Geschlechtergerechte Sprache ist ja immer ein Aufregerthema. Versteht nicht jeder sofort, was gemeint ist und weiß, dass “die Studenten” natürlich auch Frauen sein können? Beeinflusst ein solches “generische Maskulinum” unser Denken? Eine wissenschaftliche Studie, auf die ich kürzlich aufmerksam gemacht wurde, gibt eine einigermaßen klare Antwort auf diese Frage.


Es ist natürlich nicht ganz einfach, diese Frage zu untersuchen, denn man braucht ja einen Vergleich zwischen Formulierungen mit generischem und ohne generisches Maskulinum, und wirklich neutrale Formen sind im Deutschen ja ziemlich selten und ungewohnt. Die ForscherInnen haben deshalb drei unterschiedliche Sprachen miteinander verglichen: Deutsch und Französisch als Sprachen mit ausgeprägtem “generischen Maskulinum” sowie Englisch als wesentlich neutralere Sprache.

Dann legten sie Versuchspersonen Satzpaare in den jeweiligen Sprachen vor, beispielsweise dieses:

(1) Die Sozialarbeiter gingen durch den Bahnhof.

(2) Weil das Wetter schön war, trugen einige der Frauen keinen Mantel.

Die Versuchspersonen sollten dann entscheiden, ob der zweite Satz eine korrekte Fortführung des ersten Satzes sein könnte. Wenn “die Sozialarbeiter” ein generisches Maskulin ist, dann ist das sicherlich korrekt, wenn “die Sozialarbeiter” dagegen als männlich verstanden werden, dann nicht.

Natürlich hat man hier das zusätzliche Problem, das gewisse Bezeichnungen für Personen tendenziell eher als männlich oder weiblich stereotypisiert sind – Kosmetiker sind wohl meist weiblich, Ingenieure öfters männlich.

In einer Voruntersuchung wurden deshalb insgesamt 126 Personenbezeichnungen von Versuchspersonen danach eingestuft, ob es sich hier eher um Männer oder um Frauen handeln dürfte. Von diesen 126 Gruppenbezeichnungen wurden 36 ausgewählt, die von
Sprechern aller drei Sprachen als deutlich “typisch männlich”, “typisch
weiblich” oder “neutral” eingestuft wurden.

So entstehen also drei Gruppen von Personenbezeichnungen: Solche mit eher männlichem Stereotyp (Spion, Politiker, Flieger), solche mit eher neutralem Stereotyp (Spaziergänger, Kinobesucher, Nachbar) und solche mit weiblichem Stereotyp (Krankenpfleger, Wahrsager, Geburtshelfer).

Anschließend wurden dann verschiedene Satzpaare wie im Beispiel oben verwendet und von Versuchspersonen danach eingestuft, ob der zweite Satz jeweils eine gültige Fortsetzung des ersten sein könnte.

Bei den englischsprechenden Versuchspersonen war das Ergebnis ziemlich eindeutig: Wenn es sich um ein männliches Stereotyp bei der Personenbezeichnung handelte, dann akzeptierten 88% der Versuchspersonen eine Fortsetzung mit männlichen Begriffen, aber nur 65% eine, bei der der zweite Satz von Frauen handelte. Bei einem weiblichen Stereotyp war es umgekehrt, 85% akzeptierten einen zweiten Satz, in dem es um Frauen ging, 66% einen Satz mit Männern. War das Stereotyp neutral, so wurden 81% der Fortsetzungssätze akzeptiert, unabhängig vom Geschlecht, das im zweiten Satz spezifiziert wurde.

Die Schlussfolgerung ist hier ziemlich klar: Englischsprechende Versuchspersonen lassen sich tendenziell vom Stereotyp leiten, also davon, ob die jeweils beschrieben Personengruppe tendenziell als männlich, weiblich oder neutral empfunden wird, und halten eine zum Stereotyp passende Fortsetzung für plausibler.

Betrachten wir als nächstes die französisch-sprechende Gruppe. Bei einem männlichen Stereotyp wurde ein Fortsetzungssatz mit Männern  in 83% der Fälle als gültig akzeptiert, einer mit Frauen nur mit 58%. Von den insgesamt etwas geringeren Prozentzahlen abgesehen, ist das Ergebnis dem der Englisch-Sprechenden sehr ähnlich. War aber das Stereotyp im ersten Satz weiblich, dann wurden trotzdem Männer im Fortsetzungssatz mit 77% akzeptiert, Frauen nur mit 59%. Im Fall eines neutralen Stereoytps war das Ergebnis ähnlich, Männer wurden in 73% der Fälle akzeptiert, Frauen in 56% der Fälle.

Es ist also, anders als bei den Englisch-Sprechenden, nicht das Stereotyp, das entscheidet, sondern es werden in allen Fällen eher Männer als Frauen als mögliche Fortsetzung für einem Satz akzeptiert, der ein generisches Maskulinum verwendet.

Im Deutschen waren die Ergebnisse prinzipiell ähnlich wie im Französischen, allerdings auf einem insgesamt niedrigeren Prozentniveau: Bei männlichem Stereotyp wurden Männer in 69% der Fälle akzeptiert, Frauen in 35% der Fälle, bei neutralem Stereotyp waren es 72% und 45%, bei weiblichem Stereotyp 65% und 40%. Auch hier sind die Zahlen also in allen drei Fällen ähnlich und es wurden generell Männer eher als gültige Fortsetzung akzeptiert als Frauen.

Achtung, dies bedeutet nicht, dass die entsprechenden Stereotypen im Deutschen oder Französischen nicht existieren – die wurden ja in einer Voruntersuchung gefunden. Aber obwohl die meisten beim Beruf “Kosmetiker” eher an eine Frau denken, wird dieser Effekt anscheinend durch das generische Maskulinum überlagert.

Allerdings fällt auf, dass die Zahlen bei den Französisch- und Deutsch-Sprechenden Versuchspersonen generell niedriger ausfallen. Man könnte argumentieren, dass diese den ersten Satz eben als generisch interpretieren, also implizit erwarten, dass es sich um eine gemischt-geschlechtliche Gruppe handelt, und deshalb dann den zweiten Satz häufiger nicht akzeptieren, weil “einige der Frauen” dann für sie implizierte, dass es sich im zweiten schon im ersten Satz ausschließlich um Frauen handelt.

Die ForscherInnen halten diese Erklärung – zumindest als alleinige – für nicht zutreffend. Zum einen, weil man dann erwarten müsste, dass zumindest einige Versuchspersonen solche Fortsetzungssätze mit weiblicher Fortsetzung niemals akzeptieren. So ist es aber nicht, die Akzeptanz fällt zwar geringer aus, aber es gab keine Versuchsperson, die eine weibliche Fortsetzung im zweiten Satz grundsätzlich immer ablehnte.

Die Autorinnen führen noch ein weiteres Argument an, das ich aber nicht verstanden habe, deswegen hier nur das Zitat:

Furthermore, in our pilot study female continuations were only taken to indicate that the group comprised exclusively of women in six instances (4%).

Woher diese Information stammt, ist mir aus dem Text nicht klar geworden.

Ein weiterer Einwand könnte darin bestehen, dass sich die englische Kultur einfach generell stark von der deutsch- oder französisch-sprachigen Kultur der Schweiz (wo die Experimente stattfanden) unterscheidet. Dafür gibt es aber keinen Beleg, und die Untersuchung, welche Rollen wie stereotypisiert werden, hat einen solchen Unterschied auch nicht gezeigt. Wer also so argumentieren will, müsste dafür einen Beleg bringen.

Es wurde übrigens auch untersucht, wie lang die Reaktionszeiten bei positiven Antworten jeweils waren – braucht jemand, der deutsch oder französisch spricht, länger, um zu erkennen, dass eine weibliche Fortsetzung für ein generisches Maskulinum möglich ist? In der Arbeit wird dies zumindest bei der deutschsprachigen Gruppe gefunden (in einer leider nicht sehr genau ausgeführten statistischen Analyse), bei der französischsprachigen nicht. Die Daten sind allerdings nicht besonders eindeutig, weil die Streuung der Versuchsergebnisse sehr hoch und der Effekt eher klein ist. Sehr ausgeprägt ist ein solcher “Verzögerungseffekt” also anscheinend nicht.

Weitere Experimente wurden in Norwegen durchgeführt. Norwegisch hat anscheinend ursprünglich ähnlich klare grammatische Geschlechter wie das Deutsche oder Französische, in den letzten 30 Jahren wurde aber die Sprache so verändert, dass die weiblichen Bezeichnungen immer weniger verwendet wurden, so dass das männliche Geschlecht heutzutage tatsächlich generisch verwendet wird wie im Englischen. Es zeigte sich, dass bei der Akzeptanz einer gültigen Fortsetzung bevorzugt Männer gewählt wurden, wenn es sich um ein männliches Stereotyp handelte, und Frauen bei einem weiblichen Stereotyp, so wie im Englischen. Ist das Stereotyp allerdings neutral (wie “Nachbar”), dann gab es eine Bevorzugung von Männern gegenüber Frauen. Die Autoren schließen daraus, dass es immer noch einen “Nacheffekt” der ursprünglichen Sprachform gibt – ob das wirklich plausibel ist, weiß ich nicht.

Was meiner Ansicht nach bei diesen Studien schade ist, ist, dass keine echt neutralen Formen im Deutschen ausprobiert wurden, wie beispielsweise “Kind”, “Mitglied”, “Person” oder auch moderne Konstrukte wie “Studierende”. Das könnte zeigen, ob in diesem Fall dann keine Bevorzugung eines Geschlechts mehr vorliegt, wie im Englischen, oder ob auch dann die männliche Form gegenüber der weiblichen deutlich bevorzugt wäre (so wie bei den stereotyp-neutralen Formen im Norwegischen). Wie gesagt, da das Experiment so nicht durchgeführt wurde, kann man hier nur spekulieren.

So oder so scheint mir das Ergebnis der Studien relativ deutlich: Das sogenannte “generische Maskulinum” wird tendenziell eher als echtes Maskulinum verstanden und es fällt Versuchspersonen schwerer, sich unter einer generischen Form Frauen vorzustellen. Anscheinend beeinflusst die Grammatik unser Denken also doch. Grund genug, über geschlechtsneutrale Formulierungen nachzudenken.


Gygax, P., Gabriel, U., Sarrasin, O., Garnham, A. & Oakhill, J. (2009). Some grammatical rules are more difficult than others: The case of the generic interpretation of the masculine.
European Journal of Psychology of Education, 24, 235-246

Gygax, P., Gabriel, U., Sarrasin, O., Garnham, A. & Oakhill, J. (2008). There is no generic masculine in French and German: When beauticians, musicians and mechanics are all men.

Language and Cognitive Processes, 23(3), 464-485.

Gefunden via Sprachlog

Kommentare (289)

  1. #1 Dr. Webbaer
    11. Mai 2012

    So oder so scheint mir das Ergebnis der Studien relativ deutlich: Das sogenannte “generische Maskulinum” wird tendenziell eher als echtes Maskulinum verstanden und es fällt Versuchspersonen schwerer, sich unter einer generischen Form Frauen vorzustellen.

    Aber es gibt ihn und unsereins kann ihn auch verstehen. – Es gibt ihn, wie es auch generische Feminina und Neutra gibt, Wahnsinn wie die Politische Korrektheit einreißt.

    MFG
    Dr. Webbaer

  2. #2 Dr. Webbaer
    11. Mai 2012

    Ergänzend:
    Das mangelhafte allgemeine Verstehen von Sprache lädt eher dazu ein – im Rahmen der Möglichkeiten – das Bildungsniveau zu heben anstatt die Sprache zu vereinfachen, zumal das immer auf Kosten der Aussage geht, Sätze bei Vorhaben dieser Bauart (“gerechte Sprache”) nämlich länger.

    Zudem sind Sprachen, den “Gerechtigkeitsgedanken” fortführend, ohnehin und dezent formuliert nicht frei von Mehrdeutigkeit, sowas kriegt man nicht raus, will man keine umfängliche Sprach- und Inhaltsverwaltung (auch die Metaphorik ist oft ungerecht!) einführen.

    MFG
    Dr. Webbaer (der anrät auch einmal alte Texte zu studieren aus Zeiten als es noch gar keine Sprachregelung gab, die Schnoddrigkeit beachtend, war nicht die schlechteste Zeit)

  3. #3 Niels
    11. Mai 2012

    Was meiner Ansicht nach bei diesen Studien schade ist, ist, dass keine echt neutralen Formen im Deutschen ausprobiert wurden

    Ja, das ist wirklich schade.
    Tatsächlich ist es aber erstaunlich, dass es dazu nur so extrem wenige empirische Untersuchungen gibt.
    So viel, wie darüber schon theoretisch philosophiert und geschrieben wurde…

    Man könnte argumentieren, dass diese den ersten Satz eben als generisch interpretieren, also implizit erwarten, dass es sich um eine gemischt-geschlechtliche Gruppe handelt, und deshalb dann den zweiten Satz häufiger nicht akzeptieren, weil “einige der Frauen” dann für sie implizierte, dass es sich im zweiten Satz ausschließlich um Frauen handelt.

    Da soll “im ersten Satz” stehen, oder?
    Einige der Frauen könnte implizieren, dass die Gruppe Sozialarbeiter nur aus Frauen besteht. Und deswegen hätte man im ersten Satz dann Sozialarbeiterinnen statt Sozialarbeiter schreiben müssen.
    Oder hab ich mich jetzt selbst verwirrt?

    Die ForscherInnen halten diese Erklärung – zumindest als alleinige – für nicht zutreffend. Zum einen, weil man dann erwarten müsste, dass zumindest einige Versuchspersonen solche Fortsetzungssätze mit weiblicher Fortsetzung niemals akzeptieren. So ist es aber nicht

    Verstehe ich nicht.
    Warum müsste man das dann erwarten? Niemals akzeptieren und intuitiv anders verstehen sind doch zwei paar Schuhe.

    Furthermore, in our pilot study female continuations were only taken to indicate that the group comprised exclusively of women in six instances (4%).

    Bezieht sich “pilot study” vielleicht auf eine andere, vielleicht unveröffentlichte Vor-Studie?

    Diese 4% überzeugen mich aber nicht endgültig. Wenn einem etwas sprachlich “spanisch” vorkommt und man eine andere Formulierung vorzieht, kann man in der Regel doch nicht genau benennen, warum man das so sieht. Zumindest geht das mir so.
    Man könnte hier doch durchaus unbewusst die Notwendigkeit einer weiblichen Formulierung im ersten Satz voraussetzen, ohne dass man das auf Nachfrage als Grund für die Ablehnung des Satzes mit “einige der Frauen” formulieren zu können.

    Das sollen aber nur ein paar Anmerkungen sein, ich finde die Studie auch ziemlich eindeutig.
    Sehr schön, so eine Untersuchung ist doch deutlich interessanter und nützlicher als erhitzte Diskussionen mit hunderten Beiträgen.

  4. #4 emteg
    11. Mai 2012

    Ich bin bei dem Beispielsatz an der Grammatik hängen geblieben und habe mich gewundert, warum anscheinend vorausgesetzt wurde, dass die ganze Gruppe von Sozialarbeitern weiblich sein soll. Das ist meiner Meinung nach schon gültige Grammatik, aber holperig formuliert.

    Auf der anderen Seite habe ich bei neutralen Ausdrücken wie “Nachbarn” oder “Menschen” überhaupt kein Problem mit der Fortführung. Das irritiert mich gerade ein Bischen o_O

    Was passiert z.b., wenn man statt “der Frauen” ein “der weiblichen” verwendet?

  5. #5 MartinB
    11. Mai 2012

    @Niels
    Ja, das habe ich wohl missverständlich ausgedrückt, hab’s mal geändert.

    “Warum müsste man das dann erwarten?”
    Naja, wenn jemand ein generisches Maskulinum so versteht, dass es eine gemischte Gruppe impliziert, dann sollte er oder sie das tendenziell immer so verstehen. Aber hier – wie auch bei dem Satz mit den 4% (vielleicht hast du mit der Pilotstudie recht) – fehlen ein paar Daten, man müsste eigentlich die Daten aller TeilnehmerInnen haben, um genau zu analysieren, was hier gemeint ist.

    @emteg
    “warum anscheinend vorausgesetzt wurde, dass die ganze Gruppe von Sozialarbeitern weiblich sein soll.”
    Von wem wurde das jetzt vorausgesetzt? Von denen, die die Studie entworfen haben, ja definitiv nicht. Wenn man sagt: “Ich habe viele Nachbarn. Einige der Frauen tragen gern Sommerkleider” impliziert das ja nicht, dass alle meine Nachbarn weiblich sind, sondern nur, das Frauen dabei sind. Oder verstehe ich dich falsch?

    “der weiblichen” wäre sprachlich vermutlich so ungewöhnlich, dass dann jeder stutzig wird. Ich weiß leider nicht genau, was den Studienteilnehmern gesagt wurde, aber ich gehe nicht davon aus, dass man ihnen gesagt hat, dass es ums generische Maskulinum (oder überhaupt um Sprachwahrnehmung) geht.

  6. #6 WolfgangK
    11. Mai 2012

    “Grund genug, über geschlechtsneutrale Formulierungen nachzudenken.”

    Hm, ich weiss nicht so recht. Wenn ich bspw. drei Generationen vergleiche, so waren bei meinen Eltern Berufsbezeichnungen natürlich eindeutig auf das Geschlecht bezogen. Der Schneider war immer männlich und die Näherin immer weiblich. Bei mir ist das schon nicht mehr so eindeutig. So stelle ich mir unter einem Automechaniker oder einem Sozialarbeiter auch durchaus weibliche Personen vor, und meine wahrscheinlich angehende Schwiegertochter antwortete damals spontan auf die Frage, welche Lehre sie macht: “Zahnarzthelfer”, und das bei einem Beruf, bei dem es nun wirklich nur selten männliche Zahnarzthelfer gibt. Die nächste Generation geht mit der Sprache bezüglich des Geschlechts schon wesentlich unbefangener um.

    Ich denke, dass sich nicht nur die Gleichstellung von Mann und Frau, sondern auch die dazugehörige Sprache über Generationen in die richtige Richtung entwickelt und die Gleichstellung zwar staatlich vorgegeben, aber nicht staatlich oder gesellschaftlich gesteuert werden muss. Das gibt sich von selbst, denke ich.

  7. #7 BreitSide
    11. Mai 2012

    Ich hab natürlich keine Studie parat, aber mir fallen spontan mehrere Witze oder als witzig gedachte Szenen in amerikanischen Filmen ein, wo “the doctor” oder “the investigator” angekündigt wurde und die Leute jeweils ganz baff waren, dass das Frauen waren. Sooo “unparteiisch” ist die englische Sprache also vielleicht doch nicht.

    Oder wars nur die Synchronisation?

    Ich finde es ja bezeichnend, dass die extrem seltenen generisch weiblichen Bezeichnungen wie Krankenschwestern jetzt auch noch generisch maskulinisiert werden (“Krankenpfleger”)

  8. #8 Statistiker
    11. Mai 2012

    Zu diesem Thema gibt es doch genug bei Anatol nebanan……

    Meine Meinung ist indifferent: Manchmal ist es notwendig, zu unterscheiden ohne zu diskrimieren, manchmal unterschiedet man, um zu diskriminieren.

    Wenn ich sage: “Ich komme mit allen Kollegen gut klar”, dann ist eindeutig die weibliche und männliche Form gemeint. Wenn ich aber sage: “Mit einigen Kolleginnen komme ich nicht klar.” sind nur weibliche Personen gemeint. Und bei “Ich komme mit einigen Kollegen nicht gut klar.” ist die weibliche wie männliche Form gemeint. Wenn ich nur mit männlichen Kollegen nicht auskomme, müsste ich sagen: “Mit den männlichen Kollegen…….”

    Bäh, schwieriges Thema, aber ein Thema, über das man nachdenken muss, und das ist gut so….

  9. #9 Dr. Webbaer
    11. Mai 2012

    Meine Meinung ist indifferent: Manchmal ist es notwendig, zu unterscheiden ohne zu diskrimieren, manchmal unterschiedet man, um zu diskriminieren.

    Wow, Diskriminieren bedeutet Unterscheiden. – Da schließt sich dann irgendwie der Kreis um Artikel und Kommentatorik.

    MFG
    Dr. Webbaer (der doch anrät dementsprechende Versuche dem Kurbler aus Bremen zu überlassen)

  10. #10 Dr. Webbaer
    11. Mai 2012

    Ich denke, dass sich nicht nur die Gleichstellung von Mann und Frau, sondern auch die dazugehörige Sprache über Generationen in die richtige Richtung entwickelt (…)

    Sicherlich nicht, wenn man ‘Gleichstellung’ mit ‘Gleichberechtigung’ verwechselt. Oder soll doch gleichgestellt werden?

  11. #11 jitpleecheep
    11. Mai 2012

    @MartinB:
    “Wenn man sagt: “Ich habe viele Nachbarn. Einige der Frauen tragen gern Sommerkleider” impliziert das ja nicht, dass alle meine Nachbarn weiblich sind, sondern nur, das Frauen dabei sind. Oder verstehe ich dich falsch?”

    Es hängt allein von der Betonung ab:
    Liegt sie auf “Frauen” betonst du, dass das Subjekt dieses Satzes nur Teilmenge des Subjekts des vorangegangenen Satzes (Nachbarn/Sozialarbeiter) ist.
    Betonst du jedoch das “einige” setzt du tatsächlich implizit die Subjekte beider Sätze gleich.

  12. #12 ulfi
    12. Mai 2012

    >Man könnte argumentieren, dass diese den ersten Satz eben als generisch
    >interpretieren, also implizit erwarten, dass es sich um eine gemischt-geschlechtliche
    >Gruppe handelt, und deshalb dann den zweiten Satz häufiger nicht akzeptieren

    Ich würde dies als logischen Schluss nahe legen. Das lässt sich auch mit dem Argument untermauern, dass eben genau das der Sinn des generischen Maskulins ist. Natürlich wird er bestehende Rollenbilder nicht völlig umdrehen können, da Sprachinterpretation immer von Erfahrungswerten abhängt. Aber er bringt im Experiment zusätzliche Unsicherheit ins Geschlecht die dann im Folgesatz mit der geschlechtsspezifischen Information kollidiert.

    Deswegen halte ich das Argument, dass es Versuchspersonen geben müsste, die das Geschlecht niemals akzeptieren für konstruiert. Der generische Maskulin geht hier aus Genderperspektive als klarer Sieger vom Feld: geschlechtsspezifische Satzkonstruktionen werden im Zusammenspiel mit ihm mit einer höheren Wahrscheinlichkeit abgelehnt. Er führt damit zu einer geschlechtsneutraleren Sprache.

  13. #13 Jürgen Schönstein
    12. Mai 2012

    Ich habe mir den Gygax-Artikel nun ein erstes Mal durchgelesen, und drohe hiermit schon an, ihn demnächst (wenn mein gebrochener Ellenbogen so weit abgeheilt ist, dass er mir nicht allzu sehr das Schreiben vergällt) in einem Posting auch mal zu betrachten. Schon im Abstract steht ausdrücklich, dass die grammatische Regel des “generischen Maskulinums” sehr wohl existiert (dies ist, um ganz präzise zu sein, die Prämisse des gesamten Artikels) – aber dass sich die Sprechenden schwertun, es korrekt anzuwenden:

    People may have learned this rule and may understand it, but may not readily apply it.

    Das gilt allerdings, wie ich aus langjähriger Erfahrung weiß, für sehr viele Regeln in sehr vielen Sprachen. Deswegen zu folgern, dass sie nicht existieren (dürfen), halte ich erst einmal für eine Überinterpretation. Alles weitere – zum Beispiel das Problem, dass konkrete Personen nie “geschlechtsneutral” sind und es daher einen Unterschied macht, ob ich a) einen Sammelbegriff finden will, der gleichzeitig Männer als auch Frauen beschreibt oder b) einen Begriff suche, der ausdrückt, dass ich keine Informationen über das Geschlecht der Person(en) habe – hebe ich mir für später auf.

  14. #14 MartinB
    12. Mai 2012

    @Jürgen
    “Deswegen zu folgern, dass sie nicht existieren (dürfen), halte ich erst einmal für eine Überinterpretation.”
    Ich auch. Deswegen habe ich das ja auch nicht getan. Die Überschrift stellt die Frage, ob es ein generisches maskulinum gibt, und der Text antwortet darauf am Ende mit
    “Das sogenannte “generische Maskulinum” wird tendenziell eher als echtes Maskulinum verstanden ”

    @ulfi
    “Das lässt sich auch mit dem Argument untermauern, dass eben genau das der Sinn des generischen Maskulins ist.”
    Dann ist aber nach wie vor nicht klar, warum eben Männer häufiger akzeptiert werden als Frauen. Wenn es so ist, dass ein Fortsetzungssatz mit Männern häufiger akzeptiert wird, weil in dem Fall angenommen wird, dass der erste Satz eben nicht generisch sondern “echt” maskulin war, während das bei Frauen nicht so ist, dann sorgt das ja immer noch dafür, dass die Uneindeutigkeit einer maskulinen Form (ist sie nun generisch oder nicht) einen eher an einen Mann denken lässt, oder nicht? Es wäre sozusagen eine Wahrscheinlichkeits-Interpretation: Wenn ich “die Sozialarbeiter” lese, dann würde ich nach dieser Logik (natürlich unbewusst) sagen:
    O.k., es ist nicht klar, ob das Maskulinum generisch oder inhaltlich gemeint ist, mit einer Wahrscheinlichkeit von x% dürfte ersteres der Fall sein, mit einer von y% letzteres.

  15. #15 Radicchio
    12. Mai 2012

    Wenn ich “die Sozialarbeiter” lese, dann würde ich nach dieser Logik (natürlich unbewusst) sagen:
    O.k., es ist nicht klar, ob das Maskulinum generisch oder inhaltlich gemeint ist, mit einer Wahrscheinlichkeit von x% dürfte ersteres der Fall sein, mit einer von y% letzteres.

    das entscheidet man nicht nach (prozentualer) wahrscheinlichkeit und auch nicht nach logik, sondern nach kontext. nehmen wir an, es gäbe umkleideräume für sozialarbeiter, dann wäre klar, dass sich in der umkleide für “sozialarbeiter” die männer umziehen und in der für “sozialarbeiterinnen” die frauen. liest man etwas wie “sozialarbeiter absolvieren eine anspruchsvolle ausbildung”, ist ziemlich klar, dass es sich um alle handelt. einen weiteren aspekt stellt der bestimmte artikel “die” sozialarbeiter dar. er drückt aus, dass es sich um bestimmte sozialarbeiter handelt. im falle bestimmer personen kann das geschlecht von bedeutung sein, muss aber nicht.

    nach dieser Logik

    sprache unterliegt ohne zweifel vielen logischen regeln, ist aber viel komplexer, als du es anzunehmen scheinst.

    eine interessante website zur sprache:

    https://www.belleslettres.eu/

  16. #16 koi
    12. Mai 2012

    Ein interessanter Text, zu dem ich gern auch meinen Senf abgeben möchte.
    Zu den Untersuchungen ist mir eine Beobachtung eingefallen, die ich öfter gemacht habe, die aber anekdotisch ist. Im Englischen höre/lese ich oft Sätze der Form „My son has a new teacher. She has ..“ D.h. unmittelbar nach der Einführung einer generischen Form (teacher) wird diese in die natürliche Form aufgelöst. Ob das jetzt nur die Wahrnehmung eines Fremdsprachlers ist oder ein Bedürfnis den Sachverhalt zu klären wie es z.B. im Deutschen durch Verwendung der Form Lehrer oder Lehrerin von vorneherein gemacht wird kann ich nicht sagen, vielleicht hat Jürgen da aus seinem Umfeld mehr Eindrücke.
    Wenn dem so ist könnte es eine Erklärung sein, warum im Englischen die Fortsetzungssätze in allen Fällen häufiger akzeptiert werden: die Erwartungshaltung ist mehr geschult als in den anderen Sprachen.
    Ein prinzipielles Problem sehe ich bei solchen Studien aber, dass die Intention der Kommunikation nicht genügend berücksichtigt bzw. sogar ignoriert wird.
    Eine Sprache wird sich, denke ich, immer zu einer gewissen Sprachökonomie entwickeln. D.h. billig (= mit wenig Aufwand) mitteilen was wichtig ist. Möglicherweise ist die Einführung einer geschlechtsneutralen generischen grammatischen Form einfach zu aufwändig. (eine kleine Fußnote: Im Italienischen ist die Höflichkeitsform die weibliche Ausprägung der 3 Person Singular, (groß geschrieben ))
    Eine normierte, ökologische Sprache kann auch nicht alle Kommunikationsformen gleichgut abbilden. Bezüglich der Geschlechtsneutralität ist es mMn z.B. in Gesetzestexten völlig ausreichend und verständlich das generische Maskulinum zu verwenden. Alles andere wäre unökonomisch.
    Bei Formularen u.ä. ist ein Alternativschreibweise sinnvoll („Bearbeiter/in“ o. Ähnliches). Das Binnen I halte ich hier nicht nur aus ästhetischen Gründen für verunglückt.
    Dabei sollte man im Hinterkopf haben, dass beide Kommunikationsakte schriftfixiert sind.
    Bei Reden erfordert es schon die Höflichkeit, beide Geschlechter explizit zu nennen („Sehr geehrte Damen und Herren.”)
    Bei Narrativen wird man sehr schnell versuchen, die natürlichen Genera zu benennen. Ich meine jedoch, dass das mehrere Sätze dauern kann du außerdem mehr die Aufgabe des Sprachproduzenten als des Hörers ist. Dafür müssen Narrative aber am wenigsten genau sein, ja im Gegenteil, oft spielt ja der Erzähler mit den Doppeldeutigkeiten der Sprache. Außerdem sind Narrative im Kern mündliche Kommunikationsformen, was Spielereien im Schriftbild stark beeinträchtigt.
    Beim Satzpaar

    (1) Die Sozialarbeiter gingen durch den Bahnhof.
    (2) Weil das Wetter schön war, trugen einige der Frauen keinen Mantel.

    bezog ich das „einige Frauen“ zuerst auf alle anwesenden Frauen im Bahnhof und nicht auf die (Frauen in der) Gruppe der Sozialarbeiter. Sprachverständnis ist nicht unbedingt linear.
    Was hier aber überhaupt nicht funktionieren würde ist eben „Sozialarbeiter/innen gingen …“ oder „SozialarbeiterInnen gingen …“

    Um den Bogen zur Gleichberechtigung und Geschlechtergerechtigkeit in der Sprache zu spannen: Ich halte es nicht für sinnvoll die Sprache um weitere grammatikalische Formen zu bereichern (einer der zwei großen Irrtümer der Binnen I), das wird sich wegen der Sprachökonomie nicht durchsetzen, sondern halte es für sinnvoll das generische Maskulinum so offensiv zu benutzen, das es zum Generischen maskulinum wird, wenn ich das richtig verstehe ist das genau der Weg der in Norwegen gegangen wurde. (Ich habe schon von mehreren Frauen gehört „Ich bin Arzt“, das funktioniert aber noch nicht bei allen Berufen, ein endloses Feld z.B. bei „Kaufmann/Kauffrau“)
    Allerdings könnte da die Krankenschwester auf der Strecke bleiben.
    Und zum Abschluss: Aus meinem Sprachverständnis erschließt sich mir nicht, warum Student/Studenten ein stärker generisches Maskulinum sein soll als Studierende, wobei das zweite unökonomischer ist.

