i-870d359a38cc44069fbdc4f9d396b3f5-circumferentialLamellar-thumb-550x420.jpg

 

Die gute Orientierung der Kollagenfasern sorgt für eine hohe Zugfestigkeit in Längsrichtung, der höhere Anteil an Keramik für eine hohe Druckfestigkeit. Da Knochen meist auf Biegung belastet wird, sind Zug- und Druckfestigkeit beide gleich wichtig (denn beim Biegen eines Stabs wird ja eine Seite gedehnt, eine gestaucht). Primär-lamellarer Knochen hat also wesentlich bessere mechanische Eigenschaften als Geflechtknochen.

Diese besseren Eigenschaften sind allerdings mit einem Nachteil verbunden: Wenn die Osteoblasten das Kollagen nicht einfach kreuz und quer in der Gegend verteilen, sondern saubere Lamellen bauen, dann dauert das deutlich länger. Die Wachstumsgeschwindigkeit liegt bei wenigen Mikrometern pro Tag.

Und das ist verdammt langsam – bei 1µm/Tag braucht man drei Jahre, um einen Millimeter Knochen aufzubauen. Wenn ihr ein nesthockender Mensch seid, dann könnt ihr es euch problemlos leisten, wenn es ein paar Jahre dauert, bis eure Knochen ihre volle Festigkeit bekommen – als Gnu in der Steppe oder Straußenküken in der Savanne müsst ihr aber zügig laufen können, sonst seid ihr Hyänenfutter. Geflechtknochen wäre eine Alternative, aber dessen mechanische Eigenschaften sind zu schlecht, als dass ein Gnukalb damit gut herumlaufen könnte.

Das Problem kommt offensichtlich dadurch zu Stande, dass Knochen immer nur an der Oberfläche wächst. Und damit zeigt sich auch schon der geniale Lösungsweg: Man muss mehr Oberfläche schaffen. Dieser Trick führt zur dritten Knochenstruktur, den fibro-lamellaren (oder plexiformen) Knochen.

Hier wird zunächst eine lockere Matrix aus Geflechtknochen gelegt, in der große Lücken bleiben. Während die Matrix weitergebaut wird (und der Knochendurchmesser deshalb rapide zunimmt), werden die Lücken in aller Ruhe mit Lamellenknochen aufgefüllt (Schema-Bild abgezeichnet nach Currey, 2002).

i-2e0be027219b10b85ca9d0f36117a028-fibrolamellarKnochen.jpg

Die Wachstumsrichtung ist im Bild von unten nach oben – weil Knochen nur an der Oberfläche wächst, kann man deswegen von oben nach unten den Zeitableuf verfolgen.

Weil viele Lücken gleichzeitig da sind, ist die niedrige Wachstumsgeschwindigkeit an jeder einzelnen Oberfläche kein Problem mehr. (Wenn ich es richtig sehe, machen einige Biologinnen noch einen Unterschied zwischen plexiform und fibrolamellar und bezeichnen Varianten dieses Typs jeweils unterschiedlich, aber das spare ich mir hier.) Das Ergebnis dieses Wachstumsprozesses sieht so aus:

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Fibro-lamellaren Knochen findet man erwartungsgemäß bei schnell wachsenden Tieren wie Huftieren oder einigen Vögeln und auch bei vielen Sauriern (was tatsächlich der Auslöser für diesen Text war – ich habe nämlich gleich zwei interessante Paper über Knochenstrukturen von Sauriern, über die ich bloggen wollte). Von den mechanischen Eigenschaften her ist er von allen Knochenarten die beste: Er hat die höchste Steifigkeit und Festigkeit.

Trotzdem bleibt es nicht beim fibrolamellaren Knochen. Wie alle anderen Knochenarten auch wird auch dieser Knochen im Laufe des Lebens umgebaut und es entsteht die vierte Knochenart: der sekundär lamellare (oder einfach sekundäre) Knochen.

