Heute ist es soweit: Nach all der Mühen der bisherigen Teile haben wir nun alle Bausteine zusammengesamelt, um ein wirklich fundamentales Ergebnis herzuleiten: Warum ziehen sich Massen an, aber gleiche elektrische Ladungen stoßen sich ab? Koppelt man unsere Überlegungen zum Spin mit den Erkenntnissen der Relativitätstheorie, ergibt sich eine einfache Erkenntnis: Der Spin des Austauschteilchens entscheidet.

Achtung: In diesem Teil werde ich sehr heftig von den Tricks der speziellen Relativitätstheorie Gebrauch machen. Es empfiehlt sich vielleicht, den entsprechenden Teil dieser Serie nochmal zu lesen oder einfach in einem zweiten Browser-Fenster aufzuklappen, dann könnt ihr immer schnell nachgucken. Und vielleicht braucht ihr noch ein drittes Fenster, in dem ihr die Überlegung zur Kraft zwischen zwei Quellen aufklappt. Ein kurzer Blick auf die beiden Abschnitte zum Spin schadet sicher auch nichts… (Falls ihr es noch nicht bemerkt habt: Der Link “Artikelserien” oben auf der Seite gibt euch einen Überblick über meine längeren Werke. Da könnt ihr direkt zu allen bisherigen Teilen springen.)

Wie ihr gleich sehen werdet, ist das Argument trotz aller Vorarbeit ziemlich länglich geraten. Ich gebe hier einen kurzen Überblick, wie die Logik des Arguments geht, und dann erkläre ich die Einzelheiten. Um das ganze etwas einfacher zu machen, haben ich auch noch Zwischenüberschriften eingezogen, die, wenn man sie einfach hintereinander liest, den Kern des Arguments wiedergeben. Trotz allem: Ich bin mir ziemlich sicher, dass es schwierig ist, diesen Text beim ersten Lesen zu verstehen. Falls jemand einen Tipp hat, wo man das Argument straffen oder vereinfachen kann, bin ich dankbar. Falls ich euch irgendwo total abhänge, dann nörgelt bitte auch.

Hier also ein kurzer Überblick über die Logik des Arguments:

    • Wir haben gesehen, dass der Ausdruck J(x)D(x-y)J(y) (gelegentlich auch W(J) genannt) direkt mit der Energie zwischen zwei Quellen zusammenhängt. Er ist größer als Null, und damit ist die Energie negativ. Wir gewinnen also Energie, wenn wir zwei Quellen zusammenbringen, und das bedeutet, dass sie sich anziehen.

 

    • Dieses Argument hatte den Spin nicht berücksichtigt – mit anderen Worten, es galt für ein Spin-0-Teilchen.

 

    • Ein Spin-1-Teilchen mit Spin in Raumrichtung das zwischen zwei Quellen ausgetauscht wird, verhält sich sehr ähnlich wie ein Spin-0-Teilchen. In diesem Fall hat W(J) also dasselbe Vorzeichen wie beim Spin-0-Teilchen.

 

    • Um an ein Spin-1-Teilchen zu koppeln, braucht man eine Quelle, die sich wie ein relativistischer Vierervektor verhält. Für den Fall der elektrischen Ladung ist das beispielsweise der Vierervektor aus Ladungsdichte und Stromdichte.

 

    • Ruhende elektrische Ladungen die an ein Spin-1-Feld koppeln, tun dies entsprechend über die zeitliche Komponente. Zwischen ihnen wird dann also ein Spin-1-Teilchen mit Spin in “Zeitrichtung” ausgetauscht.

 

    • Nach den Rechenregeln der SRT dreht sich das Vorzeichen um, wenn man in einem solchen Produkt von der Raumkomponente zur Zeitkomponente übergeht. W(J) hat also entgegengesetztes Vorzeichen, wenn das ausgetauschte Teilchen seinen Spin “in Zeitrichtung” hat.

 

  • Weil sich das Vorzeichen von W(J) umkehrt, kehrt sich auch das Vorzeichen der Energie um – aus Anziehung wird Abstoßung. Gleiche Ladungen stoßen sich jetzt ab, wir können aber mit ungleichen Ladungen noch ein Vorzeichen dazubekommen (eine Ladung ist negativ, also gibt es ein Minus-Zeichen), und entsprechend ziehen sich ungleiche Ladungen an.

Das ist der das Argument so weit eingedampft, wie ich nur konnte. Und jetzt schauen wir uns die einzelnen Schritte etwas genauer an. Wir fangen da an, wo wir letztes mal aufgehört haben, mit der Frage, was aus dem Spin in der Quantenfeldtheorie wird.

In der QFT wird ein Spin-1-Teilchen durch Vierervektoren beschrieben
Ein quantenmechanisches Spin-1-Teilchen wird durch drei Zahlen beschrieben – das haben wir neulich ausführlich angeguckt. Analysiert man, wie sich diese drei Zahlen verhalten, wenn man das Koordinatensystem dreht, dann sieht man, dass sie sich benehmen wie ein Vektor1. Der Spin hat in diesem Fall also eine “Richtung”. (Das ist nicht selbstverständlich so, auch wenn es zu unserer klassischen Vorstellung eines sich drehenden Teilchens passt. Bei Spin 1/2 zum Beispiel kann man nicht so einfach eine Richtung angeben, bei Spin 2 braucht man in gewisser Weise sogar zwei Richtungen.)

1Wenn ich es richtig sehe, ist es eigentlich wohl ein Axialvektor, weil es sich als der antisymmetrische Teil eines zweistufigen Tensors darstellen lässt. Nagelt mich aber nicht drauf fest – diesen ganzen Gruppentheoriekram finde ich immer etwas unanschaulich.