  17. #17 MartinB
    12. Mai 2012

    @radicchio
    “liest man etwas wie “sozialarbeiter absolvieren eine anspruchsvolle ausbildung”, ist ziemlich klar, dass es sich um alle handelt.”
    Wie erklärst du dann das Ergebnis des Experiments?

    @koi
    “Wenn dem so ist könnte es eine Erklärung sein, warum im Englischen die Fortsetzungssätze in allen Fällen häufiger akzeptiert werden: die Erwartungshaltung ist mehr geschult als in den anderen Sprachen.”
    Aber das funktioniert ja eben nur, weil man keine weibliche Form hat, “teacher” ist eben grammatikalisch kein generisches Maskulinum, sondern eine neutrale Form. Ich könnte mir vorstellen, dass das schon bei Begriffspaaren wie actor/actress anders aussieht.

    “Was hier aber überhaupt nicht funktionieren würde ist eben „Sozialarbeiter/innen gingen …“ oder „SozialarbeiterInnen gingen …“”

    Warum würde das nicht funktionieren? Und was wäre gegen “Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen gingen” einzuwenden?

    “warum Student/Studenten ein stärker generisches Maskulinum sein soll als Studierende”
    Sehr einfach, es heißt immer zwangsläufig “der Student”, “die Student” gibt es nicht. “Studierende” kann aber mit beiden Artikeln versehen werden, weil es ein nominalisiertes Partizip ist (oder wie das gramatikalisch heißt), kann es sich an jedes Geschlecht anpassen.

    @alle
    Zwei Dinge möchte ich noch anmerken:
    1. Ich bin der Ansicht, dass das hier eine gute und aufschlussreiche Studie ist – sie ist aber sicherlich nicht 100% wasserdicht. Meine Schlussfolgerung, dass ein generisches Maskulinum tendenziell als echtes verstanden wird, scheint mir durch die Studie abgedeckt, das heißt aber nicht, dass das immer so ist, das gibt die Studie nicht her.

    2. Ein Problem mit dem generischen Maskulinum im Plural ist, dass es Gruppen unterschiedlich behandelt: Wenn wir annehmen, dass der “Normalfall” einer Personengruppe gemischtgeschlechtlich ist, dann fällt rein sprachlich eine reine Männergruppe ebenfalls unter den Normalfall. Eine Gruppe von nur Frauen dagegen wird als ein Spezialfall gekennzeichnet. Und sprachlich muss ich die Form ändern, sobald sich in eine Gruppe von 100 Frauen ein einzelner Mann mischt, aber nicht umgekehrt. Die An- oder Abwesenheit von Männern wird sprachlich also anders behandelt als die von Frauen.

  18. #18 Dr. Webbaer
    12. Mai 2012

    Ein Problem mit dem generischen Maskulinum im Plural ist, dass es Gruppen unterschiedlich behandelt: Wenn wir annehmen, dass der “Normalfall” einer Personengruppe gemischtgeschlechtlich ist, dann fällt rein sprachlich eine reine Männergruppe ebenfalls unter den Normalfall.

    Was aus Sicht dieses Schreibers kein Problem ist, denn die hier geübte Sprache pflegt (noch) zwischen Genus und Sexus zu unterscheiden, d.h. über die Geschlechtlichkeit einer Gruppe ist oft nichts gesagt, wenn das Maskulinum im Plural festzustellen ist – eben ohne Kontext meist das generische Maskulinum im Plural.

    Die Sprache wird durch das zwanghafte Einpflegen des Sexus nicht besser, wenn dieser keinen interessiert.

    Weiter oben ist festgestellt worden, dass auch heute noch der Kontext die jeweilige Einordnung erlaubt. Dass bspw. bei einer IT-Fachkraft, bei einer Reinigungskraft, bei einer Kapazität im Rahmen der Mathematik oder der Zahnmedizin die (auch in der Studie bearbeiten) Assoziationen da sind, sollte klar sein, bewusstes Assoziieren ist nichts Schlechtes. BTW: Nicht einmal Vorurteile sind schlecht, auch wenn sich hier eine sog. Vorurteilsforschung sinnlos abarbeitet, was natürlich auch ein Vorurteil ist, aber kein gänzlich abwegiges.

    MFG
    Dr. Webbaer

  19. #19 Radicchio
    12. Mai 2012

    Wie erklärst du dann das Ergebnis des Experiments?

    ich finde das ergebnis nicht überraschend. englischsprechende lassen sich etwas mehr vom stereotyp leiten, weil sie in der sprache weniger anhaltspunkte vorfinden. das ist nicht weiter überraschend. wo es in der sprache hinweise über das stereotyp hinaus gibt, fließen sie in das verstehen ein. da männer aber auch heute noch in vielen fällen “norm” sind, war zu erwarten, dass sie eher als fortsetzung angenommen werden. aber auch im deutschen gibt es fälle, wo eine neutrale formulierung oder ein generisches femininum uns nicht an frauen denken lässt und das verstehen sich allein am stereotyp orientiert: feuerwehrleute und bergleute sind genauso männlich wie feuerwehr- und bergmänner. die besatzung eines u-bootes, die belegschaft eines stahlwerkes und die crew des formel-1-teams stellen wir uns unabhängig von genus männlich vor.

    (1) Die Sozialarbeiter gingen durch den Bahnhof.
    (2) Weil das Wetter schön war, trugen einige der Frauen keinen Mantel.

    dieses satzpaar ist tatsächlich unplausibel. aber nicht wegen des maskulinums, sondern weil es nicht nachvollziehbar ist, dass ausdrücklich nur (einige) frauen keinen mantel trugen. diese aussage impliziert nämlich im umkehrschluss, nur frauen wären vom thema “wetter” und “mantel” betroffen. es wird anhand der linie wetter – mantel ein geschlechtsunterschied aufgemacht, der nicht existiert. plausibler wäre: “Weil das Wetter schön war, trugen einige der Frauen Sommerkleider.” dann hat der verweis auf das geschlecht eine berechtigung.

    Meine Schlussfolgerung, dass ein generisches Maskulinum tendenziell als echtes verstanden wird, scheint mir durch die Studie abgedeckt, das heißt aber nicht, dass das immer so ist, das gibt die Studie nicht her.

    problem bei der studie ist, dass sie die zugrunde liegende these nicht widerlegen, sondern belegen will. wissenschaftlich gearbeitet, hätte sie die these aber auch zu widerlegen versuchen müssen. es gibt nämlich im deutschen sehr viele generische maskulina, die generisch verstanden werden. frauen und männer flanieren durch die fußgängerzone, geben wählerstimmen ab, sitzen im nichtraucherbereich oder im lehrerzimmer, melden sich am kundenservice, sind in der schauspielergewerkschaft usw. das ist allgemein verständlich. die studie ist insofern tendenziell.

  20. #20 Radicchio
    12. Mai 2012

    sry, tendenziös natürlich!

  21. #21 MartinB
    12. Mai 2012

    @radicchio
    “da männer aber auch heute noch in vielen fällen “norm” sind, war zu erwarten, dass sie eher als fortsetzung angenommen werden.”
    Dann müsste das aber im Englischen auch so sein – zumindest bei den neutralen Begriffen wie “neighbour” war aber ja exakt der gleiche Plausibilitätswert für beide Fortsetzungen gefunden. Oder willst du annehmen, dass im Englischen Männer weniger als Default angenommen werden als im Deutschen. Wenn ja, warum?

    “dieses satzpaar ist tatsächlich unplausibel”
    Ist ja auch nur eins von vielen Beispielen. Dass einige Leute die Satzpaare generell unplausibel fanden, sieht man daran, dass es nie 100% Zustimmung gab.
    Auch hier müsstest du aber erklären, warum es nach deiner Logik unplausibler ist, dass einige der Frauen einen Mantel trugen, als das einige der Männer das taten.

    “es gibt nämlich im deutschen sehr viele generische maskulina, die generisch verstanden werden. ”
    Welche denn? Was ist denn generischer als “der Nachbar”?

  22. #22 Dr. Webbaer
    12. Mai 2012

    ‘Tendenziell’ war schon semantisch OK, ‘tendenziös’ ist die Französisierung, die dasselbe besagt, aber – allgemein akzeptierten Sichten folgend – herabsetzt oder herabsetzen soll.
    Metaphorisch oder wie es so schön heißt im Subtext.

    Wer sich auf solche “Feinheiten” einlässt, kann natürlich weitergehend in böse und gute Wörter und dementsprechend bestimmte Sprachwahl (generische Maskulina, Feminina & Neutra) auflösen wollen.

    Oder forschen und verwalten wollen, wie bestimmte Semantik zurzeit (von wem) besetzt ist.

    MFG
    Dr. Webbaer (der noch eine Zeit erlebt hat, in der das alles kein Thema war)

  23. #23 koi
    12. Mai 2012

    @MartinB
    Ich muss mich berichtigen. Mein Satz über die Qualität der Studien, speziell der von Dir vorgestellten ist verunglückt. Meine Kritik bezog sich auf die Diskussionen über dieses Thema, die ja nicht nur auf SB immer wieder aufflackern.

    “Wenn dem so ist könnte es eine Erklärung sein, warum im Englischen die Fortsetzungssätze in allen Fällen häufiger akzeptiert werden: die Erwartungshaltung ist mehr geschult als in den anderen Sprachen.”

    Aber das funktioniert ja eben nur, weil man keine weibliche Form hat, “teacher” ist eben grammatikalisch kein generisches Maskulinum, sondern eine neutrale Form. Ich könnte mir vorstellen, dass das schon bei Begriffspaaren wie actor/actress anders aussieht.

    Könnte „teacher“ nicht sowohl als generisches Maskulinum und generisches Femininum gesehen werden? Warum muss ich unbedingt geschlechtliche Neutralität reinbringen, wenn hier Undifferenziertheit reicht?
    Natürlich könnte es bei actor/actress auch anders aussehen, aber es gibt im Englischen viel mehr neutrale/undifferenzierte Begriffe als im Deutschen, sodass der Lerneffekt größer sein könnte, so er denn existiert.

    “Was hier aber überhaupt nicht funktionieren würde ist eben „Sozialarbeiter/innen gingen …“ oder „SozialarbeiterInnen gingen …“”

    Warum würde das nicht funktionieren? Und was wäre gegen “Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen gingen” einzuwenden?

    Es funktioniert nicht, da es von der Form her ein Narrativ ist, d.h. es ist dem Mündlichen nah. Versuch es mal vorzulesen. Ich kenne keine verbindlichen Regeln, wie das vorgelesen wird. Gegen “Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen gingen” ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Es ist halt nur unökonomisch, wie ich oben aufgeführt habe.

    “warum Student/Studenten ein stärker generisches Maskulinum sein soll als Studierende”
    Sehr einfach, es heißt immer zwangsläufig “der Student”, “die Student” gibt es nicht. “Studierende” kann aber mit beiden Artikeln versehen werden, weil es ein nominalisiertes Partizip ist (oder wie das gramatikalisch heißt), kann es sich an jedes Geschlecht anpassen.

    Formal hast Du sicher recht, ich bezog mich deswegen auch auf mein Sprachgefühl. Es ist schon so, wie es @radicchio ausgedrückt hat, dass es stark kontextbezogen ist.

    2. Ein Problem mit dem generischen Maskulinum im Plural ist, dass es Gruppen unterschiedlich behandelt: […] Eine Gruppe von nur Frauen dagegen wird als ein Spezialfall gekennzeichnet. […] Die An- oder Abwesenheit von Männern wird sprachlich also anders behandelt als die von Frauen.

    Zustimmung zu Spezialfall, aber keine Zustimmung zu der von mir so verstandenen impliziten Wertung, dass das benachteiligend wäre. Ungleichheit führt nicht immer und nicht automatisch zu Ungerechtigkeit.

  24. #24 Dr. Webbaer
    12. Mai 2012

    Ein Problem mit dem generischen Maskulinum im Plural ist, dass es Gruppen unterschiedlich behandelt: […] Eine Gruppe von nur Frauen dagegen wird als ein Spezialfall gekennzeichnet.

    Zustimmung (…) [Koi]

    Was ist denn dann mit ‘die Fachkräfte’ oder ‘die Kapazitäten’?

  25. #25 MartinB
    12. Mai 2012

    @koi
    “Könnte „teacher“ nicht sowohl als generisches Maskulinum und generisches Femininum gesehen werden? ”
    Das geht wohl, da das Englische grammatische Geschlechter ja nicht kennt (es gibt keine unterschiedlichen Formen von Endungen oder Artikeln). “Generisches Maskulinum” bedeutet ja gerade, dass eine Form laut Grammatik Maskulinum ist, laut Sinn aber nicht. Wenn eine Form grammatisch uneindeutig ist, ergibt das wenig Sinn, oder verstehe ich dich falsch?

    “Gegen “Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen gingen” ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Es ist halt nur unökonomisch, wie ich oben aufgeführt habe. ”
    Es gibt eine weitere SDtudie von Gygax, in der gezeigt wird, dass solche Dopplungen beim ersten Lesen den Lesefluss bremsen, danach nicht mehr. Für gesprochene Sprache ist die Umständlichkeit sicher unschön, da stimme ich dir zu.

    “Ungleichheit führt nicht immer und nicht automatisch zu Ungerechtigkeit. ”
    Es ist also keine Form von Ungerechtigkeit, wenn ein einzelner Mann bei der zu verwendenden Form einen stärkeren Einfluss hat als 100 Frauen? Du glaubst nicht, dass das das Denken irgendwie beeinflussen kann? Um es mit einem Beispiel zu verdeutlichen: wenn du vor einer Gruppe sprichst, in der du alle bis auf einen duzt, dann verwendest du korrekterweise für die Ansprache der Gruppe ja die Form “Sie”. Hebt das in deinen Augen nicht die eine Person, die du siezt, deutlich hervor?

  26. #26 Dr. Webbaer
    12. Mai 2012

    Wenn eine Form grammatisch uneindeutig ist, ergibt das wenig Sinn, oder verstehe ich dich falsch?

    Ja, das sehen Sie falsch, das generische Maskulinum ist bezogen auf den Genus eindeutig, aber nicht bezogen auf den Sexus. – Weil den eben keiner interessiert, so die Annahme. Das tatsächliche Geschlecht ist eine Merkmalsausprägung wie bspw. die Größe oder die Herkunft…

    Und wenn Sie mit ‘Doppelungen’ anfangen wollen, dann werden Sie die Tür für weitere Wünsche öffnen, die – würden sie in die Sprachlichkeit eingepflegt werden, was natürlich nie der Fall sein wird – die Sprache selbst gefährden oder zumindest stark belasten würden.

    Was Sie wurmt, lieber Herr Bäker, ist ganz anscheinend die hohe Anzahl der Fälle, in denen das generische Maskulinum angewendet wird; hier kann der Sprecher oder Schreiber aber freiwillig milder werden. Dr. W wird das ja auch.

    MFG
    Dr. Webbaer

  27. #27 MartinB
    12. Mai 2012

    @radicchio
    Noch ein Nachtrag
    “problem bei der studie ist, dass sie die zugrunde liegende these nicht widerlegen, sondern belegen will.”
    Wieso? Wäre das Ergebnis im deutschen so ausgefallen wie im englischen, dann würde zumindest ich mir keine großen Gedanken über das generische Maskulinum machen – das wäre doch eine ziemlich klare Widerlegung der These, dass das generische Maskulinum das Denken beeinflusst.

  28. #28 koi
    12. Mai 2012

    @MartinB

    @koi

    “Könnte „teacher“ nicht sowohl als generisches Maskulinum und generisches Femininum gesehen werden?”

    Das geht wohl, da das Englische grammatische Geschlechter ja nicht kennt (es gibt keine unterschiedlichen Formen von Endungen oder Artikeln). “Generisches Maskulinum” bedeutet ja gerade, dass eine Form laut Grammatik Maskulinum ist, laut Sinn aber nicht. Wenn eine Form grammatisch uneindeutig ist, ergibt das wenig Sinn, oder verstehe ich dich falsch?

    Das kommt davon wenn man Begriffe verwendet, von denen man glaubt, dass man noch weiß was sie genau bedeuten, obwohl man sich seit Ewigkeiten nicht mehr mit dem Thema beschäftigt hat. (Damit meine ich mich und das generische Maskulinum). Meine Intention war, dass die grammatikalische Form es ununterscheidbar macht ob Femininum oder Maskulinum gemeint ist, da sie gleich ist. Die Regel wäre aber immer noch eindeutig. Ich gebe zu, das ist ein bisschen spitzfindig.

    “Gegen “Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen gingen” ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Es ist halt nur unökonomisch, wie ich oben aufgeführt habe. ”

    Es gibt eine weitere SDtudie von Gygax, in der gezeigt wird, dass solche Dopplungen beim ersten Lesen den Lesefluss bremsen, danach nicht mehr. Für gesprochene Sprache ist die Umständlichkeit sicher unschön, da stimme ich dir zu.

    Für bestimmte Textintentionen, wie z.B. Formularvordrucke, Anweisungen oder Ähnlichem hatte ich ja die Dopplung als Lösung vorgeschlagen. Wo ich sie nicht gut finde sind Narrative, deswegen sprach in von vorlesen, nicht von lesen. Wie übertrage ich „Leser/innen“ ins Mündliche, ohne die Intention zu verfälschen. „Leserinnen“ ist schon eine Interpretation der Vorleserin, die außerdem über den Kontext erst wieder zurückinterpretiert werden muss. Es könnte sich ja wirklich nur um weibliche Leserinnen handeln. Außerdem könnte ich das ja dann auch gleich schreiben. Narrative sollten das über den Kontext klären.
    Wie ich Blogtexte hier einordnen würde weiß ich schlicht und einfach nicht. Wenn Du in Deinem Blog von Physikerinnen sprichst ist das für mich OK. Es hemmt weder den Lesefluss, noch das Verständnis (das ist dann eher der Inhalt) und ich interpretiere es als Statement Deinerseits wider das generische Maskulinum.

    “Ungleichheit führt nicht immer und nicht automatisch zu Ungerechtigkeit. ”

    Es ist also keine Form von Ungerechtigkeit, wenn ein einzelner Mann bei der zu verwendenden Form einen stärkeren Einfluss hat als 100 Frauen? Du glaubst nicht, dass das das Denken irgendwie beeinflussen kann? Um es mit einem Beispiel zu verdeutlichen: wenn du vor einer Gruppe sprichst, in der du alle bis auf einen duzt, dann verwendest du korrekterweise für die Ansprache der Gruppe ja die Form “Sie”. Hebt das in deinen Augen nicht die eine Person, die du siezt, deutlich hervor

    Vorsicht Fangfrage ;). Natürlich bestimmt die Sprache das Denken, ich hoffe aber doch, dass das Denken die Sprache mehr bestimmt. Natürlich hebt sich ein Gesiezter in einer Duzgruppe, oder ein Mann in einer Frauengruppe oder eine Ziege in einer Schafherde sprachlich hervor, aber es wertet nicht und wenn doch sollten wir daran arbeiten. (Das sich ein Schaf in einer Ziegenherde auch hervorhebt, ein Geduzter in der Siezgruppe und eine Frau in eine Männergruppe nicht, ist ein Gerücht)
    In den nordischen Ländern hat meines Wissen das Du in den letzten Jahren die dortige Höflichkeitsform abgelöst. Wahrscheinlich weil es der egalitären Gesellschaft nicht mehr entsprochen hat. Du spricht im Artikel die norwegische Sprache an, in der die spezifisch weiblichen Formen immer weniger benutz wurden, bis die generischen Maskulina als generische Formen verstanden wurden. (Da ich kein Norwegisch kann, hoffe ich jetzt mal, dass ich Deinen Satz nicht falsch interpretiert habe). Genau das passiert aber nicht wenn Du von Physikerinnen sprichst. Physikerinnen ist diskriminierend, nicht Physiker(pl). Und zwar deshalb weil ich betonen muss, dass Frauen das auch schaffen können und es nicht für selbstverständlich halte.
    Ich denke wir haben dasselbe Ziel einer (Geschlechter) nichtdiskriminierenden Sprache in einer (Geschlechter) nichtdiskriminierenden Gesellschaft. Ich denke aber die Sprache spiegelt diesen Wandel wider, aber treibt ihn nicht. Wobei: ein bisschen anschieben schadet nicht.

  29. #29 MartinB
    12. Mai 2012

    @koi
    “Wenn Du in Deinem Blog von Physikerinnen sprichst ist das für mich OK.”
    Ich habe aber gelernt (ebenfalls in einem paper von Gygax), dass es tatsächlich kontraproduktiv sein kann, weibliche und männliche Formen zu mischen. Tut man das, werden die männlichen Formen erst recht als nicht-generisch verstanden. Ich werde es vermutlich trotzdem gelegentlich so machen – mich selbst wirft eine gelegentliche weibliche Form aus meiner Denkschiene (genau wie die Formulierung, die du hattest, mit “teacher” und “she”).

    “Natürlich hebt sich ein Gesiezter in einer Duzgruppe, oder ein Mann in einer Frauengruppe oder eine Ziege in einer Schafherde sprachlich hervor”
    Warum ist es natürlich, dass sich ein Mann in einer Frauengruppe sprachlich hervorhebt, eine Frau un einer Männergruppe aber nicht?

    “Da ich kein Norwegisch kann, hoffe ich jetzt mal, dass ich Deinen Satz nicht falsch interpretiert habe”
    Da ich auch kein Norwegisch kann, hoffe ich auch, dass ich diese Aussage von Gygax et al nicht falsch interpretiert habe 😉

    “Physikerinnen ist diskriminierend, nicht Physiker(pl)”
    Mit dieser Aussage nimmst du ja schon an, dass “Physiker” eben nicht diskriminierend ist. “Physikerinnen” hältst du für diskriminierend, weil es hervorhebt, dass auch Frauen es schaffen können, aber “Physiker” hältst du nicht für diskriminierend, obwohl es nahelegt, dass Physiker normalerweise Männer sind (und dass es das nahelegt, zeigt ja obige Studie).

  30. #30 Dr. Webbaer
    12. Mai 2012

    Natürlich hebt sich ein Gesiezter in einer Duzgruppe, oder ein Mann in einer Frauengruppe oder eine Ziege in einer Schafherde sprachlich hervor, aber es wertet nicht und wenn doch sollten wir daran arbeiten.

    Zum Siezen: Hier ist es vielen anscheinend nicht klar, dass Sie in der 3. Person Plural ansprechen oder angesprochen werden, auch hier tun sich gelegentlich Abgründe [1] auf.

    MFG
    Dr. Webbaer

    [1] Da hat tatsächlich jemand nicht verstanden, dass die förmliche Anrede die 3. Person im Plural bedingt und keinesfalls eine 2. Person in “Spezialform”. *
    * ein aber verbreitetes Missverstehen in diesem Sprachraum, btw: es ist verdammt uncool andere in der 3. Person Plural anzusprechen, aber so scheint halt die Mentalität, lol.

  31. #31 Dr. Webbaer
    12. Mai 2012

    Korrigierend:
    [1] Da hat tatsächlich jemand nicht verstanden, dass die förmliche Anrede die 3. Person im Plural bedingt und keinesfalls eine 2. Person in “Spezialform”. *

    * ein aber verbreitetes Missverstehen in diesem Sprachraum, btw: es ist verdammt uncool andere in der 3. Person Plural anzusprechen, aber so scheint halt die Mentalität, lol.

    MFG
    Dr. Webbaer (der sich über sprachliche doitsche Spezifika noch ein wenig mehr auslassen könnte – bei Bedarf)

  32. #32 MartinB
    12. Mai 2012

    @Wb
    “bei Bedarf”
    Wie Sie am unglaublichen Echo auf Ihre Kommentare hier bemerken könnten, besteht an denen eigentlich nie irgendein Bedarf.

  33. #33 Dr. Webbaer
    12. Mai 2012

    @Martin Bäker
    Der Bedarf entsteht in der Regel im allgemeinen Handeln, der Webbaer würde Sie (3. Person Plural) hier nicht präveliert sehen wollen, Ihre Inhaltsmächtigkeit hier anerkennend, no prob – haben Sie mittlerweile in Bezug auf Ihre Sprachlichkeit ein wenig ausbauen können?, Sie klingen ja mittlerweile gemäßigter, fast zustimmungsfähig.

    Was diesem Kommentatoren noch ein wenig fehlt bei Ihnen ist die Reflektion um das Ganze, auf das Sprachliche bezogen.

    Hey, können Dr. W und Dr. B nicht doch irgendwie Freunde werden?

    MFG
    Dr. Webaer

  34. #34 MartinB
    12. Mai 2012

    “können Dr. W und Dr. B nicht doch irgendwie Freunde werden?”
    Nicht in diesem Universum, bei meinen Freunden achte ich auf ein Mindestmaß an intellektueller Kapazität.
    Und damit habe ich dem Troll-Bären für die nächsten paar Wochen genügend Aufmerksamkeit gewidmet, denke ich.

  35. #35 Radicchio
    12. Mai 2012

    “da männer aber auch heute noch in vielen fällen “norm” sind, war zu erwarten, dass sie eher als fortsetzung angenommen werden.”
    Dann müsste das aber im Englischen auch so sein – zumindest bei den neutralen Begriffen wie “neighbour” war aber ja exakt der gleiche Plausibilitätswert für beide Fortsetzungen gefunden.

    das wird doch in studie relativ verständlich erklärt: die engländer gehen von ihren erfahrungswerten (stereotypen) aus, und die besagen, dass es etwa gleich viele frauen und männer in der nachbarschaft gibt.

    Auch hier müsstest du aber erklären, warum es nach deiner Logik unplausibler ist, dass einige der Frauen einen Mantel trugen, als das einige der Männer das taten.

    MartinB, das habe ich oben schon wie folgt erklärt:

    “weil es nicht nachvollziehbar ist, dass ausdrücklich nur (einige) frauen keinen mantel trugen. diese aussage impliziert nämlich im umkehrschluss, nur frauen wären vom thema “wetter” und “mantel” betroffen. es wird anhand der linie wetter – mantel ein geschlechtsunterschied aufgemacht, der nicht existiert. plausibler wäre: “Weil das Wetter schön war, trugen einige der Frauen Sommerkleider.” dann hat der verweis auf das geschlecht eine berechtigung.”

    mäntel sind keine geschlechtsspezifische kleidung. es gibt keinen grund, warum nur frauen mäntel bzw. keine mäntel getragen haben sollten.

    im übrigen wäre ich dir dankbar, nicht herablassend von “meiner logik” zu reden. es gibt nur eine logik.

    “es gibt nämlich im deutschen sehr viele generische maskulina, die generisch verstanden werden. ”
    Welche denn? Was ist denn generischer als “der Nachbar”?

    “frauen und männer flanieren durch die fußgängerzone, geben wählerstimmen ab, sitzen im nichtraucherbereich oder im lehrerzimmer, melden sich am kundenservice, sind in der schauspielergewerkschaft usw.”

    in diesen kontext sind die maskulina generisch. das maskulinum kann nämlich beides sein: maskulin UND generisch. je nach kontext. das kannst du dir ein wenig so vorstellen wie schrödingers katze.

    und “der nachbar” ist schon mal gar nicht generisch, denn es gibt “die nachbarin”. niemand würde sagen “mein nachbar ist frau schmidt”. sage ich aber “meine nachbarn grillen”, dann ist “nachbarn” generisch.

    “problem bei der studie ist, dass sie die zugrunde liegende these nicht widerlegen, sondern belegen will.”
    Wieso?

    ganz einfach, weil es das bestreben eines wissenschaftlers sein sollte, seine these zu falsifizieren.

    Wäre das Ergebnis im deutschen so ausgefallen wie im englischen, dann würde zumindest ich mir keine großen Gedanken über das generische Maskulinum machen – das wäre doch eine ziemlich klare Widerlegung der These, dass das generische Maskulinum das Denken beeinflusst.

    das maskulinum beeinflusst das denken in abhängigkeit zu den erwarteten stereotypen. DAS ist die schlussfolgerung aus der studie. wenn es bergfrauen und feuerwehrfrauen gäbe, würden sich auch die deutschsprecher unter berg- und feuerwehrleuten frauen vorstellen.

    eine weitere schlussfolgerung aus der studie: in frankreich und deutschland ist die sprachstruktur ähnlich, aber dennoch sind die gesellschaftlichen verhältnisse unterschiedlich. in frankreich sind frauen öfter berufstätig, kinderbetreuung ist selbstverständlich, einen “muttermythos” gibts nicht. die sprache hat darauf keinen einfluss.

    ‘Tendenziell’ war schon semantisch OK, ‘tendenziös’ ist die Französisierung, die dasselbe besagt, aber – allgemein akzeptierten Sichten folgend – herabsetzt oder herabsetzen soll.

    wb, tendenziell beschreibt wertfrei eine richtung, z.b. die zu besserem wetter. tendenziös beschreibt hingegen eine absicht. wenn eine aussage nicht objektiv ist, ist die tendenziös.

  36. #36 koi
    12. Mai 2012

    @MartinB

    “Natürlich hebt sich ein Gesiezter in einer Duzgruppe, oder ein Mann in einer Frauengruppe oder eine Ziege in einer Schafherde sprachlich hervor”

    Warum ist es natürlich, dass sich ein Mann in einer Frauengruppe sprachlich hervorhebt, eine Frau un einer Männergruppe aber nicht?

    <Korintenkackmode> Dass sich ein Mann aus einer Frauengruppe sprachlich hervorhebt hat keine Aussagekraft darüber ob sich eine Frau aus einer Männergruppe sprachlich hervorhebt. </Korintenkackmode>
    Natürlich ist hier natürlich suboptimal verwendet. Ich denke es ist eher nicht normal, dass sich eine Frau aus einer Männergruppe sprachlich nicht hervorhebt. Das würde aber wieder ein generisches Neutrum erfordern (oder eine generische Undifferenziertheit) und damit sind wir wieder beim Anfang.

    “Physikerinnen ist diskriminierend, nicht Physiker(pl)”

    Mit dieser Aussage nimmst du ja schon an, dass “Physiker” eben nicht diskriminierend ist. “Physikerinnen” hältst du für diskriminierend, weil es hervorhebt, dass auch Frauen es schaffen können, aber “Physiker” hältst du nicht für diskriminierend, obwohl es nahelegt, dass Physiker normalerweise Männer sind (und dass es das nahelegt, zeigt ja obige Studie).

    OK, da hast Du mich erwischt. Wenn ich Physiker maskulin nehme. Wenn ich Physiker generisch nehme natürlich nicht. Dass die Studie belegt, dass das generische Maskulinum auf die Wahrnehmung durchschlägt, sehe ich auch, würde es für mich natürlich völlig ausschließen ;).

    Es macht in meinen Augen keinen Sinn jetzt sprachgeschichtlich zu erforschen seit wann diese sprachliche Überlagerung existiert. Es ist doch aber so, dass „Physiker“ eben auch generisch benutzt wird, auch wenn bisher mehrheitlich Männer Physiker waren. Und ich beschließe jetzt eben, die Grammatik beim Wort zu nehmen und Physiker generisch zu verwenden. Irgendwo muss man anfangen. Und dann schreibe ich eben „Die Physiker am Institut, Männer und Frauen“, „Die Physikergruppe, die das Projekt bearbeitet hat, lauter Frauen unter Leitung von Fr. Dr. Prof. …“ oder „Die Physiker, nur Männer …“, obwohl das Geschlecht meist völlig nebensächlich ist. („the teacher …, she“)

    Ich halte einfach den Weg über ein künstliches generisches Neutrum oder generisches Femininum hin zu einer wirklich nichtdiskriminierten Sprache für einen kräftezehrenden unnützen Umweg.