Um Knochen umzubauen und ihm eine neue Struktur zu geben, muss natürlich zunächst mal alter Knochen abgebaut werden. Dafür sorgen die Gegenspieler der Osteoblasten, die Osteoklasten. So sehen sie aus

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(Die Namen kann man sich übrigens leicht so merken: Osteoblasten bauen Knochen, Osteoklasten machen Knochen kaputt.) Osteoklasten setzen sich auf ein Stück Knochenoberfläche und traktieren es mit Salzsäure und kollagenauflösenden Enzymen. Hier ein detailliertes Schema-Bild

Osteoclast1.jpg
By Cellpath (talk) – Cellpath (talk), CC BY-SA 3.0, Link

Auf diese Weise wird Knochen also abgebaut und kann dann durch Osteoblasten wieder neu aufgebaut werden. Meist arbeiten Osteoblasten und Osteoklasten eng zusammen, in einer so genannten BMU (“basic multicellular unit” = “Mehrzelleneinheit”). Die Osteoklasten fressen einen Tunnel durch den Knochen (mit einer Geschwindigkeit von so etwa 40µm am Tag), dessen Seitenwände dann von den Osteoblasten mit neuem Knochen zugemauert werden. (Weil die Osteoblasten den Knochen langsamer aufbauen, als die Osteoklasten ihn fressen können, ist der BMU-Tunnel ziemlich lang, das Bild ist nicht maßstabsgetreu.) So etwa sieht so ein Tunnel im Längsschnitt aus:

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Kommentare (12)

  1. #1 Theres
    26. Februar 2012

    Trotz des eher trockenen Subjekts ein toller Artikel!

    BMU (“basic multicellular unit”

    erinnern mich an etwas ganz anderes … (an den ein oder anderen Science Fiction- Film). Faszinierend … was so alles in den müden Knochen los ist … und Osteoporose ist damit auch fast erklärt.

  2. #2 Torben
    26. Februar 2012

    Lieber Dr. Bäker,

    aus ethischen Gründen verzichte ich weitgehend auf den Verzehr von Produkten tierischen Ursprungs. Daher möchte ich persönlich dem Ratschlag, brav Milch zu trinken, nur ungern Folge leisten.

    Allerdings verzehre ich außerordentlich brav meine Soja-Milch mit Tricalciumphosphat, das aus einer Meeresalge gewonnen wird. Gibt es in der Forschung Erkenntnisse, ob der Nutzen für mein lebendiges Skelett vergleichbar ausfällt?

    Es grüßt herzlich
    Torben

  3. #3 Jürgen Bolt
    26. Februar 2012

    @Torben

    Der Nutzen hoher Calciumzufuhr für die Knochen wird bezweifelt – falls die Versorgung mit Vitamin D ausreichend ist. Die Calciumresorption im Darm ist teilweise Vitamin D-abhängig.
    Vitamin D wird vom Körper synthetisiert, benötigt dazu aber UVB-Bestrahlung der Haut. In Deutschland reicht die Sonne von Oktober bis März dazu nicht aus.

    Hier findest Du Informationen der Harvard School of Public Health zu Milch und Calcium (und Vitamin D):

    https://www.hsph.harvard.edu/nutritionsource/what-should-you-eat/calcium-full-story/index.html

    Anekdotisch: Ich selbst nehme fast keine Milch oder Milchprodukte zu mir, supplementiere aber im Winterhalbjahr 100 mikrogramm Vitamin D täglich. Als ich mir vor ein paar Monaten beim Sport einen Finger gebrochen habe, der osteosynthetisch versorgt werden mußte, konnte ich mit dem behandelnden Arzt zusammen die Knochendichte und -heilung anhand der Röntgenaufnahmen beurteilen. Beides ist überdurchschnittlich – bei niedriger Calciumzufuhr, 49 Jahren Lebensalter, manualtherapeutischer Arbeit und Kraft- und Ausdauersport.

  4. #4 MartinB
    26. Februar 2012

    @Jürgen
    Danke, das wusste ich so noch nicht.

    @Jürgen und Torben
    Ich habe mal einen entsprechenden Satz eingefügt, damit es nicht so “milch-lastig” ist.

