Wenn es um Quantenmechanik geht, fällt früher oder später der Begriff “Spin”. Was genau dieser “Spin” eigentlich ist, bleibt dabei leider oft unklar – denn es gibt in unserer klassischen, alltäglichen Welt nichts dergleichen.
(Dieser Text ist zwar Bestandteil meiner kleinen QFT-für-alle-Serie, er kann aber unabhängig davon gelesen werden.)
Das Stern-Gerlach-Experiment
Experimentell wurde der Spin zuerst mit dem so genannten Stern-Gerlach-Experiment nachgewiesen – allerdings ohne dass Stern und Gerlach das bemerkt hätten. Wie das?
Anfang der Zwanziger Jahre gab es noch keine echte Quantenmechanik – es gab die Bohr-Sommerfeld-Theorie, die zum Beispiel für das Wasserstoffatom einigermaßen funktionierte – dabei wurde angenommen, dass das Elektron auf bestimmten Bahnen um den Atomkern läuft, aber es gab keine Erklärung dafür, warum nur bestimmte Bahnen erlaubt sein sollten. Das Elektron konnte von einer Bahn zur anderen springen und dabei seine Energie ändern – so ließ sich das Emissionsspektrum des Wasserstoffs beschreiben, was für die Theorie sprach.
Ein um den Atomkern laufendes Elektron hat (in der klassischen Physik) einen bestimmten Impuls und auch einen Drehimpuls. (Den habe ich vor längerer Zeit mal in diesem Text erklärt, falls ihr eine Auffrischung braucht.) Nach der klassischen Physik könnte dieser Drehimpuls beliebige Werte annehmen, aber wenn das Elektron nur bestimmte Bahnen haben konnte, dann dürfte es auch nur bestimmte Werte des Drehimpulses (der dann naheliegenderweise Bahndrehimpuls heißt) geben.
Ein Elektron ist ja – wie der Name schon sagt – elektrisch geladen. Wenn ein elektrisch geladenes Teilchen auf einer Kreisbahn läuft, dann haben wir damit einen kreisförmig fließenden Strom. Und ein solcher Strom sollte ein Magnetfeld hervorrufen. Wenn also die Elektronbahnen quantisiert sind, dann sollte auch dieses Magnetfeld (oder physikalisch etwas präziser: das magnetische Moment) quantisiert sein und nicht beliebige Werte annehmen können.
Otto Stern hatte die Idee, das experimentell zu überprüfen. Sein Chef, Max Born, war von der Idee zwar wenig begeistert, aber Stern blieb hartnäckig und holte sich Hilfe von Walther Gerlach. Gemeinsam bastelten sie ein Jahr lang, bis das Experiment funktionierte.
Hier der experimentelle Aufbau:
By Theresa Knott – aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt, CC BY-SA 3.0, Link
Ein Strahl aus Silberatomen fliegt in ein inhomogenes Magnetfeld (also eins, das nicht überall gleich stark ist, sondern oben im Bild stärker als unten). Wegen der Magnetwirkung der Atome übt das inhomogene Magnetfeld auf sie eine Kraft aus. Laut klassischer Physik müssten die Atome, deren Elektronen ja beliebig Magnetisierungen haben könnten, einen kontinuierlichen Streifen auf dem Detektor bilden – je nachdem, wie ihr magnetisches Moment am Anfang orientiert war.Die Logik von Stern und Gerlach war nun die, anzunehmen, dass das bei der Quantentheorie anders sein müsste und man – für den Fall des Silberatoms – zwei deutlich getrennte Messflecken sehen würde.
Hier das offizielle Versuchsergebnis – links ohne, rechts mit eingeschaltetem Magnetfeld:
Gerlach, W. and O. Stern, 1922. “Der experimentelle Nachweis der Richtungsquantelung”, Zeitschrift fur Physik, 9: 349–352.
Man erkennt deutlich, dass rechts im Bild der Strahl (also der dunkel gefärbte Bereich) aufgespalten ist. Mit verfeinerter Messtechnik konnte sogar gezeigt werden, dass das magnetische Moment des Atoms genau so groß ist, wie die Bohr-Theorie es vorhersagte.
