Auch nach einem Knochenbruch sind die BMUs aktiv: Ihr erinnert euch sicher, dass zunächst der mechanisch eher schlappe Geflechtknochen entsteht. Dabei bleibt es aber nicht – denn der Klumpen aus Geflechtknochen stabilisiert den Bruch zwar und ist (weil er dicker ist als der Knochen drum herum) mechanisch belastbar, aber er ist natürlich sehr schwer. Entsprechend wird der Knochen umgebaut (man sagt auch “remodelliert”), bis ihr schließlich wieder einen stabilen Knochen mit vielen sekundären Osteonen und guten mechanischen Eigenschaft habt.

An Hand der Knochenstruktur kann man also einiges über ein Tier herausfinden: Fibrolamellarer Knochen ist ein Hinweis darauf, dass ein Tier sehr schnell wächst – primär-lamellarer Knochen, insbesondere, wenn er wenige Blutgefäße enthält, findet sich dagegen bei langsam wachsenden Tieren. Reptilien zum Beispiel haben meist sehr wenige Blutgefäße in ihren Knochen – da sie langsam wachsen, brauchen die Knochen auch nicht so viele Nährstoffe.

Aus dem Anteil an Osteonen und dem Umbau zu sekundärem Knochen kann man auch etwas über das Alter eines Tieres sagen – je stärker der Knochen umgebaut ist, desto älter ist es. Das habe ich neulich schon kurz erklärt, als es um Triceratops und Torosaurus ging. Über weitere Anwendungen schreibe ich demnächst. Ihr seht aber, dass Knochen alles andere als ein statisches Gerüst ist – es ist ein faszinierendes Material, das sich ständig verändert.


Das ultimative (wenn auch leicht veraltete) Buch über Knochen ist
John Currey, Bones: Structure and Mechanics
(2002)
Es enthält nicht nur so ziemlich alles, was ihr schon immer über Knochen wissen wolltet, sondern ist auch extrem gut und locker geschrieben, so dass das Lesen wirklich Spaß macht. Das erste Kapitel darf man sogar online lesen.

Mit der Mikrostruktur von Knochen setzt sich dieser Artikel detailliert auseinander:
S. Weiner, H. D. Wagner”The Material Bone”
Annual Review of Materials Science (1998), Volume: 28, Issue: 1

Mit dem Zusammenhang von BMUs und Mikrorissen befasst sich

David Taylor. Fracture and repair of bone: a multiscale problem. Journal of Materials
Science, 42(21):8911, 2007.

Das Bild mit dem Mikroriss stammt aus

Lee, Staines, Taylor, Bone adaptation to load: microdamage as a stimulus for bone remodelling, Journal of Anatomy, 201, 2002, 437-446

1 / 2 / 3 / 4

Kommentare (12)

  1. #1 Theres
    26. Februar 2012

    Trotz des eher trockenen Subjekts ein toller Artikel!

    BMU (“basic multicellular unit”

    erinnern mich an etwas ganz anderes … (an den ein oder anderen Science Fiction- Film). Faszinierend … was so alles in den müden Knochen los ist … und Osteoporose ist damit auch fast erklärt.

  2. #2 Torben
    26. Februar 2012

    Lieber Dr. Bäker,

    aus ethischen Gründen verzichte ich weitgehend auf den Verzehr von Produkten tierischen Ursprungs. Daher möchte ich persönlich dem Ratschlag, brav Milch zu trinken, nur ungern Folge leisten.

    Allerdings verzehre ich außerordentlich brav meine Soja-Milch mit Tricalciumphosphat, das aus einer Meeresalge gewonnen wird. Gibt es in der Forschung Erkenntnisse, ob der Nutzen für mein lebendiges Skelett vergleichbar ausfällt?

    Es grüßt herzlich
    Torben

  3. #3 Jürgen Bolt
    26. Februar 2012

    @Torben

    Der Nutzen hoher Calciumzufuhr für die Knochen wird bezweifelt – falls die Versorgung mit Vitamin D ausreichend ist. Die Calciumresorption im Darm ist teilweise Vitamin D-abhängig.
    Vitamin D wird vom Körper synthetisiert, benötigt dazu aber UVB-Bestrahlung der Haut. In Deutschland reicht die Sonne von Oktober bis März dazu nicht aus.

    Hier findest Du Informationen der Harvard School of Public Health zu Milch und Calcium (und Vitamin D):

    https://www.hsph.harvard.edu/nutritionsource/what-should-you-eat/calcium-full-story/index.html

    Anekdotisch: Ich selbst nehme fast keine Milch oder Milchprodukte zu mir, supplementiere aber im Winterhalbjahr 100 mikrogramm Vitamin D täglich. Als ich mir vor ein paar Monaten beim Sport einen Finger gebrochen habe, der osteosynthetisch versorgt werden mußte, konnte ich mit dem behandelnden Arzt zusammen die Knochendichte und -heilung anhand der Röntgenaufnahmen beurteilen. Beides ist überdurchschnittlich – bei niedriger Calciumzufuhr, 49 Jahren Lebensalter, manualtherapeutischer Arbeit und Kraft- und Ausdauersport.

