:

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Aufgetragen ist die Bisskraft gegen die Körpermasse – leider in unübersichtlichen logarithmischen Einheiten, die Warane wiegen also nicht 4-5 Gramm sondern 104-105 gramm, also zwischen 10 und hundert Kilogramm (für die Bisskraft gilt entsprechendes). Man sieht deutlich, dass die Komodo-Datenpunkte unterhalb derer anderer Wirbeltiere liegen. (Natürlich ist es möglich, dass die Warane nicht voll zugebissen haben, weil sie ja nur totes Fleisch bekommen haben und keine Beute packen mussten. Das ließ sich leider nicht ändern, dürfte aber bei den anderen Tieren nicht anders gewesen sein (möchte sich vielleicht jemand eine Kraftmessdose implantieren und sich dann von einem Komodowaran beißen lassen?))

Die Zugkraft beim Reißen an der Beute dagegen ist deutlich höher. Hier erst mal ein Bildchen, damit ihr euch vorstellen könnt, wie so ein Waran an seinem Fleischstück reißt.

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Oben seht ihr sehr schön die Messdrähte, mit denen die Bisskraft ermittelt wird.

Die Warane ziehen mit ihren Halsmuskeln ihren Kopf zurück, schütteln ihn und können – je nach Lage der Beute – zusätzlich auch noch ihre Beine einsetzen, um den ganzen Körper nach hinten zu ziehen. (In Fachsprache klingt das dann so: “Repetitive cranial-caudal ‘rocking’ movement due to the straightening and bending of the forelimbs, lateral shaking, sudden caudal ‘jerks’ of the head and neck, and/or back-pedaling pulled the carcass caudal”) Die maximale Kraft bei diesem Verfahren war, wenn das Fleischstück wie im Bild etwas erhöht befestigt war, mit gut 335Newton mehr als doppelt so hoch wie die maximale Bisskraft. Liegt die Beute dagegen flach am Boden, so dass der Waran eher nach oben ziehen muss, sind die Kräfte nur noch halb so groß.

Und was lernen wir nun daraus?

Ein Komodowaran, der seine Beute packt, reißt auf die beschriebene Weise den Kopf nach hinten. Die schmalen und an der Rückseite gezackten Zähne reißen dabei tiefe Wunden. Gerade wenn der Waran relativ große Beute wie Hirsche reißt, sind die hohen Kräfte beim Ziehen nach hinten und unten wichtig. Auch zum Zerlegen eines Kadavers ist die Technik gut geeignet – durch die starken Zugkräfte werden nicht nur Fleischbrocken herausgerissen, sondern der Kadaver auch noch in Teile zerlegt.

Und da Komodowarane ja nun mal ähnliche Zähne haben wie viele Raubsaurier, kann man ähnliche Überlegungen auch auf diese übertragen. Für den Allosaurus, der sehr kräftige Halsmuskeln hatte, gibt es verschiedene Ideen – er könnte wie mit einer Axt mit geöffnetem Maul Wunden geschlagen haben wie in diesem Bild

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By I, Steveoc 86, CC BY 2.5, Link

er könnte ähnlich wie der Komodowaran tiefe Wunden gerissen haben, und es gibt sogar die etwas absonderlich klingende Idee, dass die Allosaurier nur einzelne Stücke aus ihrer Beute rissen, die das aber überlebte – das wird als “flesh grazing” (“Fleischgrasen”) bezeichnet.

Wie auch immer die Allosaurier nun ihre Beute gerissen haben – der Komodowaran zeigt, dass auch ein sanfter Biss tödlich sein kann.

Komodowarane haben für diesen Blog übrigens noch eine spezielle Bedeutung: Das klassiche “hic sunt dracones”, dass man ja dem Vernehmen nach auf alten Landkarten findet und das diesem Blog seinen Namen gab, gibt es tatsächlich in dieser Form nur auf dem Hunt-Lenox-Globus, und zwar genau im Bereich von Indonesien. Eventuell hatten die Geographen also tatsächlich von echten Drachen gehört und sie sich nicht einfach ausgedacht.