Dieses Experiment sorgte für großes Aufsehen und wurde als eine wichtige experimentelle Bestätigung der Quantentheorie gefeiert. Stern bekam 1943 auch den Nobelpreis dafür – sicherlich vollkommen zu recht.
Nur… es gibt da eine kleine Schwierigkeit: Das Experiment zeigte nicht das, was Stern und Gerlach dachten.
Die beiden verwendeten Silberatome – und zwar deswegen, weil Silber ein einzelnes ungepaartes Elektron auf seiner äußersten Elektronenschale hat, dessen gequantelten Bahndrehimpuls man deswegen gut messen können sollte. Heute allerdings wissen wir, dass dieses Elektron (für die Expertinnen: ein 5s-Elektron) auf einer Schale sitzt, die überhaupt keinen Bahndrehimpuls hat. Das Experiment hätte also eigentlich gar nicht funktionieren können.
Auch Einstein hatte so seine Probleme beim Verständnis: Wenn die Atome vollkommen zufällig orientiert in das Magnetfeld einlaufen, warum sollte man dann nicht auch ein entsprechend verteiltes kontinuierliches Spektrum sehen, selbst wenn der Drehimpuls quantisierte Werte annimmt?
(Einen ausführlichen Artikel zur Geschichte des Experiments findet ihr übrigens bei Physics Today.)
Was Stern und Gerlach tatsächlich beobachtet hatten, wurde erst ein paar Jahre später klar: Es war der Elektronenspin. Nicht der Bahndrehimpuls des Elektrons auf seiner “Kreisbahn” um den Kern war verantwortlich für das magnetische Moment – das Elektron selbst, das um den Atomkern kreist, hat ein magnetisches Moment. 1
1Falls jetzt jemand auf die Idee kommt, das nachzuweisen, indem man Elektronen durch einen Stern-Gerlach-Apparat schickt – das funktioniert leider nicht, denn Elektronen sind elektrisch geladen und würden durch das Magnetfeld eine starke Lorentz-Kraft erfahren, die den viel schwächeren magnetischen Effekt vollkommen verdecken würde.)
Einzelne Elektronen verhalten sich also wie kleine Magnete. Wenn man sich das Elektron naiv und klassisch als kleine, elektrisch geladene Kugel vorstellt, dann könnte das Magnetfeld des Elektrons dadurch hervorgerufen werden, dass es sich um seine Achse dreht – die Ladungsverteilung würde rotieren, sich also auf einer Kreisbahn um das Zentrum des Elektrons bewegen, und würde so ein Magnetfeld erzeugen. Es wäre also nicht der Bahndrehimpuls des Elektrons auf seiner Kreisbahn, sondern der Eigendrehimpuls des Elektron-Kreisels, der verantwortlich wäre für das magnetische Moment.
Elektronen drehen sich
Also müssten Elektronen sich irgendwie um sich selbst drehen. Da der Drehimpuls eine Erhaltungsgröße ist (die Summe aller Drehimpulse in einem abgeschlossenen System ist konstant) müsste sich das auch messen lassen, wenn man es schafft, Elektronen dazu zu bringen, ihren Drehsinn zu ändern.
Ein klassisches (in jedem Sinne) Experiment dazu ist das folgende (Bilder dazu an der Uni Göttingen): Eine Person sitzt auf einem Drehstuhl und bekommt ein schnell um eine waagerechte Achse rotierendes Rad gereicht. Wenn die Person das Rad dreht, dann dreht sich der Drehstuhl in die Gegenrichtung, weil der Drehimpuls erhalten ist. (Die Person dreht sich allerdings nicht auch um eine waagerechte Achse, denn in der Richtung kann Drehimpuls auf den Boden und damit übertragen werden.)
So ähnlich müsste das doch auch mit Elektronen klappen, oder? Die Elektronen sind wie das Rad in diesem Experiment – wenn wir Elektronen auf einen Drehstuhl setzen und sie dann dazu bekommen, ihre Drehachse zu ändern, dann müsste der Stuhl sich drehen.