  37. #37 Dr. Webbaer
    12. Mai 2012

    @Martin Bäker
    Ihre Herabsetzungen ändern ja nichts daran, dass der oben Zitierte beim Verstehen der im Deutschen üblichen Anredeform daneben lag und Sie bei Ihren Bemühungen Komplexität (im Kontext generische Maskulina, Feminina & Neutra) in die deutsche Sprache hinzubauen zu wollen.

    Derartiges Bemühen lohnt sich nicht, egal wie gut Sie oder andere es auch meinen.

    BTW: Verglichen mit dem Vorgänger, dem Fußgänger, war das sehr ordentlich!

    Da wurde idT hinzugebaut, btw: Wie sehen Sie die Sprache als soziales Konstrukt?, kann man diesbezüglich vielleicht doch irgendwann irgendwie zusammenkommen? – Also nicht unbedingt mit dieser Person, sondern in der Sache?

    MFG
    Wb

  38. #38 Dr. Webbaer
    12. Mai 2012

    @Radiccio

    Tendenziell’ war schon semantisch OK, ‘tendenziös’ ist die Französisierung, die dasselbe besagt, aber – allgemein akzeptierten Sichten folgend – herabsetzt oder herabsetzen soll. (Dr. Webbaer)

    wb, tendenziell beschreibt wertfrei eine richtung, z.b. die zu besserem wetter. tendenziös beschreibt hingegen eine absicht. wenn eine aussage nicht objektiv ist, ist die tendenziös.

    Das einzige, was Sie hier belegen ist, dass Sie bereit sind sich – weggehend von der Semantik – einer Akzeptanzschicht zu unterwerfen. Die zudem nur in einem bestimmten politischen Spektrum existiert. – Herr Martin Bäker leidet dementsprechend, wenn auch an einem anderen Objekt der Grammatik. Cool ist das wirklich nicht.

    MFG
    Dr. Webbaer

  39. #39 MartinB
    12. Mai 2012

    @radicchio
    Erstmal Entschuldigung, “deine Logik” war nicht herablassend gemeint, sondern nur eine Umschreibung für “Dein Gedankengang, den ich gerade nicht nachvollziehen kann”.

    “die engländer gehen von ihren erfahrungswerten (stereotypen) aus, und die besagen, dass es etwa gleich viele frauen und männer in der nachbarschaft gibt.”
    Und warum tun die deutschen das dann nicht?

    “es gibt keinen grund, warum nur frauen mäntel bzw. keine mäntel getragen haben sollten. ”
    Das gilt aber doch genauso für Männer. Warum gibt es also mehr akzeptanz für “einige der Männer trugen keine Mäntel” als für “einige der Frauen trugen keine Mäntel”? Und warum klappt es dann bei den neutralen Stereotypen im Englischen – warum ist bei einem Begriff wie “Nachbar” der Satz mit den Mänteln im Englischen eine plausible Fortsetziung, im Deutschen aber nicht so sehr?

    Vielleicht kannst du einfach mal das Ergebnis des Experiments nach deiner Sicht interpretieren, denn so richtig verstehe ich “deine Logik” (wirklich nicht abwertend gemeint) nicht.

    “in diesen kontext sind die maskulina generisch”
    Jetzt setzt du doch voraus, was wir gerade diskutieren. Das Experiment dreht sich doch genau um einen Fall, wo der Kontext eigentlich generisch sein sollte (und dass der Kontext das prinzipiell ist, sieht man ja an den neutralen Stereoytpen im Englischen).

    Im Übrigen, damit mich hier niemand missversteht: Das Experiment zeigt ja durchaus, dass ein generisches Maskulinum zumindest teilweise korrekt verstanden wird (sonst müssten im Deutschen die weiblichen Fortsetzungen ja immer Null Prozent bekommen). Es zeigt aber eben auch, dass es tendenziell stärker an Männer als an Frauen denken lässt.

    “das maskulinum beeinflusst das denken in abhängigkeit zu den erwarteten stereotypen.”
    Äh, nein. Das ist doch explizit nur im Englischen so, im Deutschen eben nicht, siehe die Prozentzahlen oben im Artikel.

    “weil es das bestreben eines wissenschaftlers sein sollte, seine these zu falsifizieren. ”
    Wäre die These “Das generische Maskulinum beeinflusst das Denken” nicht deutlich falsifiziert, wenn im Deutschen dasselbe Ergebnis wie im Englischen herausgekommen wäre, nämlich, dass nur das Stereotyp entscheidet und dass im Fall eines neutralen Stereotyps beide Fortsetzungen genau gleichwahrscheinlich sind? Würdest du eine Studie, die das herausgefunden hätte, hier nicht als Beleg anführen, dass das generische Maskulinum kein Problem ist?

    “in frankreich sind frauen öfter berufstätig, kinderbetreuung ist selbstverständlich, einen “muttermythos” gibts nicht. die sprache hat darauf keinen einfluss. ”
    Richtig. Meines Wissens hat auch niemand behauptet, dass in Ländern mit generischem Makulinum Frauen seltener berufstätig sind, oder?

    @koi
    “Ich denke es ist eher nicht normal, dass sich eine Frau aus einer Männergruppe sprachlich nicht hervorhebt. ”
    Aber so ist es ja im deutschen??? Mir ist nicht so ganz klar, was du sagen willst.

    “Und ich beschließe jetzt eben, die Grammatik beim Wort zu nehmen und Physiker generisch zu verwenden.”
    Das ist sicher ein gangbarer Weg, den fände ich mittelfristig auch am besten. Dann müsste man aber auch von “Bundeskanzler Merkel” sprechen und im Umkehrschluss müssten auch Männer als Beruf “Hebamme” oder “Krankenschwester” angeben können und sollen und Frauen wären eben auch “Feuerwehrmänner”. Damit man dahin kommt, muss man aber meiner Ansicht nach erst einmal das problem hinreichend deutlich machen, und das tut man nicht, wenn man einfach den Status quo verwendet.

  40. #40 Radicchio
    12. Mai 2012

    Cool ist das wirklich nicht.

    wb, keine ahnung zu haben, das ist nicht cool.

    https://www.duden.de/suchen/dudenonline/tendenziell

    https://www.duden.de/rechtschreibung/tendenzioes

  41. #41 Radicchio
    12. Mai 2012

    Erstmal Entschuldigung, “deine Logik” war nicht herablassend gemeint, sondern nur eine Umschreibung für “Dein Gedankengang, den ich gerade nicht nachvollziehen kann”.

    ok. danke für die klarstellung.

    “die engländer gehen von ihren erfahrungswerten (stereotypen) aus, und die besagen, dass es etwa gleich viele frauen und männer in der nachbarschaft gibt.”
    Und warum tun die deutschen das dann nicht?

    das tun sie auch, nur weniger, da sie hinweise auf das geschlecht in der sprache vorfinden. je öfter man z.b. bürger und bürgerinnen sagt, umso mehr wird auffallen, wenn die bürgerinnen weggelassen werden.

    “es gibt keinen grund, warum nur frauen mäntel bzw. keine mäntel getragen haben sollten. ”
    Das gilt aber doch genauso für Männer. Warum gibt es also mehr akzeptanz für “einige der Männer trugen keine Mäntel” als für “einige der Frauen trugen keine Mäntel”?

    weil die fomulierung “die sozialarbeiter” im betreffenden kontext nicht 100%ig generisch verstanden wird, sondern für manche einen hinweis auf das geschlecht liefert. das ist auch kein wunder, denn mittlerweile ist man doppelnennungen gewöhnt und so eindeutig “weiblich” ist der beruf nun auch nicht.

    Das Experiment dreht sich doch genau um einen Fall, wo der Kontext eigentlich generisch sein sollte (und dass der Kontext das prinzipiell ist, sieht man ja an den neutralen Stereoytpen im Englischen).

    m.e. ist der kontext nicht generisch. sobald es sich um konkrete personen handelt, schwindet im deutschen der generische charakter (siehe nachbarbeispiel oben). im englischen ist er in jedem fall vorhanden, das es bis auf wenige ausnahmen keine weiblichen bezeichnungen gibt.

    “das maskulinum beeinflusst das denken in abhängigkeit zu den erwarteten stereotypen.”
    Äh, nein. Das ist doch explizit nur im Englischen so, im Deutschen eben nicht, siehe die Prozentzahlen oben im Artikel.

    äh, doch, nur weniger. ich hab es nun schon 2x am beispiel der berg- und feuerwehrleute ausgeführt.

    Wäre die These “Das generische Maskulinum beeinflusst das Denken” nicht deutlich falsifiziert, wenn im Deutschen dasselbe Ergebnis wie im Englischen herausgekommen wäre, nämlich, dass nur das Stereotyp entscheidet und dass im Fall eines neutralen Stereotyps beide Fortsetzungen genau gleichwahrscheinlich sind?

    die these ist unvollständig. ja, das generische maskulinum KANN je nach kontext da denken beeinflussen. und dieser kontext hängt von sehr vielen faktoren ab. sind konkrete personen gemeint? steht es im plural? in welchem sinnzusammenhang steht die aussage? welche erwartungen weckt der kontext? usw.
    die menschen in der DDR hatten z.b. keine probleme das generische maskulinum generisch zu versehen, da frauen in der gesellschaft (fast) überall vertreten waren. man wusste, dass “arbeiter und bauern”, lehrer, ärzte usw. frauen und männer sind, weil man auf schritt und tritt diese erfahrung machte. frauen mussten nicht durch sprache “sichtbar” gemacht werden, sie waren sichtbar.

    Meines Wissens hat auch niemand behauptet, dass in Ländern mit generischem Makulinum Frauen seltener berufstätig sind, oder?

    es wird aber durchaus behauptet, dass “gerechte” sprachformen das denken und die gesamte gesellschaft in richtung geschlechtergerechgikeit beeinflussen. demnach sollte es umso mehr physikerinnen geben, je mehr von physikerinnen die rede ist (verkürzt gesagt). folglich müsste es in ländern mit geschlechtergerechterer sprache geschlechtergerechter zugehen und in ländern mit vergleichbar ungerechten sprachen auch vergleichbare geschlechterverhältnisse geben. das ist aber offensichtlich nicht der fall. damit steht die frage, ob “gerechte sprache” überhaupt auswirkungen auf die geschlechtergerechtigkeit in der gesellschaft hat, denn irgendwie müssten die ja zumindest tendenziell (sic!) feststellbar sein.

  42. #42 Niels
    12. Mai 2012

    @Radicchio

    folglich müsste es in ländern mit geschlechtergerechterer sprache geschlechtergerechter zugehen und in ländern mit vergleichbar ungerechten sprachen auch vergleichbare geschlechterverhältnisse geben. das ist aber offensichtlich nicht der fall.

    Das ist jetzt nicht böse gemeint, aber kannst du das belegen? Am besten mit Studien?
    Mir drängt sich da nämlich kein Eindruck auf, schon gar kein offensichtlicher.

    Ländervergleiche sind doch unglaublich schwierig, siehe z.B. die amerikanischen Endlosdiskussionen über den Schusswaffenbesitz und dessen Einfluss auf Gesellschaft, Kriminalität, …
    Da verwenden problemlos beide Seiten Ländervergleiche, um ihre Position zu stützen.

  43. #43 Radicchio
    12. Mai 2012

    Das ist jetzt nicht böse gemeint, aber kannst du das belegen?

    weder kann, will noch muss ich das belegen. mein satz steht nicht umsonst im konjunktiv. die verfechter “gerechter” sprache müssen ihre hypothesen belegen.

  44. #44 MartinB
    13. Mai 2012

    @radicchio
    “e öfter man z.b. bürger und bürgerinnen sagt, umso mehr wird auffallen, wenn die bürgerinnen weggelassen werden. ”
    Du meinst also, dass wir, wenn wir das Experiment vor 50 Jahren durchgeführt hätten, in Deutschland dasselbe Ergebnis bekommen hätten wie jetzt in England, weil damals jeder das generische Maskulinum richtig verstanden hat? Das kann ich mangels zeitmaschine nicht widerlegen (gibt es irgendwo ein passendes Land,wo man noch keine geschlechtergerechte Sprache probiert hat?), halte es aber für seeehr unwahrscheinlich. Wenn es nämlich so wäre, dass jeder das immer richtig verstanden hat, warum haben sich dann Frauen durch diese Sprechweise ausgegrenzt gefühlt? Warum wrde es dann überhaupt als Problem gesehen?

    “sondern für manche einen hinweis auf das geschlecht liefert.”
    Eben. Damit sagst du jetzt doch selbst, dass “Die Sozialarbeiter” nicht als generisches Maskulinum verstanden wird, sondern eben auch als Hinweis auf das Geschlecht.

    “sobald es sich um konkrete personen handelt, schwindet im deutschen der generische charakter”
    Ja, aber das ist doch der typische Anwendungsfall eines generischen Maskulinums. Es geht ja nicht nur um Gesetzestexte und um Worte wie “Lehrerzimmer”, sondern eben um ganz alltägliche Anwendungen.

    “ich hab es nun schon 2x am beispiel der berg- und feuerwehrleute ausgeführt. ”
    Dazu zwei Dinge:
    1. Du hast keine experimentellen Daten dazu.
    2. Ja, wenn ich den Begriff “Feuerwehrleute” verwende, dann sollte, wie im Englischen, das Stereotyp zuschlagen. Bei neutralen Begriffen wie “Nachbar” aber ja eben nicht.
    Ich stimme dir aber zu, dass man den test im Deutschen unbedingt mit solchen Begriffen (Feuerwehrleute, Kinder, Personen) wiederholen sollte um zu sehen, ob dann dasselbe wie im Englischen rauskommt.

    “die these ist unvollständig. ja, das generische maskulinum KANN je nach kontext da denken beeinflussen.”
    Ja, natürlich kann man mit diesem Experiment nicht *jede* Beiinflussung widerlegen, das kann man mit keinem. Man hätte aber für diesen konkreten Fall etwas widerlegen können, wenn denn das Ergebnis im Deutschen wie im Englischen gleich ausgefallen wäre. Mal ehrlich: Wäre es so gekommen, hättest du diese Studie hier nicht als Beleg angeführt, dass das generische Maskulinim das Denken nicht beeinflusst?

    “es wird aber durchaus behauptet, dass “gerechte” sprachformen das denken und die gesamte gesellschaft in richtung geschlechtergerechgikeit beeinflussen. ”
    Das ist ja nicht dasselbe.

    “folglich müsste es in ländern mit geschlechtergerechterer sprache geschlechtergerechter zugehen ”
    Ja, lass uns eine wirklich geschlechtergerechte Sprache einführen (auch ohne solche Worte wie “man” etc, und in der Worte wie “Physikerin” gar nicht mehr verwendet werden – so eine neutrale Sprache ist auch das englische nicht) und dann lass uns noch mal 30-50 Jahre warten, und dann sehen wir mal weiter…
    Leider gibt es da so viele Faktoren, dass es sicherlich unmöglich ist, das am Ende auf einen zurückzuführen. Aber ich könnte jetzt z.B. anführen, dass die Zahl der Physik-Studentinnen seit den 70ern sehr stark gestiegen ist (auch prozentual). Bei uns an einem maschinenbau-Institut sind fast die Hälfte der Doktoranden weiblich, das wäre vor 40 Jahren undenkbar gewesen. Da das sicher multikausal ist, wäre es unsinnig, zu behaupten, das läge allein oder vor allem an geschlechtergerechter Sprache, aber vielleicht hat die beigetragen. Wie Niels schon fragte, wie soll man das belegen?

  45. #45 roel
    13. Mai 2012

    Abo

  46. #46 Radicchio
    13. Mai 2012

    Du meinst also, dass wir, wenn wir das Experiment vor 50 Jahren durchgeführt hätten, in Deutschland dasselbe Ergebnis bekommen hätten wie jetzt in England, weil damals jeder das generische Maskulinum richtig verstanden hat?

    MartinB, ich habe es ja nun auch schon mehrmals erwähnt, dass sprache nicht so ablolut funktioniert, wie du es immer wieder darstellst. und nein, ich kann nicht hellsehen, auch nicht in die vergangenheit. ich WEISS aber, dass vor 30 jahren in der DDR alle menschen sich angesprochen fühlten, wenn von bürgern die rede war. auch die bürgerinnen. da die aber heute extra benannt werden, fällt es auf, wenn die bürgerinnen nicht genannt werden. ich denke, ich habe das nun verständlich erklärt.

    Wenn es nämlich so wäre, dass jeder das immer richtig verstanden hat, warum haben sich dann Frauen durch diese Sprechweise ausgegrenzt gefühlt? Warum wrde es dann überhaupt als Problem gesehen?

    das kann ich dir leider auch nicht sagen. ich weiß nur, dass – und ich wiederhole mich erneut – das maskulinum in entpr. kontexten in der DDR problemlos verstanden wurde und die frauen dort nie auf die idee gekommen wären, eine eigene bezeichnung zu fordern oder sich ausgegrenzt zu fühlen. frauen waren de facto nicht ausgegrenzt und hatten keinen grund für derartige empfindeungen oder forderungen. wenn z.b. ein kind gefragt wurde, was arbeiten deine eltern, dann antwortete es, meine eltern sind lehrer. niemand glaubte, das kind habe 2 männer als eltern. oder wenn gefragt wurde, sind deine lehrer nett, dann konnte es problemlos antworten, ja, außer frau schmidt, die ist nicht nett. fragte man ein mädchen, was willst du werden, dann konnte das mädchen sagen, ich werde lehrer oder ich werde lehrerin. das war egal, weil lehrer frauen und männer (geschätzt im verhältnis 60/40) waren und das maskulimun bei den allermeisten berufsbetzeichnungen generisch verwendung fand. diese sprachtradition findet sich z.t. noch heute auf dem gebiet der neuen bundesländer. man könnte das für die vergangenheit anhand von schriftlichen belegen auch untersuchen.

    “sondern für manche einen hinweis auf das geschlecht liefert.”
    Eben. Damit sagst du jetzt doch selbst, dass “Die Sozialarbeiter” nicht als generisches Maskulinum verstanden wird, sondern eben auch als Hinweis auf das Geschlecht.

    wäre ja auch ziemlich dämlich, wenn ich das abstreiten wollte. aber es liefert halt nur vage indizien, es ist nicht absolut zu verstehen. sonst würde niemand es generisch verstehen.

    Ja, aber das ist doch der typische Anwendungsfall eines generischen Maskulinums.

    die sätze der studie halte ich nicht für typisch, sondern für konstruiert. in norwegen werden trotz neutraler formen häufiger männer gedacht. da scheint es also auch einen traditionellen aspekt zu geben wie auch in den neuen bundesländern.
    also worin besteht das problem, dass dringend abgeschafft gehört? in der bedauerlichen tatsache, dass “mann” die norm ist? oder darin, dass wir nicht gerecht sprechen? was ist ursache und was symptom?

    ein älterer podcast aus den anfängen der “gerechten sprache” erklärt es 1989 sehr poiniert. heute sind solche worte undenkbar (zur sprache ab min. 13):
    https://archive.org/details/GegenStandpunktDieFrauenfrage

    Wäre es so gekommen, hättest du diese Studie hier nicht als Beleg angeführt, dass das generische Maskulinim das Denken nicht beeinflusst?

    falsche frage. die frage müsste lauten: kann eine wie auch immer geartete sprache rollenstereotype aufweichen? gerechtigkeit herbeischaffen? frauen emanzipieren?
    die antwort ist nein.

    Ja, lass uns eine wirklich geschlechtergerechte Sprache einführen (auch ohne solche Worte wie “man” etc, und in der Worte wie “Physikerin” gar nicht mehr verwendet werden – so eine neutrale Sprache ist auch das englische nicht) und dann lass uns noch mal 30-50 Jahre warten, und dann sehen wir mal weiter…

    nee, wir praktizieren das schon 40 jahre und sind nicht weitergekommen. das frauen- und männerbild muss anderes verändert und gerechtigkeit anderes hergestellt werden.

    Aber ich könnte jetzt z.B. anführen, dass die Zahl der Physik-Studentinnen seit den 70ern sehr stark gestiegen ist (auch prozentual). Bei uns an einem maschinenbau-Institut sind fast die Hälfte der Doktoranden weiblich, das wäre vor 40 Jahren undenkbar gewesen.

    https://www.studienwahl.de/de/orientieren/frau-im-studium.htm#Anker_ID_ed2bed077a7649f5a6482b3df802e7fc

    “Studienanfängerinnen entscheiden sich häufiger für ein Fach aus den Sprach- und Kulturwissenschaften, den Sozialwissenschaften, für einen Studiengang im Bereich Gesundheit und soziale Dienste oder für ein Lehramtsstudium. In ingenieurwissenschaftlichen sowie in einigen naturwissenschaftlichen Fächern dagegen sind weibliche Studierende weiterhin deutlich unterrepräsentiert. Ihr Anteil in den klassischen Ingenieurfächern ist allerdings leicht gestiegen, und die Entwicklung des Arbeitsmarktes für Ingenieurinnen zeigt, dass Frauen in technischen Berufen gute Chancen und Berufsperspektiven haben.
    Doch auch männliche Studienanfänger orientieren sich bei ihrer Fächerwahl an klassischen Mustern: Sie belegen überwiegend Fächer mit einem traditionell hohen Männeranteil, nahezu entgegengesetzt der Studienwahl von weiblichen Studierenden. Männer stellen in den “MINT-Fächern” (= Mathematik, Ingenieurwesen, Naturwissenschaften und Technik) die deutliche Mehrheit und sind gleichzeitig z.B. in den Gesundheitswissenschaften oder den Sprach- und Kulturwissenschaften deutlich unterrepräsentiert.”

    für ausbildungsberufe gilt das gleichermaßen.

  47. #47 Dr. Webbaer
    13. Mai 2012

    ich WEISS aber, dass vor 30 jahren in der DDR alle menschen sich angesprochen fühlten, wenn von bürgern die rede war. auch die bürgerinnen.

    Das kann für die BRD vor 40 Jahren ebenso festgestellt werden. Zeitgleich fing aber der Feminismus an die Gesellschaft und die Sprache anzugreifen, u.a. in der Konsequenz, dass heute die generischen Maskulina, Feminina und Neutra nicht mehr allgemein bekannt sind, was dann logischerweise zu Missverständnissen führt – die im Artikel und in der Kommentatorik denn auch breit, se-ehr breit, es ist ja mittlerweile eine aus mindestens drei hiesigen Artikeln bestehende Artikelserie verfügbar, durchgeknetet worden sind.

    Ob die Sprache in der Lage ist die Gesellschaft zu verändern? – A: Nein, zumindest nicht Offene Gesellschaft. – Das ideologisch-sprachliche Durchkneten im Sozialismus war aber auch nur mäßig erfolgreich. Als langsam klar wurde, dass der Sozialismus i.p. Technologie (Autos, aber auch das Internetzeitalter begann und stand allgemein auf dem Sprung), Finanzen & Wohlstand versagt hat, haben die Leute halt gerufen “Nein danke!” oder “Wir sind das Volk!”.

    MFG
    Dr. Webbaer

    PS ein Spruch aus der IT: ‘Der Code killt die Dokumentation.’

  48. #48 MartinB
    13. Mai 2012

    @radicchio
    Nur ganz kurz
    “wir praktizieren das schon 40 jahre und sind nicht weitergekommen”
    Tun wir eben nicht. Das generische Maskulinum wird immer noch oft verwendet, wir sagen “man”, wir verwenden spezielle Bezeichnungen für eine Gruppe, die nur aus Frauen besteht, nein, wir sind noch laaaange nicht da angekommen, dass unsere Sprache geschlechtergerecht wäre.

  49. #49 MartinB
    13. Mai 2012

    @radicchio
    Zu deinem gleichberechtigten Bild der DDR
    “frauen waren de facto nicht ausgegrenzt und hatten keinen grund für derartige empfindeungen oder forderungen.”
    siehe z.B. hier
    https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=20&ved=0CHkQFjAJOAo&url=http%3A%2F%2Fwww.autonome-frauenhaeuser-zif.de%2Fpdf%2Fautonome%2Faf_02_schenk.pdf&ei=RrWvT5XKEMzusgbrluDMBg&usg=AFQjCNG_b4UR93R3Ul8KMem0_AqbhgQ5OA&sig2=-AMiolQlz1RehY80nzSkNw

    Ganz so gleichberechtigt waren Frauen in der DDR wohl nicht, was auch schon ein Blick ins Politbüro der damaligen Zeit zeigt. Laut sagen durfte man sowas halt nicht…

  50. #50 Niels
    13. Mai 2012

    @Radicchio

    mein satz steht nicht umsonst im konjunktiv. die verfechter “gerechter”
    sprache müssen ihre hypothesen belegen

    Hm? Du behauptest, dass geschlechtergerechte Sprache “offensichtlich” keinen Einfluss haben kann.
    Warum meinst du, dass du diese Hypothese nicht belegen müsstest, die andere Seite die Gegenposition aber schon?

    Soweit ich das überblicken kann, kristallisiert sich in der Forschung mittlerweile heraus, dass Sprache höchstwahrscheinlich durchaus in gewissen Umfang unser Denken und Handeln beeinflusst.
    https://en.wikipedia.org/wiki/Linguistic_relativity
    Diesen Artikel finde ich auch ganz interessant:
    https://www.spektrum.de/alias/linguistik/wie-die-sprache-das-denken-formt/1145804

    Ich sehe wirklich nicht, wie man momentan absolut sicher wissen könnte, ob geschlechtergerechte Sprache Auswirkungen hat oder nicht.
    Es fehlen zum einen einfach die empirische Daten, zum andern die klar interpretierbaren Vergleichsmöglichkeiten.

    Die ehrlichste Antwort ist wahrscheinlich, dass man es einfach noch nicht weiß.
    Trotzdem kann man aber natürlich eine Kosten-Nutzen-Abschätzung darüber treffen, ob man dringend alles beim Alten lassen muss oder ob man es vielleicht einfach mal mit einer Sprachveränderung versucht.
    Wobei wir ganz bestimmt nicht schon seit 40 Jahren so einen Versuch durchführen.
    Zum Überprüfen einfach mal den Fernseher einschalten.

    ich WEISS aber, dass vor 30 jahren in der DDR alle menschen sich angesprochen fühlten, wenn von bürgern die rede war.

    kann eine wie auch immer geartete sprache rollenstereotype aufweichen? gerechtigkeit herbeischaffen? frauen emanzipieren?
    die antwort ist nein.

    Wirst du jetzt wieder pampig, wenn ich nach Belegen für diese beiden Behauptungen frage?
    😉

  51. #51 Dr. Webbaer
    13. Mai 2012

    @Niels

    Du behauptest, dass geschlechtergerechte Sprache “offensichtlich” keinen Einfluss haben kann. – Warum meinst du, dass du diese Hypothese nicht belegen müsstest, die andere Seite die Gegenposition aber schon?

    Wer verändern will oder schon verändert hat, muss argumentativ nahelegen, dass die angestrebte Verbesserung eintreten wird und wünschenswert ist oder den Erfolg einer (bereits teilweise umgesetzten) Maßnahme belegen.

    So ist das nun mal, so funktioniert die Folgerichtigkeit, man kann sich nicht hinstellen und eine Veränderung vorschlagen und den auf Bekanntem Beharrenden auffordern zu belegen, dass die angestrebte Veränderung nicht zielführend sein wird.

    Ansonsten: Natürlich funktionieren rein sprachlichen Regelungen oberflächlich betrachtet irgendwie, beispielsweise indem Nicht-Folgende vom Diskurs ausgeschlossen werden oder offen diskriminiert und herabgesetzt werden – wie in diesem Kommentarstrang bereits geschehen -, nur am gesellschaftlichen Sachverhalt selbst kann so nichts geändert werden.

    Beachten Sie vielleicht auch das Erfahrungswissen anderer – wer die Entwicklungen im Osten oder im Westen der Sechsziger und Siebziger miterlebt hat, hat halt gewisse Erfahrungen und auch Einsichten gewonnen, die dem Jungspund so nicht gegeben sind.

    MFG
    Dr. Webbaer

  52. #52 MartinB
    13. Mai 2012

    @radicchio
    “kann eine wie auch immer geartete sprache rollenstereotype aufweichen? ”
    ist übrigens die falsche Frage. Die richtige Frage ist
    “kann eine wie auch immer geartete sprache rollenstereotype verstärken?”
    Solche Sprachen wären dann nämlich zu vermeiden. Ich denke, ich würde ohne Mühe einige Ossis, Nigger oder Schwuchteln finden, die durchaus der Ansicht sind, dass Sprache Rollenstereotype zementieren kann.

  53. #53 Radicchio
    13. Mai 2012

    “kann eine wie auch immer geartete sprache rollenstereotype aufweichen? ”
    ist übrigens die falsche Frage. Die richtige Frage ist
    “kann eine wie auch immer geartete sprache rollenstereotype verstärken?”

    deine frage ist nur die gegenprobe zu meiner. also sind entweder beide falsch oder beide richtig. da hättest du übrigens auch selbst drauf kommen können

    begriffe wie “Ossis, Nigger oder Schwuchteln” zementieren übrigens keine stereotype, sondern stellen schlicht & einfach beleidigungen dar. außerdem sind sie nicht “sprache” sondern gesprochenes. mit gesprochenem kann man alles mögliche bewirken, beleidigen, indoktrinieren usw. das geht auch völlig ohne schimpfworte.

    sprache ist das übergeordnete system, dessen man sich beim sprechen und schreiben bedient. sprache ist aber nicht der inhalt. sie ist das werkzeug.

  54. #54 Radicchio
    13. Mai 2012

    Wirst du jetzt wieder pampig, wenn ich nach Belegen für diese beiden Behauptungen frage?

    zunächst mal, Niels, werde ich nicht “pampig”. und diese behauptungen kann ich aufstellen, weil ich es aus persönlichem erleben weiß.

    Du behauptest, dass geschlechtergerechte Sprache “offensichtlich” keinen Einfluss haben kann.

    das “behaupte” ich nicht, sondern ich konstatiere, dass die apologeten gerechter sprache für ihre these keine belege erbringen können. belegen muss, wer eine these aufstellt. nicht umgekehrt.

  55. #55 MartinB
    13. Mai 2012

    “sprache ist aber nicht der inhalt. sie ist das werkzeug.”
    [citation needed] wie man auf englischen Blogs gern sagt. Es ist schön, dass du das so apodiktisch behaupten kannst, wahr wird es dadurch nicht.

  56. #56 MartinB
    13. Mai 2012

    PS:
    Kannst du mir mal den Unterschied zwischen “Sprache” und “Gesprochenem” erklären? Ist nicht jeder konkrete Satz immer “gesprochenes”? Verstehe nicht, was du damit sagen willst.

    Und natürlich kann Sprache auch Stereotype zementieren. Mein Vater rutschte sprachlich gelegentlich in die Zeit seiner Jugend und sprach z.B. von “jüdischer Hast” – auch ein Stereotyp.

  57. #57 Dr. Webbaer
    13. Mai 2012

    “sprache ist aber nicht der inhalt. sie ist das werkzeug.”

    [citation needed] wie man auf englischen Blogs gern sagt. Es ist schön, dass du das so apodiktisch behaupten kannst, wahr wird es dadurch nicht.

