Die Quantenmechanik verbindet man ja meist mit sehr sehr kleinen Objekten wie Atomen oder Molekülen. Im Prinzip gilt sie aber natürlich immer. Forschern ist es jetzt gelungen, dies an einer Art schwingender “Stimmgabel” nachzuweisen.

O.k., auch die “Stimmgabel” ist mit einer Länge von etwa 10 und einer Breite von etwa einem Mikrometer sehr klein, aber immerhin nicht sehr sehr klein – sie enthält immerhin einige Zehn Milliarden Siliziumatome (eine genaue Angabe kann ich nicht machen, weil im paper die Dicke der Stimmgabel nicht steht). Trotzdem schwingt sie so, wie es sich für ein Quantensystem gehört – die Schwingungen sind quantisiert und man kann das auch nachweisen.

Da ich ja bekanntlich (siehe links) theoretischer Physiker bin, erstmal ein bisschen quantenmechanische Theorie. Zum Glück brauchen wir hier nur eine ganz einfache Gleichung, die vom guten alten Einstein stammt. Sie lautet
E= h ν
in Worten: Energie ist gleich Plancksches Wirkungsquantum h multipliziert mit der Frequenz ν.

Einstein hat diese Gleichung für Photonen aufgestellt, also für Licht. Licht kann man ja in vielen Fällen sehr gut als elektromagnetische Welle betrachten, die eine bestimmte Schwingfrequenz hat. Bei sichtbarem Licht ist diese Frequenz sehr hoch, etwa 600Billionen Schwingungen pro Sekunde.

Das Bild der Welle für Licht ist allerdings nicht perfekt, denn man kann Lichtenergie nur in Paketen (oder “Quanten”, daher ja der Name “Quantenmechanik”) bekommen, also entweder aus einem Lichtstrahl absorbieren oder an einen Lichtstrahl übertragen. Ein Lichtstrahl kann aber mehr als ein solches Lichtquant (Photon) enthalten; sind es N Stück, dann ist die Energie insgesamt
E= N h ν .

Hinweis an die Expertinnen: Ein Laserstrahl hat keine scharf definierte Photonenzahl (es gibt eine Unschärfe zwischen der Photonenzahl N und der Phase der Welle – da ein Laser eine sehr scharf definierte Phase hat, ist die Photonenzahl unscharf). Das macht aber nichts, weil der Austausch von Energie zwischen dem Laser und der Umwelt trotzdem quantisiert ist. (Der Erwartungswert der Photonenzahl ändert sich um Eins.) Die Gleichung hier darf aber deswegen nicht zu wörtlich genommen werden.

Die Gleichung gilt aber nicht nur für Licht, sondern ganz allgemein. Wenn ihr eine handelsübliche Stimmgabel nehmt und sie anstoßt, dann gilt auch hier die gleiche Beziehung. Die Stimmgabel schwingt langsam aus und wird scheinbar kontinuierlich leiser, aber in Wahrheit gibt sie ihre Schwingungsenergie auch in Quanten an die umgebende Luft ab. Die Energie in einem Schwingungsquant einer 440Hz-Stimmgabel (440Hertz, also 440 Schwingungen pro Sekunde, ist dabei die Resonanzfrquenz) beträgt aber nur
0,0000000000000000000000000000003 Joule,
und deshalb gibt sie so unglaublich viele Schwingungsquanten pro Sekunde an die Umgebung ab, dass wir davon nichts merken.

Würden wir die Stimmgabel aber ganz unglaublich schwach anstoßen würden, so dass sie nur, sagen wir mal, zwei Schwingungsquanten an Energie enthielte, dann würde sie quasi “ruckartig” leiser werden, erst würde sich die Lautstärke halbieren, dann wäre sie plötzlich weg.

Noch ein Hinweis an die Expertinnen: Ja, das ist etwas vereinfacht, weil ich mir korrekterweise Gedanken über die Energie-Zeit-Unschärfe machen müsste.