Da Elektronen ein magnetisches Moment besitzen (das haben wir ja gerade aus dem Stern-Gerlach-Versuch gelernt), sollten sie ihre Drehachse (wenn sie denn eine haben) in einem Magnetfeld entsprechend ändern. Und wenn sie einen Drehimpuls tragen, dann sollten sie dabei den Drehstuhl, auf dem sie sitzen, dazu bringen, sich in die Gegenrichtung zu drehen.
Statt eines Drehstuhls nehmen wir allerdings besser einen Metallklotz, und zwar einen magnetischen. Den hängen wir an einen dünnen Draht, so dass er sich leicht drehen kann. Wir umwickeln ihn mit einer Spule, die ein Magnetfeld erzeugt und dann schalten wir den Strom an. Ein Bild des Versuchs findet ihr ebenfalls in Göttingen. (Auf der Seite der Uni Göttingen findet ihr auch ein Video des Versuchs.) Und tatsächlich – schaltet man den Strom und damit das Magnetfeld ein, dann beginnt der Zylinder sich zu drehen, weil sich die Spins der Elektronen im Magnetfeld ausrichten und die Drehimpulserhaltung dafür sorgt, dass der Zylinder als ganzes sich in der Gegenrichtung dreht.
Dieses Experiment wurde bereits 1915 (als man von Spins noch nichts wusste) durchgeführt und ist als Einstein-de-Haas-Experiment (ja, das ist der Einstein) bekannt.
Also: Ein Teilchen wie ein Elektron verhält sich ähnlich wie ein rotierender Kreisel – es trägt einen Drehimpuls und auch ein magnetisches Moment.
…oder doch nicht?
Na, dann ist doch alles im grünen Bereich, oder? Das Elektron dreht sich um seine eigene Achse und erzeugt dadurch ein magnetisches Moment. Wo ist denn nun das Problem?
Zunächst einmal hat der Drehimpuls (oder auch “Spin”) des Elektrons immer genau denselben Wert. Wenn ihr den Spin des Elektrons messt, dann hat er immer einen Wert von ħ/2. (Da ein Drehimpuls die Einheit Länge mal Impuls hat, kann man ihn in Einheiten von ħ angeben – denn die Wirkung hat dieselbe Einheit. ħ ist natürlich wie immer in der Quantenphysik das Wirkungsquantum h, geteilt durch 2π.)
Na und? Ist doch in der Quantenmechanik üblich, dass Größen quantisiert sind, oder nicht? Auch der Bahndrehimpuls ist doch quantisiert, so sind ja Stern und Gerlach überhaupt nur auf ihr Experiment gekommen (wenn auch mit leicht fehlerhaften Annahmen).
Richtig. Ein Elektron, das mit einer bestimmten Energie stabil an ein Atom gebunden ist, hat ebenfalls einen genau festgelegten Wert des Bahndrehimpulses. Ich kann aber dem Elektron Energie zufügen und so seinen Bahndrehimpuls erhöhen, und zwar prinzipiell auf beliebig große Werte. Ich kann seinen Bahndrehimpuls auch verringern – tatsächlich sogar auf Null (was dann das Bild der planetenartigen Bahnen etwas zweifelhaft werden lässt, nicht wahr?)
Beim Elektronenspin ist das anders. Ihr könnt gegen das Elektron gegentreten, es schütteln, mit Magnetfeldern traktieren oder was auch immer – sein Spin hat immer dieselbe Größe, eben ħ/2. (Ihr könnt allerdings die Richtung des Spins ändern – darauf beruhte ja der Einstein-de-Haas-Effekt.)
Pauli hatte – als ihm der Vorschlag des Elektronspins gemacht wurde – noch ein anderes Gegenargument: Wenn das Elektron eine kleine geladene Kugel wäre, die sich dreht, dann müsste sich die Oberfläche der Kugel mit Überlichtgeschwindigkeit bewegen. Grund genug für ihn, das Konzept zunächst abzulehnen. Später dann akzeptierte er es und leistete wichtige Beiträge zur Spintheorie (weswegen auch die berühmten Spin-Matrizen, mit denen jeder Physikstudi rechnen muss, als Pauli-Matrizen bezeichnet werden.)
