Yutyrannus lebte allerdings auch zu einer Zeit, als das Klima der Erde kühler war als sonst in der Kreidezeit, die ja generell sehr warm war. Die mittlere Jahrestemperatur in seinem Lebensraum betrug nur etwa 10°C. Yutyrannus konnte also ein bisschen wärmenden Dino-Flausch ganz gut gebrauchen (auch wenn man davon ausgehen muss, dass der nicht zwingend notwendig war – andere Dinosaurier wie Sauropoden oder Ornithischier hatten ja vermutlich keinen). Es ist deshalb plausibel anzunehmen, dass auch andere Tyrannosauroiden ihren Flausch behalten haben, zum Beispiel die Albertosaurier, die in der Nähe des Nordpols lebten.

Bei den im warmen Klima lebenden Tyrannosauriern ist es auch denkbar, dass die Jungen mit Flausch geboren wurden und so ihre Körpertemperatur besser regeln konnten, und dass sie ihn erst verloren, wenn sie (so mit etwa 10 Jahren) ihren Wachstumsschub bekamen und ihr Gewicht von etwa einer auf etwa 5 und mehr Tonnen erhöhten. Und vielleicht hatten auch ausgewachsene Tyrannosaurier Protofedern, und die Abdrücke, die wir bisher kennen, sind nur ein unrepräsentativer Ausschnitt der Haut. Auch von einem heutigen Huhn kann man schließlich problemlos Hautabdrücke mit Schuppen drauf bekommen, denn deren Beine sind auch federlos. Tyrannosaurus mag auch ein paar Federn zu Show-Zwecken behalten haben – vielleicht ein schicker Federkamm auf dem Kopf oder Rücken? Man kann nur hoffen, dass wir noch weitere Fossilien finden, die das klären können.

So, nun wisst ihr hoffentlich etwas mehr über Yutyrannus und wie man das
Fossil einordnen kann als man den üblichen Pressemitteilungen entnehmen
konnte (und wie üblich habe ich mich reichlich der mythenmetzschen
Abschweifung bedient…). Zwei Dinge sind vielleicht noch zu bemerken:

Wenn ihr euch die Rekonstruktion von Yutyrannus oben anguckt, dann ist das Gesicht federfrei. Das ist im Moment Standard bei Dinosaurier-Rekonstruktionen, wie zum Beispiel bei diesem Modell aus Wien (wenn ich das richtig erkenne):

i-8f0c75254d9d5e29361f210f5349cf92-Deinonychus_im_NHM_Wien-thumb-500x375.jpg

By Domser – Own work (Original text : eigenes Werk), Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6729376

Meist werden gefiederte Raubsaurier mit schuppigen Gesichtern dargestellt. Besonders viel Rechtfertigung gibt es dafür allerdings nicht – das häufig gebrachte Argument, dass Fleischfresser sich sonst ja mit Blut einsauen würden, wird durch einen Blick auf Adler- oder Wolfsköpfe widerlegt, die kommen damit auch klar. Beim Sinosauropteryx endet der Federsaum, der sich am Rücken entlangzieht, zwar in der Mitte des Kopfes, aber daraus zu folgern, dass der Rest des Kopfes geschuppt war, ist sicher etwas gewagt. Und gerade bei Yutyrannus, der auch noch einen Knochenkamm auf der Schnauze hatte, der sicherlich vor allem zu Showzwecken diente (Frage an mitlesende BiologInnen: Wie übersetzt man denn “display structure” sinnvoll?), scheint es mir eher plausibel, dass auf dem Kamm auch ein paar schicke, möglicherweise bunte, Federn draufsaßen. Das ganze ist also mehr ein künstlerisches Mem, das sich gerade durchgesetzt hat.

Vor etwas mehr als zwei Wochen habe ich hier ja über Monsterflöhe geschrieben und mich darüber gewundert, auf welchen Sauriern die wohl lebten. Yutyrannus ist zumindest für die Flöhe der frühen Kreidezeit ein guter Kandidat und macht es generell plausibler, dass es große, gefiederte Dinosaurier gab, die als Monsterfloh-Wirte dienten.