In der SRT vermischen sich Raum und Zeit, wir können also erwarten, dass aus dem räumlichen Vektor ein Vierervektor wird. (Ja, das ist jetzt genau einer dieser relativistischen Tricks) Der Spin muss also noch eine “Zeitkomponente” bekommen.

Jetzt haben wir plötzlich vier Zahlen für unser Spin-1-Teilchen. Beobachten tun wir aber ja nur drei – wir haben uns ja ausführlich überlegt, dass Spin-1-Teilchen drei Zahlen brauchen, um sie zu beschreiben, nicht vier. Wir haben also irgendwie eine Zahl zu viel, nämlich die “Zeitkomponente” unseres Spins.

Da die Zeitkomponente zunächst mal an realen Teilchen nicht beobachtbar ist, müssen wir sie wieder loswerden. Wenn wir die Komponente für ein normales (ruhendes) Teilchen nicht beobachten, dann verschwindet die Zeitkomponente des Spinvektors im Ruhezustand des Teilchens.

Nun sind Teilchen nicht immer in Ruhe – aber mit den Mitteln der Relativitätstheorie können wir uns eine passende Gleichung überlegen, die in jedem System gilt und die dafür sorgt, dass die Zeitkomponente des Spins im Ruhesystem gleich Null ist.1

1Jetzt könnte jemand zu Recht einwenden, dass masselose Teilchen wie Photonen kein Ruhesystem haben. Das stimmt, die Gleichung in der korrekten relativistischen Form gilt aber auch für sie. Dazu steht etwas weiter unten was hinter einem der Warnschilder.

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Wenn ich den Vierervektor für den Spin mit A bezeichne, dann ist also
A0=0 (im Ruhesystem)

Das ist natürlich keine schöne Gleichung, weil sie nicht in jedem Bezugssystem gelten kann. Wir müssen daraus eine invariante Größe basteln. Das ist leicht: Der Viererimpuls hat ja im Ruhesystem des Teilchens die Form
p=(E/c, 0,0,0)

Also ist im Ruhesystem pμ Aμ =0.

Das ist aber eine Gleichung in korrekter invarianter Form, also können wir ganz kühn annehmen, dass sie immer gilt. (Ob diese Annahme gerechtfertigt ist, sehen wir, wenn wir Vorhersa

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gen machen, die zum Experiment passen.)

 

 

Ist das nicht ziemlich blödsinnig? Erst basteln wir die Zeitkomponente in unseren Spin rein, dann diskutieren wir sie wieder weg? Mag auf den ersten Blick so aussehen, tatsächlich haben wir aber etwas erreicht: Unsere Beschreibung des Spins ist jetzt relativistisch korrekt. Wir können also erwarten, dass sie immer gilt, auch wenn ein Teilchen mit hoher Geschwindigkeit an uns vorbeibraust, und sogar für Teilchen, die immer mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs sind. Diese Eigenschaft hatte die ursprüngliche Spin-Beschreibung nicht. Und die “Zeitkomponente” des Spins spielt die entscheidende Rolle für die Kraft zwischen zwei Quellen.


Die Spin-Vierervektoren bilden ein Quantenfeld

In der Quantenmechanik hatten wir ein Trennung zwischen der ortsabhängigen Beschreibung des Teilchens (der Wellenfunktion) und dem Spin, den wir einfach an die Wellenfunktion ranmultipliziert haben. (Ich bin darauf gar nicht ausführlich eingegangen, sondern habe einfach den Spin für sich allein betrachtet. Das ging eben genau deswegen, weil Spin-Eigenschaft und die Aufenthaltswahrscheinlichkeit im Raum direkt nichts miteinander zu tun hatten.)

In der Quantenfeldtheorie muss das aber anders sein. Es gibt ja zum Beispiel auch virtuelle Teilchen (eigentlich gibt es nur die), und wenn ich zum Beispiel das Quantenfeld für Photonen betrachte, dann kann ich jetzt und hier ein Photon mit einem Spinwert haben und gleich und dort eins mit einem anderen. Der Spinwert muss also auch vom Ort abhängen dürfen.

Bei einem Spin-1-Teilchen haben wir deshalb nicht einfach ein Feld φ(x), wir haben ein Spinfeld. An jedem Raumzeitpunkt brauche ich nicht eine Zahl, um das Feld zu beschreiben, sondern vier Zahlen für die vier Spinkomponenten. Das können wir so schreiben: Aμ(x). Der obere Index μ sagt also, welche Komponente ich gerade betrachte, er kann Werte zwischen 0 und 3 annehmen. Dabei müssen diese vier Zahlen noch einer speziellen Bedingung genügen, damit im Ruhesystem eines Teilchens die Zeitkomponente des Spins immer verschwindet.

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Mit einer kleinen Anleihe in der Quantenmechanik kann man sich diese Extra-Bedingung leicht überlegen: Für ein einzelnes Teilchen soll pμ Aμ =0 gelten. Aus dem Impuls wird in der Quantentheorie der Ableitungsoperator ∂μ (mit ein Paar Faktoren i und ℏ, die jetzt egal sind, also ist die Bedingung
μAμ =0.
Falls ihr euch in der Elektrodynamik auskennt (falls nicht, betrachtet den Rest des Satzes für den Moment getrost als sinnfreies Physiker-Geblubber), dürfte euch das bekannt vorkommen: Das ist genau die Lorenz-Bedingung (Achtung: die heißt nicht Lorentz-Bedingung, denn sie kommt von Ludvig Lorenz, nicht von Hendrik Antoon Lorentz) für das Viererpotential.

Das klärt dann auch die Frage in der Fußnote oben: Ja, die Gleichung gilt auch für Photonen, auch wenn die kein Ruhesystem haben.