Sowohl die schwingende Stimmgabel als auch ein Lichtstrahl können also Energie nur in Quanten abgeben. Für Licht ist das – wie gesagt – ein lange bekanntes Phänomen (für das Albert E. ja auch seinen Nobelpreis kassierte), dass es prinzipiell für mechanisch schwingende Systeme wie eine Stimmgabel gilt, weiß man zwar auch schon lange, aber das neue Experiment hat den Effekt jetzt in ganz besonderer Weise nachgewiesen.

Schauen wir dazu noch einmal auf die Gleichung
E= N h ν
Wenn unsere Stimmgabel nur sehr schwach schwingt (N also sehr klein ist), dann enthält sie nur sehr wenig Energie. Ist beispielsweise N=2, dann enthält sie genau zwei Schwingungsquanten. Gibt sie eins davon ab, und geht in den Zustand N=1, dann verliert sie die Hälfte ihrer Quanten, die Zahl nimmt von 2 auf 1 ab. Nimmt sie dagegen ein weiteres Schwingungsquant auf, dann erhöht sie die Zahl ihrer Quanten von 2 auf 3.

Bringen wir unsere Stimmgabel in Kontakt mit einem System, mit dem sie Energie (also Quanten) austauschen kann, dann sagen die Regeln der Quantenmechanik, dass folgendes gelten muss: Haben wir N Quanten in der Stimmgabel, dann ist die Wahrscheinlichkeit, ein Quant an das äußere System abzugeben, durch C·N gegeben, wobei C ein Koeffizient (“Koeffizient” ist Physikerinnensprech für “Eine Zahl, die ich vermutlich berechnen könnte, wenn ich Lust hätte, deren Wert mir aber gerade egal ist”) ist, der etwas über die Wechselwirkung mit dem äußeren System aussagt.

Die Wahrscheinlichkeit, stattdessen ein Quant aus dem äußeren System zu absorbieren, beträgt dagegen C·(N+1). Aufnahme und Abgabe von Energie sind also nicht symmetrisch, es ist wahrscheinlicher, ein Quant von außen aufzunehmen als eins abzugeben. (Im Extremfall N=0 kann nur Energie aufgenommen, aber keine abgegeben werden.)

Und wieder ein Hinweis an die Expertinnen: Man kann das auch so ausdrücken, dass Phononen Bosonen sind und deswegen die Wahrscheinlichkeit, ein weiteres Phonon in einen bereits besetzten Zustand zu emittieren, erhöht ist.

In einem klassischen System ist das anders – da hier die Energie nicht quantisiert ist, ist die Wahrscheinlichkeit für Aufnahme und Abgabe von Energie immer dieselbe. (Der Extremfall Energie=0 gilt nicht, da unser System immer eine bestimmte Temperatur hat und deswegen immer ein bisschen Schwingungsenergie enthält, von der man beliebige Mengen entnehmen könnte. Quantenmechanisch dagegen ist bei hinreichend niedriger Temperatur der Grundzustand erreicht und das System schwingt einfach gar nicht.)

Und noch ein Hinweis an die Expertinnen: Ich vernachlässige hier die ganze Zeit die Nullpunktsenergie hν/2, weil die hier keine Rolle spielt – aus ihr kann man keine Quanten absorbieren.

Um also die quantenmechanischen Eigenschaften einer Stimmgabel nachzuweisen, muss man folgendes tun:
1. Passende Stimmgabel bauen
2. Stimmgabel auf sehr niedrige Temperaturen abkühlen, so dass N sehr klein ist.
3. Stimmgabel in Kontakt mit einem System bringen, mit dem sie Energiequanten austauschen kann.
4. Messen, wie viele Quanten die Stimmgabel im Schnitt aus dem System absorbiert und emittiert.
5. Aus der Messung berechnen, ob tatsächlich mehr Quanten absorbiert als emittiert werden und das Ergebnis mit der Vorhersage der Quantenmechanik vergleichen.

