Im letzten Teil hatte ich den Propagator erklärt, der etwas darüber sagt, wie sich Störungen des Feldes (“Ich spüre eine Erschütterung der Macht”) ausbreiten. Dieser Propagator hat direkt etwas mit den Teilchen zu tun, die wir beobachten, aber um das ausführlich zu erklären, muss ich etwas ausholen.
Wer die Serie aufmerksam verfolgt, der wundert sich vielleicht schon die ganze Zeit über eins: Je nachdem, wie es mir in den Kram passt, argumentiere ich manchmal mit ebenen Wellen, manchmal dagegen mit Propagatoren. Wie passt das zusammen? Ist das nicht ein Widerspruch – mal haben wir Feldanregungen, die sich von einem Punkt aus ausbreiten, mal haben wir Wellen, die über den ganzen Raum ausgebreitet sind. Kurz habe ich das schon einmal erklärt, aber es lohnt sich, darauf etwas genauer einzugehen.
Das Geheimnis, das dahinter steckt, sind die berühmten Fouriertransformationen. Die sind in der Physik nahezu allgegenwärtig, weil sie es erlauben, sehr viele Phänomene mit Hilfe von Wellen zu beschreiben.
Die Kernaussage, die hinter den Fouriertransformationen steckt, ist ziemlich einfach zu formulieren, deswegen muss sie auch nicht in irgendeinen fiesen Formelteil1: Jede mathematisch hinreichend brave Funktion kann man als Summe von (meist unendlich vielen) ebenen Wellen darstellen.
1den ich mir hier auch spare – Erklärungen von Fourier-Transformationen gibt es wie Sand am Meer und die von euch, die diese abgefahrenen Teile mit partiellen Ableitungen und so Zeugs lesen können, schütteln Fourier-Trafos doch eh aus dem Ärmel, oder? (Falls nicht, beschwert euch in den Kommentaren…)
Um euch das ein bisschen anschaulich zu machen, vereinfache ich die Aussage ein wenig und beschränke mich erst einmal auf Funktionen, die periodisch sind, sich also wiederholen (das heißt, wir betrachten erst mal Fourier-Reihen). Dafür gibt es viele hübsche Bilder bei Wikipedia, die dem faulen Blogger das Leben erleichtern.
Stellt euch als erstes eine Rechteckfunktion vor, so wie diese:
Das sieht schon ein bisschen wie eine Welle aus, nur ist es ziemlich eckig. Wie können wir so eine Funktion mit Wellen annähern? Das zeigt dieses Bild (ebenfalls von Wikipedia geklaut):
Von René Schwarz – Eigenes Werk, SVG Version of File:Fouriersynthese.png, CC BY-SA 3.0, Link
Nicht erschrecken, wenn es kompliziert aussieht, ist es gar nicht. In der oberen Zeile seht ihr die allererste Näherung eines Rechtecks: Durch eine Welle (oder mathematisch etwas präziser eine Sinusfunktion) mit derselben Wellenlänge. Der Sinus ist aber zu “rund”, wir müssen dafür sorgen, dass er schärfere Kanten bekommt. Damit fangen wir in der zweiten Zeile an: Wenn wir eine weitere Welle mit kürzerer Wellenlänge (linke Spalte) nehmen, und die zu unserem Sinus addieren (zweite Spalte), dann ergibt sich etwas, das schon ein bisschen rechteckiger aussieht (dritte Spalte). Nehmen wir noch eine Welle (dritte Zeile) hinzu, wird’s noch besser, und dann in der vierten Zeile sieht es schon ganz anständig aus, oder?
Die ganz rechte Spalte zeigt übrigens, welche Frequenzen jeweils verwendet wurden – je kürzer die Wellenlänge, desto höher die Frequenz. Ihr seht, dass nur bestimmte Frequenzen (und Wellenlängen) verwendet werden – das liegt daran, dass die Funktion periodisch ist, also müssen auch die verwendeten ebenen Wellen zu dieser Periode passen.
Ganz ähnlich kann man auch andere Funktionen annähern, hier zum Beispiel ein Sägezahn Dreieck:
Von TieR0815 – Eigenes Werk, CC BY 3.0, Link
Wenn ihr Lust habt, das selbst auszuprobieren, dann findet ihr hier ein schickes Java-Applet zum Spielen.
Aus dem Alltag kennt ihr das übrigens auch, nämlich im Bereich der Musik. Vergleicht ein Klavier und eine Querflöte, die beide den gleichen Ton (sagen wir das eingestrichene A) spielen. Dieser Ton hat ja eine bestimmte Frequenz. Wie kommt es dann, dass die beiden Instrumente so verschieden klingen, obwohl sie doch denselben Ton spielen? Das liegt an den Obertönen: Der Grundfrequenz von 440Hertz sind weitere, höhere Frequenzen überlagert. Diese Überlagerung ist für den charakteristischen Ton verantwortlich. Da ich hier aber nicht die Serie “Musiktheorie für alle” schreibe (dafür wäre ich auch ungefähr so geeignet wie ein Kanu zum Radfahren), verweise ich auf den netten und gut bebilderten Artikel bei Wikipedia und ein weiteres nettes Applet.