 

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Die kinetische Energie von Spin-1-Teilchen mit raumartigem Spin ist positiv
Betrachten wir ein reales Spin-1-Teilchen.

“Hey, eben hast du gerade noch erzählt, es gibt nur virtuelle Teilchen!!?? Ist das jetzt ein Fall von ‘Was geht mich mein Gerede von vor 5 Minuten an’?”

O.k., ich mach’s etwas genauer, damit niemand nörgelt. Betrachten wir eine Anregung unseres Quantenfeldes in Form einer ebenen Welle, für die die Bedingung ω2k2=m2 gilt. (Falls ihr nicht mehr wisst, wo diese Bedingung herkommt. könnt ihr hier nachgucken. Ja, heute gibt es viele Querverweise, denn in diesem Teil laufen fast alle Fäden zusammen, die ich bisher gesponnen habe.)

Wir haben also ein Spin-1-Teilchen, und zwar ein “reales”, also eins, das wir auch beobachten können. Wenn es ein massives Teilchen ist, können wir uns in sein Ruhesystem setzen und dann verschwindet die Zeitkomponente des Spin-Vierervektors: A0=0. Wir machen es uns besonders einfach und wählen den Spin des Teilchens so, dass nur eine einzige Komponente nicht verschwindet, zum Beispiel A1. Jetzt geben wir diesem Teilchen eine kleine Geschwindigkeit (oder wir fliegen mit einer kleinen Geschwindigkeit am Teilchen vorbei, das ist nach Relativitätstheorie ja egal.) Das Teilchen hat jetzt eine kinetische Energie.

Diese kinetische Energie ist sicherlich positiv – in der klassischen Physik gilt ja zum Beispiel Ekin=mv2/2, genau wie für ein Spin-0-Teilchen. Wenn wir die Geschwindigkeit senkrecht zur Spinrichtung wählen, dann ändert sich die Spin-Komponente nicht – es ist immer noch nur A1 ungleich Null.

Ein Teilchen mit festgelegtem Spin verhält sich dann ganz genauso wie ein Teilchen ohne Spin, was seine kinetische Energie angeht. Alles andere wäre auch seltsam – wenn ein Teilchen durch Ändern seines Spins sein Verhalten bezüglich der kinetischen Energie verändern könnte, würden wir wahrscheinlich Probleme mit Dingen wie der Energie- und Impulserhaltung bekommen. Und das hätte man auch längst beobachtet. Beispielsweise können in einem Wasserstoff-Atom der Spin von Elektron und Proton entweder entgegengesetzt sein – dann hat das Atom als Ganzes den Spin 0 – oder gleichgerichtet – dann hat das Atom als Ganzes den Spin 1. Dass ein Wasserstoff-Atom eine andere (oder gar negative – letztlich geht’s hier nur ums Vorzeichen) kinetische Energie bekommt, wenn es einen Spin umklappt, wäre uns wohl schon aufgefallen.

Der Propagator eines Spin-1-Teilchens mit raumartigem Spin ähnelt dem eines Spin-0-Teilchens

An dieser Überlegung ändert sich auch nichts, wenn wir das Ganze mit den Regeln der Quantenfeldtheorie beschreiben, und den Propagator des Teilchens betrachten. Der Propagator eines Spin-1-Teilchens mit “normalem” Spin (also einem, der in eine bestimmte Raumrichtung zeigt) sollte genauso aussehen wie der eines Spin-0-Teilchens.

Wenn wir unsere Rechnung zur Kraft zwischen zwei Quellen wieder hervorkramen, dann bedeutet das, dass zwei Quellen, die miteinander ein Spin-1-Teilchen austauschen, dessen Spin senkrecht zu seiner Ausbreitungsrichtung liegt1, sich ebenfalls anziehen sollten. (Das stimmt auch tatsächlich und ist genau der Grund, warum sich zwei stromführende Drähte anziehen – das werde ich aber noch mal detaillierter erklären, wenn ich etwas mehr über das Photon schreibe.)

1Diese Forderung ist eigentlich nur für masselose Spin-1-Teilchen wie das Photon wichtig.

Unser Spin-1-Teilchen (oder besser gesagt, das Spin-1-Quantenfeld) soll ja eine Kraft zwischen zwei Objekten vermitteln, so wie wir es bei der Kraftberechnung neulich gesehen haben. Dort hatten wir einen Term
J(x) D(x-y) J(y)
aus dem sich die Anziehungskraft ergab. Dabei war D(x-y) der Propagator.

Der Propagator D(x-y) sagt etwas darüber wie sich eine Störung des Feldes am Raumzeitpunkt x auf den Raumzeitpunkt y auswirkt.

Nun hat unser Quantenfeld einen Spin dazubekommen. Ich muss also jetzt auch beachten, welche Spinkomponente unseres Quantenfeldes ich am Punkt x anrege und umgekehrt auch, auf welche Komponente ich die Auswirkung am Punkt y betrachten will.

Wir müssen also eigentlich schreiben
D(x-y, Spin bei x, Spin bei y)

Wenn ich also am Ort x eine bestimmte Spinkomponente anrege, dann wird sich dies auf die unterschiedlichen Spin-Komponenten am Ort y unterschiedlich auswirken.

Da wir den Spin ja mühsam zu einem Vierervektor gemacht haben und da man Vierervektoren ja immer mit Indices kennzeichnet, schreiben wir aber besser
Dμν(x-y)
Das gibt mir also die Auswirkung einer Störung der μ-Komponente am Raumzeitpunkt x auf die ν-Komponente am Raumzeitpunkt y. Beim Photon (und generell bei allen masselosen Spin-1-Teilchen) ist der Propagator übrigens gleich Null, wenn μ ungleich ν ist. Das heißt anschaulich gesprochen, dass sich der Spin beim Propagieren nicht ändert. (Bei Spin-1-Teilchen mit Masse und auch bei Elektronen ist das anders.) Das kann man (mit etwas Rechnerei) auch herleiten, man kann auch einfach Photonen als Beispiel nehmen – polarisiertes Licht bleibt polarisiert, egal wie weit es fliegt.