    Sie können ja mal versuchen aus einem Dokument in einer Ihnen völlig unbekannten Sprache Inhalt zu extrahieren. Insofern sollte auch die Unterscheidung zwischen Sprache (einer Regelmenge, die die Kodierung bestimmter Inhalte erlaubt – für die spätere Abstraktion der Information, also der Nachricht) und Gesprochenem (dem in einer bestimmten Sprache hinterlegten Dokument) keine Probleme mehr bereiten.

    Wenn Sie ausdrücklich wünschen, sucht der Schreiber dieser Zeilen ein paar würzige Zitate anderer heraus, aber bisher scheint noch das Allgemeinwissen betroffen.

    MFG
    Dr. Webbaer

  58. #58 Radicchio
    13. Mai 2012

    Verstehe nicht, was du damit sagen willst.

    das ist nichts neues.

    Und natürlich kann Sprache auch Stereotype zementieren. Mein Vater rutschte sprachlich gelegentlich in die Zeit seiner Jugend und sprach z.B. von “jüdischer Hast” – auch ein Stereotyp.

    mit seiner aussage hat er ein stereotyp ausgesprochen (ob er es zementiert hat, steht nochmal auf einem anderen blatt). das hätte er aber genauso auf englisch, türkisch, russisch, suaheli, arabisch oder jeder beliebigen anderen sprache tun können. eine aussage ist keine sprache. unsere sprache ist deutsch. sie besteht aus einem lexikalischen wortschatz und ihrer grammatikalischen struktur. das ist die sprache. was man damit sagt, ist etwas anderes. man kann nämlich nahezu alles sagen und zwar in fast allen sprachen. obwohl sie alle ganz unterschiedliche worte und grammatiken benutzen. du bist selbst das beste beispiel für den unterschied zwischen sprache und inhalt. ich drücke mich für einige völlig verständlich in deutscher sprache aus, aber du verstehst es nicht. das liegt aber definitiv nicht an der sprache, die beherrschst du ja.

    und danke, webbär. das ich das nochmal schreibe … *ggg*

  59. #59 ulfi
    14. Mai 2012

    @MartinB
    >”wir praktizieren das schon 40 jahre und sind nicht weitergekommen”
    >Tun wir eben nicht. Das generische Maskulinum wird immer noch oft verwendet, wir >sagen “man”, wir verwenden spezielle Bezeichnungen für eine Gruppe, die nur aus >Frauen besteht, nein, wir sind noch laaaange nicht da angekommen, dass unsere >Sprache geschlechtergerecht wäre.
    Das ist von der Argumentation her ziemlich dünnes Eis. Natürlich wird das Konzept bislang nicht vollständig umgesetzt, aber welches wird das schon? Sich auf den Standpunkt zurückzuziehen, dass irgendwas nicht vollständig umgesetzt wurde und es dann nicht funktionieren kann fürt nur dazu, dass dieTheorie nicht mehr falsifizierbar ist. Immer kann irgendjemand behaupten, dass etwas nicht perfekt ist. Das ist eine Argumentationsstruktur, die man sonst nur bei Esos findet.

    Wenn die komplexe Umformung der Sprache wirklich Ergebnisse hat, dann muss dies auch messbar sein solange sie nicht vollständig durchgeführt wurde. Man kann sich zum Beispiel den Mikrokosmos Universität anschauen, in dem viele Aspekte bereits ausprobiert wurden. Hier muss es messbare Resultate geben, als Baseline kann man dabei “Menschen auf der Straße” verwenden. Wenn es keinen Effekt gibt, ist zu bezweifeln, ob es den jemals geben wird.
    Nun werfe ich den Ball wieder zurück ins Feld: was kann man wie messen und inwiefern kann es die hier genannten Thesen stützen/widerlegen? Solange diese unkte nicht geklärt sind, muss man die gesamte Kritik am generischen Maskulin als unwissenschaftlich verwerfen.

  60. #60 MJ
    14. Mai 2012

    Vielleicht ein wenig ab vom Schuss, ich bin mir nicht ganz sicher, was hier mit ‘die Sprache ist nicht der Inhalt, sondern das Mittel’ und verschwurbelteren Versionen dieser Aussage gemeint ist. Aber wenn es darauf hinauslaufen soll, dass die Sprache ein rein abstrakter Regelapparat ist, mit dem man von der Sprache unabhängige Ideen ausdrückt (also die Sprache beeinflusst weder unsere Ideen, noch beeinflusst die Kultur unsere Sprache – und zwar nicht in Kaffee-Kranz-romantischen Vorstellungen, sondern etwa Syntax, Lexikon, etc), dann ist das extrem einfach ausgedrückt, gelinde gesagt. Zu dem Thema gibt es Literatur, und nicht erst seit gestern – und es wird schon seit geraumer Zeit versucht, diese recht allgemeine Ideen in prüfbare Thesen überzuführen. Damit will ich denn eben genau nicht auf irgendwelche Ideen wie die ursprüngliche “Sapir-Whorf-Hypothese” anspielen (der Sprachrelativismus Whorfs hat selbst mit deren ursprünglichen Fassung nichts zu tun, ist selbst extrem schwammig formuliert, und nimmt bisweilen kitschige Züge an, etwa in “Language, Mind, and Reality”; ich habe es bis heute nicht geschafft Sapirs “Language” zu lesen, aber es ist über project gutenberg frei zugänglich, wen das interessiert). Allerdings gibt es neo-whorfsche Ansätze (die dann zu allem Überfluss auch noch gelegentlich als “Sapir-Whorf-Hypothese” kommuniziert werden), die gut dokumentiert sind.

    Ein zentrales Thema nimmt dabei etwa die Untersuchung von Farbwahrnehmung und (in Abhängigkeit davon) Farbbezeichnungen (“basic color terms”, wie heißt das auf Deutsch? – – jedenfalls immer in diesem Sinne!) ein. Die Frage, ist dabei, salopp gesagt, ob Farben von Sprechern verschiedener Sprachen, die verschiedene Farbbezeichnungen haben, auch verschieden wahrgenommen werden. Noch billiger: Wie nimmt etwa ein Sprecher einer Sprache, die kein Wort für “blau” kennt, diese Farbe wahr? Zuerst einmal ist festzuhalten, dass es gewisse Universalien gibt, und gewisse Zuordnungen entsprechend weniger oder mehr markiert sind – schwarz-weiß-Unterscheidungen (oder allgemeiner “hell-dunkel”) gibt es fast überall, grün-Terme weniger, blau-Terme noch weniger (man kann dann “wenn-dann”-Bedingungen formulieren: “Wenn eine Sprache einen Begriff für grün hat, dann hat sie auch einen für rot” usw). Paul Kay (früher noch mit Berlin) ist wohl ein gewichtiger Name, der dafür eintritt, diese Universalien/Constraints im Rahmen physikalischer/neurophysiologischer Parameter zu interpretieren. Alles dazu zu verlinken, wäre müßig, aber das Paper “The Linguistic Significance of the Meanings of Basic Color Terms” ist ein recht umfangreiches für diesen Standpunkt (beiweitem nicht das aktuellste, aber er gibt einen guten Überblick, worum es konkret geht – und er beinhaltet vor allem konzeptuelle Korrekturen am bekannteren “Basic Color Terms: Their Universality and Evolution” von Kay und Berlin). Jedenfalls bleibt die Sprache dennoch nicht unbedingt außen vor: es gibt durchaus Untersuchungen, die zeigen, dass die Wahrnehmung von Farbgrenzen in Abhängigkeit von vorhandenen Farbbezeichnungen variieren kann. Das Internet ist voll mit den Papers zum Thema, abgesehen von ein wenig Semantik (Theorie, meine ich) und fuzzy set theory ist nichts weiter nötig, um die Artikel zumindest in Grundzügen nachzuvollziehen.

    Quasi von der anderen Seite kommt das vor ein paar Jahren in den Medien groß ausgebreitete Paper Daniel Everetts über die und das Pirahã. “Die und das”, weil er davon ausgeht, dass es bei der ethnischen Gruppe der Pirahã einen sogenannten “immediacy-of-experience constraint” (oder “principle”) gibt, das es seinen Sprechern nicht erlaubt, sich sprachlich auf etwas zu beziehen, wozu kein direkter Bezug herrscht – also ein kultureller Rahmen die Sprache “regelt”. Das geht auch in die “basic color terms”-Debatte rein (Everett meint, die Pirahã haben keine abstrakte Farbvorstellung, sondern können ausschließlich einem zu bezeichnenden Objekt eine Farbe zuordnen, die jedoch selbst wieder einem konkreten Bild, und keinem abstrahierbaren Farbbegriff entspricht, “There are no color terms in Piraha.˜). Das klingt spektakulär, aber es kommt noch viel dicker: die Pirahã haben keine (quantifizierbaren) Mengenbegriffe (“viel”, “wenig”, “mehr”) oder generell Numerale – und trotz intensiver Versuche war es unmöglich, die Mitgliedern auch nur einfachstes Rechnen oder auch nur Zählen beizubringen (mE das Parade-Beispiel eines sprachlichen Constraints auf das Denken: sie haben keinen Zahlenbegriff und es ist offenbar unmöglich, ihnen “Quantitäten”, auch nur in rudimentärster Abstraktion, nahezubringen). Und dann gibt es noch kompliziertere Aussagen, etwa dass der genannte Constraint auch zur Folge hat, dass es im Pirahã kein “embedding” (Einbettungen) gibt (Everett betrachtet dieses als wichtige und vollkommene Sprach-Universalie, was so allerdings nicht stimmt, und mit der Universal Grammar seiner Ansicht nach steht und fällt) – wie genau der Constraint allerdings embedding verhindert, hat er nicht erklärt. Letztendlich läuft das Ganze auf eine dezidiert sprachrelativistische Position hinaus, und in der Folge auf eine Ablehnung der Idee einer “Universal Grammar”, wie sie von Chomsky geprägt wurde. Alles in allem hat man nicht den Eindruck, dass Everett so genau weiß, was was der Unterschied zwischen Sprachuniversalien und “Universal Grammar” ist, aber bitte, sehen Sie selbst, hier Everetts “Skandal”-Paper:

    https://www.icsi.berkeley.edu/~kay/Everett.CA.Piraha.pdf

    Und hier der mE ziemlich gründliche smackdown (die Antworten Everetts dazu, sind leicht zu finden und hauptsächlich handwaving):

    https://web.mit.edu/linguistics/people/faculty/pesetsky/Nevins_Pesetsky_Rodrigues_Piraha_Exceptionality_a_Reassessment.pdf

    Wie gesagt, wenn Everett auch bisweilen grenzwertige Schlussfolgerungen zieht (und gewisse Animositäten zu Chomskyisten nur mühsam und einen spirituellen Bezug zu den Piraha gar nicht verbirgt), so zeigt die Debatte doch auf, welche Phänomene besprochen werden, wenn es um die Debatte “Sprache und Kultur” geht. Man kann sich vieles vorstellen, und nicht davon wurde und wird geprüft, und es mangelt sicher nicht an Konzepten. Hat es etwa einen Einfluss auf die Wahrnehmung im Unterschied etwa zum Deutschen, wenn eine Sprache nicht nur Singular und Plural besitzt, sondern auch einen Dual, wie etwa Khoekhoe (“!’áas” Stadt, “!’áarà” Städte (aber nur wenn es zwei sind), “!’áatì” Städte (mehr als zwei))? Wirken sich unterschiedliche Konzepte in den Tempi/Modi (etwa deutsches Perfekt gegen die “-me-“-tense im Swahili, weil’s oben schon steht, ein “Tempus”, der etwas ausdrückt, das man “noch nicht” getan hat) auf das Konzept von “Vergangenheit” aus? Ja? Nein? Sich einfach so auf eine reine Werkzeug-Definition von Sprache zu verlegen, scheint mir unmotiviert und vor allem nicht gedeckt: es handelt sich selbst um eine Annahme, und das Argument, warum ausgerechnet diese Annahme “default” sein sollte, will ich erst einmal sehen. Auch ist das keine Frage, die persönliche Eindrücke, die Überzeugung sich objektiv ausdrücken zu können, oder Bonmots von Philosophen beantworten können: wir betreiben ja unter anderem Wissenschaft, um zu Einsichten zu gelangen, die nicht offensichtlich oder auch kontraintuitiv sind.

    Nie würde ich mich in die Brennnesseln setzen, Vermutungen anzustellen, wo hier die Debatte über das “Generische Maskulinum” anzusiedeln ist. Allerdings ist die Aussage “Es gibt die Regel GM” eine positive Aussage, die man zeigen, aber natürlich auch in Zweifel ziehen kann – das entscheidet sich an den Daten, nicht dadurch, dass man das GM als Regel bezeichnet (und selbst, wenn es eine ist, kann es durch andere Effekte überlagert sein). Ist das jetzt neu, dass man sein eigenes Dafürhalten als Default-Modus annimmt, und die anderen sind die, die die Behauptungen aufstellen und belegen müssen? Die Meinung, das eine einfache Dualität zwischen “Sprache” und “Gesprochenem” besteht, ist in dieser Einfachheit wodurch genau gedeckt, außer, dass man das “offensichtlich” so findet? Das ganze ist wahrscheinlich die zum “Allgemeinwissen” gewordene vereinfachte und leicht verballhornte Version der Dualität de Saussures, also dem Unterscheiden zwischen “langue” und “parole”. Seither sind ca. 150 Jahre vergangen, und de Saussure kommt nur mehr in der Einführungsvorlesung vor (wirklich jetzt: Einführungstexte zu Linguistik beinhalten das noch zur Veranschaulichung am Beginn, was “Semiotik” ist). Sich auf derlei Modelle oder irgendwelche verwässerten Versionen dazu zu beziehen, ist wie mit dem Bohrschen Atommodell in eine Diskussion über Quantenelektrodynamik zu gehen. Es mag allgemein bekannt sein (wenn auch nicht explizit) und anschaulich: das heißt weder, dass es stimmt, noch dass es in der Forschung irgendeine Bedeutung hat. Beide Annahmen – dass Kultur einen Abdruck in der Sprache hinterlässt, und dass Sprache gewisse Constraints auf die Wahrnehmung ausübt – sind stetig diskutierte Themen in den Sprachwissenschaften, und weder neu, noch altmodisch, noch irgendwie abartig oder sonderlich spektakulär. Das heißt nicht, dass man nicht Stellung beziehen kann oder nicht ein Standpunkt eindeutig der richtige ist. Aber das sollte man dann begründen oder belegen können, anstatt es dauernd vom anderen einzufordern. Der besprochene Artikel mag mangelhaft oder meinetwegen falsch sein, aber er ist immerhin mehr als die permanente Feststellung “Generisches Maskulinum r00lz!!!11, und war weil!!”.

  61. #61 Radicchio
    14. Mai 2012

    dann ist das extrem einfach ausgedrückt, gelinde gesagt

    ja, “gelinde” gesagt. so gelinde, wie du es darstellst, wurde es aber zumindest von mir nicht gesagt.

    einfach lesen, was dort steht, und auf strohmänner verzichten.

  62. #62 MJ
    14. Mai 2012

    @ Radicchio

    “sie besteht aus einem lexikalischen wortschatz und ihrer grammatikalischen struktur. das ist die sprache. was man damit sagt, ist etwas anderes. man kann nämlich nahezu alles sagen und zwar in fast allen sprachen. obwohl sie alle ganz unterschiedliche worte und grammatiken benutzen.”

    Ich glaube nicht, dass ich hier auf einen Strohmann gezielt habe, außer sie wollen sich selbst über den Strohalm des “nahezu” und “fast” retten. Wenn nicht, viel Spaß bei einer Diskussion griechischer Mythen im Kikongo ya leta oder im ǂHoan, oder sonst einer Sprache, die nicht schon seit ein paar Hundert Jahren europäische Ideen verarbeitet (und ich rede hier nicht vom “Potential” einer Sprache oder sowas).

    Und auch, wenn sie das nicht so gemeint haben, das mit dem Grammatik “benutzen” ist so ein Ding: wenn man das Generische Maskulinum hernimmt, ist eine explizite Regel gemeint (im Französischen wenig überraschend ganz offiziell von der Académie dekretiert), das steht ja auch so bei Gygax. Das steht im krassen Gegensatz zu produktiven Regeln, wie, was weiß ich, wie man regelmäßige Verben flektiert; oder phonologischen Regeln die /R/-Vokalisierung im Deutschen – die sind “built in”, kein Mensch (der Standarddetusch als Muttersprache spricht) muss das explizit anwenden. Wenn man also den Standpunkt etablieren will, dass es sich beim GM um irgendeine echte (also produktive) grammatische Regel handelt, und nicht nur um ein paar Spezialfälle (Mensch, Kind, Tier(e) etc.), die man per definitionem erweitert hat und Leuten in der Schule eintrichtert, dann sollte man dafür auch eine solide Datenlage liefern. Gygax hat übrigens noch mehr zum Thema geschrieben:

    https://www.unifr.ch/psycho/site/units/psycholinguistique/pages-personnelles/pascal-gygax

  63. #63 Niels
    14. Mai 2012

    @Radicchio

    und diese behauptungen kann ich aufstellen, weil ich es aus persönlichem erleben weiß.

    Und gleichzeitig verlinkst du unter deinem Namen auf den Stupidedia-Eintrag über Homöopathie?
    Um mal zu zitieren:
    Die Kritiker behaupten, Homöopathika wären Placebos, da wäre gar kein Wirkstoff drin. Aber das hieße ja, dass die geheilten Patienten sich die Wirkung nur einbilden! Das kann nicht sein. Diese Menschen sind unbescholtene Bürger und keine Psychopathen.

    Wie kommt es, dass persönliches Erleben als Argument beim Thema Homöopathika schon Satire ist, aber bei unserer Diskussion plötzlich zu einem ernstzunehmenden Beleg wird?

    belegen muss, wer eine these aufstellt. nicht umgekehrt.

    Dazu habe ich schon etwas geschrieben und MJ ist darauf noch einmal sehr gründlich eingegangen.
    Dort ist das sehr gut ausgedrückt, der Einfachheit (bzw. meiner Faulheit) zuliebe zitiere einfach mal:

    MJ schrieb:
    Sich einfach so auf eine reine Werkzeug-Definition von Sprache zu verlegen, scheint mir unmotiviert und vor allem nicht gedeckt: es handelt sich selbst um eine Annahme, und das Argument, warum ausgerechnet diese Annahme “default” sein sollte, will ich erst einmal sehen.
    […]
    Ist das jetzt neu, dass man sein eigenes Dafürhalten als Default-Modus annimmt, und die anderen sind die, die die Behauptungen aufstellen und belegen müssen?

    das hätte er aber genauso auf englisch, türkisch, russisch, suaheli, arabisch oder jeder beliebigen anderen sprache tun können.

    Na ja, dazu gibts aber auch schon Untersuchungen, die im oben von mir verlinkten Spektrum-Artikel beschrieben werden.

    Die empirische Untersuchungen, die man bisher durchgeführt hat, sprechen gegen deine Behauptung.

    Lera Boroditsky:
    Teams um Oludamini Ogunnaike an der Harvard University sowie um Shai Danziger an der Ben-Gurion University of the Negev (Israel) studierten arabisch-französische Bilinguale in Marokko, spanisch-englische Zweisprachler in den USA und arabisch-hebräische in Israel. Dabei testeten sie die unausgesprochenen Neigungen der Teilnehmer.
    […]
    Überraschenderweise verschoben sich bei den Zweisprachlern diese unwillkürlichen Vorurteile je nach der Sprache, in der die Tests durchgeführt wurden. Wenn die arabisch-hebräischen bilingualen Teilnehmer auf Hebräisch getestet wurden, zeigten sie gegenüber Juden eine positivere Grundhaltung als bei den gleichen Tests auf Arabisch. Anscheinend spielt die Sprache eine viel größere Rolle für unser geistiges Leben, als die Wissenschaftler früher annahmen

    man kann nämlich nahezu alles sagen und zwar in fast allen sprachen. obwohl sie alle ganz unterschiedliche worte und grammatiken benutzen

    Auch das sieht die Wissenschaft anders.
    Wobei, wie MJ schon angemerkt hat, durch die Einschränkungen “nahezu alles” und “in fast allen” gar keine Aussage mehr übrig bleibt, auf die man eingehen könnte.

    Es ist jedenfalls sicher, dass man nicht alles in allen Sprachen gleich gut sagen oder verstehen kann.
    Siehe etwa die im Spektrum-Artikel erwähnten Beispiele wie die Unterschiede bei der Rekonstruktion von Ereignissen und bei bei Raum- und Zeitvorstellungen.

  64. #64 Radicchio
    14. Mai 2012

    Ich glaube nicht, dass ich hier auf einen Strohmann gezielt habe, außer sie wollen sich selbst über den Strohalm des “nahezu” und “fast” retten.

    ich habe meine kurze erklärung an MartinB in einem kontext geschrieben, den er zu erfassen gilt. nämlich als antwort auf seine annahme, wie stereotype “zementiert” werden würden. und das geschieht 1. weit komplexer, als durch das aussprechen in deutscher sprache und zweitens hätte sein vater “jüdische hast” auch in englisch oder russisch sprechen können, die sprache als solche hat für das stereotyp “jüdische hast” nachrangige bedeutung. allein das war der punkt, nicht kikongo ya leta oder homers weindunkles meer. der vorschlag sich in ǂHoan über griechiche mythen zu unterhalten, verdeutlicht es sehr schön: es muss natürlich auch ein gemeinsames kulturelles bezugssystem vorhanden sein. wer z.b. gar nicht weiß, dass es ein stereotyp “jüdische hast” gibt, dem wird dieser ausspruch gar nichts sagen, egal in welcher sprache. bäker et al. behaupten, die sprache würde das denken und die realität beeinfussen, und nicht die realität das denken und die sprache. abgesehen davon, dass man diese dinge nicht scharf trennen kann und es wechselwirkungen möglich sind, gibt es durchaus eindeutige belege dafür, dass die realität das denken bestimmt und sich dann in der sprache niederschlägt, nicht umgekehrt. das geografische bezuggsystem auf bali richtet sich nach der sonne, was noch nicht weiter ungewöhnlich wäre, die andere achse erstreckt sich zwischen dem meer und dem vulkan gunung agung. schwer vorstellbar, dass dieser vulkan durch die dortige sprache herangewachsen ist. nein, er war schon da und wurde in das denken und in die sprache einbezogen.

  65. #65 MartinB
    14. Mai 2012

    @MJ
    Danke für die ausführlichen Erklärungen.

    @Niels
    Das mit der Homöopathie ist aber gemein 😉

    @radicchio
    In meinen Augen ist Sprache eher die Summe von allem tatsächlich gesprochenen, nicht die Summe von allem prinzipiell sprechbaren. Sprachlich korrekt im Sinne der Regeln ist auch “Der Frühling hobelt das Motorrad”.
    Das generische Maskulinum ist kein Konstrukt, das sich auf dieser Ebene (bei der lediglich die grammatikalische Wohlgeformtheit geprüft wird) abspielt, sondern eins, das immer auch eine Bedeutung trägt (sonst wäre es unmöglich vom “echten” Maskulinum abzugrenzen).
    Deine Aussage: “Sprachlich kann man alles formulieren” ist zwar irgendwo richtig, aber es ist in der Praxis auch zu berücksichtigen, ob es die Sprache einem einfach macht, alles zu formulieren. Das generische Maskulinum sorgt dafür, dass es einfach ist, eine Gruppe zu beschreiben, die nur aus weiblichen Sozialarbeitern besteht (“Sozialarbeiterinnen”) aber nicht eine, die nur aus männlichen Sozialarbeitern besteht (da muss ich dann “männliche Sozialarbeiter” sagen).

  66. #66 Radicchio
    14. Mai 2012

    Wie kommt es, dass persönliches Erleben als Argument beim Thema Homöopathika schon Satire ist, aber bei unserer Diskussion plötzlich zu einem ernstzunehmenden Beleg wird?

    ganz einfach: weil die anwedngung der deutschen sprache in der DDR in verschiedenster form überliefert ist und teilweise noch heute in den neuen ländern gesprochen wird.

  67. #67 Radicchio
    14. Mai 2012

    “Das mit der Homöopathie ist aber gemein ;-)”

    nee, leute. da müsst ihr noch früher aufstehen *lol*

  68. #68 MartinB
    14. Mai 2012

    “weil die anwedngung der deutschen sprache in der DDR in verschiedenster form überliefert ist und teilweise noch heute in den neuen ländern gesprochen wird.”
    Ach, so einfach ist das?
    Überraschung: Die Anwendung der Homöopathie ist auch in verschiedenster Form überliefert und wird teilweise auch heute noch praktiziert.

  69. #69 Radicchio
    14. Mai 2012

    Das generische Maskulinum ist kein Konstrukt, das sich auf dieser Ebene (bei der lediglich die grammatikalische Wohlgeformtheit geprüft wird) abspielt, sondern eins, das immer auch eine Bedeutung trägt (sonst wäre es unmöglich vom “echten” Maskulinum abzugrenzen).

    es trägt eine bedeutung. das haben die elemente einer sprache so an sich. aber davon abgesehen, sind bedeutungen nicht fix. wenn dich der zu bezeichnende gegenstand ändert, kann auch dessen bezeichnung eine andere bedeutung annehmen.

    Deine Aussage: “Sprachlich kann man alles formulieren” ist zwar irgendwo richtig, aber es ist in der Praxis auch zu berücksichtigen, ob es die Sprache einem einfach macht, alles zu formulieren.

    zweifelsohne. aber wenn man gechlechter deutlich machen will, dann kann man das tun.
    die frage ist, ob und wann das nötig ist. darum geht es doch. muss man frauen sprachlich “sichtbar machen”, oder sollten frauen “optisch” sichtbar sein. liegt die ungerechtigkeit im verhältnis der geschlechter in der sprache, oder liegt sie woanders?

  70. #70 Radicchio
    14. Mai 2012

    “Überraschung: Die Anwendung der Homöopathie ist auch in verschiedenster Form überliefert und wird teilweise auch heute noch praktiziert.”

    jetzt wirds albern.

  71. #71 MartinB
    14. Mai 2012

    “wenn dich der zu bezeichnende gegenstand ändert, kann auch dessen bezeichnung eine andere bedeutung annehmen.”
    Was soll das jetzt konkret angewandt auf das GM bedeuten?

    “die frage ist, ob und wann das nötig ist.”
    Eben,. Und die aktuelle Sprache macht es genau dann nötig, wenn eine Gruppe nur aus Frauen besteht. Das ist ein Teil des Problems.

    “jetzt wirds albern. ”
    stimmt schon, dein belegfreies Beharren darauf, dass das in der DDR kein Problem war, weil du das einfach weißt, ist tatsächlich etwas albern.

  72. #72 MJ
    14. Mai 2012

    @ Radicchio

    Bitte das mit dem Balinesischem (?) und dem Gunung Agung per Quelle zitieren: ich habe danach gesucht, aber nicht gefunden. Und aus dem, was Sie geschrieben haben, weiß ich nicht, ob Sie meinen, der Vulkan habe irgendwie über die Mythologie einen Einfluss auf die Sprache genommen, oder einfach nur die triviale Feststellung, dass es ein Wort für den Vulkan gibt, weil er eben da ist. Das mit dem “kulturellen Bezugssystem”: Was meinen Sie? Ich glaube nicht, dass es Probleme gibt, im Deutschen über diesen Vulkan zu reden, oder im Französischen. Wie gesagt, ich bin ja pinzipiell gar nicht abgeneigt einen gewissen kulturabhängigen Sprachrelativismus anzunehmen, aber in Form konkreter Darlegungen, nicht ethno-romantischer Vorstellungen (inetwa: “The Masai …had never been slaves….they cannot even be put into prison. They die in prison if they are brought there, within three months, so the English law of the country holds with no penalty of imprisonment for the Masai, they are punished by fines. This stark inability to keep alive under the yoke has given the Masai, alone among all the Native tribes, rank with the immigrant aristocracy.” oder sowas… aus “Out of Africa”), die immer für andere Sprachen als europäische gelten. Also was auch immer es mit dem Vulkan auf sich hat, verlinken Sie es bitte…

    Weiters geht es bei den oben beschriebenen Untersuchungen etwas zu “basic color terms” genau nicht um eine Beeinflussung der Sprache durch Kultur, sondern umgekehrt – Sie meinen ja nicht etwa, das gewisse Sprachen kein Wort für “grün” oder “braun” haben, weil die Sprecher die Farbe noch nie gesehen haben – ? Wie gesagt, zwei Titel habe ich genannt, und sie sind leicht im Internet zu finden. Einfach “basic color terms” “linguistics” oder so in google tippen,…

  73. #73 Niels
    14. Mai 2012

    @Radicchio
    Dir fällt zu meinem doch etwas längeren Beitrag und den vielen, vielen Erläuterungen von MJ nur der kurze Satz ein, dass deine Behauptung nun mal “überliefertes Wissen” seien?
    Da bin ich jetzt durchaus enttäuscht.

    bäker et al. behaupten, die sprache würde das denken und die realität beeinfussen, und nicht die realität das denken und die sprache.

    Offensichtlich hast du das Ganze nicht richtig verstanden, wenn du meinst, “bäker et al.” würden behaupten, dass “Sprache Vulkane herangewachsen lässt”.

    gibt es durchaus eindeutige belege dafür, dass die realität das denken bestimmt und sich dann in der sprache niederschlägt, nicht umgekehrt.

    Dann liefer doch einfach mal diese ganzen eindeutigen Belege, darum geht es doch die ganze Zeit.

    Meinst du wirklich ernsthaft, dein Vulkanbeispiel würde zeigen, dass Sprachstrukturen die Art und Weise, wie wir Denken und die Welt wahrnehmen, nicht beeinflussen können?
    Warum interessieren dich die empirischen Studien, die recht deutlich das Gegenteil nahelegen, eigentlich überhaupt nicht?

  74. #74 Dr. Webbaer
    14. Mai 2012

    Nur mal so zwischendurch gefragt, ist denn das Wesen der Sprache nun hier allgemein verstanden worden? – Was nicht ganz unwichtig wäre, wenn man zu erörtern gedenkt inwieweit eine angepasste Sprache die Realität zu verändern in der Lage ist. – Solche Zitate (‘In meinen Augen ist Sprache eher die Summe von allem tatsächlich gesprochenen, nicht die Summe von allem prinzipiell sprechbaren.’ (Martin Bäker)) deuten leider nicht darauf hin. – Wer tatsächlich der Meinung ist, dass die Sprache die Summe des Gesprochenen ist, kommt natürlich zu ganz anderen Schlüssen, als jemand, der die Sprache korrekt als Mittel der Kommunikation versteht, als eigenes Objekt, als Sprachsystem.

    MFG
    Dr. Webbaer (der zudem bittet von Überlängen in der Kommentatorik abzusehen, im Web wird bevorzugt punktgenau vorgetragen)

  75. #75 Dr. Webbaer
    14. Mai 2012

    Das generische Maskulinum ist kein Konstrukt, das sich auf dieser Ebene (bei der lediglich die grammatikalische Wohlgeformtheit geprüft wird) abspielt, sondern eins, das immer auch eine Bedeutung trägt (sonst wäre es unmöglich vom “echten” Maskulinum abzugrenzen).

    In diesem Fall und den Artikel betreffend die “Bedeutung” nicht den Sexus zu meinen.

