O.k., ich geb’s zu – da Kühlschränke eh immer zu klein sind, wenn man mal wieder versucht, den Einkauf oder die Essensreste unterzubringen, ist es praktisch gesehen eigentlich ziemlich unsinnig, sich darüber Gedanken zu machen, ob man auch einen mikroskopisch kleinen Quantenkühlschrank bauen kann. Trotzdem, zumindest theoretisch ist das Problem des kleinsten möglichen Kühlschranks gelöst – sein “Kühlaggregat” besteht aus insgesamt drei einzelnen Quanten; dennoch arbeitet er mit maximaler Efiizienz.

Ein Kühlschrank entzieht ja einem ohnehin schon kühleren Bereich (nämlich dem Kühlschrankinneren) Wärme und transportiert diese nach außen (in eure Küche). Das ist nicht gerade das normale Verhalten von unterschiedlich warmen Systemen, denn normalerweise fließt Wärme vom wärmeren zum kälteren Bereich, so dass sich die Temperaturen angleichen. Das jedenfalls ist die Aussage des 2. Hauptsatzes der Thermodynamik. Fließt Wärme vom wärmeren zum kälteren Körper, dann steigt die Entropie – fließt sie in die andere Richtung, dann sinkt die Entropie dagegen ab.

Aber bevor ihr jetzt auf einen Nobelpreis hofft – nein, euer Kühlschrank ist keine unglaubliche Widerlegung der Thermodynamik. Er senkt zwar tatsächlich lokal die Entropie, aber das tut er nicht einfach so – vielleicht ist euch schon mal aufgefallen, dass an jedem Kühlschrank immer so eine lange Schnur dran ist, die am Ende zwei Zapfen hat, und dass euer Kühlschrank nur dann funktioniert, wenn ihr die in ein passendes Loch in der Wand steckt. Von dort bezieht der Kühlschrank Energie – die wiederum stammt aus irgendeinem Kraftwerk, das seinerseits die Entropie erhöht (oder wiederum seine Energie aus der Sonne bezieht, dann ist es deren Entropie, die ansteigt). Durch Zufuhr von Energie kann man also Wärme in die “falsche” Richtung pumpen, ohne Ärger mit der Thermodynamik zu bekommen.

Die Thermodynamik sagt euch auch, wie groß genau der Wirkungsgrad eines Kühlschranks maximal sein kann, also wieviel Energie ihr reinstecken müsst, um wie viel Wärme vom kalten in den warmen Bereich zu bekommen. (Wenn ihr einen Kühlschrank bauen könnt, der einen höheren Wirkungsgrad hat, dann könnt ihr euch doch für den Nobelpreis anmelden.)

Ein typischer Haushaltskühlschrank ist ein Kompressorkühlschrank, der der zu kühlenden Seite Wärme entzieht, indem eine Flüssigkeit verdampft wird. Ein Kompressor drückt das entstehende Gas zusammen (dabei heizt es sich auf) und auf der warmen Seite bei hohem Druck kondensiert das Gas wieder zur Flüssigkeit, die dann – nach einem Druckminderer – wieder mit dem kühlen Bereich in Kontakt kommt. Dieses Bild von Wikipedia veranschaulicht das:

Schema Kompressionskältemaschine.png
Von Benutzer:Hadhuey – selbst erstellt, PD-Schöpfungshöhe, Link

Da man es hier mit dem Hin- und Herpumpen eines Gases zu tun hat, könnte man annehmen, dass so eine Kältemaschine nur funktioniert, wenn man es mit einem thermodynamischen System zu tun hat , also einem Gas oder etwas ähnlichem, das aus sehr vielen Atomen besteht.