Also ist Dμν nur dann ungleich Null, wenn μ=ν ist. Ist μ= 1, 2 oder 3 (“du musst dich entscheiden…”), dann sollte der Propagator genauso aussehen wie der für ein Spin-0-Teilchen.

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Dass sich der Spinwert während des Propagierens nicht ändern kann, gilt nur für ein masseloses Teilchen wie das Photon, nicht für ein massives Teilchen. Bei einem massiven Teilchen kommt hier ein Term kμkν/m2 hinzu, der aber verschwindet, wenn die Masse gegen Null geht. Details wie meist bei Zee (Kap. I.5). Wesentlich komplizierter wird die Sache bei Spin-1/2-Teilchen wie Elektronen. Wenn die durch die Gegend fliegen, bekommen sie eine Anti-Teilchen-Komponente mit entgegengesetztem Spin dazu. Ich hoffe, dass ich es irgendwann schaffe, auch über dieses gruselige Thema (Spinoren) zu schreiben.

 

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Die Anziehungskraft zwischen zwei ruhenden Quellen involviert die Zeitkomponente des Feldes
Unsere beiden Quellen tauschen jetzt also virtuelle Teilchen aus (ihr könnt auch sagen, sie wechselwirken mit dem Quantenfeld, das ist ja dasselbe und es ist reine Geschmackssache, welche Sprechweise ihr bevorzugt). Aber welche Rolle spielen dabei die Indices μ und ν für die Spin-Komponente? Wir können nicht einfach
J(x)Dμν(x-y)J(y)
schreiben, das wäre ganz doll pfui-bäh, weil das Ergebnis zwei Vierervektor-Indices hat – es muss aber eine einfache Zahl (ein Skalar) sein, denn dieser Ausdruck gibt ja einen Drehwinkel für unseren Wahrscheinlichkeitsamplitudenpfeil an.

Irgendwo müssen wir noch mehr Vierervektor herbekommen, denn aus zwei Vierervektoren kann man eine einfache Zahl bauen, indem man sie aneinandermultipliziert. (Das hatte ich seinerzeit eine “invariante Größe” genannt.)

Mit ein bisschen physikalischer Intuition können wir aber überlegen, wo diese Vierervektoren herkommen: Die Quelle selbst ist auch ein Vierervektor.

Warum? Stellt euch kurz unter der Quelle konkret eine elektrische Ladung vor. Und nun mieten wir uns mal wieder ein Raumschiff und heizen mit dreiviertel-Impuls an unserer Ladung vorbei. Wir sehen eine Ladung, die sich bewegt. Und eine sich bewegende Ladung ist ein Strom. Auch das hatten wir seinerzeit im Relativitätstheoriekapitel gesehen: Ladung und Strom1 bilden zusammen einen Vierervektor. Die Ladung entspricht dabei der “zeitlichen” Komponente, der Strom der “räumlichen” Komponente.


1 genauer gesagt Ladungsdichte und Stromdichte, aber der Unterschied spielt hier keine Rolle.

 

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Jetzt könnte jemand einwenden, warum das bei den Spin-0-Teilchen nicht so war – warum habe ich da die Quelle nicht auch als Vierervektor geschrieben? Das habe ich deswegen nicht getan, weil da eben nur die Null-Komponente an das Quantenfeld koppelt. Das bedeutet, dass sich – weil sich bei Lorentztransformation die Nullkomponente ändert – die Anziehungskraft zwischen bewegten Ladungen, die über ein Spin-0-Feld wechselwirken, verringern muss. Das steht mal wieder bei Feynman (Lectures on Gravitation). (Feynman benutzt es als Argument, warum die Gravitation nicht durch Spin-0-Teilchen vermittelt werden kann.)

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Wir bekommen eine saubere, relativistisch korrekte Größe, wenn wir das Ganze so schreiben:
Jμ(x) Dμν(x-y) Jν(y)

Hier regt also die μ-Komponente der Quelle J am Punkt x unser Spin-1-Feld an. Dieses propagiert zum Punkt y und wechselwirkt mit der ν-Komponente der Quelle am Punkt y.

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Ja, relativistisch invariant ist das natürlich nur mit impliziter Summenkonvention. Falls ihr gerade darüber nörgeln wolltet – gehört das wirklich in den “harmlosen” Teil? (Der heute eh schon nicht so harmlos ist.) Wir betrachten hier gleich eh nur einzelne, konkrete Werte für die Indices.

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Die Relativitätstheorie dreht das Vorzeichen

Für die Anziehung zwischen zwei ruhenden Quellen (also konkret z.B. zwei ruhenden elektrischen Ladungen) sind nur die Zeit-Komponenten von J relevant (das war ja gerade die Ladung), also ist μ=0 und ν=0. Wir interessieren uns also für

J0(x) D00(x-y) J0(y)

Oben hatte ich argumentiert, dass beim Austausch eines Spin-1-Teilchens mit richtiger räumlicher Orientierung des Spins eine Anziehungskraft zwischen den Quellen herrschen muss, die durch diesen Austausch zu Stande kommt, weil das letztlich analog zum Spin-0-Teilchen sein muss. (Das war das Argument mit der kinetischen Energie.)

Für diesen Fall müssen wir also (beispielsweise, hier für die 1-Komponente geschrieben)
J1(x) D11(x-y) J1(y)
berechnen und das Ergebnis ist genau dasselbe wie bei der alten Kraftberechnung. Insbesondere ist dieser Ausdruck größer als Null. (Wir hatten ihn neulich W(J) genannt.)

