Wenn man Physikern beim Argumentieren zuhört, könnte man vermutlich manchmal glauben, wir bekommen unsere eigenen Ideen nicht auf die Reihe: Mal argumentieren wir mit Energieerhaltung, mal heißt es “Systeme streben zum Zustand niedrigster Energie”, dann reden wir von Bindungsenergie, die aber negativ sind (sind negative Bindungsenergien also eher anti-bindend?). Nachdem es hier neulich ein paar Kommentare zum Thema gab, lohnt es sich vielleicht, das ganze einmal in Ruhe zu entwirren.
Energieerhaltung
Fangen wir mit der berühmten Energieerhaltung an. Die Energieerhaltung gilt in abgeschlossenen Systemen1, also solchen, bei denen nichts rein oder raus kann. Wie oft in der Physik sind solche Systeme natürlich eine Idealisierung – im Zweifel fliegen auch durch den bestisolierten Behälter immer noch ein paar Neutrinos hindurch, aber die Idealisierung ist ziemlich nützlich.(Zur Idealisierung in der Physik werde ich demnächst wohl auch mal was schreiben.)
1Probleme der Energieerhaltung in der Allgemeinen Relativitätstheorie ignoriere ich heute; das ist ein ziemlich kniffliges Thema…
In einem abgeschlossenen System gibt es also eine Größe namens “Energie”, die wir messen und berechnen können. Was genau Energie eigentlich “ist”, wissen wir nicht so ganz (dazu habe ich hier einiges geschrieben), aber es gibt eine Rechenvorschrift, mit der wir die Energie eines Systems berechnen können – sie setzt sich zusammen aus verschiedenen Teil-Energien wie “kinetische Energie” (Bewegungsenergie), “potentielle Energie” (häufig als “Lageenergie” umschrieben), Wärmeenergie usw.
In den Feynman Lectures On Physics erklärt Feynman die Energieerhaltung mit einer Analogie: Ein Junge namens Dennis hat 28 Bauklötze. Jeden abend räumt die Mutter sein Zimmer auf und packt die Bauklötze in die Spielzeugkiste. (Ja, ich weiß, man soll Kindern nicht dauernd hinterherräumen…) und zählt, ob alle da sind. Eines Tages fehlt einer, aber schließlich findet sie ihn unter dem Teppich, dann fehlen gleich zwei, aber sie sind aus dem Fenster gefallen, dann sind es plötzlich zwei zu viel, aber Dennis hatte Besuch von einem Freund, der zwei vergessen hatte, dann fehlen gleich 3, und die Mutter vermutet, dass sie in der geheimen Spielzeugkiste sind, die sie nicht aufmachen darf – aber durch Abwiegen der Kiste kann sie feststellen, dass sie tatsächlich um 3 Bauklotzgewichte schwerer ist als sonst, dann fehlen wieder welche, aber dafür ist der Wasserstand in der Badewanne höher als sonst usw.
Mit etwas Geschick stellt die Mutter schließlich eine Rechenformel auf:
Anzahl Blöcke= sichtbare Blöcke + Extra-Wasserstand der Badewanne/1cm + Extra-Gewicht der Kiste/50 Gramm + … = 28
Es gibt also eine solche Rechenformel, mit der die Gesamtzahl der Bauklötze berechnet werden kann – die Bauklötze können sich sozusagen in unterschiedlicher Form verstecken. Genau so ist es mit der Energie, wir können die kinetische Energie berechnen (die Formel mv2/2 habt ihr vielleicht mal in der Schule gelernt), die potentielle Energie (mgh, wenn wir über eine Masse im Schwerefeld der Erde reden), die Wärmeenergie (das berühmte “mechanische Wärmeäquivalent”) usw.
Ein wichtiger Unterschied zwischen Bauklötzen und Energie besteht darin, dass es bei der Energie kein Äquivalent zu den “sichtbaren Bauklötzen” gibt – “reine Energie” ist zwar etwas, wovon spitzohrige Außerirdische gern reden, wenn sie sich in unergonomischer Haltung über ihre Sensoren beugen, aber in unserem Universum gibt es so etwas nicht, Energie hat immer eine Form.
Ähnlich wie die Mutter in der Geschichte wird man auch in der Physik stutzig, wenn irgendwo Energie verschwindet und sucht nach der Energieform, in der sie sich versteckt. So wurde beispielsweise das Neutrino entdeckt – beim Zerfall eines Neutrons verschwand Energie scheinbar spurlos (zusätzlich gab es noch Probleme mit der Impuls- und Drehimpulserhaltung), und es schien plausibler anzunehmen, dass die Energie irgendwie abtransportiert wird, als dass die Energieerhaltung plötzlich nicht mehr gilt.