Xu, X., Wang, K., Zhang, K., Ma, Q., Xing, L., Sullivan, C., Hu, D., Cheng, S., & Wang, S. (2012). A gigantic feathered dinosaur from the Lower Cretaceous of China Nature, 484 (7392), 92-95 DOI: 10.1038/nature10906

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Kommentare (9)

  1. #1 Ludger
    7. April 2012

    Das größte hatte eine Oberschenkellänge von 85 Zentimetern, eine Schädellänge von etwa 90 Zentimetern und dürfte so 1,4 Tonnen gewogen haben. (Wieder einmal ein Beispiel für die seltsame Vorliebe von Biologen für sinnlose Nachkommastellen: Im paper steht 1414kg…)

    Mit etwas Panade hätte man also aus einem Yutyrannus huali 282819 Chicken-Nuggets herstellen können entsprechend 56563,8 Portionen. Bei einem geschätzten Tagesumsatz einer großen Fastfoodkette von 50000 Portionen hätte man den Bedarf dieser Kette 1 Tag und 3 Stunden und 9 Minuten und 2,2464 Sekunden decken können. Ich hoffe, dass ich mich nicht verrechnet habe.
    PS.: Mein Ultraschallgerät gibt bei Gewichtsschätzungen von Feten auch immer Grammwerte heraus. Dabei sind systembedingt (u.a. wegen der Einstellung auf einheitliche 1550m/s Schallgeschwindigkeit im Gewebe) nur bei 75% der Schätzungen die Fehler kleiner als 10% des wirklichen fetalen Gewichtes. Das “Problem” dürfte bei einer ordentlichen Rundung liegen. Rundet man auf ganze Kilogramm, sind die Werte zu grob: “So so. Das Kind hat vor einer Woche noch nichts gewogen und soll jetzt 1 kg Gewicht haben?”

  2. #2 MartinB
    7. April 2012

    @Ludger
    Die Rechnung ist nett. Erinnert mich jetzt an das berühmte:
    “Jurisphagous Food Consumption Rates of Tyrannosaurus Rex”
    https://si-pddr.si.edu/jspui/handle/10088/8034

    “Das “Problem” dürfte bei einer ordentlichen Rundung liegen.”
    Naja, so als Physiker überlegt man sich halt, wieviele ziffern signifikant sind und gibt die an. Wenn so’n Krümel laut US 374Gramm wiegt, dann sind das halt 400 oder 370, je nachdem, wie gnau sowas ist.

  3. #3 rolak
    7. April 2012

    Schöner post – insbesondere das Kampfhuhn am Ende gefällt mir ausnehmend gut.

  4. #4 Niels
    7. April 2012

    Wie übersetzt man denn “display structure” sinnvoll?

    Bin zwar kein Biologe, aber der Begriff Ornament passt doch ganz gut, oder?
    https://de.wikipedia.org/wiki/Ornament_(Verhaltensbiologie)

  5. #5 WolfgangK
    7. April 2012

    “…das häufig gebrachte Argument, dass Fleischfresser sich sonst ja mit Blut einsauen würden, wird durch einen Blick auf Adler- oder Wolfsköpfe widerlegt, die kommen damit auch klar.”

    Auch Polarbären haben keine “Einsau-Hemmung”…

    Übrigens, ich will auch so´n kuscheligen gefiederten Tyrannosaurier…

  6. #6 MartinB
    7. April 2012

    @Niels
    Da wär ich nun nie drauf gekommen, danke. Wobei der Begriff “Ornament” auf sexuelle Signale beschränkt zu sein scheint, während eine “display structure” auch allgemein der intra- oder sogar interspezifischen Kommunikation dienen kann.

    @Wolfgang
    Ja, Eisbären sind ein super-beispiel.

    PS: Im Hintergrund läuft schon wieder “Dinosaurs” – “There are always new discoveries out there…”

  7. #7 rolak
    7. April 2012

    Falls ‘interspezifische Kommunikation’ so etwas wie das funktionierende Vortäuschen falscher Umstände meint, MartinB, würde ich sofort zustimmen. Ein aufgeplustertes Gefieder macht ungemein groß -ein netter Nebeneffekt der ‘normalen’ Funktionalität- und das schreckt immer besser ab (Feind oder Rivale) als wenn ein schmaler Hänfling vor einem rumhüpft. Weiterhin ist das um einen Buckel herum (oder um den Bürzel, wie beim Pfau) noch sparsamer, wenn ich es recht sehe.
    Wenn es nicht so anthropomorphisierend klingen würde, wäre mein Vorschlag ‘dient der Selbstdarstellung’.

    Die mir geläufigere Bedeutung in Richtung ‘Struktur eines UI’ dürfte ja mit Sicherheit nicht gemeint sein 😉

  8. #8 Redfox
    8. April 2012

    @M.B.:
    Oder Schneeleoparden.