Die einzelnen Schritte sind dabei zum Teil extrem trickreich (einige sind sooo trickreich, dass ich selbst nicht alle Details verstanden habe (wer sich mal richtig gruseln will, der kann sich die Schemazeichnung zum Versuchsaufbau angucken, das ist was für die Hardcore-Experimentalisten (schauder)), aber ich hoffe, die prinzipiellen Ideen gebe ich korrekt wieder).

1. Passende Stimmgabel bauen
Hier ist erstmal unsere Quanten-Stimmgabel:

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Alle Bilder dieses Artikels aus: Safavi-Naeini et el., s.u.

Es handelt sich um eine Struktur aus Silizium, die an einem äußeren “Rahmen” befestigt ist. Offiziell heißt so etwas natürlich nicht “Stimmgabel”, sondern “optomechanical cavity” – Optomechanischer “Hohlraum” (in Physikerinnenkreisen wäre eigentlich wohl “Kavität” üblicher, klingt aber auch irgendwie doof.).

“Mechanisch” liegt natürlich daran, dass das Ding schwingen kann. Wenn man es zum Schwingen anregt, gibt es verschiedene mögliche Schwingungsmuster, das, das uns hier interessiert, ist das, wo die Stimmgabel in der Mitte (wo die Löcher am kleinsten sind) ihre Breite verändert. So sieht diese Schwingung (in einer Computerberechnung und arg übertrieben, damit man was erkennt) aus:

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Diese Schwingung ist es, die wir anregen und deren Quantisierung wir untersuchen wollen.

Aber das Ding ist ja nicht bloß mechanisch, sondern “opto-mechanisch” – das hat natürlich was mit Optik zu tun. Wir müssen ja irgendwie Energie mit einem anderen System austauschen, um Quanten zu klauen oder reinzustecken.

Dieses andere System ist ein System aus Photonen. Lichtwellen können mit der Stimmgabel wechselwirken, denn Licht ist ja eine elektromagnetische Welle. (Ja, ich werfe hier in einem Satz wieder das Teilchenbild und das Wellenbild vom Licht durcheinander – das ist aber hier zulässig.) Eine elektromagnetische Welle kann sich passend zu den Löchern in unserer Stimmgabel anordnen, was das so aussieht:

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Hier ist das elektrische Feld dargestellt, das sich in der Stimmgabel einstellt, genauer gesagt, zwei unterschiedliche Möglichkeiten, wie ein elektrisches Feld mit der Stimmgabel wechselwirken kann, mit unterschiedlicher Wellenlänge. Wir können sozusagen stehende elektromagnetische Wellen aufbauen, so ähnlich wie eine stehende Welle, wenn ihr an einer Gitarrensaite zupft. Warum wir gleich zwei unterschiedliche stehende em-Wellen brauchen, sehen wir noch.

Ein Gebiet mit einer stehenden em-Welle  nennt man auch Kavität oder Hohlraum (vielleicht habt ihr mal den Begriff “Hohlraumstrahlung” gehört, der hängt damit zusammen), und deswegen heißt unsere Stimmgabel “optomechanischer Hohlraum” – aber ich bleibe bei “Stimmgabel”.

2. Stimmgabel auf sehr niedrige Temperaturen abkühlen, so dass N sehr klein ist.
O.k, wir können unsere Stimmgabel in flüssiges Helium schmeißen, das ist schon ziemlich kalt (die Stimmgabel ließ sich damit auf etwa 18 Kelvin, also -255°C abkühlen), aber für Quanteneffekte immer noch zu warm. Bei dieser kuscheligen Temperatur ist die Zahl der Schwingungsquanten in der Stimmgabel im Mittel 94, und das ist zu hoch – der Unterschied zwischen N und N+1 (94 und 95) ist zu klein, als dass man ihn sauber messen könnte. Also müssen wir weiter kühlen, und das macht man hier mit einem Laser.