Argumentieren mit der Energieerhaltung
Wenn wir ein abgeschlossenes System haben, dann ist die Energie darin also erhalten. Ich klaue mal ein Bild aus einem anderen Text, um an einem Beispiel zu erklären, wie man mit der Energieerhaltung argumentiert:
Wir haben eine kleine Kugel oben an der Spitze eines Sombreros. Anfänglich ist sie in Ruhe, aber ziemlich weit oben. Lassen wir die Kugel los, dann rollt sie nach unten, denn die Schwerkraft zieht sie nach unten. (Heute argumentiere ich mal wieder mit der Schwerkraft, auch wenn es die ja eigentlich nicht gibt – das ist die Kunst des Denkens in Modellen.)
Je niedriger die Kugel sich befindet, desto niedriger ist ihre Energie im Schwerefeld, ihre “potentielle Energie”. Wenn sie unten in der Krempe angekommen ist, dann hat sie die niedrigst-mögliche potentielle Energie, denn tiefer geht’s ja nicht mehr (solange der Hut kein Loch hat…). Da es aber ja die Energieerhaltung gibt, muss diese Energie in eine andere Energieform umgewandelt worden sein.
In diesem Fall ist das die kinetische Energie. In einer idealen Welt (in so einer leben wir nicht), ist die kinetische Energie der Kugel jetzt um genau den Betrag größer geworden, um den die potentielle Energie abgenommen hat. (Ich ignoriere hier zusätzliche Energiebeiträge, wenn sie die Kugel dreht und eine Rotationsenergie bekommt – es ist eine sehr kleine Kugel.) Unten in der Hutkrempe hat die Kugel jetzt also eine hohe kinetische Energie. Sie rollt deswegen weiter; wenn es außen am Hut wieder nach oben geht, dann rollt sie jetzt so weit, bis sie zur Ruhe kommt – dann ist ihre kinetische Energie wieder gleich Null, und alle Energie ist in potentielle Energie umgewandelt worden.
So geht diese Umwandlung zwischen kinetischer und potentieller Energie immer weiter, die Kugel rollt hin und her und hin und her und wegen der Energieerhaltung tut sie das bis in alle Ewigkeit.
“Na klar, und Kühe sind kugelförmig mit homogener Milchverteilung. Manchmal sollten theoretische Physiker sich wirklich mal mit der realen Welt auseinandersetzen. Schon mal eine echte Kugel durch die Gegend gerollt?” Wenn ihr so denkt, dann habt ihr natürlich völlig recht – in unserer realen Welt funktioniert das so normalerweise nicht und die Kugel kommt irgendwann zur Ruhe. Das ist aber kein Widerspruch zur Energieerhaltung – wir haben nur nicht alle Energiebeiträge mitgezählt, sondern sozusagen die Bauklötze in der Badewanne vergessen.
Dissipation
Aristoteles (wie der Name sagt, ist der schon lange tot) war gar nicht so doof, wie man heutzutage oft denkt, im Gegenteil. Er glaubte nicht an idealisierte kugelförmige Kühe mit homogener Milchverteilung (solche Idealisierungen waren eher die Sache von Platon) und er hatte beobachtet, dass bewegte Körper wie unsere Kugel dazu neigen, zur Ruhe zu kommen, und dass sie das bevorzugt “unten” tun. Entsprechend nahm er an, dass Elemente an ihren “natürlichen Ort” streben (der für schwere Elemente eben unten war) und dann dort zur Ruhe kommen. Das entspricht ziemlich gut den Beobachtungen im Alltag.
Aber warum eigentlich? Haben wir nicht eben an der Kugel gesehen, dass sie ständig hin und herrollen sollte, und dabei immer kinetische und potentielle Energie ineinander umwandelt?
Ja, das würde sie tun, wenn die Welt ideal wäre. Planeten zum Beispiel, die auf einer elliptischen Bahn um die Sonne laufen, wandeln immer kinetische in potentielle Energie um – wenn sie der Sonne nahe sind, sind sie schneller, wenn sie weiter von der Sonne weg sind, sind sie langsamer. Das tun sie schon seit Milliarden von Jahren. Warum klappt es da, aber bei unserer Kugel nicht?