Bei der Fourier-Reihe, die wir uns hier angeguckt haben, war die Funktion, die wir in Wellen zerlegt haben, periodisch. Im Allgemeinen ist das natürlich nicht der Fall – auch nicht-periodische Funktionen kann man in Wellen zerlegen. Dann allerdings muss man nicht bloß – wie oben – Wellen verwenden, deren Frequenzen ganzzahlige Vielfache voneinander sind, sondern beliebige Wellen.
Um eine isolierte Rechteckfunktion (also eine mit nur einem einzigen Rechteck, das sich nicht periodisch wiederholt) wie diese hier
aus ebenen Wellen zusammenzubasteln, braucht man jetzt alle möglichen Frequenzen:
By Omegatron – Own work, CC BY-SA 3.0, Link
Im Beispiel seht ihr, dass man hier gerade die ganzzahligen Frequenzen (hier mit x bezeichnet) nicht braucht – da ist die Funktion Null, aber alle anderen Frequenzen leisten einen Beitrag.
Vielleicht ist euch bei diesem letzten Schritt ein bisschen unbehaglich – unendlich viele Funktionen zusammensetzen, geht das überhaupt? Man kann sich das anschaulich machen, wenn man ein bisschen um die Ecke denkt. Normalerweise sind wir es gewohnt, eine Funktion dadurch anzugeben, dass wir ihren Wert an jedem Punkt festlegen, also zum Beispiel zu sagen f(x) = x+1, so dass wir für jeden Punkt x nach dieser Vorschrift den Wert berechnen können. Das habt ihr vermutlich alle in der Schule so gelernt und findet es nicht besonders schwierig, euch zu überlegen, dass dann wohl f(2)=3 ist und f(-0.8)=0.2.
Man kann sich aber auch vorstellen, dass man die Funktion f(x) aus unendlich vielen Einzelfunktionen “zusammenstückelt”, die alle nur an einem Punkt ungleich Null sind. Die sehen zum Beispiel so aus:
Es gibt für jeden Punkt des Raumes eine Funktion (ich nenne sie mal h – weil die Funktion am richtigen Punkt “hier” schreit), die nur genau an diesem Punkt von Null verschieden – nämlich gleich 1 – ist, an allen anderen Punkt ist sie aber Null. Es gibt also eine Funktion h2, die eben nur bei x=2 von Null verschieden ist, eine weitere Funktion h-0.8, die bei -0.8 den Wert 1 hat und so weiter.
Unsere Funktion f(x) können wir aus diesen einzelnen Funktionen zusammensetzen, der Anteil der Funktion h2 ist gerade gleich 3 (weil die Funktion f(x) bei 2 den Wert 3 hat, und nur diese h-Funktion kann das regeln) und so weiter. Wir addieren all die unendlich vielen h-Funktionen auf, jede mit ihrem passenden Wert, und heraus kommt wieder unsere Anfangsfunktion f(x). Das sieht etwa so aus:
Das ist natürlich unglaublich umständlich, aber es zeigt, dass man sich auch “ganz normale” Funktionen eigentlich immer aus unendlich vielen Einzelfunktionen zusammengesetzt vorstellen kann.
Wer will kann das in Formeln schreiben (da bin ich allerdings etwas schlampig – Mathematiker werden sagen, sehr schlampig – denn eigentlich müsste ich dann statt der h-Funktionen die berühmten Diracschen Deltafunktionen nehmen (danke an Bjoern für den Hinweis, ich dachte, ich kann mich drum rumschummeln), aber ich wollte hier nichts über Dinge wie Integrationsmaße schreiben):
Bei der Fouriertransformation gibt man jetzt die Funktion nicht dadurch an, dass man sagt, wie ihr Wert an jedem Punkt x ist (also wie groß der Beitrag der h-Funktionen ist), sondern dadurch, dass man angibt, wie groß der Beitrag von Funktionen ist, die wie Wellen aussehen, das ist eigentlich alles.
Das sieht dann in Formeln ganz ähnlich aus:
Dabei muss man aufpassen – häufig wird noch ein Vorfaktor 1/2π oder 1/√(2π) eingebaut, das macht jeder etwas anders.
Im Zusammenhang mit der Quantenmechanik habe ich diese Transformation übrigens auch schon mal kurz erklärt.
Man kann übrigens statt in ebene Wellen zu zerlegen (die den Nachteil haben, dass sie im ganzen Raum ausgebreitet sind) auch andere Funktionen verwenden – ein modernes Beispiel ist die “Wavelet”-Analyse.
Die mathematischen Details sind hier – wie üblich – gar nicht so wichtig. Wichtig ist nur, dass ihr die Idee versteht: man kann eine Funktion wie unseren Propagator als Überlagerung von unendlich vielen ebenen Wellen schreiben. Das ist oft praktisch – vor allem deshalb, weil ebene Wellen ja direkt Lösungen unserer Klein-Gordon-Gleichung sind. Rechnet man mit ebenen Wellen, dann wird vieles einfacher.
Analysiert man nun den Propagator mit diesen Mitteln, dann stellt man fest, dass die Zerlegung in ebene Wellen es wesentlich leichter macht zu sehen, wie sich die “Störung im Feld”, die von einer Quelle ausgeht, tatsächlich ausbreiten kann. Aber davon wollen wir in unserer nächsten Geschichte erzählen.
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