  5. #5 Johannes K.
    26. Februar 2012

    @MartinB: Ich find es immer wieder erstaunlich mit was du dich alles so beschäftigst. Ich hab mich schon immer gefragt wie die Knochenbildung so abläuft, vielen Dank für den Artikel.

  6. #6 MartinB
    26. Februar 2012

    @Johannes
    “Ich find es immer wieder erstaunlich mit was du dich alles so beschäftigst.”
    Ich auch 😉
    Mein Interesse an Biologischen Materialien kam ursprünglich über die Biomechanik (und die na klar über Dinos). Als ich dann für meine Habilitation drei Vortragsthemen zu nem Kolloquium vorschlagen musste, hatte ich das als ein Thema ausgesucht – sozusagen als Anreiz für mich selbst, mich da reinzulesen. (Die Habil-Kommission hat dann aber zielsicher das langweiligste der drei Themen ausgesucht…) Und dann habe ich ne Vorlesung draus gebaut, die ich seit ein paar Jahren halte.

  7. #7 Johannes K.
    26. Februar 2012

    @Martin: Ich wusste garnicht das du auch Vorlesungen hälst – man lernt nie aus. Früher als kleiner Junge wollte ich immer Paläontologe werden, deswegen ist dein Blog quasi wie geschaffen für mich. 😉 Ich finde es ist gut zu wissen, dass auch wenn man Physik studiert hat, man später doch vielleicht sogar Dinos erforschen kann.

  8. #8 Dagda
    27. Februar 2012

    @ Johannes K.
    Ich bin auch immer wieder erstaunt, wo ein Studium hinführen kann.
    Bei Dinosauriern fällt mir z.B. Studien am Zentrum für Weltraummedizin in Berlin ein, die sich mit der Atmung von Dinos beschäftigen, das ganze nennt sich dann Paläo-Physiologie und ist ziemlich spannend.

  9. #9 MartinB
    27. Februar 2012

    @Johannes
    Naja, hauptberuflich simuliere ich ja Werkstoffe (was auch nicht gerade Standard für einen theoretischen Elementarteilchenphysiker ist) – die kleinen Dino-Projekte werden von meiner Umgebung eher belächelt, obwohl es immer auch ein paar Studis gibt, die das cool finden (ich habe sogar gerade einen Studienarbeiter, der auf einem Dino-Projekt arbeitet).

    @Dagda
    Paläo-physiologie – ganz heißes Thema, z.B. in Sachen Welche Atmung hatten Dinos (Vogel- oder Reptilienlunge) oder waren sie nun “kalt”- oder “warmblütig”.

  10. #10 Thomas Klein
    2. Juni 2013

    Vielen Dank für den wertvollen Artikel.

    Ich hatte mir das Buch von John Currey, Bones, bestellt und wollte mich noch im Internet dazu umschauen und bin auf diesen aufschlußreichen Artikel gestoßen.

    Haben Sier noch mehr über Knochen geschrieben? Welche Bücher können Sie außerdem zum Thema empfehlen?

    Viele Grüße!
    Thomas Klein

  11. #11 MartinB
    3. Juni 2013

    @Thomas
    Ja, ich habe öfter mal über knochen geschribeen – einfach mal in die Suchmaske oben rechts eingeben.
    Ganz exzellent ist auch das Buch
    R. B. Martin, D. B. Burr, and N. A. Sharkey. Skeletal tissue mechanics. Springer Verlag, 1998.
    und der oben erwähnte Artikel
    S. Weiner and H. D. Wagner. The material bone: structure-mechanical function relations.
    Annual Review of Materials Science, 28(1):271–298, 1998.

  12. #12 TreppenGirl
    Treppendorf
    11. Januar 2016

    Dieser Artikel war sehr hilfreich für meine Biologie Aufgabe. Allerdings muss ich sagen, dass ich es schöner fände, wenn der Autor mehr auf das Verhalten von Knochen in Verbindung mit Treppenliften eingegangen wäre. Was passiert zum Beispiel, wenn man von einem überfahren wird?