Wenn man die Kugel beobachtet, stellt man fest, dass sie ein paar mal hin und herrollt und schließlich in der tiefsten Stelle zur Ruhe kommt. Das passt zu den Ideen von Aristoteles. Wenn man aber ein bisschen herumexperimentiert (und das war ja Aristoteles’ Sache nicht), dann stellt man etwas Interessantes fest: Je glatter die Kugel und der Untergrund sind, um so länger dauert es, bis die Kugel zur Ruhe kommt, um so häufiger rollt sie hin und her. Das spricht dafür, dass unsere Betrachtung der Kugel einfach zu idealisiert war und dass es einen zusätzlichen Effekt gibt, den wir nicht berücksichtigt haben.
Je glatter Kugel und Untergrund sind, desto geringer ist die Reibung zwischen ihnen. Und da bei Reibungsprozessen Wärme entsteht, ist es plausibel anzunehmen, dass ein Teil der Energie der Kugel in Wärme übergeht und sich die Kugel oder der Hut aufheizen. Mit einer hinreichend guten Messapparatur könnten wir das sogar nachweisen.
Wenn wir unsere Energieerhaltung “retten” wollen, müssen wir also zu kinetischer und potentieller Energie noch die Wärmeenergie dazurechnen. Tun wir das, dann ist die Energie im Gesamtsystem wieder erhalten.
Manchmal ist es aber praktisch, die Wärmeenergie nicht explizit zu betrachten. In diesem Fall ist es dann so, dass das System Energie “verliert” – die ist nicht wirklich weg, sondern wandelt sich einfach in eine Form um, die wir gerade nicht betrachten, ungefähr so, als würde Dennis’ Mutter beschließen, den Wasserstand in der Badewanne nicht mehr zu berücksichtigen.
Wenn ein System auf diese Weise Energie “verliert” (weil man eben ein nicht mehr wirklich abgeschlossenes System betrachtet), dann spricht man auch von Dissipation oder davon, dass Energie dissipiert wird.
Man kann hier eine nette Analogie zum Alltag ziehen: Stellt euch vor, ihr geht mit eurem Weihnachtsgeld in der Brieftasche (ich schreibe lieber nicht Portmonä, das kann ich in neuer Rechtschreibung nicht…) in die Stadt zum Einkaufen. Die Geldmenge ist zunächst mal – wenn ihr keine illegale Gelddruckerei im Keller habt – eine Erhaltungsgröße, aber in eurer Brieftasche stellt ihr fest, dass die Geldmenge immer weiter abnimmt und einem Minimum entgegenstrebt. Es hängt eben auch hier davon ab, welche Geldmengen ihr betrachtet und welche ihr ausklammert.
Nun könnte jemand sagen, dass man ja genausogut die kinetische Energie ignorieren könnte und nur potentielle und Wärmeenergie angucken könnte. Würde doch auch gehen, oder? Warum tun wir das nie?
Wärmeenergie ist etwas besonderes
Wärmeenergie hat eine besondere Eigenschaft: Man kann sie nicht vollständig in andere Energieformen umwandeln. Wenn wir erst einmal unsere anfängliche potentielle Energie in Wärmeenergie umgewandelt haben, dann können wir diese Wärmeenergie nicht vollständig wieder zurück in potentielle Energie verwandeln. Wir könnten zwar z.B. mit dem jetzt leicht erwärmten Ball eine Dampfmaschine oder etwas Ähnliches betreiben, aber dabei können wir nie die gesamte Energie zurückgewinnen. (Eine Maschine, die das könnte, wäre ein Perpetuum mobile der 2. Art, während ein Perpetuum mobile der 1. Art einfach Energie aus dem Nichts erzeugt und so die Energieerhaltung verletzt. Beides ist nicht möglich.)
Wärmeenergie ist sozusagen eine “Verlustenergie”. Anschaulich liegt das daran, dass Wärmeenergie auf der ungeordneten Bewegung von Atomen beruht, und diese Unordnung müsste man wieder ordnen, um die Energie vollständig zurückzubekommen. Das hängt mit dem berühmten Begriff der Entropie zusammen, den ich auch schon mal ausführlich diskutiert habe.
Weil also Energie, die in Wärme übergegangen ist, nicht wieder voll zurückgewonnen werden kann (und ohne spezielle Maßnahmen typischerweise gar nicht wiedergewonnen wird), ist es oft sinnvoll, die Wärmeenergie aus einer Energiebilanz auszuklammern. Wenn man das tut, dann sagt man “Systeme tendieren dazu, ihre Energie zu minimieren”.