Dieses Produkt involviert zwei raumartige Komponenten zwischen Vierervektoren. Unsere Anziehungskraft für die Zeitkomponente involviert im Gegensatz dazu zwei zeitartige Komponenten. Und jetzt kommen die Regeln der Relativitätstheorie ins Spiel.

Wir hatten hier eine Formel für den Raumzeitabstand kennengelernt. Da konnte man sehen, dass die Zeitkomponente beim Multiplizieren ein anderes Vorzeichen hat als die Raumkomponente. Verwendet man dieses Wissen, dann kann man sofort sehen, dass das Vorzeichen für
J0(x) D00(x-y) J0(y)
genau entgegengesetzt sein muss wie das für
J1(x) D11(x-y) J1(y)

 

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Da der Ausdruck nur dann ungleich Null sein soll, wenn μ=ν ist und da er außerdem invariant sein soll, muss Dμν proportional zur Metrik ημν sein. (Feynman macht es sich gleich ganz einfach und schreibt direkt Jμ(1/k2)Jμ, dann sieht man das unterschiedliche Vorzeichen noch schneller.) Wie gesagt, das gilt nur für masselose Teilchen, für Spin-1-Teilchen mit Masse kommt hier noch ein zweiter Term hinzu.

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Endlich: Die Abstoßungskraft

Nun war J(x)D(x-y)J(y) ja gerade der Extra-Phasenfaktor (Dreh des Amplitudenpfeils), der etwas über die Energie aussagt. Beim Austausch von Spin-0-Teilchen ist er größer als Null und die Wechselwirkungsenergie wird (weil sie entgegengesetztes Vorzeichen hat) negativ, es gibt also eine Anziehungskraft, denn es ist energetisch günstig, die Ladungen zusammenzubringen.

Tauschen wir dagegen Spin-1-Teilchen zwischen Ladungen aus, ist das Vorzeichen entgegengesetzt. J0(x) D00(x-y) J0(y) ist also kleiner als Null, also ist die Energie größer als Null. Es gibt also eine Abstoßungskraft.

Es sei denn natürlich, die beiden J’s haben selbst noch entgegengesetzte Vorzeichen. Ist ein J positiv, das andere negativ, dann bekommen wir ein weiteres Minuszeichen, und die Energie wird wieder negativ.

Wir sehen also: Entgegengesetzte Ladungen ziehen sich an, gleichnamige Ladungen stoßen sich ab.


Spin-2-Teilchen: Einfacher geht’s nicht

Zum Abschluss – weil das jetzt wirklich simpel ist – ein kurzer Blick auf Spin-2-Teilchen. Bei Spin-2-Teilchen haben wir nicht mehr bloß einen Viererindex für den Spin, sondern gleich zwei. (Das erkläre ich vielleicht ein andermal.) Das gilt entsprechend auch für die Quellen. Der Propagator hat dann gleich vier Indices (zwei für den Zustand beim Losfliegen, zwei für den beim Ankommen). Man kann dieselbe Überlegung anstellen wie eben – nur dass man jetzt zwei mal so viele Indices hat. Entsprechend hat man auch zwei Vorzeichenwechsel, das Vorzeichen ist also das Alte.

Beim Austausch von Spin-2-Teilchen haben wir also Anziehungskraft zwischen gleichen Ladungen und Abstoßung zwischen ungleichen Ladungen. Auch für höhere Spin-Werte funktioniert das so: Ist der Spin des Austauschteilchens geradzahlig, dann ziehen sich gleiche Ladungen an, ist er ungeradzahlig, stoßen sie sich ab.

Das einzig wirklich wichtige Beispiel für ein Spin-2-Teilchen ist das Graviton, das Quant der Gravitation. Weil es Spin 2 hat, wirkt die Gravitation zwischen “gleichen Ladungen” anziehend. (Die Ladungen sind natürlich die Masse – und negative Massen gibt es nach allem, was wir wissen, nicht.)

 

So, das war jetzt ziemlich heftig. Dafür haben wir aber auch ein in meinen Augen ziemlich beeindruckendes Ergebnis herausbekommen: Hat ein Austauschteilchen geradzahligen Spin, dann ziehen sich gleiche Ladungen an, ist der Spin ungeradzahlig, dann stoßen sie sich ab. Tatsächlich war es genau dieses Argument in den Feynman Lectures on Gravitation, das letzten Sommer mein Interesse an der Quantenfeldtheorie wieder geweckt hatte und das euch (und mir, ächz…) letztlich diese Serie beschert hat. (Aber keine Sorge, auch wenn das erste Zwischenziel erreicht ist, wird’s noch weiter gehen.)

Kommentare (18)

