Unser Knochenskelett stellen sich die meisten wohl eher statisch vor – so ähnlich wie ein Gerüst aus Stahlträgern. Dass Knochen lebt, wird uns eigentlich nur bewusst, wenn er nach einem Bruch heilt oder wenn wir an einer Knochenkrankheit leiden. Tatsächlich wird unser Knochen aber während unseres ganzen Lebens um-, auf- und abgebaut. Wie das funktioniert und welche Strukturen dabei entstehen, schauen wir uns heute an.
Zuständig für den Knochenaufbau sind spezielle Zellen, die Osteoblasten. Osteoblasten scheiden Kollagen sowie Enzyme aus. Mit Hilfe der Enzyme und zusätzlichem Calcium entsteht dann eine Keramik, das Hydroxyapatit. (Und deswegen solltet ihr auch immer brav Milch trinken (oder anderewitig für ausreichende Kalziumzufuhr sorgen, siehe den Kommentar von Torben und Jürgen Bolt unten), denn da ist viel Kalzium drin.) Knochen ist also ein Verbundwerkstoff aus einer Keramik (manchmal spricht man auch von einem Mineral und von der “Mineralisierung” des Knochens) und einem Protein, dem Kollagen. Zusätzlich enthält Knochen noch ein paar andere Proteine, Wasser, und Protein-Zucker-Verbindungen, auf die es heute aber nicht so ankommt.
Typischerweise lagern sich knochenbauenden Osteoblasten an der Oberfläche von schon vorhandenem Knochen an (irgendwo muss der Prozess natürlich auch mal losgehen, aber das ist eine Ausnahmesituation). Knochen wächst also normalerweise immer an der Oberfläche. Wie schnell das geht, hängt davon ab, welche Knochenstruktur die Osteoblasten bauen – Knochen ist nämlich nicht gleich Knochen.
Es gibt verschiedene Arten, Knochenstrukturen zu klassifizieren – ich beschränke mich hier auf die vier wichtigsten Gruppen und überlasse die Feinheiten den Expertinnen. (Eventuell mitlesende Biologinnen bitte ich um Nachsicht für die daraus folgenden Vereinfachungen – falls ich aber echten Blödsinn erzähle, korrigiert mich bitte in den Kommentaren.)
Die einfachste Knochenart ist der vollkommen falsch benannte Geflechtknochen. Geflochten ist da nämlich nichts, aber die Kollagenfasern im Geflechtknochen sind ziemlich ungeordnet, wie man auch auf diesem Bild erkennt:
By Robert M. Hunt – Original work of Robert M. Hunt, Public Domain, Link
Die quergestreiften Dinger die ein bisschen aussehen wie Regenwürmer, die gerade Party machen, sind dabei die Kollagenfasern (deren Querstreifung durch ihre Mikrostruktur zu Stande kommt – die einzelnen Moleküle sind gestaffelt angeordnet und es gibt dazwischen immer wieder Lücken). Im Bild fehlt leider ein Maßstab, aber da der Abstand zwischen zwei dunklen Streifen auf den Fasern immer 67 Nanometer beträgt, dürfte der Bildausschnitt so einige Mikrometer groß sein.
Geflechtknochen ist typischerweise vergleichsweise schwach mineralisiert, er enthält also wenig Hydroxyapatit. Deswegen ist er von den mechanischen Eigenschaften her ziemlich mäßig – er hat eine gute Zugfestigkeit (dafür sorgen die Kollagenfasern), aber seine Druckfestigkeit (dafür ist die Keramik da) ist gering. Gegenüber anderen Knochenarten hat Geflechtknochen aber einen großen Vorteil: Er wächst sehr schnell.
Da Knochen immer an der Oberfläche wächst, kann man die Wachstumsgeschwindigkeit in Mikrometer/Tag angeben – bei Geflechtknochen sind es bis zu 40µm/Tag. Dieser Knochen wird deswegen verwendet, wenn es schnell gehen muss – beispielsweise bei der Heilung eines Knochenbruchs. Da entsteht zunächst ein großer Klumpen Geflechtknochen um die Bruchstelle (der Kallus), der dann später zu “besserem” Knochen umgebaut wird. Hier ein Beispiel bei einem Unterarmbruch
Von Chriudel , CC BY-SA 3.0, Link
Auch einige embryonale Knochen sind Geflechtknochen und werden dann umgebaut.
In den anderen Knochenarten sind die Kollagenfasern wesentlich ordentlicher orientiert – man spricht deswegen auch von lamellaren Knochen oder Lamellenknochen. Die Kollagenfasern sind jeweils in Schichten parallel zu einander orientiert, ähnlich wie bei modernen Faserverbundwerkstoffen. Nehmen wir als Beispiel einen Röhrenknochen (wie z. B. den Oberschenkel). Die Lamellen sind dann alle zumindest näherungsweise in Längsrichtung des Knochens angeordnet. Im Querschnitt allerdings zeigt sich, dass es unterschiedliche Varianten des lamellaren Knochens gibt.
Im primär-lamellaren Knochen sind die Lamellen alle parallel zueinander und etwa konzentrisch um die Knochenachse angeordnet, ein bisschen wie die Wachstumsringe bei einem Baum. Dieses Bild hier (Lee et al. 2002) zeigt einen Ausschnitt (der Balken hat eine Länge von 50µm.) In der Mitte seht ihr einen Mikroriss, dazu später mehr.
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