Das funktioniert aber nach dieser Logik nur für dissipative Systeme – solche, bei denen Energie in Wärme übergeht. Aber beobachten wir die Energieminimierung nicht auch bei einzelnen Atomen? Wie passt das zusammen?
Das einsame Atom und sein Grundzustand
Betrachten wir ein einzelnes Proton, das im Weltall schwebt. In großer Entfernung zum Proton befindet sich ein ruhendes (relativ zum Proton) Elektron. Durch die elektrische Anziehung werden die beiden sich aufeinander zu bewegen, und das Elektron wird schließlich – unter Aussendung von einem oder mehreren Photonen – in den Grundzustand, den Zustand mit der niedrigst-möglichen Energie übergehen; ein Wasserstoffatom hat sich gebildet. Egal wie lange wir jetzt warten, das Elektron wird nicht wieder aus dem Grundzustand entkommen können, denn dazu fehlt ihm die Energie. Wasserstoffatome im Grundzustand sind stabil.
Auch hier haben wir also einen Fall, in dem die Energie minimiert wird – Atome neigen dazu, in den Grundzustand zu gehen. Wie passt das zu dem, was ich oben geschrieben habe?
Nun, zunächst mal ist die Energie des Gesamtsystems natürlich erhalten – die ausgesandten Photonen tragen Energie weg und die Gesamtenergie Elektron+Photon+Proton bleibt erhalten. In der Minimierungsbetrachtung haben wir das Photon ignoriert, weil es abgestrahlt wird und entsprechend nie wiederkommt; für unser Wasserstoffatom ist es also irrelevant.
In einem Fall wie diesem strebt das Atom also tatsächlich einen Zustand minimaler Energie an. Das liegt aber auch wieder daran, dass in diesem System Energie nur verloren gehen kann, aber nie dazukommt.
Der einzelne Prozess – ein Elektron sendet ein Photon aus und fällt in den Grundzustand – ist perfekt umkehrbar (und ist in der Richtung auch genauso wahrscheinlich), ein Elektron kann also auch ein Photon absorbieren und dabei in einen angeregten Zustand übergehen. Das funktioniert aber eben nicht, wenn keine Photonen zum Absorbieren da sind.
Packt ihr euer Atom allerdings in einen Strahlungsofen, der mit thermischer Strahlung angefüllt ist, dann wird das Atom immer wieder durch die Photonen der Strahlung angeregt, es absorbiert ein Photon, kommt in den angeregten Zustand, bleibt eine Weile dort, und fällt dann wieder in den Grundzustand, wobei es ein Photon aussendet. Je nach Temperatur des Ofens ist das Atom jetzt einen bestimmten Prozentsatz seiner Zeit im angeregten Zustand. (Wie groß dieser Prozentsatz ist, regelt die berühmte Boltzmann-Formel p~exp(-E/kT), p: Wahrscheinlichkeit, E: Energie, T: Temperatur, k: Boltzmann-Konstante.) In diesem Fall ist es nicht mehr sinnvoll, davon zu sprechen, dass das Atom immer den Zustand der niedrigsten Energie anstrebt.
Selbst mit der Kugel im Sombrero funktioniert das – zumindest im Prinzip. Packt ihr Kugel und Hut in einen hinreichend heißen Ofen, dann wird durch die Atome, die thermisch hin- und herschwingen, Energie auf die Kugel übertragen und sie liegt nicht mehr die ganze Zeit genau im Minimum, sondern zittert ein wenig um dieses Minimum herum. (Um die Kugel bis zur Spitze des Sombreros zu heben, braucht ihr allerdings einen ziemlich heißen Ofen.)
Solange Elektron und Proton sich aber ohne Strahlungsofen im Vakuum befinden, können sie keine Photonen absorbieren, sondern nur welche emittieren, die dann auf Nimmerwiedersehen verschwinden. In der Sprache der Thermodynamik könnte man auch sagen, die beiden befinden sich in einem Strahlungsofen am absoluten Nullpunkt, der die ausgesandten Photonen verschluckt.
Bindungsenergie
Wenn das Elektron und das Proton ein Wasserstoffatom bilden, dann wird dabei – wir wir gesehen haben – Energie frei; ein Photon wird ausgesandt. Die Energie des Wasserstoffatoms ist deswegen also kleiner als die eines getrennten Protons und Elektrons. Die Energiedifferenz ist die Bindungsenergie – sie ist negativ, weil wir dem System Energie zuführen müssen, um die beiden wieder zu trennen.