Überhaupt ist die Idee eines “rotierenden” Elektrons problematisch. Nach allem, was wir wissen, sind Elektronen “punktförmig” – genauer gesagt kann man ein Elektron in einem nahezu beliebig kleinen Raum einsperren. Macht man beispielsweise Stoßexperimente, bei denen man Elektronen gegen andere Teilchen schießt (etwa gegen Protonen – das wurde in den Neunziger Jahren bei HERA in Hamburg gemacht), dann kann man so zwar die Substruktur des Protons untersuchen (das aus drei Quarks und jeder Menge Gluonen und so Zeugs besteht), aber das Elektron verhält sich genau, wie man es für ein punktförmiges Teilchen erwarten würde. Sein Radius – wenn es denn einen hat – muss also sehr klein sein, was es dann wiederum schwierig macht, sich vorzustellen, wie es dann seinen Drehimpuls mit sich herumträgt.
Auch die Größe des magnetischen Moments passt nicht. Ein Elektron, das in einem Wasserstoffatom einen Bahndrehimpuls von 1ħ hat, hat durch den Bahndrehimpuls ein bestimmtes magnetisches Moment, das man auch messen (und berechnen) kann. Man sollte erwarten, dass der Spin, der mit ħ/2 nur halb so groß ist, auch zu einem halb so großen magnetischen Moment führt – das wäre jedenfalls logisch.
So ist es aber nicht. Das magnetische Moment, das durch den Elektron-Spin zu Stande kommt, ist zu groß, und zwar etwa um einen Faktor 2. Das war übrigens auch der Grund, warum Stern und Gerlach meinten, mit ihrem Experiment sei alles im grünen Bereich – sie hatten ein bestimmtes magnetisches Moment zu einem Bahndrehimpuls von ħ erwartet und ziemlich genau dieses magnetische Moment auch gemessen. Zu ihrem Glück (oder Unglück – vielleicht wären sie ja sonst selbst auf die Idee des Spins gekommen) hoben sich hier zwei Fehler gegenseitig auf: Der Drehimpuls eines Elektrons mit Spin ist nur halb so groß wie der erwartete Bahndrehimpuls, dafür ist das magnetische Moment aber doppelt so groß wie man es für diesen Drehimpuls erwarten würde.
Dieser zusätzliche Faktor von etwas mehr als 2 wird auch oft g-Faktor genannt. Er ist übrigens eine der am genausten bestimmten physikalischen Größen überhaupt. Sein Wert beträgt
2.002 319 304 361 53 +/- 0.000 000 000 000 53
Das ist so genau, als würde man die Entfernung Erde-Mond auf einen Zehntel Millimeter (etwas mehr als die Dicke eines Haares) kennen.
Wie denn nun?
Wie ihr seht, ist der Elektronenspin tatsächlich ziemlich merkwürdig. Einerseits verhält sich das Elektron wie ein winziger Kreisel, aber ziemlich viele Aspekte passen in diesem Bild nicht wirklich zusammen. Deswegen steht zum Beispiel bei Wikipedia
Wie oder wodurch der Spin zustande kommt, bleibt in der klassischen Physik unerklärbar. Anschauliche oder semi-klassische Beschreibungen sind daher unvollständig.
Dass der Spin keine echte klassische Entsprechung hat, kann man sich auch auf andere Weise klar machen: Wenn man wissen will, was aus Quanteneffekten wird, wenn man zur klassischen Physik (also zu sehr großen und schweren Systemen) übergeht, dann nimmt man die Formeln der Quantenmechanik und lässt den Wert von ħ immer kleiner werden (der “klassische Grenzfall”), denn wenn ħ Null wäre, gäbe es ja keine Quanteneffekte. Der Elektron-Spin hat aber ja immer den Wert ħ/2. Im klassischen Grenzfall verschwindet er also schlicht und einfach.