    Wer den Sexus unbedingt meint hinzubauen zu müssen, OK, wenn damit der Gerechtigkeitsfindung gedient wäre, so schlimm wäre das nicht, vom eher geringen sprachlichen Aufwand einmal abgesehen.

    MFG
    Dr. Webbaer (der natürlich auch das große Meta immer im Auge hatte bei seinen kleinen kommentarischen Beiträgen, natürlich kann und muss so eine Sprachverwaltung eskalieren)

  76. #76 Dr. Webbaer
    14. Mai 2012

    @MJ

    Aber wenn es darauf hinauslaufen soll, dass die Sprache ein rein abstrakter Regelapparat ist, mit dem man von der Sprache unabhängige Ideen ausdrückt (also die Sprache beeinflusst weder unsere Ideen, noch beeinflusst die Kultur unsere Sprache – und zwar nicht in Kaffee-Kranz-romantischen Vorstellungen, sondern etwa Syntax, Lexikon, etc), dann ist das extrem einfach ausgedrückt, gelinde gesagt.

    Die Sprache ist hier schön beschrieben, wenn wir mal das, was in der Klammer steht erst einmal außen vor lassen. Technische Sprachen funktionieren genau so.

    Das in der Klammerung Gemeinte ist natürlich bezogen auf die Humansprachen (vs. Bärensprachen) ein wichtiger Punkt, hier muss man auflösen.

    Was jeder gerne tun darf und auch soll im Zusammenhang mit dem generischen Maskulinum.

    MFG
    Dr. Webbaer (der das Eingrenzende der Sprache natürlich anerkennt, trotz des zulässigen Erfindens neuer Fachbegriffe und trotz der zulässigen Metaphorik)

  77. #77 MJ
    14. Mai 2012

    @ wb

    Ja, whatever.

    Haben Sie etwas Konkretes vorzubringen, oder wird das die gewohnte Aneinanderreihungen von Allgemeinposten? Im letzteren Falle würde ich mir die Zeit, Ihre Beiträge zu lesen, nämlich gerne für Relevanteres sparen, etwa zum Nasenbohren, oder relevante Legierungen.

  78. #78 Dr. Webbaer
    14. Mai 2012

    @MJ
    Dr. Webbaer hat doch nicht nur für Sie, aber auch für Sie, einiges vorgetragen und eingeordnet, wollen Sie nicht lieber darauf eingehen und auf Rauchzeichen aus Ihrem Befindlichkeitsleben verzichten?

    Ihr (für Webverhältnisse: zu langer) Beitrag weiter oben, scheint doch angemessen und vglw. freundlich (in Teilen) bearbeitet, oder?

    MFG
    Dr. Webbaer (der sich bei weiterer Gegenrede auf diesem Niveau auch gerne ausklinkt, nichts gegen aggressive und herabsetzende Bemerkungen eines Irrenden, solange dieser im Sinne der Wahrhaftigkeit vorträgt natürlich)

  79. #79 MartinB
    14. Mai 2012

    @MJ
    Du liest die Beiträge immer noch? Ich hab ja am Wochenende probehalber mal zwei Wb-Kommentare gelesen, das hat mich erstmal wieder kuriert.

  80. #80 Dr. Webbaer
    14. Mai 2012

    Ich hab ja am Wochenende probehalber mal zwei Wb-Kommentare gelesen, das hat mich erstmal wieder kuriert.

    Psychosomatisch womöglich schon, aber anscheinend nicht als in der Sache Irrenden.

    Wenn Sie wenigstens das Wesen der Sprache verstehen und anerkennen würden und dann Nutzen und Schaden abwägen würden, um für bestimmte Ihnen passende sprachliche Konstrukte zu werben oder für die Abschaffung Ihnen unpassender…

    MFG
    Dr. Webbaer

    PS: Was sagt den der Linguist aus Bremen dazu? – Dr. W selbst konsumiert dort nicht, aber ein wenig Input kann ja nicht schaden, wenn sich die Diskussion verhärtet.

  81. #81 Dr. Webbaer
    14. Mai 2012

    Nachtrag:
    Der “Linguist aus Bremen” hat sich überraschenderweise gerade hier schon geäußert: https://www.scienceblogs.de/geograffitico/2012/05/schrodingergrammatik.php#comment326960

    Vielleicht sollte man jene Argumentationsmengen hier einpflegen, die Webbaersche Gegenposition scheint dort am klarsten ableitbar.

    MFG
    Dr. Webbaer

  82. #82 MJ
    14. Mai 2012

    @ wb

    Ja, bitte, klinken Sie sich aus, ist doch völlig egal, was Sie tun: warum erörtern Sie das immer? Ich habe Sie um einen konkreten Beitrag gebeten, und bekomme einen reinen Meta-Kommentar. Und Sie haben überhaupt nichts bearbeitet, sondern einen halben Absatz zitiert und unter expliziter Weglassung der Hälfte davon einen Allgemeinposten Marke “Einleitungssatz Wikipedia-Artikel” abgegeben, der nichts mit dem Thema zu tun hat. Das ist auch OK – weder erwarte ich, dass Sie ihn lesen, noch dass Sie ihn kommentieren aber wozu zitieren Sie’s dann und setzen “@ MJ” über den Kommentar? Es ist mir egal, was sie von meinem Kommentar halten, wenn Sie keine substantielle, sondern nur Meta-Kritik daran üben; und es ist mir egal, was sie vom Niveau hier halten – bringen Sie konkrete (und vielleicht einmal mit wirklichen Argumenten und Quellen versehene) Argumente vor, statt dauernd nur unerörterte, schwammige Aussagen zu treffen und sich Gedanken über den Kommentarteil an sich zu machen. Dieses permanente Herumgeheule ist doch… zum Heulen. Wohnen Sie hier in den Kommentarteilen oder was ist das?

    Sie wollen über Sprache reden? Vorstellungen darüber, was Sprache und deren Wesen ist, gibt es so wie Sand am Meer. Was schwebt Ihnen vor: Putnam? Chomsky? Wierzbicka? Irgendetwas anderes? Benennen Sie es konkret und vor allem setzen Sie uns auseinander, worin die Relevanz bezüglich des Themas bestehen soll. Ihre persönlichen Befindlichkeiten sind ungefähr so interessant wie die Warze an meinem Hintern, und Ihre wald- und wiesenphilosophische Phrasendrescherei über das “Wesen der Sprache” oder was auch immer kann sich nach zwei Bier oder mehr jeder selbst zusammenphantasieren.

    Aber jetzt haben Sie ja A.S. zum Spielen, der ist allemal interessanter als MJ.

    @ MartinB

    Nein, nur die, die an mich adressiert sind. Und wer weiß, vielleicht passiert ein Wunder, und er liest die verlinkten/zitierten Quellen einmal und sieht, dass das, was er sich nach zwei Minuten Überlegen und ein bisschen google hopping zusammengedacht hat, keine tiefgreifenden Einsichten sind. Und bringt eine Meinung vor, die auch eine andere Basis als sein persönliches Dafürhalten hat. Wunder passieren manchmal, sagt meine Oma…

  83. #83 MartinB
    14. Mai 2012

    @MJ
    “Wunder passieren manchmal, sagt meine Oma…”

    Und eine Kollegin von mir pflegt zu sagen
    “Die Hoffnung stirbt zuletzt… aber sie stirbt.”

  84. #84 Dr. Webbaer
    14. Mai 2012

    @MJ

    Es ist mir egal, was sie von meinem Kommentar halten, wenn Sie keine substantielle, sondern nur Meta-Kritik daran üben; und es ist mir egal, was sie vom Niveau hier halten – bringen Sie konkrete (und vielleicht einmal mit wirklichen Argumenten und Quellen versehene) Argumente vor (…)

    Argumentionen kamen doch, und es ist auch auf die Begrenztheit eingegangen worden, die die Sprache den Erkenntnissubjekten auferlegt, selbst wenn sie intern weitgreifender theoretisieren, stellen Sie am besten Fragen oder widersprechen. Martin Bäker widerspricht beispielsweise, das muss nicht schlecht sein. Das, was Ihnen als “Meta” vorkommt, ist anderswo nur eine Ergänzung und Reaktion auf diejenigen, die nicht folgen und bspw. Sprache und Gesprochenes vermischen, gar in der Form, dass das Gesprochene die Sprache selbst sei.

    MFG
    Dr. Webbaer (der ganz Ohr bleibt, sollte zur Sache vorgetragen werden – weitgehende Unterschiede in der Auffasssung von Sprache zudem “unter uns” nicht erkennend)

  85. #85 koi
    14. Mai 2012

    @MartinB
    Entschuldige für die späte Antwort, ich bin gerade am Wochenende und während der Arbeit nicht immer online.

    @koi
    “Ich denke es ist eher nicht normal, dass sich eine Frau aus einer Männergruppe sprachlich nicht hervorhebt. ”

    Aber so ist es ja im deutschen??? Mir ist nicht so ganz klar, was du sagen willst.

    Das war eigentlich ein Wortspiel, oder sollte sein.
    Im Deutschen hebt sich eine Frau (ein Geduzter) aus eine Männer(Siez-)gruppe sprachlich nicht hervor.
    Im Deutschen hebt sich ein Mann (ein Gesiezter) aus eine Frauen(Duz-)gruppe sprachlich hervor.
    Das ist asymmetrisch. Du findest eher das zweite unnormal, ich eher das erste. Aber so ist halt die Sprache, sie ist ja keine supersymmetrische Stringtheorie. Was mich stört ist, dass hier eine Wertung impliziert wird:
    Im Deutschen hebt sich eine Frau (ein Geduzter) aus eine Männer(Siez-)gruppe sprachlich nicht hervor aber vice versa („gemein, die Männer werden sprachlich hervorgehoben, das benachteiligt die Frauen“). Wäre die Symmetrie anders rum gebrochen, könnte ich die Wertung genauso behaupten („gemein, die Frauen werden sprachlich hervorgehoben, das stellt sie an den sprachlichen Pranger“). Nochmal: Asymmetrie ist keine Ungerechtigkeit ist keine Wertung.

    “Und ich beschließe jetzt eben, die Grammatik beim Wort zu nehmen und Physiker generisch zu verwenden.”

    Das ist sicher ein gangbarer Weg, den fände ich mittelfristig auch am besten. Dann müsste man aber auch von “Bundeskanzler Merkel” sprechen und im Umkehrschluss müssten auch Männer als Beruf “Hebamme” oder “Krankenschwester” angeben können und sollen und Frauen wären eben auch “Feuerwehrmänner”. Damit man dahin kommt, muss man aber meiner Ansicht nach erst einmal das Problem hinreichend deutlich machen, und das tut man nicht, wenn man einfach den Status quo verwendet

    Fast d’accor.
    Es hängt von der Kommunikationsform und vom Kontext ab. Den Satz, z.B. als Begrüßung oder Vorstellung, „unser Bundeskanzler Frau Merkel“ halte ich für passend, das gM wird ja sofort aufgelöst. Den Satz „unser Bundeskanzler Merkel“ halte ich außer für unhöflich auch für unpassend, da das gM nicht aufgelöst wird. Bei den Zuhören(gM), die wissen, dass Merkel eine Frau ist kann das schlimmstenfalls Irritationen auslösen. Bei denen die es nicht wissen, kann natürlich das gM als natürliches Maskulinum aufgefasst werden, weil es nicht aufgelöst wird (jedenfalls nicht vor dem Erscheinen der Bundeskanzlerin). Der Grund ist aber, dass der Sprecher(gM) die Irritation nicht auflöst, was ich als seine Aufgabe sehen würde. Bei Herrn Schröder stellt sich das anders dar. Aber, die Verwendung generischer Maskulina verlangt von einem kompetenten Sprachproduzenten(gM) die Auflösung, wenn das natürliche Geschlecht in irgendeiner Weise von Belang ist, oder zur Übung noch öfter. Nochmal: Asymmetrie ist keine Ungerechtigkeit ist keine Wertung.

    Es wäre in meinen Augen schon schön, wenn die Krankenschwester oder die Hebamme generisch würden, allerdings glaube ich mehr an die Krankenpfleger und Geburtshilfepfleger, hier wären die Sprechenden überfordert, glaube ich.

    … wir sagen „man“ …

    „man“ hat aber jetzt mit einem gM gar nicht mehr zu tun. Nur weil es ähnlich wie „Mann“ klingt. Schon bei der Etymologie scheint es ja Hinweise zu geben, dass es nicht von „Mann“ kommt, ich habe aber keine online Quelle dazu gefunden. Man(!) sollte nicht auf jede Sau aufspringen die durchs Dorf getrieben wird, das wäre schon herrlich dämlich.

  86. #86 Dr. Webbaer
    14. Mai 2012

    @koi
    Der Webbaer hat nicht alles lesen wollen, aber schon gleich das Intro ist eine Katastrophe:

    Im Deutschen hebt sich eine Frau (ein Geduzter) aus eine Männer(Siez-)gruppe sprachlich nicht hervor.
    Im Deutschen hebt sich ein Mann (ein Gesiezter) aus eine Frauen(Duz-)gruppe sprachlich hervor.

    Die Höflichkeitsform kennt natürlich keinen Sexus.

    Sie meinen es vermutlich “irgendwie” anders – ‘Und sprachlich muss ich die Form ändern, sobald sich in eine Gruppe von 100 Frauen ein einzelner Mann mischt, aber nicht umgekehrt.’ -, legt das nahe, aber es ist einfach krass wie Odie-haft Sie hier vortragen, Sie meinen es sicher gut.

    MFG
    Dr. Webbaer

  87. #87 Dr. Webbaer
    14. Mai 2012

    … wir sagen „man“ …

    „man“ hat aber jetzt mit einem gM gar nicht mehr zu tun.

    ‘Man’ heißt ‘Mensch’, angelsächsisch, natürlich ahnt man hier eine Differenzierung zwischen ‘Man’ und ‘Woman’, aber diese belibt projektiv. Man darf das metaphorisch als generisches Maskulinum auffassen, wenn man will, die Regeln der Sprache geben es nicht her. – Vgl. auch ‘jemand’ oder ‘niemand’.

    MFG
    Dr. Webbaer (der dbzgl. im Gegensatz zum o.g. Bremer nicht kurbeln wollte)

  88. #88 Radicchio
    14. Mai 2012

    stimmt schon, dein belegfreies Beharren darauf, dass das in der DDR kein Problem war, weil du das einfach weißt, ist tatsächlich etwas albern.

    nein, MartinB, albern ist es, aus purer ignoranz und besserwisserei die sprachgewohnheiten eines ganen landes in abrede stellen zu wollen, weil man meint, schauler zu sein, als die, die dort gelebt haben. es ist schon erstaunlich, wie sehr menschen bereit sind, sich zum trottel zu machen, damit ihre ideolgie nicht zu schaden kommt. du möchtest belege? dann geh in in die bibkliothek und leih dir bücher, zeitungen oder filme aus der DDR und frag leute, die dort leben. oder lies diesen artikel in der EMMA von 2010, denen wirst du wohl glauben, dass man dort noch heute anderes spricht, allerdings in der selben sprache:

    “Wir befinden uns in einem Hörsaal der Leipziger Universität. Sprachwissenschaft. Die Dozentin stellt eine Frage: „Wer ist Ossi, wer ist Wessi?“. Wir sind 46 Ossis und drei Wessis, ergeben die Handzeichen. Und wir sind alle Frauen, wie es in den Geisteswissenschaften oft so üblich ist. Die Dozentin stellt eine zweite Frage: „Wer von Ihnen besteht darauf, ‚Studentin‘, und nicht ‚Student‘ genannt zu werden?“ Es schnellen drei Hände nach oben. Es dürfte klar sein, von wem.”

    https://www.emma.de/ressorts/artikel/ex-ddr/die-macht-der-sprache/

    @MJ

    Bitte das mit dem Balinesischem (?) und dem Gunung Agung per Quelle zitieren: ich habe danach gesucht, aber nicht gefunden.

    das kannst du in jedem reiseführer nachlesen! oder einfach googlen nach kaya und kelod.

  89. #89 MJ
    14. Mai 2012

    @ Radicchio

    Ja, schön, habe ich. Sie haben behauptet, das alles würde sich in der Sprache niederschlagen (ich vermute die balinesische, Sie haben es nicht gesagt). Wenn das so ist, haben Sie ja sicher eine Quelle, bitte verlinken Sie das.

    Und bitte, erklären sie mir nicht, dass ich das selber finden muss oder so, es ist ja nicht so, dass sie außer “Bali”, “gunung agung”, und jetzt “kaya und kelod” etwas Spezifisches gesagt hätten (nicht einmal die Sprache haben Sie spezifiziert) – und zwar hoffentlich etwas anderes als die triviale Feststellung, dass es in der Sprache einen Namen für einen Vulkan gibt. Entweder es gibt dazu wissenschaftliche Literatur (wohl kaum in einem Reiseführer), oder nicht. Wenn Sie solche kennen, zitieren oder verlinken Sie sie. Das stinknormale Prozedere, wie Sie es wohl selbst verlangen würden…

  90. #90 MJ
    15. Mai 2012

    @ Radicchio

    Oh, look, it’s a paper:

    https://www.jstor.org/stable/10.2307/3034828

    Sie schrieben weiter oben, dass “[…] es durchaus eindeutige belege dafür [gibt], dass die realität das denken bestimmt und sich dann in der sprache niederschlägt, nicht umgekehrt.”

    Der erste Satz des verlinkten Artikels (Danke dafür, übrigens… an mich): “Does language constrain the way one thinks?” Und die Anwort am Ende lautet:”Consequently, to our initial question ‘does language constrain the way one thinks?’, our answer, based on empirical evidence, is in favour of moderate
    linguistic relativity.” Es geht also genau darum, was sie als “nicht umgekehrt” ausschließen: einen sprachlichen Constraint aufs Denken, und nicht, wie sich die Kultur auf die Sprache niederschlägt.

    Das absolute räumliche Referenzssystem, das im Balinesischen verwendet wird, ist nicht etwas, was nur in dieser Sprache vorkommt, sondern einfach nur mythologisch über in geographischen Gegebenheiten verankert ist und eben auch in anderen Sprachen vorkommt (die Studie erwähnt etwa die “Tzeltal of Tenejapa in Mexico” – wohl kaum kulturell mit dem Balinesischen verwandt). Es handelt sich nur um eine von möglichen Ausformungen (wenn auch die sozusagen stärker markierte), die eben auf eine bestimmte Art und Weise im Balinesischen konkretisiert wurde – es ist ja auch keine Auswirkung einer “deutschen Kultur”, dass es im Deutschen einen relativen räumlichen Referenzrahmen gibt, nur weil man bestimmte Wörter (“Norden”, etc.) dafür hat.

    Wie gesagt, ein solches absolutes Bezugssystem ist nichts spezifisch “Balinesisches” (obwohl es in dieser Sprache natürlich Besonderheiten gibt), also kein kultureller Constraint – was gezeigt wurde, war genau das Gegenteil von dem was Sie meinten:

    https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1364661304000208
    https://www.jstor.org/stable/10.2307/417793

    Ich glaube nicht, dass Sie wissenschaftliche Quellen haben, die dem allen grundsätzlich widersprechen – aber ich kann mich irren: wenn Sie was haben, verlinken Sie es.

  91. #91 Dr. Webbaer
    15. Mai 2012

    @Radiccio
    Wann kamen eigentlich in der DDR die weiblichen Formen für die Berufsbezeichnungen (‘Ärztin’, ‘Direktorin’, ‘Richterin’, ‘Bundeskanzlerin’), im Westen hat man in den Siebzigern noch ganz trocken die männliche Form verwendet, zumindest Anfang der Siebziger. In den Achtzigern war dann die Umsetzung da, es gab da wohl so um 1980 eine rechtliche Maßgabe.

    So fing das an mit dem Einpflegen des Sexus, heute muss man also wissen, wenn man jemanden als Studenten (‘Studierende(n)’, lol) bezeichnet, ob’s ein Männchen oder Weibchen ist.

    MFG
    Dr. Webbaer

  92. #92 MartinB
    15. Mai 2012

    @koi
    “Nochmal: Asymmetrie ist keine Ungerechtigkeit ist keine Wertung. ”
    Ich sehe das anders. Wenn Eine Gruppe, die nur aus X besteht, dieselbe Bezeichnung bekommt wie eine, die aus X und Y besteht, aber eine reine Y-Gruppe eine andere bezeichnung bekommt, dann impliziert das in meinen Augen, dass der Default-Wert X ist ,nicht Y.
    Man könnte das Experiment oben mal spaßeshalber z.B. mit einem Wort wie “Katze” oder “Kuh” wiederholen und schauen, ob dann im zweiten Satz eine Fortsetzung mit “Männchen” weniger akzeptiert wird – da haben wir nämlich ausnahmsweise mal ein generisches Femininum.

    @radicchio
    “lies diesen artikel in der EMMA von 2010, denen wirst du wohl glauben, dass man dort noch heute anderes spricht”
    Wenn dir ein Homöopathie-Anhänger einen einzelnen Zeitungsartikel unter die Nase hält, dann würdest du was von Anekdoten und Daten erzählen, oder?

    Ich streite im Übrigen gar nicht kategorisch ab, dass die Sprachwahrnehmung in der DDR anders war, ich akzeptiere die bloße Behauptung allerdings auch nicht. Es spielt aber zunächst mal keine Rolle – die Experimente hier sind so wie sie sind und unsere Gegenwart ist die, die sie jetzt ist. Und die Experimente zeigen, dass zur Zeit zumindest da, wo die Experimente gemacht wurden (Schweiz) das “generische Maskulinum” nicht so generisch ist, wie es gern behauptet wird und dass die Behauptung “jeder würde immer sofort verstehen, wie es gemeint ist” anscheinend nicht stimmt.

  93. #93 Radiccio
    15. Mai 2012

    Das absolute räumliche Referenzssystem, das im Balinesischen verwendet wird, ist nicht etwas, was nur in dieser Sprache vorkommt, sondern einfach nur mythologisch über in geographischen Gegebenheiten verankert ist und eben auch in anderen Sprachen vorkommt (die Studie erwähnt etwa die “Tzeltal of Tenejapa in Mexico” – wohl kaum kulturell mit dem Balinesischen verwandt).

    MJ, was genau soll das jetzt beweisen? dass es konvergenzen gibt? wissen wir schon. danke.

    (nicht einmal die Sprache haben Sie spezifiziert)

    MJ: das muss ich auch nicht. wenn es sie interessiert, dann informieren sie sich selbst. ich habe als blogkommentator keinen bildungsauftrag.

    Wann kamen eigentlich in der DDR die weiblichen Formen für die Berufsbezeichnungen

    wb, ich denke, einen genauen zeitpunkt kann man da nicht 100%ig festmachen, vermutlich aber erst im zuge der wende. wobei sie aber auch vorher von fall zu fall gebraucht wurden. ging man z.b. zu einer bestimmten ärztin, dann benannte man sie auch so “ich gehe zur kinderärztin”.

    ich akzeptiere die bloße Behauptung allerdings auch nicht.

    MartinB, ehrlich gesagt, ist mir das egal. dass die erde keine scheibe ist, habe ich auch noch nicht mit eigenen augen gesehen. es könnte alles eine riesige verschwörung sein!!!!!! und wer hat schon einen sicheren beleg dafür, dass in russland russisch gesprochen wird? zeitung? filme? bücher? selbst dort gewesen? alles annekdoten. eine studie darüber gibts nicht. es hat niemand erforscht, wasserdicht bewiesen und entrprechend publiziert, dass man in russland russisch spricht. nicht zu vergessen, dass manche russen gar nicht sprechen können.

    “jeder würde immer sofort verstehen, wie es gemeint ist” anscheinend nicht stimmt.

    um aussagen nicht zu verstehen, braucht man kein generische maskulinum.

  94. #94 MartinB
    15. Mai 2012

    @radicchio
    “MartinB, ehrlich gesagt, ist mir das egal. dass die erde keine scheibe ist, habe ich auch noch nicht mit eigenen augen gesehen. es könnte alles eine riesige verschwörung sein!!!!!!”
    Auch das könnte dir ein Homöopathie-Anhänger antworten, der *weiß*, das das wirkt und hat das schon 1000 mal gesehen und hat auch nen zeitungsartikel mit wem, dem das ganz toll geholfen hat etc. etc.

    “um aussagen nicht zu verstehen, braucht man kein generische maskulinum. ”
    Rate mal: Wer schrieb diesen Satz
    “jeder weiß, dass “fußgänger” menschen sind, die zu fuß unterwegs sind. menschen sind frauen und männer und kinder. niemand erwartet beim wort “fußgänger” nur männliche passanten. ”

  95. #95 MJ
    15. Mai 2012

    @ Radiccio

    Was das beweisen soll? Das Sie nachweislich Stuss geredet haben, ich Sie dabei erwischt habe, und Sie das jetzt noch nicht einmal zugeben. Welche “Konvergenzen”? Wovon reden Sie schon wieder?

    Zwischen “einen Bildungsauftrag haben” und “seine Behauptungen belegen” ist ein Unterschied.

  96. #96 Dr. Webbaer
    15. Mai 2012

    Radiccio hat halt das Problem aller Zeitzeugen, die sicher etwas wissen, aber auf Unglauben stoßen, von Historikern und anderen als unzuverlässig eingeschätzt werden. – Statt ganz flach nach Belegen zu fragen, rät Dr. W aber an die kritischen Tatsachenbehauptungen selbst als falsch zu belegen. So ist es eigentlich üblich, wenn Erinnerungen zitiert werden.

    MFG
    Dr. Webbaer (dem vor einiger Zeit weder geglaubt worden ist, dass ‘Nachhaltigkeit’ früher nichts mit der Ökologie oder dem Ökologismus zu tun hatte und dass es eine Eiszeitprognostik gab)

    PS @MJ: Dass die Sprache auf gewisse Art und Weise die Realität verändern kann, steht außer Frage, ließe sich auch jederzeit historisch oder gedankenexperimentell nachweisen.

  97. #97 Dr. Webbaer
    15. Mai 2012

    Dr. Webbaer hat jetzt doch einmal einen kurzen Blick auf den Text (vgl. auch mit derartigen Texten 🙂 des Linguisten aus Bremen geworfen und stellt einmal kurz das Fazit jener Arbeit vor:

    Im Deutschen gibt es kein generisches Maskulinum und die „generische“ Verwendung maskuliner Formen bringt keinen praktischen Vorteil mit sich. Das braucht natürlich niemanden davon abzuhalten, trotzdem auf maskulinen Formen zu beharren. Es zwingt aber jeden, der darauf beharrt, über seine Motive dafür noch einmal gründlich nachzudenken.

    Es fällt bei derartigem Vortrag eben dem einen oder anderen schwer anderes als Falschheit festzustellen und es fällt ebenfalls schwer nicht das Meta und die politischen Hintergedanken zu beschreiben.

    Anatol Stefanowitsch biegt übrigens auch andere Sachverhalte der deutschen Sprache um, und zwar regelmäßig.

    MFG
    Dr. Webbaer

  98. #98 Radiccio
    15. Mai 2012

    MJ, lassen sie’s gut sein und lesen sie was über bali, damit man ihnen nicht denmächst wieder die luft rauslässt.

  99. #99 MJ
    15. Mai 2012

    @ Radiccio

    Sie meinten “A trifft zu, nicht B” – und die wissenschaftliche Literatur zum Thema meint eindeutig “B trifft zu.” Ich habe es Ihnen zitiert und belegt. Ist es so schwer zu sagen, dass Sie sich da geirrt haben? Oder einfach gar nichts zu sagen, zur Abwechslung? Müssen Sie da immer einen dümmlichen Kommentar hinten nachschieben?

  100. #100 Dr. Webbaer
    15. Mai 2012

    Müssen Sie da immer einen dümmlichen Kommentar hinten nachschieben?

    Ischt halt ne Niveaufrage. Apropos Niveau, kennen Sie die hier?: 1.) Niveau kann man nicht lernen 2.) Niveau sieht nur von unten wie Arroganz aus (wobei Arroganz von ganz unten betrachtet wieder wie Niveau aussieht) und! 3.) ‘Wenn Sie mein Niveau haben!’ (Quelle – schlechte Tonqualität, aber sozusagen alles erklärend, lol)

    MFG
    Dr. Webbaer

  101. #101 Niels
    15. Mai 2012

    @Radiccio
    Komm mal wieder runter.
    Du hast bisher nur einen einzigen “Beleg” für deine Behauptungen geliefert.
    MJ hat ihn überprüft und gezeigt, dass das stattdessen sogar ein Beleg für die Gegenposition ist.

    Bis jetzt hast du hier nicht mehr getan, als Tatschenbehauptungen ohne Belege aufzustellen, “ich hab aber recht” zu rufen und pampig zu antworten, wenn man dir nicht kritiklos zustimmt oder gar Belege verlangt.

    Gibts eigentlich einen Grund, warum du dich nicht auf eine echte Diskussion einlassen willst?
    Solange du dazu nicht bereit bist, ist es eigentlich komplett sinnlos, mit dir weiter darüber zu sprechen.

    Warum ist dir das “generisches Maskulinum” eigentlich so furchtbar wichtig?

  102. #102 Radicchio
    15. Mai 2012

    Auch das könnte dir ein Homöopathie-Anhänger antworten, der *weiß*, das das wirkt und hat das schon 1000 mal gesehen und hat auch nen zeitungsartikel mit wem, dem das ganz toll geholfen hat etc. etc.

    gut, du kennst den unterschied zwischen HP und dem jederzeit nachvollziehbaren und bestens dokumentierten sprachgebrauch in der DDR nicht um kommst offensichtlich nach mehreren tagen des überlegens nicht drauf. oder du hast einfach nicht überlegt. macht ja nichts.

    ich erklärs dir: die belege für den sprachgebrauch in der DDR bräuchtest du nur nachzulesen. bei der HP hingegen existieren keine belege, die du nachlesen könntest. es gibt sie nicht, in keinem archiv der welt. nirgends.
    ganz einfach, wenn man es erstmal weiß, nicht wahr? falls es jedoch weiterhin unklarheiten geben sollte, frag einfach.

    Wer schrieb diesen Satz
    “jeder weiß, dass “fußgänger” menschen sind, die zu fuß unterwegs sind. menschen sind frauen und männer und kinder. niemand erwartet beim wort “fußgänger” nur männliche passanten. “

    ich schrieb ihn. an seiner gültigkeit hat sich nichts geändert. oder hast du eine anderslautende quelle? nein, nicht die studie von oben. eine studie, die unzweifelhaft und unanfechtbar beweist, dass menschen bei “fußgänger” glauben, dass seien nur männer.

  103. #103 Radicchio
    15. Mai 2012

    MJ hat ihn überprüft und gezeigt, dass das stattdessen sogar ein Beleg für die Gegenposition ist.

    nein, das hat er nicht. er hat mit vernickeltem halbwissen geklimpert.

    gegenposition kann man bei diesem thema übrigens aus jedem empirischen befund generieren.

  104. #104 Dr. Webbaer
    15. Mai 2012

    @Radiccio

    (…) eine studie, die unzweifelhaft und unanfechtbar beweist, dass menschen bei “fußgänger” glauben, dass seien nur männer (…)

    Mal nicht von Niels O. und dem MJ aufs Glatteis führen lassen, die eine Behauptung war “Niemand erwartet” und die andere “Es gibt Menschen, die”.