Eine neue Arbeit zeigt nun aber, dass das nicht der Fall ist – ein Kühlschrankaggregat kann aus drei Quanten (also beispielsweise drei Atomen) bestehen, die jeweils im Kontakt mit unterschiedlichen Wärmebädern stehen. Die Arbeit ist im Journal of Physics erschienen, aber es gibt eine sehr nette Zusammenfassung bei nature, aus der auch das folgende Bild stammt (zum Vergößern anklicken):

fridgegate

Wir haben zunächst ein Atom, das im Kontakt mit dem zu kühlenden Innenraum steht, der eine bestimmte – niedrige – Temperatur hat. Dieses Atom kann zwei Zustände einnehmen, den energetisch niedrigen Grundzustand (g) und den energetisch höheren angeregten Zustand (e=excited).

Nehmen wir an, dass das Atom anfänglich im Grundzustand ist – durch den Kontakt mit dem Innenraum, der ja eine endliche Temperatur hat, gibt es eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass das Atom energetisch angeregt wird. Man kann sich beispielsweise vorstellen, dass die Atome im Innenraum mit unserem Atom zusammenstoßen und dabei Energie übertragen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert, folgt der berühmten Boltzmann-Formel.

Wenn unser System abgeschlossen ist, dann wird unser Atom manchmal durch die Gasatome im Kühlraum angeregt, aber natürlich fällt es dann nach einiger Zeit auch ganz von selbst wieder in den Grundzustand und gibt die Energie wieder ab. Damit das Atom als Kühlaggregat funktionieren kann, muss es eine Verbindung nach außen bekommen.

Dazu führen wir zunächst ein zweites Atom (im Bild oben mit “outside” markiert) ein. Dieses “wohnt” in einem etwas wärmeren Wärmebad – quasi der wärmeren Küche. Auch dieses Atom hat einen angeregten Zustand, aber die Energie dieses Zustands ist deutlich höher. Wenn es angeregt wird und dann in den Grundzustand zurückfällt, dann heizt es die Umgebung auf.

Um jetzt den Kühlschrank betreiben zu können, brauchen wir noch die Energiequelle. Statt einer Steckdose nehmen wir ein drittes Wärmebad, das eine noch höhere Temperatur hat. Dort wohnt Atom Nummer drei (“power supply”). Auch das hat einen angeregten Zustand, und dessen Energie wird gerade so gewählt, dass die Energie dieses angeregten Zustands plus der Energie des angeregten Zustands von Atom 1 genau gleich der Anregungsenergie von Atom 2 ist.

Wenn jetzt (Mitte des Bildes) Atom 1 und 3 thermisch angeregt werden, aber Atom 2 gerade im Grundzustand sitzt, dann können die drei ihre Energie austauschen: 1 und 3 schmeißen ihre Energie zusammen und heben damit 2 in den angeregten Zustand. Das erreichen wir über eine Kopplung der drei Atome, im Bild “fridge gate” genannt. (Zum Namen später mehr.)

Damit haben wir Energie aus dem Kühlschrankinneren auf das äußere Wärmereservoir übertragen – den 2. Hauptsatz haben wir nicht verletzt, weil auch zusätzlich Energie vom ganz heißen Wärmebad mit Atom 3 übertragen wurde.

Jetzt sind wir ganz rechts im Bild – dort bleiben wir aber nicht. Weil der Übergang in ein angeregtes Niveau um so wahrscheinlicher wird, je höher die Temperatur und je kleiner die Anregungsenergie ist, wird Atom 3 mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit wieder angeregt werden, während Atom 2 in den Grundzustand zurückfällt. In diesem Zustand (1 im Grundzustand, 2 im Grundzustand, 3 im angeregten) kann keine Energie übertragen werden, weil die Energiedifferenzen nicht passen, aber sobald – per Zufall – Atom 1 angeregt wird, kann der Prozess wieder von Vorn anfangen.

Natürlich können wir auch mal Pech haben und per Zufall fällt Atom 3 in den Grundzustand, während Atom 2 angeregt wird und 1 auch gerade im Grundzustand ist. Dann würde der Kühlschrank rückwärts laufen (im Bild vom rechten Zustand zum mittleren), Atom 1 würde angeregt und würde dann seine Energie nach Innen abgeben. Aber durch geeignete Wahl der Temperaturen der drei Reservoirs und der Werte der Energieniveaus kann man erreichen, dass diese Situation unwahrscheinlicher ist als die, bei der Wärme aus dem Kühlschrankinneren herausgepumpt wird. (Im paper ist das Gleichung (13).)