Das Bild des sich drehenden Elektrons passt also nur bedingt – einige Aspekte kann man sich damit richtig überlegen, andere aber nicht.
Und die anderen Teilchen?
Bisher habe ich immer von Elektronen gesprochen. Elektronen sind aber nicht die einzigen Elementarteilchen – da gibt es noch Myonen, Neutrinos, Quarks, Gluonen und den ganzen Teilchenzoo. Hier folgt ein kleiner Überblick – falls ihr mit Elementarteilchen nicht ganz so auf du und du steht, ist das nicht weiter schlimm – man muss diese Teilchen nicht alle auswendig kennen.
Unsere Materie besteht ja aus Elektronen und Quarks (wobei sich die Quarks zu Protonen und Neutronen zusammenschließen). Quarks haben – genau wie die Elektronen – einen Spin von ħ/2.
Protonen und Neutronen auch – sie bestehen aus jeweils drei Quarks, von denen zwei ihre Spins entgegengesetzt ausrichten, so dass sie sich aufheben. Netto bleibt also ein Spin von ħ/2 übrig.
Alle Teilchen, die einen solchen halbzahligen Spin haben, nennt man Fermionen. Bei den echt elementaren Teilchen im Bild sind das die zwölf auf der linken Seite. Der Spin kann bei zusammengesetzten Teilchen auch größer als ħ/2 sein – man kann zum Beispiel drei Quarks auch so zusammensetzen, dass alle Spins gleichgerichtet sind, dann hat man in der Summe einen Spin von 3ħ/2. Weil das keine ganze Zahl ist, sondern eben Ein-Einhalb, gilt auch das als halbzahliger Spin, auch ein solches Teilchen ist ein Fermion.
Es gibt aber auch Teilchen mit ganzzahligem Spin: 0ħ (also gar kein Spin), 1ħ, 2ħ und so weiter. Solche Teilchen heißen Bosonen.
Zu ihnen gehören die Photonen, also die guten alten Lichteilchen – sie haben einen Spin von 1ħ (meist lässt man das ħ weg und spricht einfach von Spin-1-Teilchen). Auch Gluonen, die die Anziehung zwischen den Quarks herstellen, und die Vektorbosonen, die für die schwache Kernkraft verantwortlich sind, sind Spin-1-Teilchen.
Das berühmt-berüchtigte Higgs-Teilchen (das in dem Bild oben fehlt) ist unter den echten Elementarteilchen das einzige mit Spin 0 – es gibt aber zusammengesetzte Teilchen (beispielsweise Pionen, die aus einem Quark und einem Antiquark mit entgegengesetztem Spin bestehen), die ebenfalls Spin 0 haben.
Und dann ist da noch das wichtigste der Spin-2-Teilchen: Das Graviton, das Teilchen der Gravitation. Nun ja, bisher ist es nicht nachgewiesen worden, und eine wirklich vernünftige Quantentheorie der Gravitation gibt es auch nicht. Doch was wir über die Gravitation wissen sagt uns folgendes: Wenn es eine Quantentheorie der Gravitation gibt, die ähnlich wie die Theorie für die anderen Kräfte (Elektromagnetismus, starke und schwache Kernkraft) funktioniert, dann muss es in dieser Theorie ein Spin-2-Teilchen geben, das die Gravitation vermittelt. (Dazu demnächst vermutlich mehr in der Quantenfeldtheorie-Serie.)
Soweit der kurze Überblick über die wichtigsten Elementarteilchen. Wie ihr seht, werden die Teilchen in zwei Gruppen geteilt – die, bei denen der Spin halbzahlig ist (z.B. ħ/2), die Fermionen, und die Bosonen mit ganzzahligem Spin. Und das wirft sofort zwei Fragen auf, die ihr euch jetzt vielleicht stellt:
1. Warum der ganze Bohei um den Spin? Warum ist dieser seltsame Spin eigentlich so wichtig, dass man extra seinetwegen Namen für Teilchengruppen einführt?
