Tiere als Stromlieferanten – das klingt erstmal ziemlich absurd und man schaut lieber nochmal auf den Kalender, nicht das man noch auf einen Aprilscherz reinfällt. Tatsächlich aber ist es Forscherinnen gelungen, eine Schnecke quasi als Batterie zu benutzen, sie mit Elektroden auszustatten und so kleine Mengen an Strom zu gewinnen.
Aha, hier werden also Schnecken zu Batterien umgebaut. Da stellen sich sicher gleich drei Fragen:
Wie funktioniert das?
Ist das effizient?
Was soll das?
Wie funktioniert das?
Das Prinzip dahinter ist eine sogenannte Bio-Brennstoffzelle. Die funktioniert ähnlich wie eine normale Brennstoffzelle. Dieses Bild hier zeigt das Prinzip:
By Originalwana – Own work, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7345237
So eine Brennstoffzellen hat zwei Elektroden, eine Kathode und eine Anode. An der Kathode reagiert Sauerstoff mit H+-Ionen1 zu Wasser. Die Elektronen, die er dafür braucht (damit am Ende ein elektrisch neutrales Wassermolekül herauskommt), bekommt er über einen Draht, der mit der Anode verbunden ist.
1 Das ist jetzt etwas vereinfacht, eigentlich müsste man wohl H3O+-Ionen schreiben.
An der Anode wird Glucose (also Zucker) zersetzt, hier in diesem Bild zu Gluconolacton – das ist ein Molekül, das Glucose sehr ähnlich ist, dem aber zwei Wasserstoffatome fehlen. Wir haben also folgende Reaktionen
Anode: 2C6H12O6 → 2C6H10O6+4 H+ + 4e–
Kathode: O2 + 4 H+ + 4e– → 2 H2O
Also insgesamt
2C6H12O6+O2 → 2C6H10O6+2 H2O
Die Elektronen fließen dabei durch den Draht und wenn dort ein Stromverbraucher angeschlossen ist, dann kann dieser durch die durchfließenden Elektronen angetrieben werden.
Die Bio-Brennstoffzelle funktioniert also mit Zucker (Glucose), einem Molekül, das Tiere mit der Nahrung zu sich nehmen oder aus der Nahrung herstellen (Schnecken beispielsweise futtern ja gern Blätter, die sind reich an Zellulose und Zellulose ist ein Verbund aus Zuckermolekülen).
Man braucht also zunächst Glucose, und zwar in einer wässrigen Lösung, damit die H+-Ionen von der Anode zur Kathode fließen können.
Von ihrer Anatomie her sind Schnecken (und auch andere wirbellose Tiere) gut für den Anschluss einer solchen Bio-Brennstoffzelle geeignet, denn sie haben einen sogenannten offenen Kreislauf, bei dem das Blut direkt vom Herzen in die Körperhöhle (hemocoel) fließt, die mit allen Organen verbunden ist. In dieser Körperhöhle kann man deswegen die Elektroden gut unterbringen. (Nachteilig ist allerdings, wie wir noch sehen werden, dass die Körperflüssigkeit – Hämolymph genannt, weil sie die Rolle von Blut (“häm”) und Lymphflüssigkeit zu gleich übernimmt – nur relativ langsam fließt.)
Vom Prinzip her ist also alles ganz einfach: Man nehme eine Schnecke, bohre zwei Löcher in die Schale, stecke zwei Elektroden in die Schnecke, schließe einen Stromverbraucher an und fertig:
Aus Halámková et al., s.u.
Naja, für theoretische Physiker mag sich das so darstellen, aber die Feinheiten sind doch etwas trickreicher.
In einer normalen Batterie bestehen die Elektroden einfach aus Metall. Für eine Bio-Brennstoffzelle braucht man aber Elektroden, die Enzyme enthalten, die die Reaktion des Zuckers und des Sauerstoffs katalysieren. Für die Kathoden-Reaktion war das anscheinend nicht so schwer, da hat sich die sogenannte Laccase schon in anderen Bio-Brennstoffzellen als Katalysator bewährt.
Für die Reaktion auf der Anodenseite, bei der der Zucker verarbeitet wird, war das ganze allerdings deutlich trickreicher, weil übliche Enzyme zwar in Bakterientanks, nicht aber im Inneren einer Schnecke gut funktionieren. In der Arbeit diskutieren die Forscherinnen unterschiedliche Varianten, aber bei Begriffen wie “Koimmobilisation der NAD+-Kofaktoren” muss ich dann leider zugeben, dass meine Kenntnis der Biochemie für’s Detailverständnis nicht ausreicht. Am Ende entschieden sie sich dann für ein Enzym mit dem schönen Namen “pyrroloquinoline quinone (PQQ)-dependent glucose dehydrogenase (PQQ-GDH; E.C. 1.1.5.2)”.
So, die Enzyme sind nun also ausgewählt, aber nun muss man sie auch noch auf die Elektroden draufbekommen. Dazu bedient man sich der berühmten Kohlenstoff-Nanoröhrchen. Die kann man kommerziell in Form von “Buckypaper” kaufen, da liegen die Nanoröhrchen in einem wilden Gewusel verwoben vor. Dazu gibt es ein paar Informationen an der Florida State University. Ein schönes frei verfügbares Bild habe ich leider nicht finden können, wenn ihr eine Elektronenmiksorkop-Aufnahme sehen wollt, müsst ihr euch deshalb die Mühe machen, hier zu klicken.
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