Normalerweise sollte man denken, dass ein Laser ja Energie enthält und deshalb eher zum Aufwärmen als zum Abkühlen dient (in Science-Fiction-Filmen frieren die Schurken auch selten ein, wenn sie der Laserstrahl des Helden trifft). Trotzdem kann man auf raffinierte Art mit einem Laser auch kühlen, und das geht so: Nehmt an, wir haben unsere etwa 94 Schwingungsquanten in unserer Stimmgabel und würden diese Zahl gern reduzieren. Jedes dieser Quanten hat eine Energie
Est=hνst
wobei der Index “st” für “Stimmgabel” steht.

Unsere Stimmgabel ist aber ja “optomechanisch” und sie kann mit der oben eingezeichneten em-Welle wechselwirken. Diese hat auch eine Energie
Ecav=hνcav
und das “cav” steht für “Kavität”. (Mit “k” sah’s mir zu sehr nach “Kaffee” aus.)
Ecav ist größer als Est. Nennen wir den Differenzbetrag
Ecav -Est = Elas
dabei steht das “las” für “Laser”. Wenn wir nämlich unseren Kühl-Laser auf diese Energie (bzw. die zugehörige Frequenz) einstellen, dann kann ein Photon mit Energie Elas ein Schwingungsquant mit Energie Est absorbieren und zu einem elektromagnetischem Schwingungsquant der stehenden Welle mit Energie Ecav werden (es ist ja Ecav = Est + Elas). Auf diese Weise haben wir der mechanischen Schwingung der Stimmgabel Energie entzogen, die im em-Feld in der Kavität gelandet ist.

(Das ganze ist ein klein wenig trickreicher, weil man auch den Prozess in die andere Richtung betrachten muss. Ich spare mir die detaillierte Diskussion, zum einen, weil es eh schon kompliziert ist, zum anderen, weil ich ein ganz ähnliches Problem neulich schon ausführlich diskutiert habe.)

Um das Laserlicht mit der Stimmgabel wechselwirken zu lassen, führt man den Laserstrahl durch eine Glasfaser, die man sehr dicht (so etwa 200 Nanometer) an der Stimmgabel vorbeiführt. Das reicht, damit die elektromagnetische Welle des Lasers mit der Stimmgabel wechselwirken kann.

Mit dieser Laser-Kühlung können wir jetzt also Quanten aus unserer Stimmgabel abziehen, und damit die Energie deutlich absenken. Im Experiment ist es gelungen, auf einen Wert von im Mittel etwa 2,6 Schwingungsquanten herunterzukühlen.

3. Stimmgabel in Kontakt mit einem System bringen, mit dem sie Energiequanten austauschen kann.

O.k., wir tauschen ja schon Energie mit dem Kühllaser aus, aber jetzt brauchen wir noch ein zweites System. Das funktioniert ganz genau so, man nimmt wieder einen Laser, aber diesmal so, dass man die andere em-Welle, die oben eingezeichnet ist, benutzt. Man stellt also den zweiten Laser (der sozusagen die Zustände aus”liest”, also nicht nur ein Laser, sondern auch ein Leser ist) so ein, dass seine Energiequanten gerade um Est von der Energie der anderen Quanten abweicht.

Will man wieder Energie aus der Stimmgabel absorbieren, so wie beim Kühlen, dann stellt man den Lese-Laser so ein, dass gilt:
Ecav,2 -Est = Eles

Aber wir wollen ja das Verhältnis von Quantenaufnahme und Quantenabgabe berechnen. Um der Stimmgabel Quanten hinzuzufügen, muss der Lese-Laser mehr Energie haben (deswegen ein Plus-Zeichen):
Ecav,2 +Est = Eles
Jetzt kann ein Photon des Lese-Lasers in eins in der Kavität (2. Mode) und ein Schwingungsquant übergehen. (Der Lese-Laser muss natürlich insgesamt wesentlich schwächer sein als der Kühl-Laser, damit er die Stimmgabel nicht zu sehr aufheizt.)