2. Wenn es Teilchen mit Spin ħ/2 gibt und solche mit 2ħ, gibt es dann auch welche mit anderen Werten, beispielsweise ħ/3 oder 0.6754ħ?
Die beiden Fragen hängen – auch wenn man das auf den ersten Blick nicht sieht – eng zusammen. Es ist eins der wichtigsten (vielleicht sogar das wichtigste) Ergebnisse der Quantenfeldtheorie1:
Jedes Teilchen ist entweder Fermion oder Boson. Fermionen haben die Eigenschaft, dass nie zwei im exakt selben Zustand sein können; Bosonen dagegen sind bevorzugt im selben Zustand.
1Das gilt für unsere normale Welt mit drei Raumdimensionen. Wäre unsere Welt zweidimensional, dann könnte es auch andere Teilchen geben, die irgendeinen Spinwert hätten. Die haben den schönen Namen Anyonen. Als Elementarteilchen gibt es sie in unserer Welt nicht, aber man kann sie zum Beispiel in quasi-zweidimensionalen Halbleiterstrukturen finden. Wikipedia hat ein bisschen was darüber.
Was bedeutet das? Fangen wir mit den Fermionen an. Zwei Elektronen können nie im selben Zustand sein. Wenn wir beispielsweise ein Elektron und ein Proton zusammenbringen, dann wird das Elektron den energetisch günstigsten Zustand einnehmen – es bildet sich ein Wasserstoffatom. Auch ein zweites Elektron kann in diesen Zustand, wir haben dann ein negativ geladenes Wasserstoff-Ion. Das geht deswegen, weil die beiden Elektronen ihre Spins entgegengesetzt ausrichten können.
Genau so ist es, wenn wir statt der einen Protons einen Helium-Kern mit zwei Protonen verwenden. Es bildet sich ein Helium-Atom mit zwei Elektronen im Grundzustand.
Für ein drittes Elektron ist in diesem Zustand aber kein Platz, es müsste in einen höher-energetischen Zustand. Nehmen wir einen Atomkern mit drei Protonen (Lithium), dann können die drei zum Atom gehörigen Elektronen nicht alle in den selben Zustand – eins von ihnen muss auf ein höher-energetisches Niveau ausweichen. Deswegen ist das dritte Elektron im Lithium nur schwach gebunden – Lithium ist dadurch ein Metall.
Ohne die Regel, dass Fermionen nie denselben Zustand einnehmen können (auch Pauli-Prinzip genannt) könnte man also nicht verstehen, warum es so viele verschiedene chemische Elemente gibt. Wären Elektronen Bosonen, dann würden sie sich alle im niedrigst-energetischen Niveau befinden, alle chemischen Elemente wären im wesentlichen gleich – Chemie oder gar Leben, wie wir es kennen, wären völlig undenkbar.
Umgekehrt verdanken wir der Tatsache, dass Bosonen bevorzugt denselben Zustand einnehmen können, Phänomene wie Laser (in einem Laserstrahl sind alle Photonen im identischen Zustand, deswegen ist er so scharf fokussiert und hat genau eine Farbe) oder Supraleiter (in einem Supraleiter schließen sich immer zwei Elektronen zu einem Paar zusammen – das Paar ist dann ein Boson und alle diese sogenannten Cooper-Paare sind im selben Zustand (wobei allerdings die einzelnen Elektronen alle unterschiedliche Zustände haben)) sind ohne den “Herdentrieb” der Bosonen, die bevorzugt im selben Zustand sind, nicht möglich.
Ihr seht also: Der Spin ist eine etwas rätselhafte, aber extrem wichtige Eigenschaft der Teilchen. Er erweckt ein bisschen den Eindruck, als würden sich die Teilchen um ihre Achse drehen wie Kreisel, aber wenn man genau hinguckt, sieht man, dass dieses Bild etwas schief ist.
Natürlich gibt es noch viel mehr über Spins zu sagen – beispielsweise gilt für sie eine besondere Unschärferelation. Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden…
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