  1. #1 Sascha Vongehr
    26. März 2012

    Kompliment zur Leistung und es wenigstens versucht zu haben. Wenn es um Spin geht wird man nicht fuer den Erfolg belohnt sondern fuer wie stilvoll man versagt hat – deswegen fass ich das Zeugs auch nicht an. Nun zum noergeln:
    “ein wirklich fundamentales Ergebnis herzuleiten: Warum ziehen sich Massen an, aber gleiche elektrische Ladungen stoßen sich ab?”
    Hergeleitet von den Annahmen, ja, aber wissen wir jetzt “warum” nachdem wir es in diese mathematische Form gebracht haben (spin in time direction etc)? Die Beschreibung ist konsistent, aber wir wissen ja nicht einmal ob es Gravitonen wirklich gibt. Soweit wir wissen, ziehen sich Massen an “weil” sie die Raumzeit kruemmen – zumindest ist diese konsistente Beschreibung bestaetigt. In wieweit verstehen wir nun *warum* spin 2 Raumzeit so biegt und nicht anders? Moeglicherweise, wenn wir die Kruemmung betrachten, sehen wir warum die Feld Beschreibung spin 2 braucht (also, Du hast hier potentiel den Karren for dem Pferd oder so). In anderen Worten: Auch kann man ja Ladungen (electric, color, …) in der Stringtheorie mit Windungen um kompaktifizierte Dimensionen modelieren. *Warum* denn, wenn ich nur eine periodische Richtung habe [U(1), also electrische Ladung], stossen sich die Ladungen ab welche in die gleiche Richtung kreisen? Ein anschaulicher Grund sieht anders aus und wuerde erklaeren warum in der QFT Beschreibung gewisse Kombinationen nur mit gewissem Spin konsistent sind. Also zum Beispiel Anziehung -> Spin, nicht Spin -> Anziehung.

  2. #2 MartinB
    26. März 2012

    @Sascha
    Stimmt schon, mir wäre es auch lieber, ich könnte das noch klarer anschaulich machen. Ich hoffe, dass aber denjenigen, die sich das hier durchlesen, zumindest klar wird, dass es eben ein enges Zusammenspiel von Spin und SRT ist, das für diese Eigenschaft sorgt.

    Was die Gravitonen angeht – wenn es eine Quantentheorie der Gravitation gibt, dann wird’s auch Gravitonen geben. Raumzeitkrümmung und ein entsprechendes kraftausübendes Tensorfeld sind ja äquivalent.

  3. #3 Bjoern
    26. März 2012

    @Martin: Gute Erklärung – auf die Idee, dass die Abstossung/Anziehung was mit dem unterschiedlichen Vorzeichen der Metrik bei Zeit-/Raumkoordinaten zu tun hat, bin ich auch noch nicht gekommen… 🙂

    Allerdings stimmt das, was du zum Verhalten von Spin 0- (und Spin 2-)Bosonen sagst, irgendwie nicht ganz mit meinem Wissen überein… Zum Beispiel in Peskin/Schröder, Introduction to Quantum Field Theory, S.126, wird gesagt, dass die Kraft, die durch Austausch von Spin 0-Bosonen entsteht, *immer* anziehend wäre, also auch zwischen Teilchen mit umgekehrter Ladung nicht abstossend… (bzw. was da eigentlich steht, ist, dass sich sowohl Teilchen und Teilchen als auch Antiteilchen und Antiteilchen als auch Teilchen und Antiteilchen alle jeweils anziehen; dasselbe auch für Spin 2)

    Ach ja, und im mathematischen Einschub, der mit “Es muss nämlich…” anfängt, hast du wohl ein paar Tippfehler untergebracht… 😉

  4. #4 Niels
    26. März 2012

    @MartinB @Bjoern
    Das kenn ich auch nur so:

    Austauschbosonen mit geradem Spin (0, 2, usw.) können nur eine anziehende Wirkung vermitteln, Austauschbosonen mit ungeradem Spin dagegen sowohl eine anziehende als auch eine abstoßende Wirkung.

  5. #5 MartinB
    26. März 2012

    @Bjoern, Niels
    Das mit der immer anziehenden Wirkung verstehe ich nicht – das kann ja nur bedeuten, dass in dem Fall J immer positiv sein muss, ansonsten müsste doch die Rechnung zum Spin-0-Teilchen falsch sein, denn da steht ja am Ende
    E= J1*J2 exp(-4pi r)/r

    Und upss, da ist bei der Formatierung was schief gegangen, werde ich nachher mal korrigieren.

  6. #6 MartinB
    26. März 2012

    So, jetzt habe ich den verkorksten Satz repariert.

    Mir ist übrigens noch eingefallen, dass ich mal ein paper gelesen habe, in dem spekuliert wird, ob es möglichist, dass Anti-Materie negative Masse hat und sich deshalb mit normaler Materie gravitativ abstößt. Das spricht dafür, dass es tatsächlich so ist, dass sich bei geradezahligem Spin entgegengesetzte ladungen abstoßen. (Nur dass es solche entgegengesetzten Ladungen bei der Schwerkraft nicht gibt – wenn ich es richtig sehe, bei der Kernkraft auch nicht.)

  7. #7 Niels
    26. März 2012

    @MartinB

    Das spricht dafür, dass es tatsächlich so ist, dass sich bei geradezahligem Spin entgegengesetzte ladungen abstoßen.

    Ich bin da ganz bestimmt kein Experte, aber ich bin mir doch ziemlich sicher, schon mehrfach gelesen zu haben, dass geradzahlige Austauschbosonen nur Anziehung vermitteln können.

    Mal schaun, ob mir noch eine Quelle einfällt.

    Nur dass es solche entgegengesetzten Ladungen bei der Schwerkraft nicht gibt – wenn ich es richtig sehe, bei der Kernkraft auch nicht.

    Steh ich jetzt auf dem Schlauch?
    Zu jeder Farbladung gibt es doch eine zugehörige Anti-Farbladung?

  8. #8 Bjoern
    26. März 2012

    @Martin: Ja, dein Argument klingt schon irgendwie überzeugend – aber die explizite Rechnung (siehe Peskin/Schröder, S. 121ff) zeigt halt, dass auch Teilchen und Antiteilchen (genauer: Fermion und Antifermion) sich bei einem Spin-0-Austausch anziehen… (anschaulich kann ich’s nicht erklären; laut der Rechnung erhält man durch einen Fermionen-Austausch ein zusätzliches Minuszeichen…?)