Man kann also ein Kühlaggregat aus nur drei Quanten (gekoppelt an die entsprechenden Wärmereservoire) bauen – weniger geht nicht, wenn ich es richtig sehe, denn ein Quant muss die Energie aus dem Innern des Kühlschranks ja aufnehmen, ein zweites muss sie in der Küche wieder abgeben, und irgendwie muss man auch noch Energie zuführen.

Mit diesem Modell lässt sich auch vergleichsweise einfach die Effizienz des Quantenkühlschranks berechnen. Sie ist gegeben durch das Verhältnis der Energien von Atom 1 und 3: η=E1/E3.

Dieses Verhältnis kann man aber nicht beliebig wählen, denn hier kommt die oben erwähnte geeignete Wahl der Energieniveaus ins Spiel: Macht man E1/E3 zu groß, dann läuft der Kühlschrank “rückwärts” – es ist wahrscheinlicher, dass Wärme ins Innere hineingepumpt wird als heraus. Der maximale Wert für das Verhältnis der Energieniveaus hängt von der Temperatur ab (eben über die Boltzmann-Formel) – und tatsächlich kommt genau derselbe Maximalwert heraus wie in der normalen Thermodynamik, die ja für große Systeme gilt. Quantenkühlschränke sind also nicht besser als normale (sonst gäbe es jetzt einen Nobelpreis zu verteilen), aber auch nicht schlechter.

Bleibt mir noch, das mysteriöse Wort “fridge gate” zu erklären – “fridge” heißt Kühlschrank, aber warum “gate” (=Tor)? Die Antwort liegt darin, dass hier drei simple Elemente aneinander gekoppelt werden, deren Endzustand sich dann abhängig vom Anfangszustand einstellt. Genau so funktionieren ja auch Schaltungen in der Informatik (wer’s genau wissen will, kann bei Marcus nachlesen) – und die bezeichnet man als “gates”, zu Deutsch “Gatter”.

Dass es generell einen Zusammenhang zwischen Thermodynamik und Informatik (Information) gibt, ist ja schon länger bekannt – hier sieht man jetzt, dass man ganz ähnliche Operationen auch direkt für Wärmemaschinen einsetzen kann.


Skrzypczyk, P., Brunner, N., Linden, N., & Popescu, S. (2011). The smallest refrigerators can reach maximal efficiency Journal of Physics A: Mathematical and Theoretical, 44 (49) DOI: 10.1088/1751-8113/44/49/492002

 

R. Renner, “The fridge gate”, Nature 482, Feb. 2012

(Aus diesem Artikel ist auch das zweite Bild entnommen.)

Kommentare (9)

  1. #1 ZielWasserVermeider
    17. Februar 2012

    COOOL!!1ELF!11(Passt hier ja;)

    Na .. wenn die Chipstrukturen immer kleiner werden findet diese Sache dann vielleicht auch Anwendung. Falls das möglich ist….

    Gruß
    Oli

  2. #2 MartinB
    17. Februar 2012

    @ZWV
    Ja, ich habe mich auch gefragt, ob man damit irgendwie gleichzeitig einen Rechenprozess betreiben und Wärme loswerden könnte, aber ich glaube, das geht nicht ohne weiteres, weil man dazu die Energie ja transportieren muss. Von einer echten Anwendung stand jedenfalls nirgends was.

  3. #3 engywuck
    18. Februar 2012

    rechnen, indem man einfach den Computer in eine Tasse heißen Tee hängt hätte was (wenn wir schon keinen endlichen Unwahrscheinlichkeitsgenerator haben…)

    Zum Thema drei Atome: ich frage mich gerade schon die ganze Zeit, ob man nicht mehrere Quantenzustände in ein und demselben Atom nutzen könnte, z.B. für 2 und 3 (grob nach dem Prinzip Elektron in Schale A fällt us Feinstruktur A’ zurück und regt dabei Elektron in Schale B zu B’ an, oder auch gleichzeitige Kern- und Elektronenanregungen), aber vermutlich ist das Blödsinn und der Uhrzeit geschuldet.