  4. #4 MartinB
    26. Februar 2012

    @Jürgen
    Danke, das wusste ich so noch nicht.

    @Jürgen und Torben
    Ich habe mal einen entsprechenden Satz eingefügt, damit es nicht so “milch-lastig” ist.

  5. #5 Johannes K.
    26. Februar 2012

    @MartinB: Ich find es immer wieder erstaunlich mit was du dich alles so beschäftigst. Ich hab mich schon immer gefragt wie die Knochenbildung so abläuft, vielen Dank für den Artikel.

  6. #6 MartinB
    26. Februar 2012

    @Johannes
    “Ich find es immer wieder erstaunlich mit was du dich alles so beschäftigst.”
    Ich auch 😉
    Mein Interesse an Biologischen Materialien kam ursprünglich über die Biomechanik (und die na klar über Dinos). Als ich dann für meine Habilitation drei Vortragsthemen zu nem Kolloquium vorschlagen musste, hatte ich das als ein Thema ausgesucht – sozusagen als Anreiz für mich selbst, mich da reinzulesen. (Die Habil-Kommission hat dann aber zielsicher das langweiligste der drei Themen ausgesucht…) Und dann habe ich ne Vorlesung draus gebaut, die ich seit ein paar Jahren halte.

  7. #7 Johannes K.
    26. Februar 2012

    @Martin: Ich wusste garnicht das du auch Vorlesungen hälst – man lernt nie aus. Früher als kleiner Junge wollte ich immer Paläontologe werden, deswegen ist dein Blog quasi wie geschaffen für mich. 😉 Ich finde es ist gut zu wissen, dass auch wenn man Physik studiert hat, man später doch vielleicht sogar Dinos erforschen kann.

  8. #8 Dagda
    27. Februar 2012

    @ Johannes K.
    Ich bin auch immer wieder erstaunt, wo ein Studium hinführen kann.
    Bei Dinosauriern fällt mir z.B. Studien am Zentrum für Weltraummedizin in Berlin ein, die sich mit der Atmung von Dinos beschäftigen, das ganze nennt sich dann Paläo-Physiologie und ist ziemlich spannend.

  9. #9 MartinB
    27. Februar 2012

    @Johannes
    Naja, hauptberuflich simuliere ich ja Werkstoffe (was auch nicht gerade Standard für einen theoretischen Elementarteilchenphysiker ist) – die kleinen Dino-Projekte werden von meiner Umgebung eher belächelt, obwohl es immer auch ein paar Studis gibt, die das cool finden (ich habe sogar gerade einen Studienarbeiter, der auf einem Dino-Projekt arbeitet).

    @Dagda
    Paläo-physiologie – ganz heißes Thema, z.B. in Sachen Welche Atmung hatten Dinos (Vogel- oder Reptilienlunge) oder waren sie nun “kalt”- oder “warmblütig”.

  10. #10 Thomas Klein
    2. Juni 2013

    Vielen Dank für den wertvollen Artikel.

    Ich hatte mir das Buch von John Currey, Bones, bestellt und wollte mich noch im Internet dazu umschauen und bin auf diesen aufschlußreichen Artikel gestoßen.

    Haben Sier noch mehr über Knochen geschrieben? Welche Bücher können Sie außerdem zum Thema empfehlen?

    Viele Grüße!
    Thomas Klein

  11. #11 MartinB
    3. Juni 2013

    @Thomas
    Ja, ich habe öfter mal über knochen geschribeen – einfach mal in die Suchmaske oben rechts eingeben.
    Ganz exzellent ist auch das Buch
    R. B. Martin, D. B. Burr, and N. A. Sharkey. Skeletal tissue mechanics. Springer Verlag, 1998.
    und der oben erwähnte Artikel
    S. Weiner and H. D. Wagner. The material bone: structure-mechanical function relations.
    Annual Review of Materials Science, 28(1):271–298, 1998.

  12. #12 TreppenGirl
    Treppendorf
    11. Januar 2016

    Dieser Artikel war sehr hilfreich für meine Biologie Aufgabe. Allerdings muss ich sagen, dass ich es schöner fände, wenn der Autor mehr auf das Verhalten von Knochen in Verbindung mit Treppenliften eingegangen wäre. Was passiert zum Beispiel, wenn man von einem überfahren wird?