D’Amore, D., Moreno, K., McHenry, C., & Wroe, S. (2011). The Effects of Biting and Pulling on the Forces Generated during Feeding in the Komodo Dragon (Varanus komodoensis) PLoS ONE, 6 (10) DOI: 10.1371/journal.pone.0026226

Kommentare (14)

  1. #1 cydonia
    14. November 2011

    Ich wollte schon wegen der Überschrift meckern….du hast es dann aber relativiert und erklärt. Ein Bekannter hat vor Jahren eine schwere Handverletzung einem Komodo zu verdanken gehabt: die Narbe ist absolut beeindruckend.
    “Sanfter Biss”….Naja……

  2. #2 MartinB
    14. November 2011

    Sollte ja nur wie ein grottiger Horrorroman (tolles Wort…) klingen.

  3. #3 MartinB
    14. November 2011

    … und hat der Waren eigentlich nur gebissen oder auch gezogen?

  4. #4 cydonia
    14. November 2011

    Das ist eine gute Frage…..der Waran hat gar nichts gemacht, aber der Bekannte hat reflexartig die Hand zurückgezogen, was natürlich unvermeidbar aber dennoch fatal war.
    Vielleicht ist das Zuschnappen und Erstarren eine sinnvolle Technik gegenüber nervösen Säugern.

  5. #5 cydonia
    14. November 2011

    …und ich sollte Pause machen….habe mich vorhin gefragt was ein Horrorro-Man ist, wollte fast schon googeln…..

  6. #6 rolak
    14. November 2011

    Der Ehemann einer Rokokokokotte, cydonia 😉

    Lange Zeit glaubte man (..) Bakterien

    ok, ok, ich versuche es zu vergessen und durch den aktuellen Stand zu ersetzen…

  7. #7 Redfox
    14. November 2011

    …und ich sollte Pause machen….habe mich vorhin gefragt was ein Horrorro-Man ist, wollte fast schon googeln…..

    Did you mean “Herero-Man“?

  8. #8 michael
    15. November 2011

    > Did you mean “Herero-Man”?

    Ne, der wollte nicht die deutsche Kolonialzeit aufarbeiten.

    Der meinte Horror-Roman: das ist ein schrecklicher Römer.

  9. #9 a+
    15. November 2011

    @Cydonia: WTF? Was hast du für Bekannte? Weißt du, wie das behandelt wurde? Siehe auch: PNAS 106(22):8969-8974. (Martin, du kennst das, oder? “Sanfter Biss”, mein Hinterteil! Wohl kaum…)

    BWT, vor kurzem die BBC-Doku mit dem Büffelstalking gesehen. Harter Tobak, auch wenn’s wirklich sehr emotional ist. Dazu fällt mir dann jedes mal “Let there be Chicken” ein. Douglas fehlt. Mal wieder Zeit, das hier zu verlinken.

  10. #10 MartinB
    16. November 2011

    @a+
    Naja, sanft ist relativ – wenn die gelben Punkte oben im Bild im normalen Wirbeltierbereich lägen, wäre es halt noch böser.
    Danke für den Link auf das paper – ich kannte zwar den Inhalt, aber das paper selbst hatte ich nicht gelesen.

  11. #11 IO
    16. November 2011

    abo

  12. #12 Pete
    16. November 2011

    Lesenswert hierzu auch “Die Letzten ihrer Art” von Douglas Adams. Darin u.a. auch eine Reise nach Komodo zu den Waranen.
    Die neuesten, hier beschriebenen Erkenntnisse sind natuerlich nicht enthalten.

    Pete
    Auch hier schlug der seltsame Spamfilter zu – darf man Kommenatre nicht mit “Lesenswert” anfangen?

  13. #13 a+
    16. November 2011

    @Martin: gern. Das war ziemlich aufregend, weil Jahrelang die “venomenous”-Hypothese als völlig abwegig galt. Deswegen auch PNAS, schätze ich.

    Ich find’s übrigens erstaunlich, daß die sowas bei PLoS one publizieren, und nicht bei PLoS Biol. Oder gar bei einem klassischen Journal mit noch höherem Impact. Sind immerhin einige der PNAS-Autoren dabei, und ist nicht das einzige Komodo-Waran-paper bei PLoS. Da scheint sich ja echt was zu tun. 🙂 Vielleicht frei nach dem Motto: interessiert die Leute eh, dann können wir’s auch OpenAccess publizieren?

    Naja. Wenn ich die Ocken hätte, würde ich da auch publizieren – aber leider verkaufe ich meine Seele dem Teufel. Äh. Wiley. Springer. Elsevier. Whatever. 🙁
    Apropros “Whatever” – aus irgendwelchen Gründen hat dich unser Spamfilter nicht gemocht, tit mir Leid.

  14. #14 Gargle
    17. November 2011

    Liest sich mal wieder super weg. Klasse!