4. Messen, wie viele Quanten die Stimmgabel im Schnitt aus dem System absorbiert und emittiert.
Je nach Einstellung des Lese-Lasers wird der Laserstrahl jetzt geschwächt (wenn er Energie abgibt) oder verstärkt (wenn er Energie aufnimmt). Diese Energieänderung kann man messen. Dazu wird das Lasersignal verstärkt (mit einer Erbium-dotierten Glasfaser, ein Trick, der für sich auch schon einen Blogtext wert wäre) und dann mit einem Photodetektor gemessen.


5. Aus der Messung berechnen, ob tatsächlich mehr Quanten absorbiert als emittiert werden und das Ergebnis mit der Vorhersage der Quantenmechanik vergleichen.

Das Ergebnis des Ganzen sieht so aus:

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Auf der senkrechten Achse ist hier die Zahl der Schwingungsquanten in der Stimmgabel aufgetragen, auf der horizontalen Achse die Asymmetrie, die also angibt, wie viel mehr Schwingungsquanten an die Stimmgabel abgegeben als von ihr entnommen werden. Die senkrechte blaue Linie bei Null ist die Vorhersage nach der klassischen Physik – da gibt es keine Quanten und keine Asymmetrie. Die magenta-farbene Linie ist die quantenmechanische Vorhersage, und wie man sehen kann, liegen die Messpunkte ziemlich genau auf dieser Linie (im Rahmen der Messgenauigkeit).

Die Vorhersage der Quantenmechanik ist also sehr gut bestätigt. Ja, auch eine Stimmgabel schwingt quantisiert (und das gilt auch für ein echte, makroskopische Stimmgabel), und wenn man in der Nähe des Energie-Nullpunktes ist, dann hat das tatsächlich messbare Auswirkungen. Auch ein System, das einige Mikrometer groß ist, benimmt sich also wie ein Quantensystem.


Safavi-Naeini, A., Chan, J., Hill, J., Alegre, T., Krause, A., & Painter, O. (2012). Observation of Quantum Motion of a Nanomechanical Resonator Physical Review Letters, 108 (3) DOI: 10.1103/PhysRevLett.108.033602

Eine ganz gute Erklärung des Versuchs findet sich auch bei der American Physical Society

Kommentare (15)

  1. #1 Frank Wappler
    17. April 2012

    Martin Bäker schrieb (17.04.12 · 08:00 Uhr):
    > […] erstmal ein bisschen quantenmechanische Theorie.

    > Bringen wir unsere Stimmgabel in Kontakt mit einem System, mit dem sie Energie (also Quanten) austauschen kann, dann sagen die Regeln der Quantenmechanik, dass folgendes gelten muss: Haben wir N Quanten in der Stimmgabel, dann ist die Wahrscheinlichkeit, ein Quant an das äußere System abzugeben, durch C·N gegeben, wobei C ein Koeffizient […] ist, der etwas über die Wechselwirkung mit dem äußeren System aussagt.

    So weit, so gut.

    > (“Koeffizient” ist Physikerinnensprech für “Eine Zahl, die ich vermutlich berechnen könnte, wenn ich Lust hätte, deren Wert mir aber gerade egal ist”)

    Schauder! … Das scheint wohl eher “Theoretikerinnensprech” zu sein.

    In der Experimentalphysik spricht man “Koeffizient” eher als einer

    “Zahl, die ich mir einzusetzen wage, weil zumindest im Prinzip nachvollziehbar ist, wie man sie misst —

    auch wenn die Details der von mir zugrundegelegten Messdefinition, der darauf beruhende Wertebereich, oder z.B. ihre Werte, die aus verschiedenen Versuchen schon ermittelt wurden, woanders schon betrachtet wurden oder noch werden sollen, aber nicht gerade hier”.

    > Die Wahrscheinlichkeit, stattdessen ein Quant aus dem äußeren System zu absorbieren, beträgt dagegen C·(N+1).