Bei der Kugel und dem Sombrero war das ganz ähnlich – die Kugel ist ja sozusagen an die Krempe “gebunden” und kann ohne äußere Energiezufuhr nicht rausrollen, wenn sie erst einmal dort liegt. Auch hier brauchen wir zusätzliche Energie, um die Kugel wieder aus dem Zustand mit der niedrigen Energie herauszuholen
Bindungsenergien werden normalerweise auf den ungebundenen Zustand bezogen – das ist typischerweise der, bei dem die Bindungspartner sehr weit voneinander entfernt und in Ruhe sind. Da sich die Partner anziehen, bekommen sie kinetische Energie, wenn sie sich aufeinander zu bewegen. Wenn es einen Mechanismus gibt, mit dem sie Energie loswerden können (so wie das Elektron, das ein Photon abstrahlt), dann kommt es zu einer echten Bindung; wenn das nicht der Fall ist, dann laufen die Bindungspartner aufeinander zu, entfernen sich dann aber wieder voneinander – so wie die Kugel ohne Reibung in die Krempe hinein- dann aber auch wieder herausrollt. In der Astronomie kann so etwas passieren, wenn zwei Himmelskörper sich anziehen, aber zu Beginn (wenn sie weit voneinander entfernt sind) eine Relativbewegung zueinander haben: Dann stürzen sie nicht direkt aufeinander, sondern beschreiben eine gekrümmte Bahn (parabel- oder hyperbelförmig, abhängig von der Anfangsenergie) und entfernen sich wieder voneinander.
Eine echte Bindung liegt aber nur dann vor, wenn die beiden Körper sich nicht wieder beliebig weit voneinander entfernen können – wenn also irgendwie Energie abgegeben werden kann. Die Bindungsenergie ist dann negativ.
Wegen der berühmten Gleichung E=mc2 ist übrigens nicht nur die Energie, sondern auch die Masse eines Wasserstoffatoms kleiner als die Masse eines Protons und eines Elektrons, die für sich allein betrachtet werden. Die Massendifferenz ist allerdings extrem klein (etwa 1/37000 einer Elektronmasse) und deswegen nicht messbar. Anders ist das bei Atomkernen – beim Heliumkern ist die Massendifferenz gegenüber den Bestandteilen etwa 1% der Gesamtmasse. Deswegen wird bei Kernfusion viel Energie frei – die Sonne strahlt soviel Energie ab, dass sie pro Sekunde 4 Millionen Tonnen an Masse verliert.
Fazit
Also: Wenn ihr ein abgeschlossenes System betrachtet, in das nichts rein und aus dem nichts raus kann, dann könnt ihr mit der Energieerhaltung argumentieren. Das ist sozusagen die fundamentalste Betrachtungsweise.
Wenn ihr dagegen einige Energieformen ignoriert (wie z.B. Wärme oder abgestahlte Photonen), dann betrachtet ihr kein abgeschlossenes, sondern ein offenes System. Offene Systeme streben häufig zum energetischen Minimum (aber nicht immer – denkt an die Planeten auf ihren Bahnen), wenn Energie verloren geht, aber nicht hinzukommt. In solchen dissipativen Systemen, bei denen Energie verlorengeht, ist das energetische Minimum also der typische Zustand, aber es mag durchaus sehr lange dauern, bis dieser erreicht wird (so wie die Zeit, die die Kugel braucht, um zur Ruhe zu kommen, davon abhängt, wie groß die Reibung ist).
Handelt es sich um Objekte, die Energie abgeben, wenn sie sich annähern (binden), dann entspricht diese abgegebene Energie der Bindungsenergie. Das gebundene System hat weniger Energie als vorher, deswegen ist es sinnvoll, Bindungsenergien negativ zu rechnen, das passt auch gut zum Bild der Kugel.
Sind offene Systeme dagegen im Kontakt mit einem Wärmebad (so wie unser Atom im Strahlungsofen), dann wird die Energie nicht minimiert, bleibt aber auch nicht immer erhalten, weil Energie mit dem Wärmebad in beide Richtungen ausgetauscht werden kann. In diesem Fall müsst ihr die Thermodynamik bemühen, weil jetzt zusätzlich zur Energie auch die Entropie eine Rolle spielt. Es gibt hier immer noch eine Größe, die minimiert wird, das ist die Freie Energie (die nichts mit der Nullpunktsenergie oder wundersamen energieerzeugenden Maschinen zu tun hat, die ihr unter diesem Namen auch findet).
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