  4. #4 MartinB
    18. Februar 2012

    @engywuck
    Ich glaube, das geht deswegen nicht, weil die beiden Energiezustände 2 und 3 ja in unterschiedlichen Wärmebädern hängen müssen – das dürfte bei den Schalen eines Atoms schwierig sein.

  5. #5 engywuck
    18. Februar 2012

    das ist mir inzwischen auch gekommen… Andererseits muss “Wärmebad” ja nicht notwendigerweise “Energieübertragung durch Stöße” bedeuten, oder? in diesem Fall könnten *möglicherweise* zwei Lichtstrahlen mit genügend unterschiedlichem Maximum der Verteilung (Laser?) ausreichend sein. Würde die Effizienz aber nicht notwendigerweise erhöhen 😀

  6. #6 CMS
    18. Februar 2012

    So, aber die ultimative Frage, die ich mir jetzt stelle ist ja: Kann man das auch in der Praxis skaliert einsetzen? Also Kühlschränke ohne Kompressoren etc. die ja – meines Wissens nach – nicht sooo toll Energieeffizient sind.

  7. #7 MartinB
    18. Februar 2012

    @engywuck
    Du meinst, statt des heißen Wärmebads in passender Laser? Interessante Idee – ich weiß nicht, ob das geht, denn der Laser würde ja das Atom auch zur Absorption anregen und Absorption überwiegt normal ja die Emission (außer im Laser selbst, wo ich ne Besetzungsinversion habe, aber das geht bei einem einzelnen Atom wohl nicht.) Bin aber nicht sicher.

    @CMS
    Ich glaube, da gibt es bessere Techniken – meines Wissens kann man Kühlschränke auchheute schon dicht am theoretischen Limit bauen.

  8. #8 Martin Haug
    18. Februar 2012

    Wie kann ich mir bei Atomen denn Wärmebäder vorstellen? Ein Atom sollte doch lediglich von anderen Atomen umgeben sein und ansonsten im leeren Raum schweben. Nur Wärme ist ja schon an etwas gebunden, was warm sein kann (da bleibt ein Atom) also müsste das Atom in irgendeiner kleineren Struktur eingebettet sein, so wie ein Frühstücksei im kochenden Wasser.
    Wie also kann die Umgebung der Atome heiß sein, ohne mehr als die drei Atome zu involvieren?

    Und zweite Frage: In dem Artikel wird nicht ganz klar, an welcher Stelle die von Atom 3 zugeführte Energie benötigt wird. Also dass sie benötigt wird ist logisch, sonst wäre das ja ein Perpetuum Mobile. 🙂
    Aber wo genau kommt die Notwendigkeit zum tragen?

  9. #9 MartinB
    19. Februar 2012

    @Martin
    Zu Frage 1: Stell dir vor, das Atom wäre zum Beispiel an der Oberfläche eines gasgefüllten Behälters verankert, dann bekommt es durch Stöße mit den Gasmolekülen Energie übertragen. (Verankern tue ich das Atom, damit es nicht Energie in kinetische Energie umsetzen kann.)

    Die Umgebung der Atome involviert mehr als drei Atome, sie ist ein thermodyanmisches System. Aber das Kühlaggregat selbst, das den Energieaustausch steuert, besteht nur aus den drei Atomen.

    Zu Frage 2: Das Dritte Atom wird benötigt, damit wir Atom 2 vom Grund in den angeregten Zustand bekommen: Es ist ja E1+E3=E2.
    Ohne das dritte Atom geht es nicht, wenn ich dann Energie von Atom 1 nach 2 übertragen wollte, dann müste E1=E2 sein, aber dann würde der Prozess mit genau gleicher Wahrscheinlichkeit in beide Richtungen ablaufen.

    Ist es jetzt klarer?