    Das “C” in “C·N” und in “C·(N+1) ist offensichtlich der selbe Buchstabe zur Benennung von Koeffizienten, für die die selbe (nachvollziehbar) Messdefinition zugrundegelegt sein soll; egal, welche Werte diese Koeffizienten einzeln haben, und ob sie die gleichen Werte haben, oder nicht.

    (Weiterfürender Hinweis: der Unterschied zwischen einer Zahl im Sinne einer bestimmten Beschreibung, wie man sie zumindest im Prinzip ermitteln würde, und einer Zahl als einem bestimmten Wert, der z.B. in einem bestimmten Versuch mal gefunden wurde, oder der einfach mal zur Konkretisierung angenommen werden mag, wird oft dadurch kenntlich gemacht, dass man für Ersteres über das entsprechende Symbol ein Hütchen malt, vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Zirkumflex, während man es bei Letzterem weglässt.)

    > Aufnahme und Abgabe von Energie sind also nicht symmetrisch, es ist wahrscheinlicher, ein Quant von außen aufzunehmen als eins abzugeben.

    Falls dieser Koeffizient in den entsprechenden Versuchen z.B. gleiche Werte gehabt hätte (d.h. als schon ermittelte Messwerte) oder haben soll (d.h. als Modellannahme über Werte, die eventuell noch durch Messungen belegt oder wiederlegt werden könnte).
    Aber nicht von vornherein, nur basierend auf der Messdefinition des Koeffizienten, ohne Messungen oder ohne bestimmte Modellannahme der Werte dieses Koeffizienten.

    > In einem klassischen System ist […] ist die Wahrscheinlichkeit für Aufnahme und Abgabe von Energie immer dieselbe.

    Geht es folglich um ein System, bei dem die (gefundenen oder angenommenen oder erwarteten) Koeffizientenwerte, Versuch für Versuch, genau, oder innerhalb einer bestimmten Genauigkeit, umgekehrt proportional zur Anzahl der Quanten im jeweiligen Versuch waren? (Bzw. umgekehrt proportional zu was immer im Artikel mit “N” gemeint sein mag.)

    > Um also die quantenmechanischen Eigenschaften einer Stimmgabel nachzuweisen

    … also offenbar: Versuch für Versuch den (Mittel-)Wert des Koeffizienten “C” zu bestimmen …

    > muss man folgendes tun:
    > 1. Passende Stimmgabel bauen […]
    > 4. Messen, wie viele Quanten die Stimmgabel im Schnitt aus dem System absorbiert und emittiert.
    > 5. Aus der Messung berechnen, ob tatsächlich mehr Quanten absorbiert als emittiert werden […]

    Das beschreibt doch etwa die Messung der (Mittel-)Werte des Koeffizienten “C“;
    so dass man sie Versuch für Versuch wie reelle Zahlen miteinander vergleichen könnte (falls man dazu Lust bekäme).
    So weit, so gut. (Zum Experimentieren. Dem quantenmechanischen natürlich, und zwangsläufig.)

    > und das Ergebnis mit der Vorhersage der Quantenmechanik vergleichen.

    Welche “Vorhersage“??
    Und mit welcher Konsequenz? — Etwa um ggf. zu folgern “Die Quantenmechanik ist falsch (experimentell widerlegt), weil gefunden wurde, dass …” ??

  2. #2 Sascha Vongehr
    17. April 2012

    “Die Quantenmechanik verbindet man ja meist mit sehr sehr kleinen Objekten wie Atomen oder Molekülen.”
    Man verbinded sie immer schnell mit Photonen, und die sind unter Umstaenden hunderte von Metern lang (coherence length, too).
    “Würden wir die Stimmgabel aber ganz unglaublich schwach anstoßen würden, so dass sie nur, sagen wir mal, zwei Schwingungsquanten an Energie enthielte, dann würde sie quasi “ruckartig” leiser werden, erst würde sich die Lautstärke halbieren, dann wäre sie plötzlich weg.”
    ei ei ei ei ei – knirsch
    Aber mal ein interesanterer Einwand: Mit einer Stimmgabel die in der Luft schwingt so dass man sie hoert, die also an die dicke Luft gekoppelt ist fast so wie das obere Ende der Gabel an das untere (was ja die Frequenz erst bestimmt), ich glaube es ist ein wenig extrem zu behaupten der rapide Energieverlusst ist tatsaechlich eine riesige Anzahl von Quanten der ungekoppelten Gabel (denk nur an die Luftmolekuele die gegen dass Metal prallen).

