Eidechsen sind ja ziemlich agile Tiere und oft auch gute Kletterer und Springer. Lange Zeit war bei den Biomechanikern umstritten, ob und wie stark sie dazu ihren Schwanz benötigen. Ein ausgeklügeltes Experiment und ein kleiner Roboter zeigen, wie Eidechsen ihren Schwanz quasi als Lagekontrolle einsetzen.
Die Aufgabe, um die es geht, ist recht einfach: Eine Eidechse läuft über einen flachen Untergrund und soll von da aus an eine senkrechte Wand springen. Für eine Agame (wie sie in diesem Experiment eingesetzt wurden) ein absolutes Kinderspiel – sie stößt sich einfach so vom Boden ab, dass sich dabei ihr Körper dreht und springt dann mit bereits rotiertem Oberkörper ab:
Anmerkung:Leser Knackbock macht zu Recht darauf aufmerksam, dass der Begriff “Eidechse” hier nicht im zoologischen Sinn zu verstehen ist – dort gibt es die “echten Eidechsen” (Lacertidae) als echte monophyletische Gruppe, eine Untergruppe der Schuppenkriechtiere (Squamata), zu denen auch die Schlangen und Warane gehören. Agamen sind Squamata, aber keine echten Eidechsen – der Begriff ist hier also eher umgangssprachlich zu verstehen.
Schwieriger wird die Sache, wenn der Untergrund rutschig ist. Jetzt gelingt es der Agame nicht mehr, sich so abzustoßen, dass sich der Oberkörper in die aufrechte Lage umorientiert. Muss das arme Tier jetzt befürchten, sich den Kopf an der Wand anzustoßen?
Nein – denn es kann seinen Schwanz einsetzen, um den Körper zu drehen:
Die Physik dahinter ist recht einfach zu verstehen – es ist nichts als die berühmt-berüchtigte Drehimpulserhaltung. Wenn die Eidechse gerade durch die Luft segelt und sich nirgends abstoßen kann (die Luft ist etwas zu dünn dafür), dann kann sie ihren Körper natürlich nicht einfach so drehen. Ein sich drehendes Objekt hat einen Drehimpuls, der genau ein Maß dafür ist, wie “stark” sich dieses Objekt dreht, und in einem abgeschlossenen System ist der Gesamtdrehimpuls erhalten.
Wenn ihr einen einigermaßen gut geölten Drehstuhl parat habt, könnt ihr die Drehimpulserhaltung selbst ausprobieren. Nehmt die Füße vom Boden, haltet euch auch nirgendwo fest und versucht, den Drehstuhl zum Drehen zu bringen, indem ihr irgendwie mit Armen und Beinen zappelt. Das sollte ziemlich schwierig sein – auf einem perfekt geölten Drehstuhl wäre es sogar unmöglich, aber da reale Drehstühle immer etwas Reibung haben, schafft man es mit etwas Mühe doch, den Drehstuhl ein bisschen in Gang zu bekommen.
Unserer Eidechse geht es genauso – auch sie möchte ihren Körper gern drehen, hat aber auch nichts zum Abstoßen. Um die Drehung trotzdem hinzubekommen, nutzt sie ihren Schwanz.
Auch das könnt ihr auf dem Drehstuhl leicht nachvollziehen – am besten nehmt ihr dazu zwei schwere Bücher, in jede Hand eins. Wenn ihr beide Arme zu den Seiten ausstreckt und dann nach vor bewegt, dreht sich der Stuhl nicht. Streckt ihr dagegen nur einen Arm zur Seite und bewegt ihn nach Vorn, dann dreht sich der Stuhl ein bisschen in die entgegengesetzte Richtung.
Genauso macht es auch die Eidechse oben im Bild – wenn sie ihren Schwanz nach oben bewegt, dann dreht er sich im Bild im Uhrzeigersinn. Der Körper der Eidechse dreht sich entsprechend gegen den Uhrzeigersinn, also auch mehr in die vertikale Richtung. Weil der Körper schwerer ist als der Schwanz (um genau zu sein: Weil sein Trägheitsmoment größer ist), muss sie den Schwanz um einen großen Winkel drehen, um eine kleinere Körperdrehung zu bewirken.
So weit, so nett. Aber ist das jetzt wirklich eine Veröffentlichung in Nature wert – dem wohl bedeutendsten Wissenschaftsjournal überhaupt?
Für sich allein genommen sicher noch nicht. Aber die ForscherInnen gaben sich damit auch nicht zufrieden. Sie untersuchten das Abspringen der Eidechsen im Detail und vor allem quantitativ, um genau herauszubekommen, wie stark die Eidechsen abhängig von der Rutschigkeit des Untergrunds ihren Schwanz drehten und wie groß dabei die resultierende Körperdrehung war. Daraus leiteten sie dann ein mathematisches Modell ab.
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