    Sofern diese sprachlicher Rat an dieser Stelle noch helfen kann, bei all den hiesigen Verhunzungen und kommentarischen Minder-, Mangel-, Fehl- wie Minusleistungen.

    jeder weiß, dass “fußgänger” menschen sind, die zu fuß unterwegs sind. menschen sind frauen und männer und kinder. niemand erwartet beim wort “fußgänger” nur männliche passanten.

    War das von Ihnen? Ansonsten natürlich Vorsicht bei “Jeder weiß”- und “Es gibt”-Aussagen!

    Wenn die Jungkräfte eines gelernt haben, dann das Dekonstruieren und dekonstruktiv sein. [1]

    HTH
    Dr. Webbaer

    [1] Es sind Produkte moderner Bildungssysteme. Wer ist noch i.p. Sprache frei unterwegs und unbeeinflusst?

  105. #105 MartinB
    15. Mai 2012

    @radicchio
    “an seiner gültigkeit hat sich nichts geändert.”
    Hattest du nicht oben noch gesagt,
    “weil die fomulierung “die sozialarbeiter” im betreffenden kontext nicht 100%ig generisch verstanden wird, sondern für manche einen hinweis auf das geschlecht liefert. das ist auch kein wunder, denn mittlerweile ist man doppelnennungen gewöhnt und so eindeutig “weiblich” ist der beruf nun auch nicht. ”
    Siehst du in diesen beiden Aussagen keinen Widerspruch?
    Warum ist Fußgänger immer völlig klar generisch (*niemand* erwartet nur Männer), aber “Sozialarbeiter” wird im Kontext des “durch den Bahnhof gehens” nicht als 100% generisch verstanden?

    Ansonsten frage ich mal anders: Wie müsste ein Experiment aussehen, dass dich überzeugen könnte, dass das generische Maskulinum dazu führt, dass Menschen in ansonsten neutralem Kontext tendenziell eher an Männer als an Frauen denken?

  106. #106 Dr. Webbaer
    15. Mai 2012

    Wie müsste ein Experiment aussehen, dass dich überzeugen könnte, dass das generische Maskulinum dazu führt, dass Menschen in ansonsten neutralem Kontext tendenziell eher an Männer als an Frauen denken?

    Wenn das Wissen um die generischen Genera (so heißt das linguistischerweise, lol, wer Lust hat, darf auch gerne mal im Web forschen, wer alles schon behauptet hat, dass es nur das generische Maskulinum gibt und keine anderen generischen Genera) in der Bevölkerung langsam verloren geht, und es schaut so aus, dann hätte ein diesbezügliches Experiment keine Aussagekraft. – Wenn man nicht so genau das belegen möchte, was man politisch bereits durchgesetzt hat – vgl. auch Anatol Stefanowitsch mit seiner nicht den Standards der Modernen Wissenschaftlichkeit entsprechenden Argumentation -, Dr. Webbaer hält so ein Vorgehen für unredlich.

    MFG
    Dr. Webbaer

  107. #107 MJ
    15. Mai 2012

    @ Radicchio

    Sagen Sie mal, geht’s noch? Ich habe direkt ein wissenschaftliches Paper zitiert, das explizit das Gegenteil behauptet von dem, was Sie sagen – und ich habe das Paper dazu und zwei weitere, die das Thema allgemeiner behandeln verlinkt. Das ist mit “vernickeltem Halbwissen klimpern”? Das kommt ernsthaft von Ihnen, der Sie angebliche Sachverhalte einfach behaupten ohne auch nur den geringsten Anhaltspunkt dafür liefern zu können und auch nicht davon abrücken, wenn man Ihnen nachweist, dass die zur Verfügung stehende Literatur (da war ein Review dabei) Ihre Darstellung negiert? Sie haben eine Behauptung aufgestellt, als belegen Sie sie – bisher habe ich das Gegenteil belegt. Alles andere ist nicht einmal Halbwissen Ihrerseits, sondern schlichtwegs Ingnoranz.

  108. #108 Dr. Webbaer
    15. Mai 2012

    @MJ

    Ich habe direkt ein wissenschaftliches Paper zitiert, das explizit das Gegenteil behauptet von dem, was Sie sagen – und ich habe das Paper dazu und zwei weitere, die das Thema allgemeiner behandeln verlinkt. Das ist mit “vernickeltem Halbwissen klimpern”?

    Bedenken Sie bitte Folgendes – ‘Eine Aussage zu einer Sache oder zu einem diesbezüglichen Verhalt ist für den Systematiker immer zuerst als eine Aussage zu einer Sache oder zu einem diesbezüglichen Verhalt zu bearbeiten.’ -, d.h. auch Studieneresultate sind unter Umständen weggähnbar wie Nachbars Lumpi mit dem Schwanz wackelt. Es besteht keine Eingehenspflicht, insbesondere dann nicht, wenn die Behauptungen direkt mit dem Erfahrungswissen eines Erkenntnissubjekts kollidieren – das zudem auch um die Beschaffenheit dementsprechend politisch abgegoltener Arbeiten weiß.

    MFG
    Dr. Webbaer (der anrät, gerade im G-Bereich, Studien als das zu verstehen, was sie meist sind)

  109. #109 MartinB
    15. Mai 2012

    @MJ
    Siehste, wenn einem ne Studie nicht passt, weil sie dem Bauchgefühl widerspricht, dann ist das ganz o.k., man muss das nur möglichst schwampfig ausdrücken.
    (Mann, zwei Tage habe ich an den Wb-Kommentaren vorbeigelesen, einmal schaue ich drauf und schon wieder so ein geistiger Höhenflug – muss das Leseintervall weiter vergrößern).

  110. #110 MJ
    15. Mai 2012

    Lieber Webbaer,

    Wovon ich gesprochen habe, ist das räumliche Referenzsystem des Balinesischen und eine Aussage von Raddiccio dazu, die einfach nicht stimmt. Dazu wird Radiccio wohl kaum persönliche Erfahrungen haben. Ich habe mich hier zum “generischen Maskulinum” nur sehr allgemein geäußert und dabei keinen Standpunkt eingenommen (dazu bin ich schlicht nicht genügend ins Thema eingelesen, was ich zur Zeit nachhole, aber es gibt sehr viel Literatur dazu…)

    Sie müssen sich nicht in Diskussionen mischen, deren Gegenstand Ihnen offenbar unbekannt ist – vor allem nicht, wenn es sich um inhaltsleeres Gedöns handelt, dass sie bis hin zum Wortlaut permanent und jahrelang in verschiedenen Kommentarteilen unabhängig vom Thema wiederholen.

    Weiters bitte ich Sie, sich nicht dauernd zu Studien zu äußern, die Sie nicht gelesen haben. Im vorliegenden Falle ist diese Studie gemeinsam mit zwei, drei anderen, die zum selben Schluss kommen, nämlich die einzige Quelle (bezüglich der linguistischen Relevanz des balinesischen räumlichen Bezugssystems) – selbst wenn Sie oder sonst jemand die also “weggähnen”, ist Raddiccios Aussage dadurch nicht gedeckt, sondern allein seiner ethno-romantischen Phantasie entsprungen.

    Und nochmals: bitte, wenn Sie schon permanent und unangesprochen auf meine Kommentare reagieren müssen, dann versuchen Sie konkret etwas zu dem zu sagen, was ich tatsächlich gesagt habe. Wenn Sie nur wieder themenunabhängig den ewig gleiche Müll abgeben wollen, brauchen Sie dafür ja nicht mich adressieren, oder?

  111. #111 MJ
    15. Mai 2012

    @ MartinB

    Ja, ich hab’s auch schon wieder gelesen – und ich glaube, nicht zum ersten Mal: Wb liest prinzipiell keine wissenschaftliche Literatur, aber er äußert sich dennoch dazu. Ich weiß nur nicht, warum er mich dauernd erwähnt und adressiert (nicht nur hier – wo immer ich einen Kommentar schreibe, geht er mir unaufgefordert auf den Keks): ich habe mit keinem Wort zu der DDR-Diskussion Stellung bezogen, ich habe sie noch nicht einmal verfolgt (ich weiß gerade einmal, dass das Wort DDR gefallen ist) – und trotzdem muss er Radiccio in Bezug auf dieses Thema, zu dem ich mich nicht geäußert habe, darauf hinweisen, dass er sich nicht von mir “in die Irre führen” lassen soll und mir erklären, dass das von mir verlinkte Paper (eventuell, aber wer kann das schon wissen) nichts taugt… ich habe keine Ahnung, wann und warum er sich so in mich verliebt hat.

  112. #112 MartinB
    15. Mai 2012

    @MJ
    Am besten wieder ignorieren. Wenn Wb zu doll nervt, dann muss ich wohl mal die “Kommentator-sperren”-Funktion ausprobieren.

  113. #113 Radicchio
    15. Mai 2012

    Ich habe … und ich habe …

    … und sie haben keine quelle bez. bali gefunden, MJ. das genügt mir als referenz.

  114. #114 Radicchio
    15. Mai 2012

    Siehst du in diesen beiden Aussagen keinen Widerspruch?

    nein, da sehe ich keinen widerspruch. fußgänger sind in den seltensten fällen nur männer oder nur frauen. sozialarbeiter schon.

    Ansonsten frage ich mal anders: Wie müsste ein Experiment aussehen, dass dich überzeugen könnte, dass das generische Maskulinum dazu führt, dass Menschen in ansonsten neutralem Kontext tendenziell eher an Männer als an Frauen denken?

    wenn du überprüfen willst, wie unbestimmte(!) generische begriffe verstanden werden, lass die versuchspersonen fußgänger zeichnen, lass sie kunden an der supermarktkasse zeichnen, lass sie kinobesucher zeichnen. wenn sie mehrheitlich männer zeichnen, nehme ich alles zurück und behaupte das gegenteil.

    übrigens ist mir zufällig heute eine quelle über den weg gelaufen:
    Ingrid Samel: Einführung in die feministische Sprachwissenschaft. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. E. Schmidt, Berlin 2000, ISBN 3-503-04978-9

    viel spaß damit.

  115. #115 koi
    15. Mai 2012

    MartinB•
    15.05.12 • 07:51 Uhr

    @koi
    “Nochmal: Asymmetrie ist keine Ungerechtigkeit ist keine Wertung. ”
    Ich sehe das anders. Wenn Eine Gruppe, die nur aus X besteht, dieselbe Bezeichnung bekommt wie eine, die aus X und Y besteht, aber eine reine Y-Gruppe eine andere bezeichnung bekommt, dann impliziert das in meinen Augen, dass der Default-Wert X ist ,nicht Y.
    Man könnte das Experiment oben mal spaßeshalber z.B. mit einem Wort wie “Katze” oder “Kuh” wiederholen und schauen, ob dann im zweiten Satz eine Fortsetzung mit “Männchen” weniger akzeptiert wird – da haben wir nämlich ausnahmsweise mal ein generisches Femininum.

    Das Experiment, bzw. das Ergebnis wäre sicher spannend, aber ich glaube wir sind uns einfach nicht einig, ob Ungleichheit oder ein Defaultwert automatisch ungerecht sind. Ich denke dabei können wir es auch belassen, es gibt schlimmeres als verschiedene Meinungen.

  116. #116 Niels
    15. Mai 2012

    @MJ
    Nicht aufregen. Jedes Wort an den Wb ist verschwendet oder ermutigt ihn nur.
    Mich adressiert er auch immer mal wieder, erstaunlicherweise häufig mit “Niels O.”.
    Keine Ahnung, warum. Da hat er sich anscheinend mal irgend etwas Wirres zusammengegoogelt.

    Radicchio scheint bei diesem Thema mental völlig auszuklinken, hierbei sollte man ihn wahrscheinlich am besten ebenfalls ignorieren.

  117. #117 MartinB
    15. Mai 2012

    @koi
    “ob Ungleichheit oder ein Defaultwert automatisch ungerecht sind”

    @radicchio
    “fußgänger sind in den seltensten fällen nur männer oder nur frauen. sozialarbeiter schon. ”
    Erstens: Wieso das?
    Zweitens: Sozialarbeiter ist ja nur ein Beispiel aus der Wortliste, da haben wir auch Spaziergänger (sind die anders als Fußgänger?) Zuschauer, Konzert-Zuhörer, usw. usw. – die volle Wortliste der 36 Begriffe findest du im paper, das ist als preprint frei verfügbar. Musst du jetzt deine Erklärung vielleicht doch überdenken?

    Ansonsten: Das heißt, mein damaliges Experiment, nur mit einer Formulierung im Plural, hätte dich überzeugt?

  118. #118 Niels
    15. Mai 2012

    @MartinB

    Man könnte das Experiment oben mal spaßeshalber z.B. mit einem Wort wie “Katze” oder “Kuh” wiederholen

    Na ja, bei Kuh würde ich eine Fortsetzung mit “Männchen” eher nicht akzeptieren. 😉
    Eine Kuh ist schließlich ein weibliches Rind. Das männliche Rind heißt Stier.
    Aber das weißt du mit Sicherheit selbst. Hab ich einfach den Witz nicht kapiert?

  119. #119 MJ
    15. Mai 2012

    @ Radiccio

    Ich nehme einmal an, dass Sie den Kommentar einfach übersehen habe: hier sind die drei Quellen zu “Bali” und dem Phänomen räumlicher Referenzssysteme, die ich bereits oben verlinkt und aus denen ich zitiert habe und die Ihnen direkt widersprechen:

    https://www.jstor.org/stable/10.2307/3034828
    https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1364661304000208
    https://www.jstor.org/stable/10.2307/417793

    Genügt es Ihnen jetzt? Warum behaupten Sie, ich hätte keine Quelle gefunden? Oder stellen Sie sich absichtlich blind? Der einzige, der noch immer keinen Beleg für seine Aussage geliefert hat (außer einen unspezifizierten “Reiseführer”… oder war’s ein Aldi-Katalog?), sind Sie.

  120. #120 koi
    15. Mai 2012

    MartinB•
    15.05.12 • 20:00 Uhr

    @koi
    “ob Ungleichheit oder ein Defaultwert automatisch ungerecht sind”

    Erstens: Wieso das?

    hab ich Dich jetzt falsch verstanden? Asymmetrie bei Benennung von Gruppenzusammensetzung, generische Maskulina, geschlechterungerechte Sprache? Und ja, ich habe das auf die Sprache bezogen und bin jetzt verwirrt. Ich hielt die geschlechterungerechte Sprache für Deine Motivation.

  121. #121 MartinB
    15. Mai 2012

    @koi
    Nein, ich habe einfach verschlafen, weiterzutippen, das “wieso das” bezog sich auf radicchio – das kommt davon wenn man an zwei Baustellen gleichzeitig denkt 🙁
    “ob Ungleichheit oder ein Defaultwert automatisch ungerecht sind”
    Dazu wollte ich eigentlich schreiben, dass es ja zunächst nicht um Ungerechtigkeit geht, sondern eben darum, dass bestimmte Bilder im Kopf verankert werden. Das kann dann Konsequenzen haben.Niemand hier behauptet ja, dass Frauen *nur deswegen* nicht Physik studieren, weil das Wort “der Physiker” männlich ist (dann dürften sie auch nicht Biologie studieren). Aber die Sprache gibt Denk-Tendenzen vor und kann einen gewisse Dinge eben etwas leichter oder schwerer denken lassen (und dass das so ist, weiß jeder, der mal etwas nur in einer anderen Sprache, aber nicht in der eigenen ausdrücken konnte). Diese Mechanismen gilt es anzugucken und ihnen ggf. entgegenzutreten.

    Meines Wissens wird aber generell schon davon ausgegangen, dass die Tatsache, dass der defaultmensch unserer Kultur ein weißer Mann ist, gewisse Konsequenzen hat, die zu Ungerechtigkeiten führen. (Und gleich wird uns der Wb erzählen, dass *er* das aber noch nie erlebt hat und deswegen kann das auch gar nicht so sein…)

    @Niels
    Im zoologischen Sinne dürfte man auch eine männliche Kuh als Männchen bezeichnen können, denke ich. Witz war da keiner.

  122. #122 koi
    15. Mai 2012

    @MartinB
    OK, das mit dem Default ist klar, dessen sollte mach sich bewusst sein. Ich glaube aber nicht, dass eine künstliche oder kunsthafte Veränderung der Sprache ein Mittel dagegen ist. Meine Mittel der Wahl dagegen wären als Sprecher eher Vermeiden von gM, als Hörer das bewusste Zuhören. Kleine Brüche in der Erwartungshaltung können das sehr hilfreich sein. (Ich habe vor Jahren mal einen feministischen Roman gelesen, keine Ahnung mehr von wem oder wie er hieß, in dem konsequent statt “man” “wib” verwendet wurde, das war erst irritierend, dann lustig und dann fiel es gar nicht mehr auf). Sprache ist auch ein großes Spiel. (Wobei “man” kommt nicht von Mann)
    (Wer oder Was ist Wb 😉 )

  123. #123 mi fhèin
    15. Mai 2012

    DIE Person ist insoferne nicht neutral, weil generisch (kommt vom lat. Genus, grammatikalisches Geschlecht) feminin! (Das heißt: grammatisches Geschlecht weiblich, natürliches Geschlecht unbestimmt. Das heißt eben nicht, daß “Frauen nur mitgemeint sind”, sondern daß, wenn ich ganz allgemein von einer Person spreche, gar keine Aussage über deren natürliches Geschlecht mache – es sei denn, das ist aus dem Kontext ersichtlich.) Allerdings gibt es bei der Person keine generisch maskuline Form – und das dürfte generell das Problem bei den Prozentzahlen in der Studie sein. Bei Begriffen wie den Radfahrern gibt es eine grammatisch weibliche Form, die nur Frauen einschließt. Wenn ich daher allgemein von Radfahrern spreche, und aus dem Kontext nicht genau ersichtlich ist, was ich meine, dann ist die Frage, ob ich die neutrale Form, nämlich das generische Maskulinum, oder die nicht neutrale Form, das nicht nur generisch sondern auch natürlich gemeinte Maskulinum gemeint habe (also eine Gruppe, die nur aus Männern besteht). (Daß das eine Benachteiligung der Frauen ist, darüber läßt sich trefflich streiten. Man könnte das nämlich sehr wohl auch als Benachteiligung der Männer auffassen.) Ich würde daher mit der Aussage, daß die Sprache dahingehend unser Denken beeinflußt, eher vorsichtig sein. Außerdem muß man auch berücksichtigen, daß der Hang zur sogenannten “geschlechtergerechten Sprache” mit Binnen-I, Beidnennung (Radfahrerinnen und Radfahrer), oder Formulierungen wie “die Studierenden” statt Studenten (nicht jeder Studierende ist ein Student und umgekehrt!) unser Sprachempfinden beeinflußt. Es wäre interessant zu ermitteln, wie das Ergebnis einer derartigen Studie in den 60er oder 70er Jahren ausgesehen hätte, bevor Binnen-I und andere Konstrukte propagiert worden sind. (Was vermutlich kaum mehr möglichist.)

  124. #124 MJ
    15. Mai 2012

    Ich habe die früheren Diskussionen hier nicht verfolgt, daher eine Frage zu einer Frage, von der ich nicht weiß, ob sie schon beantwortet wurde. Offenbar wird die Aussage “Es gibt ein Generisches Maskulinum” als “Regel” als Default angenommen. Wodurch ist diese Aussage gestützt? Oder etwas anders: Ist hier jemals eine Unterscheidung zwischen einer echten grammatischen Regel (Grammatik hier im Sinne der Sprachkompetenz, nicht dessen, was Abi-Stoff ist) und einer normativen Regel gemacht worden?

    Mir ist etwa auch die Nonchalance, mit der Jürgen Schönstein über den time lag in der Studie hinweggeht, mit “Na und? Plusquamperfekt und Futur II machen manchen RednerInnen/Schreiberinnen und ZuhoererInnen/LeserInnen auch Probleme in der korrekten Anwendung und werden nicht immer gleich richtig verstanden.” Der Dialekt, den ich spreche (und das ist damit keine Anekdote, ich bin ein kompetenter Sprecher), kennt kein Präteritum, von ganz wenigen Formen abgesehen: [voɪt] “wollte”; [vɔɐ] “war” sind die einzigen, die mir ad hoc einfallen, und das [vɔɐ] erlaubt keine zusammengesetzten Zeiten, interessanterweise allerdings der Konjunktiv [vaʀɐt] “wäre” einen zusammengesetzten Konjunktiv Perfekt [vaʀɐt++gve:sn] “wäre gewesen”; so wie es auch einen Konjuntkiv [hɛdɐt] “hätte”, aber kein Präteritum für “hatte” gibt). Und das ist nicht irgendein obskurer Dialekt in einem Bergdorf, sondern trifft auf praktisch alle österreichischen Dialekte und das Bairische zu – derart offensichtlich, dass es schon auf Wikipedia steht:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Bairisch#Vergangenheit

    Sprich: es ist in diesen Dialekten nicht nur unüblich, sondern völlig unmöglich ein Plusquamperfekt zu bilden (man drückt alle vergangenen Formen über ein zusammengesetztes Perfekt aus, zur Unterscheidung von zeitnäheren oder -ferneren Formen wird einfach mit “nachher” bzw. “vorher” gearbeitet). (Dahingegen würde es mich außerordentlich überraschen, wenn die Konstruktion “Futur II” irgendein Problem darstellen sollte, und zwar nicht die Identifikation der Konstruktion, aber die Verwendung und ihr Verständnis, nämlich um eine Einschätzung zum Ausdruck zu bringen: “Die Ohrfeige wird er schon verdient haben, der Lauser.”; mit der Funktion als “Vorvergangenheit” mag das anders sein, aber da würde ich ähnlich argumentieren wie beim Plusquamperfekt). Das heißt: Ich bezweifle sehr, dass für nicht geringe Teile der Deutsch-Sprechenden der Plusquamperfekt irgendetwas anderes als eine normative Regel ist, die erst in der Schule gelernt wird: Man kann sie im formalen Kontext verwenden (so wie man ja auch einen französischen Subjunktiv verwenden kann, wenn man es lernt), aber eine natürliche Anwendung ist das nicht. Das “Österreichische Deutsch” (und nicht nur da) etwa weist ihn kaum auf, auch ein alter Hut:

    https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96sterreichisches_Deutsch#Pr.C3.A4teritum.2FImperfekt

    Da kann man noch so oft darauf beharren, dass es “diese Regel aber gibt!!” – das mag zwar wahr sein, und fürs Mutterspachler des “Standarddeutschen” sogar eine linguistische Regel sein, aber die Behauptung, der Plusquamperfekt stelle für alle anderen irgendetwas anderes als eine normative Regel dar, also eine Sprachregelung (sei es, um einen bestimmten Zeitaspekt auszudrücken, sei es was die Bildung anbelangt), ist nicht viel wert, wenn er von vielen weder verwendet wird noch überhaupt eine Möglichkeit besteht, ihn zu bilden. Was stimmt, ist eben, dass es für das Standarddeutsche eine normative Regel gibt – aber das ist keine Antwort auf die Frage, ob sie “existiert”, wenn es um echte Sprecher geht.

    Der langen Rede Sinn: welchen Hinweis gibt es, dass das “Generische Maskulinum” etwas anderes ist, als eine normative Regel, die Schülern beigebracht wird – und die damit zwar verwendet und verstanden werden kann, aber nichts Natürliches an sich hat. Doleschal (s.u.) bezeichnet ihn einerseits als “Norm” und meint, er sei “ortogenetisch zumindest nicht primär” und:”Denn für kleine Kinder ist die Geschlechtsabstraktion mit Hilfe maskuliner Personenbezeichnungen keine Selbstverständlichkeit, sie lernen diese semantische Regel meinen Beobachtungen zufolge nicht vor dem Schuleintritt.” (sie gibt dazu allerdings keine Referenz):

    https://www.linguistik-online.de/11_02/doleschal.pdf

    Es gibt, wie gesagt, einen Haufen Literatur zum Thema, und ich kann schlicht nicht beurteilen, ob Doleschal hier eine etablierte Position vertritt. Also nochmals meine Frage: Warum wird die Realität des GM immer als Default angenommen und damit impliziert, dass die gegenteilige Behauptung zu demonstrieren ist. Wo wurde gezeigt, dass das GM eine natürliche Regel darstellt, und nicht einfach eine Sprachregelung, die Kindern in der Schule beigebracht wird, ist – diese Frage ist nicht einfach mit der Behauptung “Aber das GM EXISTIERT!!!” zu beantworten.

    Und für den offensichtliche Einwand:”Aber es wird ja offensichtlich oft verwendet und verstanden, wenn auch mit Schwierigkeiten”, will ich gleich die Frage stellen: OK, aber ist nicht genau das zu erwarten, wenn wir Sprachregeln definieren (siehe dazu auch den geschichtlichen Abriss im Artikel von Doleschal oben) und dann Kindern beibringen, die diese Regel eben genau nicht im Zuge des Muttersprachenerwerbs (“ontogenetisch primär”) erlernen?

  125. #125 MJ
    16. Mai 2012

    Ein paar Selbstkorrekturen und -klarstellungen:

    a) Wo *ortogenetisch steht, gehört natürlich “ontogenetisch” hin.

    b ) Mit “Norm” meint Doleschal offensichtlich nicht “normalerweise”, sondern eine Norm im Sinne einer “normativen Regel”.

    c) Ich habe weiter oben in ab und an “frame of reference” salopp mit “Bezugssystem” übersetzt (ich weiß nicht, ob es im deutschen Fachjargon einen Ausdruck dafür gibt). Das hat zu Aussagen der Art “Das Balinesische hat ein absolutes Bezugssystem” geführt. Ich entschuldige mich bei allen Physikern.

  126. #126 MartinB
    16. Mai 2012

    @koi
    “Meine Mittel der Wahl dagegen wären als Sprecher eher Vermeiden von gM”
    Das wird aber schwierig – sagst du dann immer beide Formen? Was tust du, wenn du eine beispielhafte Person anführen willst (in meinen Vorlesungen sage ich gern, wenn ich den Leuten sagen will, dass sie diese mathematische Herleitung echt nicht kennen müssen “Da gehen Sie zum Mathematiker um die Ecke, der kann Ihnen das vorrechnen” – und ersetze je nach Gusto den Mathematiker durch eine Mathematikerin, das ist aber im einzelfall ja nicht dasselbe.)

    @mi Fhein
    Stimmt, “die Person” ist generisch feminin, aber wie du selbst sagst, generischer als “der Radfahrer”, weil es keine maskuline Form gibt.

    “dann ist die Frage, ob ich die neutrale Form, nämlich das generische Maskulinum, oder die nicht neutrale Form, das nicht nur generisch sondern auch natürlich gemeinte Maskulinum gemeint habe”
    Genau.

    “Man könnte das nämlich sehr wohl auch als Benachteiligung der Männer auffassen.”
    Wie das?

    “Ich würde daher mit der Aussage, daß die Sprache dahingehend unser Denken beeinflußt, eher vorsichtig sein.”
    Wie folgt jetzt das aus dem vorhergehenden, insbesondere wenn du gerade selbst gesagt hast, dass das möglicherweise eine Benachteiligung von Männern sein könnte? Es beeinflusst nicht das denken, aber Männer werden benachteiligt? Dem kann ich gerade nicht folgen.

    “Es wäre interessant zu ermitteln, wie das Ergebnis einer derartigen Studie in den 60er oder 70er Jahren ausgesehen hätte, bevor Binnen-I und andere Konstrukte propagiert worden sind.”
    Ja, das hatte ich ja oben schon zu radicchio gesagt, der dasselbe Argument angeführt hat, dass früher ja alles besser war (besonders in der DDR) und dort natürlich jeder das generische Maskulinum immer richtig verstanden hat. Scheint mir sehr zweifelhaft, denn sonst hätte man es wesentlich einfacher haben und die weiblichen Formen einfach abschaffen können, wenn die generischen schon immer von allen inklusiv verstanden wurden.

    @MJ
    “Mir ist etwa auch die Nonchalance, mit der Jürgen Schönstein über den time lag in der Studie hinweggeht,”
    Naja, Jürgen geht da über einiges mit nonchalance weg, sonst müsste er wohl seine Meinung ändern. Die Zahlenspielchen waren ja auch wenig überzeugend.

    “welchen Hinweis gibt es, dass das “Generische Maskulinum” etwas anderes ist, als eine normative Regel, die Schülern beigebracht wird – und die damit zwar verwendet und verstanden werden kann, aber nichts Natürliches an sich hat.”
    Ganz so krass würde ich das nicht sehen – sonst wäre die Studie vermutlich wesentlich dramatischer ausgefallen. Aber prinzipiell hast duvermutlich recht, die “Natürlichkeit” der Regel wäre erstmal zu demonstrieren.

    “ich weiß nicht, ob es im deutschen Fachjargon einen Ausdruck dafür gibt”
    Ja, der heißt “Bezugssystem”, jedenfalls in der Physik 😉

  127. #127 MJ
    16. Mai 2012

    @ MartinB

    Ja, klar habe ich das zugespitzt – es ist ja wohl auch ein Unterschied, ob man, wenn man Deutsch als Muttersprache hat, einen deutschen Plusquamperfekt anwendet/erkennt oder einen französischen Subjunktiv, und zwar unabhängig davon, wie sehr man ihn im Alltag ansonsten verwendet. Worauf ich hinaus wollte war schlicht die Unterscheidung zwischen einer präskriptiven und einer deskriptiven Regel.

    Und beim Generischen Maskulinum habe ich bezüglich dieser Frage nichts gefunden. Das heißt nicht, dass es nichts gibt. Offenbar gibt auch eine historische Betrachtung keine definitive Antwort. “Es gibt diese Regel, und sie wird auch verstanden” geht mE völlig an der eigentlichen Frage vorbei, ob und in welchem Ausmaß die Regel eine Realität in der Sprachkompetenz, oder nur eine Sprachnorm darstellt (letzteres ist ja unstrittig, aber irrelevant).

  128. #128 MartinB
    16. Mai 2012

    @MJ
    “letzteres ist ja unstrittig, aber irrelevant”
    Guter Punkt, das hätte ich vielleicht deutlich oben schreiben sollen.

  129. #129 Radicchio
    16. Mai 2012

    “fußgänger sind in den seltensten fällen nur männer oder nur frauen. sozialarbeiter schon.”

    Erstens: Wieso das?

    MartinB, ich bin ganz sicher, wenn du ein bisschen überlegst, kommst du drauf.
    kannst ja mal schreiben, was dir eingefallen ist. und das diskutieren wir dann gründich durch.

  130. #130 MartinB
    16. Mai 2012

    @radicchio
    Den text oben, wo ich dir erkläre, dass der test auch mit “Spaziergänger” (und noch anderen Worten) gemacht wurde, hast du aber schon gelesen, oder? Wie ist denn da nun die Erklärung – Spaziergänger sind meist männlich, aber Fußgänger nicht?

  131. #131 Dr. Webbaer
    17. Mai 2012

    @MartinB

    Ja, das hatte ich ja oben schon zu radicchio gesagt, der dasselbe Argument angeführt hat, dass früher ja alles besser war (besonders in der DDR) und dort natürlich jeder das generische Maskulinum immer richtig verstanden hat. Scheint mir sehr zweifelhaft, denn sonst hätte man es wesentlich einfacher haben und die weiblichen Formen einfach abschaffen können, wenn die generischen schon immer von allen inklusiv verstanden wurden.

    Was Sie nicht verstehen ist, dass weibliche Berufs- oder Tätigkeitsbezeichnungen (‘Lehrerin’, ‘Direktorin’ etc.) in der BRD vor ca. 40 Jahren beginnend der Sprache hinzugebaut worden sind, in der DDR oder was davon übrig blieb seit 1989.