  3. #3 MartinB
    17. April 2012

    @Sascha
    “ich glaube es ist ein wenig extrem zu behaupten der rapide Energieverlusst ist tatsaechlich eine riesige Anzahl von Quanten der ungekoppelten Gabel (denk nur an die Luftmolekuele die gegen dass Metal prallen). ”

    Sorry, das verstehe ich nicht. Da die Stimmgabel mit der Resonanzfrequenz schwingt, muss ich doch zwangsläufig passende Schwingungsquanten haben. Die Frequenz einer Stimmgabel wird ja durch die umliegende Luft nur wenig beeinflusst.

  4. #4 Frank Wappler
    17. April 2012

    Sascha Vongehr schrieb (17.04.12 · 15:34 Uhr):
    > Mit einer Stimmgabel die in der Luft schwingt so dass man sie hoert, die also an die dicke Luft gekoppelt ist […]

    … wird der Zusammenhang des Energieverlustes zu den (Energie-)Eigenzuständen dieser Stimmgabel durch ihre “Quality” bewertet; vgl. https://en.wikipedia.org/wiki/Quality_(physics)
    (scheinbar gibt es für dieses Bewertungsmaß von Stimmgabeln bzw. Resonatoren keine deutsche Entsprechung mehr &).

  5. #5 Frank Wappler
    17. April 2012

    p.s.
    Frank Wappler schrieb (17.04.12 · 16:37 Uhr)
    > https://en.wikipedia.org/wiki/Quality_(physics) […] (scheinbar gibt es für dieses
    Bewertungsmaß von Stimmgabeln bzw. Resonatoren keine deutsche Entsprechung mehr &).

    Scheinbar doch als: https://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%BCtefaktor bzw.
    https://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%BCte_(Begriffskl%C3%A4rung)

    — nur eben leider ohne großartig durch externe Quellen belegbaren Zusammenhang zu “Quality (physics)”.

  6. #6 Bjoern
    17. April 2012

    Hey, darüber war doch erst neulich ein Artikel im Physik-Journal…? 😉

    Aber du hast es deutlich besser erklärt als der Artikel da, Martin! 🙂

  7. #7 MartinB
    17. April 2012

    @Bjoern
    Hm, sollte ich vielleicht mal reingucken – liegt hier immer rum.
    Danke für die Blumen (war übrigens ne harte Nuss, das paper…)

  8. #8 Niels
    19. April 2012

    Eine ganz gute Erklärung des Versuchs findet sich auch bei der American Physical Society

    Dort findet man die Arbeit übrigens auch ohne Bezahlschranke:

    https://physics.aps.org/featured-article-pdf/10.1103/PhysRevLett.108.033602

    @MartinB
    Sehr schöne Erklärung. Danke.

  9. #9 MartinB
    19. April 2012

    @Niels
    Danke für die Blumen – das mit dem frei verfügbaren paper war mir nicht klar; über die Uni kann ich PRL immer so bekommen.

  10. #10 Frank Wappler
    20. April 2012

    Niels schrieb (19.04.12 · 00:03 Uhr):
    > die Arbeit übrigens auch ohne Bezahlschranke:
    https://physics.aps.org/featured-article-pdf/10.1103/PhysRevLett.108.033602

    Danke für den Hinweis.

