Fast jeder kennt vermutlich den Dreihornsaurier Triceratops mit seinem charakteristischen Knochenschild, dem Nasenhorn und den beiden langen Hörnern über den Augen. Noch beeindruckender fand ich immer den Torosaurus, der Triceratops recht ähnlich sah, aber einen wesentlich beeindruckenderen Knochenschild hatte.
Hier ein Vergleich der Schädel, oben Triceratops, unten Torosaurus.
Wie ihr seht, sind sich die beiden recht ähnlich, aber der Knochenschild des Torosaurus ist deutlich länger und hat zwei Öffnungen, während der des Triceratops geschlossen ist.
Torosaurus und Triceratops lebten auch zur selben Zeit am selben Ort, nämlich in der Oberkreide von Nordamerika. Bisher ging man davon aus, dass ein Grund für den Unterschied im Knochenschild darin liegt, dass sich so die beiden Arten besser auseinander halten konnten. Die genau Funktion des Knochenschilds ist nach wie vor umstritten, aber man geht davon aus, dass er auf jeden Fall als Signal diente. Ob er zusätzlich auch Schutz vor dem Biss von Tyrannosauriern lieferte, ist zweifelhaft – die Knochenstruktur des Schildes ist zwar beim Triceratops recht dick, beim Torosaurus aber eher dünn, und die Knochen waren auch reich durchblutet.
Eine detaillierte Analyse der Knochenschilde führte letztes Jahr zu einer ganz anderen Hypothese: Vielleicht waren Torosaurus und Triceratops ein und dieselbe Art und der Knochenschild wandelte sich im Laufe des Lebens von der kurzen, massiven Form beim Triceratops in die längere und dünnere des Torosaurus um?
Für diese These sprechen einige Indizien. Genau an den Stellen, an denen sich beim Torosaurus die Öffnungen im Kragen befinden, findet man beim Triceratops eine etwas andere Knochenstruktur als in den umliegenden Bereichen: Während die Knochen sonst eher längliche Rillen auf der Oberfläche haben, haben sie genau an diesen Stellen ein eher körniges Aussehen (hier mit einem weißen Pfeil markiert):
Ein weiteres Indiz liefert die Analyse der Knochen am Hornansatz: Entnimmt man hier Proben und betrachtet die Mikrostruktur, so stellt man fest, dass auch bei den Triceratops, die man bisher für die erwachsenen Tiere hielt, die Knochen eher aussehen wie bei jüngeren Tieren. Knochen baut sich ja ständig um – dabei tunneln Knochenfresszellen (Osteoclasten) durch den Knochen und bauen ihn ab, wonach Knochenbauzellen (Osteblasten) ihn wieder aufbauen. (Der Verbund aus Osteoclasten und Osteoblasten trägt den enorm kreativen Namen BMU=basic multicellular unit.) Im Querschnitt entstehen ringförmige Strukturen. Je älter ein Tier ist, desto mehr dieser Strukturen (Osteonen oder Haverssche Systeme genannt) findet man, und weil die BMUs sich wenig darum kümmern, wo der Knochen schon mal umgebaut wurde, überlappen sich die Osteonen teilweise. Dabei bleiben von den teilweise abgebauten Osteonen sogenannte “Schaltlamellen” übrig. Dieses Bild von der Uni Freiburg zeigt das in einer Skizze:
Interessanterweise findet man solche Strukturen beim Triceratops eher selten, häufig aber beim Torosaurus. Hinzu kommt, dass man vom Torosaurus keine Jungtiere kennt.
Eine neuere Analyse bezieht nun ein weiteres Fossil mit in die Betrachtung ein: Einen Schädel, der ursprünglich als “Diceratops” (Zweihorngesicht, weil das Nasenhorn fehlt) bezeichnet wurde, dann als eigene Art des Triceratops betrachtet wurde und schließlich den Namen Nedoceratops (Unzureichendes Horngesicht) bekam. Nedoceratops sieht dem Triceratops ziemlich ähnlich:
Das Bild zeigt denselben Schädel von beiden Seiten. Besonders zu beachten ist die kleine Öffnung oben im Kragen, die nur auf der rechten Seite zu sehen ist. Sie sitzt genau da, wo beim Triceratops die Knochenstruktur im Kragen eher “körnig” ist und wo sich beim Torosaurus große Öffnungen befinden. Eine Detailaufnahme zeigt, dass der Knochenkragen um diese Öffnung herum etwas dünner ist und auch wieder eine andere Oberflächenstruktur besitzt:
Der Verdacht liegt also nahe, dass Nedoceratops sozusagen genau die Zwischenstufe zwischen dem halbstarken Triceratops und dem erwachsenen Torosaurus darstellt. Eine Analyse der Knochenstruktur zeigt, dass Nedoceratops bereits voll entwickelte Osteonen hatte, also schon ein fast oder ganz erwachsenes Tier war:
Ihr könnt deutlich die vielen Osteonen erkennen, die sich auch zum Teil überlappen, wenn BMUs durch bereits vorhandene Osteonen hindurchtunneln.
Nach dieser Theorie waren also Triceratops, Nedoceratops und Torosaurus in Wahrheit ein und dieselbe Art in verschiedenen Altersstufen.
Diese Ansicht wird allerdings nicht von allen Paläontologinnen akzeptiert: Beispielsweise unterscheiden sich Triceratops und Torosaurus in der Anzahl der Episquamosale, der kleinen Fortsätze am Rand des Knochenschilds, beim Triceratops findet man 5-7, beim Torosaurus immer 7 davon. Ob das allerdings ausreicht, um den Torosaurus zu einer eigenen Art zu erklären (dann müsste man ja auch Triceratops in drei Arten teilen, je nachdem ob er 5, 6 oder 7 Episquamosale hatte), ist fraglich. Auch die Form und Krümmung der Hörner unterscheidet sich zwischen Triceratops und Torosaurus etwas, aber das tut sie auch zwischen recht jungen und älteren Triceratops, die man bisher ja auch zur selben Art zählt.
Das letzte Wort ist also noch nicht gesprochen, aber es ist durchaus möglich, dass die Art Torosaurus aus den Dinobüchern für immer verschwinden wird – dafür gewinnt der Triceratops aber zusätzlich an Faszination.
Scannella JB, & Horner JR (2011). ‘Nedoceratops’: an example of a transitional morphology. PloS one, 6 (12) PMID: 22194891
J. B. Scanella, J. R. Horner
Torosaurus Marsh, 1891, is Triceratops Marsh, 1889 (Ceratopsidae: Chasmosaurinae): synonymy through ontogeny
Journal of Vertebrate Paleontology, 30: 4, 1157 — 1168
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