    Wo es da genau bei Ihnen klemmt, kann Dr. Webbaer nicht nachvollziehen, natürlich hätte man die “weiblichen Formen einfach abschaffen können”, wie Sie schreiben – oder erst gar nicht hinzubauen müssen. [1]

    MFG
    Dr. Webbaer

    [1] weibliche Formen der oben beschriebenen Art gab es natürlich immer schon, bspw. die ‘Näherin’, die waren aber i.p. Sexus eindeutig – früher war der Genus vom Sexus klar unterschieden und verständlich, was die generischen Genera betrifft

  132. #132 Dr. Webbaer
    17. Mai 2012

    PS:

    Am besten wieder ignorieren. Wenn Wb zu doll nervt, dann muss ich wohl mal die “Kommentator-sperren”-Funktion ausprobieren. (Martin Bäker)

    Nicht aufregen. Jedes Wort an den Wb ist verschwendet oder ermutigt ihn nur.

    (Wer oder Was ist Wb 😉 )

    Das ist ja unterirdisch und einem Blog in Wissenschaftsnähe unwürdig.

    MFG
    Dr. Webbaer (der selbst tolerant ist und bleibt, auch bei Grelle dieser Art, aber: LOL)

  133. #133 MJ
    17. Mai 2012

    Vielleicht passt das ganz gut zu der Fragestellung des Themas hier:

    Ein Essay “Usage in The American Heritage Dictionary” von Steven Pinker. Pinker setzt darin (u.a.) ein Paradox auseinander, dass er “bubbe meises” (jiddisch lt. Text für “Großmutters Geschichten”) – das Paradox falschen Konsens’. Money quote:

    “A grammatical bubbe meise is a rule of usage that everyone obeys because they think everyone else thinks it should be obeyed, but that no one can justify because the rule does not, in fact, exist.”

    https://6500xf.blogspot.fr/2011/12/usage-in-american-heritage-dictionary.html

    PS: Weil im Kommentarteil zum neuesten Blog-Eintrag eine ähnliche Diskussion läuft: es wäre tatsächlich ganz praktisch, Verweise auf ältere Artikel zu haben, wenn das Thema auf Scienceblogs schon besprochen wurde – etwa so wie es Thilo Kuessner auf mathlog bei den “Topologie der Flächen”-Beiträgen macht.

  134. #134 MartinB
    18. Mai 2012

    @MJ
    Verweise auf ältere Artikel gibt es ja automatisch unten am Artikel in dem Kasten – oder meinst du was anderes?

  135. #135 MJ
    18. Mai 2012

    @ MartinB

    Nein, ich meine genau das, Danke! Irgendwie habe ich es geschafft, das bisher zu übersehen…

  136. #136 MartinB
    18. Mai 2012

    @MJ
    Ja, manchmal übersieht man das offensichtliche.

    Apropos das offensichtliche Übersehen:
    @radicchio:
    Und? Wie war doch jetzt der Unterschied Fußgänger/Spaziergänger?

  137. #137 Radicchio
    18. Mai 2012

    MartinB, wenn schon, dann solltest su fragen, was der unterschied zwischen meiner skizzierten versuchsanordnung und dem oben besprochenen ist.

    der unterschied liegt darin, dass im obigen test die begriffe bereits in einen (teilw. unplausiblen) kontext gestellt wurden, und in einem kontext die bedeutung variieren kann. den gleichen fehler hast du damals in deinem “radfahrer”-test gemacht und nicht einsehen wollen.
    mein kleines experiment verzichtet auf kontext. es werden nur die bilder im kopf untersucht.

    so, MartinB, und nun ist auch ende der vorstellung. ich bin nämlich nicht der erlärbär. intellektuell hast du dich nach strich und faden desavouiert. vielleicht bleibst du einfach bei physik und sauriern.

  138. #138 MartinB
    19. Mai 2012

    @radicchio
    Der ursprüngliche Satz lautete
    “jeder weiß, dass “fußgänger” menschen sind, die zu fuß unterwegs sind. ”
    Bei diesem Satz war von einem Kontext nicht die Rede.

    Dein Satz, mit dem du gegen den Versuch hier protestiert hast, lautete
    “fußgänger sind in den seltensten fällen nur männer oder nur frauen. sozialarbeiter schon.”
    nicht bemerkend, dass in der Versuchsanordnung “Spaziergänger” natürlich genauso vorkommen wie Sozialarbeiter.

    Und jetzt kommt die Ausrede der “Kontextabhängigkeit”? Komisch, dass in dem “Jeder weiß”-Satz von Kontext gar nicht die Rede war.

    Soviel Redlichkeit, auch mal zuzugeben, dass du dich irrst, könntest du schon haben.

    “intellektuell hast du dich nach strich und faden desavouiert.”
    Ist klar.

  139. #139 Dr. Webbaer
    19. Mai 2012

    Der Webbaer, der von Personenbewertungen gerne absieht, hier gerne aber auf den vorzüglichen Inhalt zur Physik oder Physiklehre hinweist, ein Danke! an dieser Stelle, stellt abschließend, zumindest für ihn abschließend, fest, dass zwei Sachen nicht gehen:

    1.) Man darf nicht einen Artikel zusammendrechseln und dann aus linguistischer Sicht nahelegen, dass es die Generischen Genera nicht gar nicht gibt.

    2.) Man sollte nicht derartig klare Aussagen (‘”fußgänger” [sind] menschen, die zu fuß unterwegs sind.’) aus einer feministischen Sicht in Frage stellen, nachdem man selbst feministischerweise vor 40 Jahren in der BRD und anscheinend nach 1989 in der ehemaligen DDR diejenigen weiblichen Tätigkeits- und Berufsbezeichnungen (‘Radfahrerin’, ‘Ärztinnen’ etc.) [1] durchgesetzt hat, die heute für sprachliche Unklarheit, beispielsweise beim Generischen Maskulinum, sorgen.

    HTH
    Dr. Webbaer

    [1] hier fehlt es anscheinend einigen an Kenntnis, was entschuldigend wirkt, no prob

  140. #140 Dr. Webbaer
    19. Mai 2012

    Nachtrag:
    Der eine oder andere wird sich vielleicht heute fragen, wie es denn ging, früher, also wie man denn Ärzte oder Direktoren titulierte, als der Sexus nicht in der Sprache war, sondern “nur” der Genus: Man sagte dann ‘Frau Direktor’ oder ‘Gehen Sie bitte zu Frau Arzt Bäker!’, wenn das Geschlechtliche der Kommunikation angeraten schien, diesbezüglich einen Wert hatte.

    Natürlich gab es dann auch Merkwürdigkeiten, wenn beispielsweise die Frau eines Doktors ebenfalls als ‘Frau Doktor’ tituliert worden ist – aber so war das halt in jener Zeit, als die unverheiratete Frau auch noch ‘Fräulein’ sein durfte…

    HTH
    Dr. Webbaer

  141. #141 koi
    19. Mai 2012

    @MartinB
    Ich war einige Tage nicht da, es hat sich ja nicht mehr viel getan, aber ich bin Dir noch die Antwort schuldig.

    @koi
    “Meine Mittel der Wahl dagegen wären als Sprecher eher Vermeiden von gM”

    Das wird aber schwierig – sagst du dann immer beide Formen? Was tust du, wenn du eine beispielhafte Person anführen willst (in meinen Vorlesungen sage ich gern, wenn ich den Leuten sagen will, dass sie diese mathematische Herleitung echt nicht kennen müssen “Da gehen Sie zum Mathematiker um die Ecke, der kann Ihnen das vorrechnen” – und ersetze je nach Gusto den Mathematiker durch eine Mathematikerin, das ist aber im einzelfall ja nicht dasselbe.)

    Ich hatte ja schon mal aufgeführt, dass es auf die Kommunikationsart ankommt. Hab’ ich eine Erzählung, dann hab ich ja zumindest im Kopf eine tatsächliche Person und kann genauer sprechen. Wenn Du obige “abstrakte” Situation hast musst Du natürlich abwägen, Doppelnennung würde ich da auch als eher umständlich empfinden, die Pointe soll ja auch möglichst erhalten bleiben, wie wäre es mit “Da gehen Sie in das Mathematikfachgeschäft Ihres Vertrauens”. Nach meinem Sprachempfinden hat das aber genauso viel männlichen Default wie der Mathematiker (gM), was ich aber nicht so schlimm finde.

    Ich weiß jetzt wer Wb ist. Von ihm kam der richtig gute Vorschlag User clientseitig zu filtern. Leider hab ich mich heute hier mal nicht dran gehalten.

  142. #142 Dr. Webbaer
    19. Mai 2012

    @Koi
    Hier noch mal der Vorschlag im Original: https://www.scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2011/05/eine-lanze-fur-die-spiritualitat.php#comment217833

    Wenn Sie mit den “Greasemonkey”-Scripts irgendwelche Probleme haben: Dr. W hilft
    gerne.

    MFG
    Dr. Webbaer (der das clientseitige Filtern aber nur in ganz schweren Fällen empfiehlt, typischerweise bei einem Stalking, das mit schwerster Beleidigung einhergeht, es gab bisher für diesen Kommentator nur drei schwere Fälle, zudem gilt es aus freiheitlicher Sicht in bestimmten Abständen zu revaluieren, die Dame ist bspw. jetzt wieder freigeschaltet)

  143. #143 MartinB
    19. Mai 2012

    @koi
    “wie wäre es mit “Da gehen Sie in das Mathematikfachgeschäft Ihres Vertrauens””
    Auch lustig, muss ich mir merken. Ich finde es aber – gerade bei Maschbauern – gar nich verkehrt, immer mal ne weibliche Form zu nehmen.

    Ja, clientseitig filtern ist in diesen Fällen angezeigt, wobei ich langsam hinreichend genervt bin von Kommentaren, die eh niemanden interessieren, dass ich ernsthaft über eine Sperrung nachdenke.

  144. #144 Dr. Webbaer
    19. Mai 2012

    @MartinB
    Wenn Sie Dr. Webbaer zensieren wollen, und das wurde auch schon mehrfach erklärt, reicht eine E-Mail an ‘dr.webbaer’ oder – ohne Krawatte sozusagen – an ‘webbaer’ bei ‘gmail.com’. [1]

    Andere zensieren Dr. W auch, bspw. Anatol Stefanowitsch oder Stefan Niggemeier oder Oskar Lafontaine (nicht lachen!, es ist so), also nur zu.

    MFG
    Dr. Webbaer (dem eine schriftliche Ansage auf weitere kommentarische Leistungen zu verzichten per E-Mail am liebsten wäre, “öffentliche Schlachtungen” mit anschließendem Gejohle Erleichterter dagegen weniger)

    [1] Dr. W beachtet derartige Wünsche durchgehend.

  145. #145 rolak
    19. Mai 2012

    Tja MartinB, die hingeklecksten Bärenhäufchen nehme ich als teilweise als Übung zum Beherrschen bei akutem siwoti – ist aber zu und zu SchemaF, wie er nicht nur seine absurden, anhalterartigen (Kellergeschoß, 2.Gang links, hinter dem Aktenschrank, bei der kaputten Birne) Wünsche zum Formalismus eines dann vorgeblich freiwilligen Rückzuges repetiert, sondern auch zum wiederholten Male seine völlige Unkenntnis des semantic span von ‘Zensur’ offenlegt. Wirr bis weird.

  146. #146 Dr. Webbaer
    20. Mai 2012

    Hier noch mal beispielhaft wie früher – also bevor die weiblichen Tätigkeits- und Berufsbezeichnungen kamen – formuliert worden ist:
    1.) ‘”Bei uns besteht volle Freiheit”, dozierte beispielsweise Frau Volksbildungsminister Margot Honecker (…)’ (Quelle)
    2.) ‘Golda Myerson, 58, Israels Außenminister, die 1906 von Rußland nach den Vereinigten Staaten auswanderte (…)’ (Quelle)
    3.) ‘(…) empfing der Außenminister Israels, Frau Golda Meir, den englischen Botschafter Sir John Nicholls (…)’ (Quelle)

    MFG
    Dr. Webbaer

    PS: Ischt übrigens ein recht spannendes Thema, die oben gemeinten Formen (die weiblichen Tätigkeits- und Berufsbezeichnungen) kamen ab ca. 1965 (SPIEGEL) und setzten sich in bürgerlich-konservativen Medien in Westdeutschland bis ca. 1980 durch. – Dr. Webbaer kann sich auch noch dunkel an die Einwände einiger, gerade auch bezogen auf das Generische Maskulinum, erinnern, als die weiblichen Formen kamen.

  147. #147 MartinB
    20. Mai 2012

    @Wb
    “dem eine schriftliche Ansage auf weitere kommentarische Leistungen zu verzichten per E-Mail am liebsten wäre”
    Prima: Dann kommentieren Sie hier doch bitte nicht mehr, wenn Sie nicht irgendetwas sinnvolles zu sagen haben.
    Zufrieden?

  148. #148 Dr. Webbaer
    20. Mai 2012

    @Dr. Martin Bäker
    Der obige Beitrag schien doch der Sache bei der allgemeinen Einordnung hilfreich, d.h. Dr. Webbaer hatte etwas Sinnvolles zu sagen.

    Wo ist eigentlich das Problem bei dieser Diskussion hier?, es hat doch niemand etwas gegen Sie persönlich, also woran scheitert die Einordnung der Generischen Genera hier konkret?

    MFG
    Dr. Webbaer (der, wie beschrieben per E-Mail, aber auch durch Zensur, mit oder ohne Gejohle anderer, abstellbar ist, nicht aber durch “Dissen” – aber “zum Verrecken” nicht versteht wie eigentlich Ihr Problem bei diesem Thema beschaffen ist)

    PS + ansonsten: Gute Arbeit!

  149. #149 Lieberman
    Österreich
    10. September 2012

    Die Berufe Krankenpfleger, Kosmetiker, Wahrsager und Geburtshelfer mögen zwar alle weiblich konnotiert sein, die Begriffe sind es jedoch nicht. Das jedoch liegt weniger am generischen Maskulinum, sondern daran dass kaum jemand diese Begriffe im Alltag so verwendet.

    Üblich ist es von Krankenschwestern zu sprechen da es keine Männer in diesem Beruf vertreten sind. Der Krankenpfleger wird daher logischerweise rein männlich verstanden. Selbst (männliche) Krankenpfleger werden daher oft als männliche Krankenschwester tituliert.

    Diese Studie bestätigt also nur das für Berufe die hauptsächlich von Frauen ausgeübt werden, in der Regel auch die weibliche Form in der Sprachen Verwendung findet.

    Interessanter wäre es zu testen wie zum Beispiel folgende, realistische Satzabfolge ankommt:

    1. „Die Lehrer saßen um den Konferenztisch.“
    2. „Frau Dr. Müller verlass die Noten ihrer Schüler.“

    Zudem müsste sichergestellt werden, dass die Studie nicht durch ideologisch motivierte, beeinflusste Studienteilnehmer [hier habe ich mal unschöne Dinge moderiert, man muss nicht alles mit Nazis vergleichen… MartinB] verzehrt wird.

  150. #150 MartinB
    10. September 2012

    @Liebermann
    Aber genau das wurde doch in der Studie gemacht – es wurde zuerst geschaut, welche Begriffe wie stereotypisiert wurden und dann für die männlich, weiblich und neutral stereotypisierten Begriffe genau das untersucht.
    PS: Hier fehlen übrigens etwa 200 Kommentare, die dem Umzug von Scienceblogs zum Opfer fielen.

  151. #151 Stefan W.
    15. Dezember 2012

    Ich wurde von dieser: https://scienceblogs.de/sociokommunikativ/2012/12/06/gwirx-mit-der-sprache/#comment-268 Diskussion hier her geschickt und habe brav fast alle Kommentare gelesen.

    Nicht klargeworden ist mir, ob diese Frage:

    Die Autorinnen führen noch ein weiteres Argument an, das ich aber nicht verstanden habe, deswegen hier nur das Zitat:
    Furthermore, in our pilot study female continuations were only taken to indicate that the group comprised exclusively of women in six instances (4%).

    inzwischen klargeworden ist.

    Ich verstehe es so, dass die 2 Sätze:

    (1) Die Sozialarbeiter gingen durch den Bahnhof.
    (2) Weil das Wetter schön war, trugen einige der Frauen keinen Mantel.

    unterschiedlich betont und verstanden werden können – nämlich “Weil das Wetter schön war, trugen einige der Frauen keinen Mantel.” – das bedeutet, die Sozialarbeiter von oben sind alle Frauen – das ist aber durch Satz 1 nicht kommuniziert worden, und daher ist das ‘der’ vor den Frauen überraschend. Die zweite Lesart “Weil das Wetter schön war, trugen einige der Frauen keinen Mantel.” ist aber nicht besser, denn hier ist von einer Teilmenge an Frauen die Rede. Dass Frauen darunter sind war auch nicht vorher klar. Man springt also recht hilflos zum Satz 1 zurück, und liest ihn nochmals, um zu prüfen, ob man etwas übersehen hat.

    (1) Die Sozialarbeiter gingen durch den Bahnhof.
    (2) Weil das Wetter schön war, trugen einige der Männer keinen Mantel.

    Auch hier ist es unklar. Sind nun alle Sozialarbeiter Männer, oder nur eine Teilmenge?

    Wir sind aber überhaupt in die Mitte eines Textes geworfen, aus dem wir den Kontext erraten müssen, denn ‘Die Sozialarbeiter’ bezieht sich ja offenbar auf eine bereits zuvor vorgestellte Gruppe. “Es tagten Sozialarbeiter und Psychologen in der Stadt. Die Sozialarbeiter …”. Wenn jetzt alle vom gleichen Geschlecht wären, und man wüßte es schon, dann würde man nur schreiben ‘trugen einige keinen Mantel’.

    (1) Beim Kongress weilten 20 weibliche Sozialarbeiter und 15 männliche Psychologen.
    (2) Weil das Wetter schön war, trugen einige der Frauen keinen Mantel.

    Das wäre eine ganz harmonische Satzkonstruktion. So würde man das sagen. Aber in welchen Situationen würde man die obere Kombination überhaupt benutzen, außer in einem Rätsel zum Geschlecht von Frauen in der Sprache?

    Schauen wir es nochmal an:

    (1) Die Sozialarbeiter gingen durch den Bahnhof.
    (2) Weil das Wetter schön war, trugen einige der Frauen keinen Mantel.

    Der Satz ist sinnvoll wenn zuvor bereits bekannt ist, das alle Sozialarbeiter, von denen die Rede ist, Frauen sind. Dann bezieht sich das ‘der’ von ‘der Frauen’ auf die zuvor genannten Sozialarbeiter.

    Im Bahnhof ist das Wetter schön? Nun gut – wenn es partout keinen Park dort gab, dann nimmt man den Bahnhof.

    (1) Die Sozialarbeiter gingen durch den Park.
    (2) Weil das Wetter schön war, trugen einige der Älteren keinen Mantel.

    Wer hätte geahnt, dass Ältere dabei waren? War für die jüngeren das Wetter nicht schön, oder wieso trugen die einen Mantel? Oder trugen die alle keinen Mantel?

    (1) Die Sozialarbeiter gingen durch den Bahnhof.
    (2) Weil sie emanzipiert waren, trugen einige der Frauen ihren Koffer selbst.

    Hier haben wir einen Frauenbezug, bei dem der Sinn von Frauen zu reden plötzlich evident ist.

    Ich fürchte ich muss selbst das Paper lesen, denn ich will wissen, was es mit den Fußgängern auf sich hat, und den Kinobesuchern/Konzertbesuchern.

  152. #152 MartinB
    16. Dezember 2012

    @StefanW
    Ich habe ehrlich gesagt nicht verstanden, worauf die hinaus willst.
    Es ist egal, ob einiger der Sozialarbeiter Frauen sind oder alle – wenn der erste Satz das Wort “Sozialarbeiter” enthält, dann wird ein zweiter Satz, in dem “einige der Männer” steht anders verstanden als einer, in dem “einige der Frauen” steht. Das zeigt, dass “Sozialarbeiter” nicht als geschlechtsneutral verstanden wird.

    Deshalb funktioniert auch die Umdeutung mit “einige der älteren/jüngeren” nicht – dazu müsstest du zeigen, dass es eine unterschiedlcihe Reaktion auf diese beiden Fortsetzungen gibt.

    Der Satz, den ich nicht verstanden habe, ist mir deshalb unklar, weil mir nicht klar ist, wie man das herausgefunden hat: Woher wissen die Forscherinnen, ob jemand, der “einige der Frauen” liest, glaubt, dass die Gruppe nur aus Frauen besteht? Das wurde in der ARbeit nicht so erklärt, dass ich es verstanden hätte.

  153. #153 Stefan W.
    https://demystifikation.wordpress.com/2012/12/14/komikernation/ 15:47
    16. Dezember 2012

    @MartinB: Das ergibt sich als grammatische Möglichkeit. Wenn jemand sagt “Einige der Frauen trugen Mäntel”, dann impliziert das “der Frauen” (welcher Frauen?), dass zuvor schon von diesen Frauen die Rede war, auf die jetzt wieder Bezug genommen wird.

    Deswegen fragt man sich, ob man im ersten Satz etwas überlesen hat, und springt zu diesem zurück. Dort findet man keine explizit genannten Frauen, aber eine Gruppe Sozialarbeiter, die allerdings alle Frauen sein könnten.

    Man würde aber Satz 1 nicht so vor eine Gruppe von lauter Frauen setzen, weil es den Leser überrascht. Nur wenn zuvor vielleicht schon gesagt wurde, dass es eine reine Frauengruppe war, könnte sich diese Satzfolge ganz ungezwungen ergeben. Es passiert uns ja, etwa beim Zappen am Fernseher, dass wir Zeuge einer Kommunikation werden, deren Beginn wir verpasst haben. Oder wir treten in der Kantine zu einem lfd. Gespräch hinzu.

    (0) Hier haben wir eine Gruppe Informatikstudentinnen – alles junge Frauen!
    (1) Die Informatiker wechselten um 12:30 zu Raum 101.
    (2) Einige der Frauen trugen Mäntel.

    Betonung auf ‘einige’. Kein Problem den Sinn zu erfassen.

    Die andere Lesart, dass es eine heterogene Gruppe ist, und von dieser eine Teilmenge der Teilmenge Mäntel trug, nämlich ein Teil der Frauen, Betonung auf ‘Frauen’ muss die Frauen nicht explizit in den Text einführen, weil es eine Selektion ist, wie bei ‘einige der älteren’.

    Was ich nicht sage, ist, dass die Lesart vom Geschlecht unberührt sei. Die sprachlich männliche Form kann Männer bedeuten, oder eine gemischte Gruppe. Die weibliche Form kann nur eine weibliche Gruppe bedeuten.

    Eine Ausnahme bildet natürlich eine feministisch geprägte Sprache, die willentlich entwas anderes bedeuten will, aber nur verstanden wird, wenn der Hörer das weiß.

    Die Behauptung der feministischen Sprachreformer ist, dass die Asymetrie dazu führt, dass der Sprecher eher Männer vor Augen hat als Frauen, wenn die nur vorgeblich neutrale, maskuline Form benutzt wird; dass aber vorhandene Klischees auch einen starken Einfluß haben.

    Das bestreite ich nicht.

    Ich bestreite, dass es einfache Lösung gibt. Ich weiß nicht wie viele Versuche es gegeben hat die Sprache qua Verordnung zu reformieren. Dass es einer avantgardistischen Clique gelingen kann eine neue Art und Weise zu sprechen und zu schreiben zu etablieren bezweifle ich.

    Wir beobachten zur Zeit, wie versucht wird die reformierte Rechtschreibung zu etablieren, und ich denke, dass die übelsten Formen einfach abgelehnt werden. Es wurden einige häufige Fehler bei Groß-Kleinschreibung und Getrennt-Zusammenschreibung beobachtet und erwartet, dass eine Vereinfachung hier Fortschritt bringt, aber dafür sehen wir jetzt neue Fehler, die wir vorher nicht gesehen haben, etwa “bei zu bringen” u.ä.

    Die Reformtechniken gehen alle mit erheblichen Nachteilen einher. Beide Formen zu benutzen, und mit oder zu verknüpfen, führt zwar zu sprechbaren Sätzen, aber diese werden monströs. Das BInnen-i läßt sich mündlich nicht ausdrücken. Die Flucht in vorgeblich neutrale steht nicht immer offen und ist grammatisch oft falsch. “Der Studierende” bedeutet eben nicht “Der Student”. Wenn man sich darauf eingite, dass es aber ab sofort eine Person, die Student oder Studentin ist, bedeuten soll, dann fehlt eine Bezeichnung für die Person, welche gerade studiert. Was macht man mit alter Literatur und anderen Texten? Benennt man “Badende” um? Muss man ab sofort jeweils das präzise Datum eines Textes kennen, um ihn interpretieren zu können? Oder verschwinden Göthe, Schiller, Kleist, Brecht und Kafka aus unserem Literaturschatz, weil sie eine andere Sprache sprechen, die zu verstehen zukünftigen Generationen zu schwer ist, so wie uns heute Walther v.d. Vogelweide sprachlich zu weit weg ist, um es, ohne große Überarbeitung zu lesen?

    Für ein paar Lichtgestalten d. Literatur würde man eine Neufassung noch in Angriff nehmen, aber der Großteil der Texte ging einfach verloren. Fraglich wäre, ob ein Schüler, der mit der neugestalteten Sprache groß wird, noch Zeitungsartikel über Brands Kniefall in Polen verstehen würde oder Material aus der Zeit des Mauerfalls.

    Bei allen alten Texten, die offen lassen, ob nur Männer gemeint sind, oder ob das Geschlecht unbestimmt ist, müsste eine Neufassung entweder eine ultimative Entscheidung fällen, oder ein unlesbares, kafkaeskes Sprachlabyrinth aus den Texten machen – eine No-Go-Aerea für alle ausländischen Deutschstudenten v.a.

    Vom Himmel
    In sich muss man ihn suchen. Er blüht am liebsten im Menschen. Und wer ihn gefunden hat, ganz zart noch ein blaues Verwundern, ein seliges Aufblicken, der sollte seine Blüte Himmel pflegen. …


    Else Lasker-Schüler: Mein Herz, dtv, 1986, S. 45, Erstausgabe 1912

    Was machen wir da mit dem ‘der sollte seine’? ‘Der oder die sollte seine oder ihre’? Wer will da noch Deutsch lernen? Selbst Sprachen, die unserer ähnlich sind insofern als sie indogermanische Wurzeln haben werden, so fürchte ich, schreiend davonrennen, die Hände über den Köpfen zusammenschlagend “Die Deutschen, die Deutschen!”.

    Das war ein einfaches Beispiel. Hier für die Fortgeschrittenen:

    Du bist dort mein Liebhaber, erster Liebhaber, und ich fühlte wohl in den beiden Malen, wo wir dort aßen, daß auch in Dir verborgen wie in allen Männern das Talent zum Bonvivant steckt; aber ich auch nicht alleine die Dichterin und die Tino von Bagdad bin, nicht nur der Prinz von Theben, zu guterletzt nicht nur als Jussuf der Ägypter existiert habe, sondern ich auch ein ganz kleines Mädchen sein kann, das zum ersten Mal von einem Herrn zu Kempinski zum Abendbrot mitgenommen wird und Geschmack an Kaviar und Ente mit Mirabellen findet, sich aber noch schüttelt entsetzt vor der Schnecke in der geöffneten Muschel.


    ELS: S. 24 f.

    Wie könnte der Absatz in gerechter Sprache lauten, ohne den Text zu zerstören.

  154. #154 MartinB
    16. Dezember 2012

    @StefanW
    “Dort findet man keine explizit genannten Frauen, aber eine Gruppe Sozialarbeiter, die allerdings alle Frauen sein könnten. ”
    Herzlichen Glückwunsch. Damit hast du verstanden, dass das Maskulinum nicht generisch verstanden wird, sonst gäbe es zwischen der Wahrnehmung von “einige der Frauen” und “einige der Männer” keinen Unterschied.

    “Ich bestreite, dass es einfache Lösung gibt. ”
    Ich auch, das habe ich ja schon mehrfach geschrieben, deswegen schreibe ich manchmal so, manchmal so und probiere Dinge einfach aus. Deswegen steht oben am Ende desTextes aus gutem Grund auch nicht “Ab jetzt schreibe ich nur noch geschlechtsneutral nach den Richtlinien XY”, sondern “Grund genug, über geschlechtsneutrale Formulierungen nachzudenken. ”

    “Was macht man mit alter Literatur und anderen Texten?”
    Och nö, nicht auch noch das argument. Dann darf sich Sprache ja nie weiterentwickeln, wenn ich bei Goethe “Dirne” lese, denke ich ja auch nicht an eine Prostituierte. Wir haben größere Veränderungen überstanden als diese kleinen Verschiebungen.

    “Wie könnte der Absatz in gerechter Sprache lauten, ohne den Text zu zerstören.”
    Für den ersten Satz mittel- bis langfristig nur durch einführung geschlechstneutraler Artikel und Pronomina, so wie man (mensch/frau) im Englischen für eine generische 3. Person Singular inzwischen “they” sagen darf.

    Du vermischt zwei ganz unterschiedliche Fragen, das ist das Problem:
    1. Wird das generische maskulinum wirklich generisch verstanden (und wenn nicht, wie stark wirkt es diskriminierend)?
    2. Wie könnte eine geschlechtsneutrale Sprache aussehen?
    Dass man die Antwort auf die zweite Frage nicht perfekt parat hat, impliziert eben nicht (wie in der Diskussion ja immer wieder angenommen), dass die Antwort auf die erste Frage “nein” ist

  155. #155 Stefan W.
    17. Dezember 2012

    Du willst hier wirklich die Bedeutung eines einzelnen Wortes wie ‘Dirn’, die sich in einer Fußnote abhandeln läßt, so der Leser nicht schon von “Spannenlanger Hansel, nudeldicke Dirn – gehn wir in den Garten, ernten wir die Birn’ ausreichend vorbereitet ist mit einer Unzahl von Texten, von Jahrgängen an Zeitungen, von Büchern, von wissenschaftlichen Aufsätzen, von Texten aller Art vergleichen, inklusive solchen aus jüngster und allerjüngster Zeit?

    “Was macht man mit alter Literatur und anderen Texten?” Och nö, nicht auch noch das argument. Dann darf sich Sprache ja nie weiterentwickeln, …

    Ja, schon dieses Argument. Soweit sich die Sprache sonst weiterentwickelt geschieht dies ja selten über politische Willensbekundung.

    Wenn das Wort Dirne in der Bedeutung, die Göthe wählte, nicht mehr benutzt wird, und stattdessen anderweitig Verwendung gefunden hat, dann ist die Bedeutungsverschiebung eine Folge oder die Ursache einer gewandelten Realität? Wenn ich in verschiedenen Wörterbüchern nachschlage, etwa hier: https://woerterbuchnetz.de/cgi-bin/WBNetz/wbgui_py?sigle=Lexer&lemid=LD00441 und hier https://woerterbuchnetz.de/cgi-bin/WBNetz/wbgui_py?sigle=GWB&lemid=JD01545 , dann eröffnet sich mir ein Sittengemälde vergangener Zeiten. Von der jungen Magd muss man nicht weit denken, um auf die bezahlte Liebesdienerin zu kommen, oder?