    Weder im genannten Artikel selbst (auf den sich der Blogbeitrag ja offenbar bezieht, also
    > Safavi-Naeini, A., Chan, J., Hill, J., Alegre, T., Krause, A., & Painter, O. (2012).
    Observation of Quantum Motion of a Nanomechanical Resonator Physical Review Letters, 108 (3) [033602]

    ),
    noch im entsprechenden APS-“Viewpoint” https://physics.aps.org/articles/v5/8 (der im
    Blogbeitrag ebenfalls als Quelle angegeben ist),
    ist irgendwo von “prediction” (oder z.B. “test”) die Rede.

    Dass Martin Bäker sich hier trotzdem etwas über “Vorhersagen” zurechtspinnt, ist offenbar sein Privileg als Blogautor …

  11. #11 MartinB
    20. April 2012

    @FW
    Bildunterschrift Fig 4
    “The classical (blue curve) and quantum mechanical (pink curve) relations for the sideband asymmetry are also plotted”

    Im Frank-Wappler-Universum ist aber die “quantum mechanical curve” vermutlich keine Vorhersage, weil … (hier sinnfreies semantisch kompliziertes Gefasel einsetzen)

  12. #12 MartinB
    20. April 2012

    PS: Im Text steht auch
    “Also plotted are the classical and quantum values of this expression”

    Was denkt denn wohl der Wappler, was die magentafarbene Kurve da oben darstellt? Die Lieblingsfunktion des Autors? (Achtung: Das war eine rhetorische Frage, ich will’s nicht wirklich wissen, bei jedem Versuch, Wapplersche gedankengänge nachzuvollziehen, begehen ein paar Neuronen Apoptose.)

  13. #13 Frank Wappler
    20. April 2012

    MartinB schrieb (20.04.12 · 13:37 Uhr):
    > [In Fig. 4 (d) …] Also plotted are the […] quantum values of this expression

    > Was denkt denn wohl der Wappler, was die magentafarbene Kurve da oben darstellt?

    Na wenn man sich die Herleitung “of this expression (4)” mal anschaut:
    den Zusammenhang zwischen Phononen-Besetzungszahl “⟨n⟩c” der Stimmgabel und der Asymmetrie “η’” zwischen Phononen-Absorption und -Emission, die
    man entsprechend der Modellannahme erwarten bzw. vorhersagen würde,
    dass die beiden Proportionalitätsfaktoren einander gleich wären,
    die das Verhältnis zwischen Emissionswahrscheinlichkeit und Besetzungszahl
    ⟨n⟩” einerseits, bzw. andererseits das Verhältnis zwischen
    Absorptionswahrscheinlichkeit und Besetzungszahl “⟨n⟩ + 1” ausdrücken.

    Also die Vorhersage eines bestimmten Modells, dass sich im Rahmen der Quantenmechanik aufstellen lässt; und nicht etwa “die Vorhersage der Quantenmechanik“.

    > Achtung: Das war eine rhetorische Frage, ich will’s nicht wirklich wissen

    Trotzdem verdienen diejenigen eine Antwort, die wissen wollen, was man sich beim PRL-Lesen (wenn nicht sogar -Schreiben) so denken kann.

    p.s.

    Frank Wappler schrieb (20.04.12 · 10:29 Uhr):
    > […] im genannten Artikel ist [n]irgendwo von “prediction” (oder z.B. “test”) die Rede.
    Da hab ich mich geirrt (leider unzureichend recherchiert), den in der Bildunterschrift zu Fig. 4 steht doch:

    (c) […] The dashed line is the predicted phonon number […] from an ideal backaction cooling model.

  14. #14 MJ
    20. April 2012

    “Also die Vorhersage eines bestimmten Modells, dass sich im Rahmen der Quantenmechanik aufstellen lässt; und nicht etwa “die Vorhersage der Quantenmechanik”.

    OMG, mein herzliches Beileid für dieses sprachliche Folterinstrument des SF.

    Und Danke für den Blogeintrag!

  15. #15 MartinB
    20. April 2012

    @MJ
    Ja, dies ist die dunkle Seite des Bloggens 😉