    Ich vermute mal, dass deine Argumention mit JDJ für Fermionen irgendwie nicht ganz funktioniert – wo genau das Problem auftaucht, kann ich dir leider aber spontan auch nicht sagen. 🙁

  9. #9 MartinB
    26. März 2012

    O.k., den Peskin/Schroeder kann man sogar online lesen. In der Tat, das ARgument mit den Fermionen sieht vernünftig aus, da ziehen sich Fermion und Anti-Fermion an.
    Mein Argument stimmt aber zum Glück auch, weil ich ja noch klassische Quellen betrachtet hatte – und wenn da eine ihr Vorzeichen wechselt, dann auch die Kraft.

    Für Bosonen scheint mir mein Argument auch o.k.

    @Niels
    “Zu jeder Farbladung gibt es doch eine zugehörige Anti-Farbladung?”
    Aber beim Yukawa-Potential tauscht man ja Pionen zwischen Farbneutralen Partnern aus.
    Die Rechnung aus dem Perkin/Schröder zeigt auf jeden Fall, dass sich auch ein Proton und ein Antiproton anziehen.

  10. #10 Niels
    26. März 2012

    @MartinB

    Aber beim Yukawa-Potential tauscht man ja Pionen zwischen Farbneutralen Partnern aus.

    Das Modell des Pionen-Austauches ist aber doch nur eine effektive Theorie, oder?
    https://de.wikipedia.org/wiki/Effektive_Theorie

    Diese Beschreibung ist also nur für bestimmte Energiebereiche und nur in guter Näherung richtig. Bei einer korrekten, grundsätzlichen Beschreibung muss man auf die Quark-Ebene und zu den Gluonen als Eichboson übergehen.
    Also gibt es bei der Kernkraft durchaus entgegengesetzte Ladungen?

    Na gut, aber eigentlich hab ich dich einfach falsch verstanden. 😉
    Ich dachte mit “Kernkraft” wäre die starke WW gemeint, dir ging es aber vielmehr um die Kraft zwischen den Nukleonen, nicht?
    Das war dann mein Fehler.

    Aber beim Yukawa-Potential tauscht man ja Pionen zwischen Farbneutralen Partnern aus.
    Die Rechnung aus dem Perkin/Schröder zeigt auf jeden Fall, dass sich auch ein Proton und ein Antiproton anziehen.

    Ja, genau?

    Ich habe geschrieben:

    Austauschbosonen mit geradem Spin (0, 2, usw.) können nur eine anziehende Wirkung vermitteln

    Pionen haben Spin Null und die Kernkraft ist anziehend. Passt doch genau?

    In der Wiki steht übrigens bei https://en.wikipedia.org/wiki/Yukawa_interaction#Classical_potential :

    The sign will make the interaction attractive between all particles (the electromagnetic interaction is repulsive for identical particles). This is explained by the fact that the Yukawa particle has spin zero and
    even spin always results in an attractive potential.

  11. #11 MartinB
    27. März 2012

    “Ich dachte mit “Kernkraft” wäre die starke WW gemeint, dir ging es aber vielmehr um die Kraft zwischen den Nukleonen, nicht?”
    Genau, weil ja dafür das Yukawa-Modell gilt. Gluonen haben ja Spin 1, die müssten also von rechts wegen auch abstoßende Kräfte übertragen können, aber bei denen wird es dadurch verkompliziert, dass sie selbst eine Ladung tragen.

    “Pionen haben Spin Null und die Kernkraft ist anziehend. Passt doch genau?”
    Ich hatte dich so verstanden, dass du meintest, wenn ein Teilchen eine (bezüglich Kernkraft) Ladung J hat, dann müsste das Anti-Teilchen die Ladung -J haben, und dann müsste nach meiner Logik ja abstoßende Kraft herauskommen.

    “The sign will make the interaction attractive between all particles”
    Hmm, das ist jetzt aber missverständlich ausgedrückt – meinen die nun “all particles” ein- oder ausschließlich der anti-particles (die Klammer spricht eher für die zweite Interpretation). Insofern finde ich den zweiten Satz auch nicht ganz eindeutig, und die Rechnung zeigt meiner Meinung nach schon, dass zwei Bosonen mit unterschiedlichem Vorzeichen von J sich abstoßen müssen.

    Und hier noch die große Grübel-Frage, auf die ich gar keine Antwort weiß:
    Nehmen wir mal an, es gäbe eine WeWi wie die Gravitation, aber so, dass Antiteilchen negative Masse tragen. Nach der Logik vom Perkin-Schröeder ziehen sich auch ein Teilchen und ein Anti-Teilchen an, wenn beide Fermionen sind, richtig?

    Jetzt binde ich (über irgendeinen Mechanismus mit einer anderen WeWi) zwei Fermionen und zwei Anti-Fermionen jeweuils zu einem Paar zusammen. Stoßen die sich dann plötzlich ab?

    Anders gesagt, wenn Antiteilchen negative Masse hätten, würden sich ein Proton und ein Anti-Proton zwar anziehen, ein Wasserstoff und ein Anti-Wasserstoff aber abstoßen? Das wäre ja auch mehr als seltsam. Irgendwas verstehe ich hier noch nicht ganz.

  12. #12 Niels
    27. März 2012

    @MartinB

    Hmm, das ist jetzt aber missverständlich ausgedrückt – meinen die nun “all particles” ein- oder ausschließlich der anti-particles (die Klammer spricht eher für die zweite Interpretation).

    Ich verstehe das eher so, dass alle Teilchen einschließlich der Anti-Teilchen gemeint sind. Also die erste Interpretation.
    Der Elektromagnetismus wird nur genannt, um ein beliebiges Beispiel für eine abstoßende Kraft bei zwei identischen Teilchen zu liefern.

    Aber ein einziger missverständlicher Absatz in der Wiki, der von weiß wem geschrieben wurde, ist natürlich nicht besonders viel wert.

