Die gute Orientierung der Kollagenfasern sorgt für eine hohe Zugfestigkeit in Längsrichtung, der höhere Anteil an Keramik für eine hohe Druckfestigkeit. Da Knochen meist auf Biegung belastet wird, sind Zug- und Druckfestigkeit beide gleich wichtig (denn beim Biegen eines Stabs wird ja eine Seite gedehnt, eine gestaucht). Primär-lamellarer Knochen hat also wesentlich bessere mechanische Eigenschaften als Geflechtknochen.
Diese besseren Eigenschaften sind allerdings mit einem Nachteil verbunden: Wenn die Osteoblasten das Kollagen nicht einfach kreuz und quer in der Gegend verteilen, sondern saubere Lamellen bauen, dann dauert das deutlich länger. Die Wachstumsgeschwindigkeit liegt bei wenigen Mikrometern pro Tag.
Und das ist verdammt langsam – bei 1µm/Tag braucht man drei Jahre, um einen Millimeter Knochen aufzubauen. Wenn ihr ein nesthockender Mensch seid, dann könnt ihr es euch problemlos leisten, wenn es ein paar Jahre dauert, bis eure Knochen ihre volle Festigkeit bekommen – als Gnu in der Steppe oder Straußenküken in der Savanne müsst ihr aber zügig laufen können, sonst seid ihr Hyänenfutter. Geflechtknochen wäre eine Alternative, aber dessen mechanische Eigenschaften sind zu schlecht, als dass ein Gnukalb damit gut herumlaufen könnte.
Das Problem kommt offensichtlich dadurch zu Stande, dass Knochen immer nur an der Oberfläche wächst. Und damit zeigt sich auch schon der geniale Lösungsweg: Man muss mehr Oberfläche schaffen. Dieser Trick führt zur dritten Knochenstruktur, den fibro-lamellaren (oder plexiformen) Knochen.
Hier wird zunächst eine lockere Matrix aus Geflechtknochen gelegt, in der große Lücken bleiben. Während die Matrix weitergebaut wird (und der Knochendurchmesser deshalb rapide zunimmt), werden die Lücken in aller Ruhe mit Lamellenknochen aufgefüllt (Schema-Bild abgezeichnet nach Currey, 2002).
Die Wachstumsrichtung ist im Bild von unten nach oben – weil Knochen nur an der Oberfläche wächst, kann man deswegen von oben nach unten den Zeitableuf verfolgen.
Weil viele Lücken gleichzeitig da sind, ist die niedrige Wachstumsgeschwindigkeit an jeder einzelnen Oberfläche kein Problem mehr. (Wenn ich es richtig sehe, machen einige Biologinnen noch einen Unterschied zwischen plexiform und fibrolamellar und bezeichnen Varianten dieses Typs jeweils unterschiedlich, aber das spare ich mir hier.) Das Ergebnis dieses Wachstumsprozesses sieht so aus:
Fibro-lamellaren Knochen findet man erwartungsgemäß bei schnell wachsenden Tieren wie Huftieren oder einigen Vögeln und auch bei vielen Sauriern (was tatsächlich der Auslöser für diesen Text war – ich habe nämlich gleich zwei interessante Paper über Knochenstrukturen von Sauriern, über die ich bloggen wollte). Von den mechanischen Eigenschaften her ist er von allen Knochenarten die beste: Er hat die höchste Steifigkeit und Festigkeit.
Trotzdem bleibt es nicht beim fibrolamellaren Knochen. Wie alle anderen Knochenarten auch wird auch dieser Knochen im Laufe des Lebens umgebaut und es entsteht die vierte Knochenart: der sekundär lamellare (oder einfach sekundäre) Knochen.
Um Knochen umzubauen und ihm eine neue Struktur zu geben, muss natürlich zunächst mal alter Knochen abgebaut werden. Dafür sorgen die Gegenspieler der Osteoblasten, die Osteoklasten. So sehen sie aus
(Die Namen kann man sich übrigens leicht so merken: Osteoblasten bauen Knochen, Osteoklasten machen Knochen kaputt.) Osteoklasten setzen sich auf ein Stück Knochenoberfläche und traktieren es mit Salzsäure und kollagenauflösenden Enzymen. Hier ein detailliertes Schema-Bild
By Cellpath (talk) – Cellpath (talk), CC BY-SA 3.0, Link
Auf diese Weise wird Knochen also abgebaut und kann dann durch Osteoblasten wieder neu aufgebaut werden. Meist arbeiten Osteoblasten und Osteoklasten eng zusammen, in einer so genannten BMU (“basic multicellular unit” = “Mehrzelleneinheit”). Die Osteoklasten fressen einen Tunnel durch den Knochen (mit einer Geschwindigkeit von so etwa 40µm am Tag), dessen Seitenwände dann von den Osteoblasten mit neuem Knochen zugemauert werden. (Weil die Osteoblasten den Knochen langsamer aufbauen, als die Osteoklasten ihn fressen können, ist der BMU-Tunnel ziemlich lang, das Bild ist nicht maßstabsgetreu.) So etwa sieht so ein Tunnel im Längsschnitt aus:
Kommentare (12)