    In der Diskussion zum Artikel steht übrigens:

    THIS ARTICLE NEEDS REVISION! “Yukawa particle has spin zero and even spin always results in an attractive potential.”
    This statement makes no sense. What about a coulomb bound pionic atom?

    Kannst du damit was anfangen?
    Ich hab jetzt spontan keine Ahnung, was der Kommentator damit sagen will.

    Dass die Sache mit dem Wasserstoff und ein Anti-Wasserstoff komisch klingt ist doch eigentlich kein Ausschlusskriterium.
    Man hat es sonst immer mit Spin-1-Eichbosonen zu tun, dadurch ist man ein abweichendes Verhalten vielleicht einfach nicht gewöhnt und es fühlt sich intuitiv falsch an.

  13. #13 MartinB
    27. März 2012

    @Niels
    “Also die erste Interpretation.”
    Das kriege ich aber nicht mit der Rechnung zusammen.

    “Kannst du damit was anfangen?”
    Nö? Was ist den ein pionisches Atom? Zwei Pionen entgegengesetzter Ladung mit Anziehung per Coulomb-Kraft? Das hat damit ja gar nichts zu tun. Verwechselt der Kommentator die Austauschteilchen und die Teilchen, auf die die Kraft wirkt?

    “Dass die Sache mit dem Wasserstoff und ein Anti-Wasserstoff komisch klingt ist doch eigentlich kein Ausschlusskriterium.”
    Ich finde es widersprüchlich:

    Wenn H und Anti-H sich dann doch wieder abstoßen, obwohl alle ihre Bestandteile sich anziehen, ist mir nicht klar, wie das gehen soll. Überlagern sich die eigentlich anziehenden virtuellen Teilchen dann insgesamt wieder so, dass sie abstoßend wirken?

    Wenn H und Anti-H sich aber auch anziehen, obwohl sie Bosonen sind, dann stimmt das Argument, dass sich bei fermionischen Teilchen/Antiteilchen das Vorzeichen nochmal umdreht, wieder nicht – denn dann würde es auch für Bosonen gelten.

    Oder mache ich da nen Denkfehler? (Vermutlich schon, aber wo?)

    Immer wenn man gerade denkt, man hat’s verstanden, findet man wieder was Neues, grummel…

  14. #14 Niels
    28. März 2012

    Ist mir schon klar, dass das nicht mit der Rechnung zusammen passt. 😉
    Deswegen hab ichs ja zitiert.
    Aber wie gesagt, solange ich keine richtige Quelle für das von mir Erinnerte finde, kann man so eine unklare Wiki-Bemerkung erst mal ignorieren.

    Gut, dass mit dem pionisches Atom war dann Unsinn. Dachte ich mir schon, aber manchmal steht man auf dem Schlauch.

    Zum H und Anti-H muss man wahrscheinlich einen Experten fragen, keine Ahnung, wie wir das selbst aufdröseln sollen. Von mir kann da auch nicht wirklich etwas hilfreiches kommen, von QFT hab ich echt keine Ahnung.

  15. #15 MichiS
    1. Mai 2012

    Lieber MB: dieser Link zum ETH-Vortrag von ROGER PENROSE gehört unbedingt und sofort in dein DRACHENHAUS:

    …wo wäre er dir am liebsten plaziert gewesen ? :-)))))

  16. #16 MartinB
    1. Mai 2012

    @MichiS
    Hab noch nicht reingeguckt, aber wenn es in die Richtung von “Emperors New Mind” geht, dann wird’s so toll nicht sein (obwohl die Physik-Teile des Buches exzellent sind) – Penroses Ideen zum Bewusstsein sind ziemlich abstrus, speziell wenn es um den Zusammenhang mit dem Gödelschen Satz geht.

  17. #17 Stefan
    12. Juli 2012

    RE: “ist das Vorzeichen entgegengesetzt. J0(x) D00(x-y) J0(y) ist also kleiner als Null, also ist die Energie größer als Null. Es gibt also eine Abstoßungskraft.” [MB]
    Es fasziniert mich immer wieder, wie die Physiker ein begruendendes Erklaerungsargument aufbauen nach dem generellen Muster: Dies und das in der Natur verhaelt sich so, “WEIL” – – – und dann wird auf eine mathematische Gleichung verwiesen, quasi so als ob die Teilchen der Natur alle ein dickes Mathematikbuch studiert haetten und nun jedes mal im Mathematikbuch nachschlagen muessten bevor sie miteinander wechselwirken. Freilich verstehen wir schon immer irgendwie intuitiv wie die Physiker das “eigentlich meinen” wenn sie so reden, aber aus streng philosophischer Perspektive ist der Zusammenhang zwischen Natur und Mathematik ein nicht-triviales Problem, welches auch die Frage beruehrt unter welchen Umstaenden und Bedingungen wir etwas “verstehen” und von welcher Art ein Argument beschaffen sein muss damit wir es als “Begruendng” (von irgendetwas) akzeptieren koennen.

  18. #18 MartinB
    12. Juli 2012

    @Stefan
    Ja, das stimmt natürlich, siehe auch hier:
    https://www.scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2011/08/ist-die-natur-mathematisch.php

    Im konkreten Fall finde ich aber schon, dass man eben sieht, dass die QFT das andere Vorzeichen als Konsequenz von Spin und Relativitätstheorie erzwingt. Wenn die Natur sich anders verhalten wollte, dann müsste sie an den Grundlagen drehen. Das “weil” bezieht sich hier also auf die notwendige Konsequenz der QFT, die man ja auf den ersten Blick erkennen konnte (dass Spin 1 Abstoßung impliziert, ist den Gleichungen nicht unmittelbar anzusehen und wurde eben auch nicht reingesteckt.)