    Ich meine man sieht an der jüngsten Rechtschreibreform, wie gut Reisbrettlösungen funktionieren. Es hatte einen Grund wieso man “nichtssagender Vortrag” geschrieben hat, und nicht “nichts sagender”. Die Sprache passt sich da an, wo der Textproduzent etwas verdeutlichen will, und ihm der konventionelle Ausdruck nicht mehr passt, und wo diese Enge nicht einen betrifft, sondern tausende, und wo eine sprachliche Lösung eine Vielzahl überzeugt.

    Ich sage nicht, dass die Sprache sich nicht weiterentwickeln darf, sondern dass da, wo sich die Sprache weiterentwickelt, sie das wie das Meer tut: Eine Flut hälst Du nicht auf, und halte ich nicht auf. Aber auch mit großen Eimern bewirken wir keine.

  156. #156 Dr. Webbaer
    17. Dezember 2012

    Weiß man hier denn mittlerweile, ob es ein generisches Maskulinum und weitergehender generische Feminina und generische Neutra gibt?

    MFG
    Dr. W (der auch mit einigem zeitlichen Abstand von dieser Aussage – ‘Im Deutschen gibt es kein generisches Maskulinum und die „generische“ Verwendung maskuliner Formen bringt keinen praktischen Vorteil mit sich.’ – entsetzt bleibt)

  157. #157 MartinB
    17. Dezember 2012

    @StefanW
    Wer sagt denn, dass die rechtschreibreform nicht funktioniert hat? Nur weil einige wenige Dinge nicht optimal waren?
    Und die “Dirne” war ja nur ein Gegenbeispiel von vielen möglichen. Siehe auch das Wort “Fräulein”.

  158. #158 Stefan W.
    17. Dezember 2012

    @MartinB: Auch wenn Du 2 Beispiele hast (Fräulein) bleiben es einzelne Worte.

    “Studierende” ist keine Änderung eines Wortes, sondern der Versuch die Grammatik zu ändern. Würde man eine neue Form einführen, dann würde man zumindest bestehendes nicht beschädigen.

    Es gibt aber das Wort “Studierende” schon, und es bedeutet etwas anderes. Der Bedarf das Wort in der alten Bedeutung zu benutzen verschwindet doch nicht durch eine neue, zusätzliche Bedeutung.

    Gibt es historische Beispiele für eine geplante Reform der Grammatik?

    Da das Thema seit den 70ern umläuft müsste es ja längst Profis aus den Sprachwissenschaften erreicht haben, die sich selbst einen Kopf darüber machen, was man tun könnte, um geschlechtergerecht zu sprechen und zu schreiben. Ich habe nichts dagegen, mir selbst für eine halbe Stunde den Kopf zu zerbrechen, in der Hoffnung als blindes Huhn ein Korn zu finden, aber wenn andere mit mehr Expertise und mehr Leidenschaft in 30, 40 Jahren nicht fündig geworden sind, dann darf ich vielleicht fragen wieso nicht.

    Ist es zuviel verlangt eine Reform zu verlangen, die die gegenwärtige Sprache nicht im Nachhinein doppeldeutig macht?

    Wenn die Reformwilligen über billige Ad-hoc-Vorschläge, die selbst laienhafter Kritik wie meiner nicht standhalten nicht hinausgekommen sind, dann scheint es ihnen ja selbst nicht so wichtig zu sein.

  159. #159 MartinB
    18. Dezember 2012

    @StefanW
    “Es gibt aber das Wort “Studierende” schon, und es bedeutet etwas anderes.”
    Nicht mehr, tut mir Leid, da ist die Sprachentwicklung weitergegangen. “Expertise” bedeutet auch inzwischen “Fachwissen”, selbst im Deutschen, weil es jeder (fälschlicherweise) so benutzt.

    “Ist es zuviel verlangt eine Reform zu verlangen, die die gegenwärtige Sprache nicht im Nachhinein doppeldeutig macht? ”
    Ja das ist zu viel verlangt.
    Jede noch so kleine Änderung der Sprache wird an irgendeiner Stelle einen Sprachpuristen auf den Plan rufen, das zeigt ja schon die minimal-Reform der Rechtschreibung.
    Und schon jetzt *ist* unsere gegenwärtige Sprache doppeldeutig, weil beim Wort “Radfahrer” nicht klar ist, ob es sich um ein echtes oder ein generisches Maskulinum handelt. Wir würden also eine häufige Doppeldeutigkeit loswerden.

  160. #160 Dr. Webbaer
    18. Dezember 2012

    Und schon jetzt *ist* unsere gegenwärtige Sprache doppeldeutig, weil beim Wort “Radfahrer” nicht klar ist, ob es sich um ein echtes oder ein generisches Maskulinum handelt.

    Eigentlich nicht, denn ist es ein “echtes” Maskulinum, so bestimmt dessen Genus nicht den Sexus, also das biologische Geschlecht. Ist es dagegen ein “generisches” Maskulinum, so gilt dasselbe.

    Erst die seit ca. 40 Jahren bereitstehende Sexualisierung der Sprache fordert den Sexus hinzuzubauen. Und erst dadurch wird semantisch unklar, was gemeint war.

  161. #161 Stefan W.
    18. Dezember 2012

    @MartinB:

    Kann ich also sagen: “Das sind Dieter und Klaus, zwei Mathematikstudierende.”?

    In einer Konferenz zum Problem der Bummelstudenten, kann ich da sagen “die nicht studierenden Studierenden…”?

    Bei einer Mordserie am Campus, kann man da vom “Studierendenmordenden” reden? “Der oder die Studierendenmordende ist noch immer nicht gefasst!”.

    Urteilen Sie selbst!

  162. #162 MartinB
    18. Dezember 2012

    @StefanW
    Ob wir das schön finden oder nicht – die Sprache ändert sich nun mal (siehe Expertise, finde ich persönlich blöd). “Studierende” hat sich inzwischen als Alternativ-Begriff durchgesetzt. Ob sich die Gerund-Endung generell als geschlechtsneutrale Endung durchsetzen wird, weiß ich nicht (woher auch).

  163. #164 Dr. Webbaer
    18. Dezember 2012

    Kleiner Hinweis zu ‘die Studierenden’:
    ‘Die Studierenden’ entsprechen dem Partizip Präsens Aktiv des lateinischen ‘studere’:
    -> https://www.frag-caesar.de/lateinwoerterbuch/studere-uebersetzung.html

    Diese “Grund-Endung” wird sprachlich aber sehr problematisch, wenn die Handlung beendet ist, d.h. ‘der Mörder’ kann nicht zum ‘Mordenden’ werden. Hier ist sprachlich eine Sackgasse, man wird mit dieser “Grund-Endung” also nicht umfänglich glücklich werden.

    HTH
    Dr. W

  164. #165 MartinB
    18. Dezember 2012

    @Wb
    Es heißt nicht “Grund”, sondern “Gerund” (von “gerundium”), siehe mein letzter Kommentar.
    Wenn man keine Ahnung hat…

  165. #166 Dr. Webbaer
    18. Dezember 2012

    Es handelt sich [1] bei ‘der Studierende’ um ein substantiviertes Partizip Präsens Aktiv und bei ‘das Studieren’ um das Gerundium.

    MFG
    Dr. W

    [1] Sie dürfen natürlich gerne herabsetzen, stört hier nicht weiter, sagt aber aus…

  166. #167 Stefan W.
    demystifikation.wordpress.com 4:37
    19. Dezember 2012

    @MartinB: Wir sagen jetzt alle “Grundendung” (Grunden-Dung 🙂 ). Sprache ändert sich! 🙂 Onkel Webbär hat schon angefangen (leider auch vorschnell wieder aufgegeben).

    “Studierende” hat sich in einer kleinen Clique durchgesetzt. Wie lange das halten wird wird man sehen. Oder auch nicht, weil die Mühlen der Sprache nicht immer so schnell malen.

    “Studierende” war aber nur ein Beispiel. Die Frage war ja, ob die Grammatik insgesamt derart umgestülpt werden soll. “Trinkende” statt “Trinker”. Allerdings klappt es bei “Alkoholiker” überhaupt nicht. Oder “Brasilianer”. Sprechende, Singende, Erste Geigende, Zweite Geigende, Dirigierende, … – da würde es gehen. Der Findendelohn, der Kaufendenschutz, die Tauchendenglocke, das Nichtschwimmendenbecken.

    Als Gesellschaftsspiel für lange Winterabende (klingt auch schon wie so ein Gerundum: Winterabende: Der Winterabende und die Winterabende trafen sich – macht zwei Winterabenden) – wer findet das scheußlichste Gerund.

  167. #168 Stefan W.
    19. Dezember 2012

    Nachtrag Googleranking:

    Studentenrevolte: About 68,000 results (0.32 seconds)
    Studierendenrevolte: About 2,810 results (0.34 seconds)

    Studentenproteste About 347,000 results
    Studierendenproteste About 19,100 results

  168. #169 MartinB
    19. Dezember 2012

    @StefanW
    “Die Frage war ja, ob die Grammatik insgesamt derart umgestülpt werden soll. ”
    Und dazu habe ich klar etwas geschrieben – nämlich, dass ich nicht weiß, ob sich das durchsetzt/durchsetzen soll.
    So what?

  169. #170 MartinB
    19. Dezember 2012

    @Wb
    Sorry, war mein fehler.

  170. #171 Stefan W.
    demystifikation.wordpress.com 13:37
    19. Dezember 2012

    So what?

    So what? Ernsthaft?

    Die Alternative zum Umbau der Grammatik ist ja, dass man von Fall zu Fall entscheidet (Studierende ja, Kindergärtnernde nein) – aber wer? Die Schulbuch- und Wörterbuchverlage? Was bringt man den Kindern bei, wie schreibt die Verwaltung, was lernen Fremdsprachige?

    Wenn man nicht den feigen Opportunismus der dt. Politiker kennen würde, dann würde man sich wünschen, dass das rational durchdacht wird, dass es ausgiebig durchforscht und dann aufgeklärt aber unaufgeregt diskutiert wird.

    Womöglich ist es für die Sprache besser wenn jeder macht wie er will, und sich langfristig die Sprache durchsetzt, die besser ist.

  171. #172 MartinB
    19. Dezember 2012

    @Stefan
    Es wird sich vermutlich eine unlogische Mischregel durchsetzen, bei der einige Wörter wie “Studierende” so verwendet werden, andere nicht.
    Mein “so what” bedeutete lediglich, dass niemand behauptet hat, die “nde”-Endung wäre das Allheilmittel.

  172. #173 Stefan W.
    demystifikation.wordpress.com 23:03
    20. Dezember 2012

    @MartinB: “Mischregel” hier ein Euphemismus für “Salat”? Weil – was wäre die Regel? Das, was man zerstört hat.

  173. #174 Dr. Webbaer
    20. Dezember 2012

    ‘Studierende’ ist sicherlich OK, auch weil das Substantiv als substantiviertes Partizip Präsens Aktiv genau dem (lateinischen) ‘Studenten’ entsprecht, insofern darf man hier gerne kreativ sein, wenn es einigen Freude macht.

    Beispielsweise bei den Geigenden oder den Autofahrenden gibt es dann leider die Kollision mit dem Präsens. Die sind ja nicht durchgehend dabei zu geigen oder Auto zu fahren.

    Den Sexus kann man versuchen zu “markieren” (so ist wohl das Fachwort), so ist bspw. die Lehrerin oder Ärztin als das biologische Geschlecht betreffend markiert.
    Markierungen dieser Art gibt schon länger (‘Müllerin’, ‘Bäuerin’), waren aber nie sonderlich populär.
    Man will halt oft nicht wissen, wessen Geschlechts eine Person ist.

    MFG
    Dr. W

  174. #175 MartinB
    20. Dezember 2012

    @StefanW
    Ja, die Sprache wäre dann unlogisch, das wäre natürlich ganz was neues [Riechsalz-reich].
    Einerseits wehrt man sich mit dem Argument “Aber Sprache entwickelt sich doch natürlich”, andererseits heißt es dann plötzlich “diese Entwicklung wollen wir nicht, weil unlogisch”. Wie denn nun?

  175. #176 Dr. Webbaer
    20. Dezember 2012

    Womöglich ist es für die Sprache besser wenn jeder macht wie er will, und sich langfristig die Sprache durchsetzt, die besser ist.

    So sollte es sein, bis die Linguisten (auch die “Linguisten”) vor vielleicht 50 Jahren anfingen die Semantik politisch zu verwerten und die Grammatik “ein wenig” unterzuordnen.

    Luther hat noch ganz so geredet, wie er es für richtig hielt, lange ist man diesem Beispiel gefolgt.

    Im Fachvokabular, auch in den Vertrags- und Gesetzestexten bedurfte es dann aber einer Standardisierung, die derart ausfiel, dass “Politika” die Sprache betreffend gemieden wurden: Man blieb der Klarheit (oder: Richtigkeit/Gerechtigkeit) halber bei den generischen Genera.

    MFG
    Dr. W

  176. #177 Stefan W.
    22. Dezember 2012

    @MartinB:

    Einerseits wehrt man sich mit dem Argument “Aber Sprache entwickelt sich doch natürlich”, andererseits heißt es dann plötzlich “diese Entwicklung wollen wir nicht, weil unlogisch”. Wie denn nun?

    Ich habe den Stein der Weisen nicht gefunden. Es würde mich aber sehr wundern, wenn Sie mir einen Satz nachweisen würden, wo ich gesagt haben soll, die Sprache entwickle sich natürlich.

    Es gibt wohl wenig was so originär kulturell ist, und damit im krassen Gegensatz zur Natur stünde, wie die Sprache.

    Der Mensch macht die Sprache, aber er macht sie nicht wie ein Architekt ein Haus baut, sondern so, wie die Bevölkerung Städte bildet.

    Und die Sprache wird nicht gemäß Gesetzen gebaut, sondern die Sprachforscher versuchen die Gesetzmäßigkeiten zu ergründen, nach denen die Sprache gebaut ist.

    Das klingt vielleicht paradox, aber ich glaube nicht, dass ein Sprachmeister den Genitiv erfunden hat, und dann dem Volk verordnet hat. Ich weiß aber zuwenig darüber, wie Sprache entsteht und sich wandelt, um einen plausiblen Prozess darzustellen.

    Die Sprache ist nicht nach einfachen Regeln gebaut und hat an jeder Ecke Ausnahmen, aber für das Lernen ist es schade für jede Regelmäßigkeit die verletzt oder aufgegeben wird – das erlaube ich mir zu postulieren.

    Kann es sein, dass die Evolution der Sprache vor allem in Richtung von mehr Regelhaftigkeit geht, und Sonderformen abgeschliffen oder ausgemerzt werden?

    Alle Leute die ich kenne protestieren, wenn Regeln, die sie kennen verletzt werden. Auch die, die auf einem sehr niedrigen Niveau Deutsch sprechen oder schreiben verbessern jene, die es noch schlechter können.

  177. #178 MartinB
    22. Dezember 2012

    @StefanW
    Das meinte ich ja mit “natürlich”.
    Und na klar wird Sprache auch mal von oben verordnet, siehe zum Beispiel die Entwicklung vom Angelsächsischen zum Englischen durch die Einführung französischer Worte durch die Normannen. (Von der Academie Francais gar nicht zu reden…) Manchmal klappt das sogar.
    Aber wenn sich eben “Studierende” durchsetzt, aber “Mordende” nicht, dann ist das nicht von irgendwem verordnet, sondern einfach so passiert, weil viele, die über studierende schreiben, geschlechtsneutrale Sprache wichtig finden.
    “Kann es sein, dass die Evolution der Sprache vor allem in Richtung von mehr Regelhaftigkeit geht, und Sonderformen abgeschliffen oder ausgemerzt werden? ”
    Nein, das ist zwar eine Entwiclungstendenz, aber es gibt auch die gegenteilige, das eine SPrache sich durch Einführung zusätzlicher Fälle etc. immer weiter kompliziert. Und zumindest für MuttersprachlerInnen ist das auch kein Problem: Die Engländer haben etwa 200 unregelmäßige Verben, wenn ich mich recht entsinne (siehe Pinker “Words and Rules”), das Deutsche hat tausende.

  178. #179 Stefan W.
    https://demystifikation.wordpress.com 5:40
    1. Januar 2013

    Aber wenn sich eben “Studierende” durchsetzt, aber “Mordende” nicht, dann ist das nicht von irgendwem verordnet, sondern einfach so passiert, weil viele, die über studierende schreiben, geschlechtsneutrale Sprache wichtig finden.

    “Studierende” wird eben sehr wohl verordnet, nur dass die, die es sich verordnen lassen zu faul sind, sich gründlich Gedanken zu machen, und das auch nicht gewohnt sind, und auch noch nie dafür belohnt wurden, und opportunistisch ohnehin.

    Aber so wie alle Politisierenden fordern können, dass wir die Sprache umbauen, so fordere ich, das zu lassen. In einer besseren Welt würde das bessere Argument gewinnen. 😉

    Die Sprache wird übrigens durch das permanente Pfuschen nicht neutralisiert, sondern ganz im Gegenteil wird die Sprache erst geschlechtsbetont.

  179. #180 rolak
    1. Januar 2013

    Zum Thema gibt es einen imho schönen & guten Vortrag vom nicht unbekannten Anatol Stefanovitsch, der sogar schon bei fem-net abrufbar ist. Na, wer hatte bei dem Namen / der url zuerst mal falsche Assoziationen? 😉
    Besonders einleuchtend (ja, michse sein IT) die perl-Gleichnisse.

  180. #181 MartinB
    1. Januar 2013

    @StefanW
    Ach so, wenn Leute ein neues Wort wie “Studierende” annehmen, dann nur, weil sie zu faul, doof etc. sind. Während sich die ach so geschlechtsneutrale Sprache natürlich auf Basis ganz rationaler Erwägungen durchgesetzt hat, ist klar.

    “Die Sprache wird übrigens durch das permanente Pfuschen nicht neutralisiert, sondern ganz im Gegenteil wird die Sprache erst geschlechtsbetont.”
    citation seriously needed, wie man so sagt.

  181. #182 Stefan W.
    https://demystifikation.wordpress.com 04:30 Uhr
    4. Januar 2013

    @rolak: Hier https://demystifikation.wordpress.com/2013/01/04/der-mayoran-die-majonase habe ich dem manches entgegengesetzt.

    @MartinB: “Studierende” ist kein neues Wort, sondern ein altes. Es soll ihm nur eine neue Bedeutung untergeschoben werden, in dem man sich in die Rolle eines funktionalen Analphabeten begibt, und so tut, als sei einem der subtile Unterschied nicht bewusst. Muss ich nochmal Schlafende gegen Schläfer, Schafhütende gegen Schäfer, Trinkende gegen Trinker und Faulende gegen Faule ins Feld führen?

    Ich glaube auch nicht dass ich behauptet hätte, die Sprache sei geschlechtsneutral. Das ist sie – leicht erkennbar – nicht. Sie ist auch nicht symetrisch.

    Aber es gibt die falsche Idee, dass sie symetrisch sein sollte, und dass damit etwas besser wäre. Das bestreite ich.

    Zuletzt wäre ich derjenige, der behauptet, die Sprache sei rational am Reisbrett entstanden. Eben! Es hat keinen Rat der Oberchauvis, Maskulinisten und Machos gegeben, bei dem diese verabredet haben, die Frauen ab sofort gehörig zu unterdrücken und diese zu diskriminieren. Insbesondere hat sich kein Gremium überlegt, Leute die lehren Lehrer zu nennen, und, wenn man nur weibliche solche bezeichnen will, deren Geschlecht man hervorheben will, ein ~in anzuhängen.

    citation seriously needed

    Angenommen jemand behauptet, dass in diesem Satzteil die Person, der unterstellt wird, etwas gesagt zu haben, geschlechtlich vage bleibt, während in jenem Satzteil, in dem von jefraud anderer die Rede ist, das Geschlecht auffällt wie die berühmte Tarantel auf der Sahnetorte, für diese Behauptung brauche ich ein Zitat?

    Wen soll ich dafür denn zitieren? Herrn Stefanovitsch, Frau Schwarzer, Herrn Konrad Duden, die Brüder Grimm, Herrn Luther oder wen? 🙂

    Die Avantgarde zitiert nicht, die Avantgarde wird zitiert. (Urheber unbekannt – citation pending).

  182. #183 MartinB
    4. Januar 2013

    @StefanW
    “Es soll ihm nur eine neue Bedeutung untergeschoben werden”
    Ja, und das passiert ständig. Jedesmal, wenn einer “Expertise” sagt und “Fachkenntnis” meint, begibt er sich auch in die Rolle eines Sprachunkundigen – weiul das Wort im Deutschen nun mal nicht “Fachkenntnis” bedeutet. Oder besser gesagt, bedeutete – inzwischen hat sich die Bedeutung gewandelt. Genauso versteht inzwischen vermutlich jeder Studi, dass “Studierende” die geschlechtsneutrale Form von Student ist und hängt sich nicht an der urpsrünlgichen grammatischen Konstruktion auf (“Student” ist übrigens ja auch nur ein Partizip präsens im Lateinischen – die gleiche von dir beklagte “Unlogik” hat sich also schon mal durchgesetzt.)

    “Aber es gibt die falsche Idee, dass sie symetrisch sein sollte, und dass damit etwas besser wäre. Das bestreite ich. ”
    Und damit ist alles gesagt. Schön, dass du aus der privilegierten Position desjenigen, der durch die Sprache bevorzugt wird, beschlossen hast, dass eine geschlechtsneutrale Sprache unnötig ist.

    “Wen soll ich dafür denn zitieren? ”
    Eine wissenschaftliche Untersuchung, die zeigt, dass das so ist – so wie ich im Blogtext eine zitiert habe?

  183. #184 Stefan W.
    https://demystifikation.wordpress.com/2013/01/04/der-mayoran-die-majonase/ 13:17
    4. Januar 2013

    Was heißt denn ‘Expertise’?
    Gutachten?

    Aber weil die Leute diese Bedeutung nicht kennen akzeptieren sie auch “Fachkenntnis”, was sie aus dem Englischen kennen, als neues Fremdwort i.A.?

    Studierende, Faulende, Stauende und ähnliche Konstruktionen kennen die Leute aber. Das ist der Punkt, den Du unter den Tisch fallen lassen musst, um zu Deiner Expertise zu kommen, und deswegen taugt sie nichts.

    Und dass ich durch die Sprache priviligiert bin, das bestreite ich übrigens, das kannst Du in der Argumentation nicht gegen mich anführen, weil es zum Bereich des Strittigen zählt, das erst noch gezeigt werden müsste.

    Welches Privileg ist es, wenn man mit Kanalarbeitern, Mördern und Steuerbetrügern eher assoziiert wird als eine Person weiblichen Geschlechts?

  184. #185 Niels
    4. Januar 2013

    @Stefan W.
    Ich bezweifle irgendwie, dass du das Wort “Studierende” in seiner angeblichen “Ursprungsbedeutung” irgendwann schon einmal verwendet hast.
    Mir ist dieser Gebrauch jedenfalls noch nie untergekommen, auch wenn er theoretisch möglich ist.
    Deswegen geht mir dieser Verlust irgendwie nicht so furchtbar nahe.
    Den subtile Unterschied zwischen Schlafende und Schläfer kenne ich tatsächlich nicht. Oder verwendest du letzeres nur für eingeschleuste Spione/Terroristen? Das stellt wohl kaum die ursprüngliche Bedeutung dar und es ist wahrscheinlich letztlich nur dem Zufall bzw. der Gebrauchshäufigkeit geschuldet, dass der Begriff “Schläfer” statt “Schlafender” diese Zusatzbedeutung bekommen hat.

    Aber es gibt die falsche Idee, dass sie symetrisch sein sollte, und dass damit etwas besser wäre. Das bestreite ich.

    Genau hier fängt doch die eigentliche Diskussion an, die du aber leider nicht führen willst.
    Du betonst und wiederholst nur immer wieder, dass eine Änderung der Sprache sie unästhetisch und unpraktisch machen würde.
    Kann ja sein, hat aber eigentlich wenig mit dem Thema zu tun, denn das beweist oder zeigt natürlich nicht, dass mit einer veränderten Sprache keinesfalls irgend “etwas besser wäre”.
    Dazu hast du überhaupt noch nichts geliefert.

    Deine Argumente spielen doch erst dann eine Rolle, wenn es darum geht, ob die Vorteile oder die Nachteile bei einer Änderung überwiegen.

  185. #186 MartinB
    4. Januar 2013

    @StefanW
    “Was heißt denn ‘Expertise’?
    Gutachten? ”
    Richtig.

    “Studierende, Faulende, Stauende und ähnliche Konstruktionen kennen die Leute aber. ”
    “Die leute” (wer immer das ist) akzeptieren das Wort “Studierende” aber trotzdem. Sprache ändert sich, auch Wortbedeutungen von Worten, die jeder kennt, können sich ändern (z.B. “Dirne”, “Weib”).

    “Und dass ich durch die Sprache priviligiert bin, das bestreite ich übrigens… Welches Privileg ist es, wenn man mit Kanalarbeitern, Mördern und Steuerbetrügern eher assoziiert wird ”
    Das Privileg besteht dari, dass du zu der Gruppe gehörst, an die zuerst gedacht wird, wenn eine (angeblich neutrale) Foermulierung gebraucht wird. Es ist das Privileg desjenigen, der der gruppe der “default”-Menschen angehört, also der Gruppe, bei der es keines besonderen sprachlichen Zusatzes bedarf. Die Aufforderung “Nenne deinen Lieblingsschriftsteller” führt zu mehr männlichen Namensnennungen als die Aufforderung “Nenne deinen Lieblingsschriftsteller oder deine Lieblingsschriftstelleruin” (siehe mein erster Text zu diesem Thema). Und dass auch der default-Mörder ein Mann ist, schwächt dieses Privileg nicht ab.

  186. #187 Stefan W.
    4. Januar 2013

    Die Frage ist, wieso der Begriff Mörder das Argument nicht abschwächt.

    Nenne deinen Lieblingsschriftsteller oder deine Lieblingsschriftstellerin

    Das kann der Befragte als Hinweis deuten, dass hier soziale Kontrolle ausgeübt wird: Wenn extra nach Frauen gefragt wird, dann sind diese womöglich besonders erwünscht, obwohl es bei den besten Schriftstellern – ein schwer zu operationalisierender Begriff, zugegeben – mehr Männer gibt als Frauen.

    Es wäre vielleicht besser nach Popmusikern gefragt worden, wo in jüngster Zeit – seit das Auge stärker mithört, würde ich sagen – erkennbar häufig Frauen in vorderster Linie stehen und tanzen.

  187. #188 MartinB
    4. Januar 2013

    @StefanW
    “Die Frage ist, wieso der Begriff Mörder das Argument nicht abschwächt. ”
    Weil derjenige, der zur “default”-Gruppe gehört (in unserem Fall hier also der Mann) auch in diesem Fall über andere Eigenschaten definiert wird, während Frauen immer als erstes Frau und erst dann etwas anderes sind. So oder so stützt die Sprache die denkweise “Menschen sind Männer, es sei denn, etwas anderes wird explizit gesagt”.

  188. #189 Stefan W.
    5. Januar 2013

    Weil derjenige, der zur “default”-Gruppe gehört (in unserem Fall hier also der Mann) auch in diesem Fall über andere Eigenschaten definiert wird, während Frauen immer als erstes Frau und erst dann etwas anderes sind. So oder so stützt die Sprache die denkweise “Menschen sind Männer, es sei denn, etwas anderes wird explizit gesagt”.

    Ich weiß nicht – ich habe hier nur den Begriff “Mörder” in den Raum gestellt, als Beispiel dafür, dass ein Begriff, der Männer wie Frauen meinen kann, nicht notwendig positive Assoziationen transportiert, und so müsste das männliche Selbstbild, wenn es ständig durch “Doktor, Minister, Student” aufgewertet wird, auch ständig durch “Steuerhinterzieher, Loser, Versager” abgewertet werden.

    Du schreibst nun, Männer würden auch über andere Eigenschaften definiert – darum geht es aber hier gar nicht, weil ja die im Hintergrund lauernde Frage doch ist – oder habe ich das falsch verstanden? – dass junge Mädchen, die noch gar nicht Studentin sind, immer “Student” hören, und “Mann” denken, während junge Männer, die auch noch nicht Student sind, ebenfalls so denken.

    Wenn sich also so ein Rollenverständnis bildet, dann müssten sich auch alle negativen Allgemeinbegriffe am männlichen ansiedeln, und es wäre zu zeigen, wieso die positiven Begriffe so stimulierend wirken sollen, die negativen aber nicht entgegengesetzt.

    während Frauen immer als erstes Frau und erst dann etwas anderes sind.

    Der ganze Gedanke ist doch Quatsch. Ich bin Mann und dunkelhaarig und blauäugig gleichzeitig – eine Reihenfolge der Eigenschaften anzunehmen ist Blödsinn. Für Frauen natürlich auch.

    Wenn ich zu meiner Ärztin gehe, dann ist sie für mich in erster Linie meine Ärztin, und nicht eine Frau. Die Bäckerin oder Verkäuferin in der Bäckerei ist die Person, die mir meine Schrippen aushändigen soll – steht morgen ein Mann da, ist es mir auch recht. Verkauft die Frau Vorhänge bei C&A kaufe ich trotzdem weiter Brötchen. Verkauft in einer anderen Bäckerei eine Frau Brötchen gehe ich trotzdem zu der Bäckerei, die näher ist.

    Was ist das für ein Dogma, dass Frauen zuerst Frauen sind? Wer legt das fest? Du?

    So oder so stützt die Sprache die denkweise “Menschen sind Männer, es sei denn, etwas anderes wird explizit gesagt”.

    Das Belles-Lettres-Video hast Du gar nicht geschaut, oder?

    Mensch ist primär mal geschlechtlich undefiniert. Um Frauen gesondert hervorzuheben wurden eigene Formen gebildet. Erst in einem Umkehrschluss wurde dann die unspezifische Form auch zu der Form, die “Nichtfrau” bedeutet.

    Mir scheint hier ein magisches Denken am Werk, im Dienste einer Verschwörungstheorie, wonach einige Männer am Übergang der letzten, großen Sprachverschiebung erraten haben, dass mit der Sprache eine Diskriminierung durchsetzbar wäre, die sich mehrere hundert Jahre später von cleveren Sprach- und Genderforschern kaum würde nachweisen lassen, aber dennoch haben sie es geschafft diese Sprache nicht nur den Geschlechtsgenossen beizubringen, sondern auch den unterdrückten Frauen, die ohne Widerstand diese Sprachreform übernommen haben.

    Du willst gleichzeitig Frauen an allen denkbaren Stellen in der Sprache sichtbar machen, in dem diese gesondert genannt werden, und gleichzeitig beschwerst Du Dich, Frauen würden immer und überall zuerst als Frauen wahrgenommen. Ist das nicht auch ein Widerspruch?

  189. #190 MartinB
    5. Januar 2013

    “Wenn sich also so ein Rollenverständnis bildet, dann müssten sich auch alle negativen Allgemeinbegriffe am männlichen ansiedeln, und es wäre zu zeigen, wieso die positiven Begriffe so stimulierend wirken sollen, die negativen aber nicht entgegengesetzt.”
    Du hast es immer noch nicht verstanden. Es geht nicht um positiv oder negativ, sondern um die Default-Position.

    “Wenn ich zu meiner Ärztin gehe, dann ist sie für mich in erster Linie meine Ärztin, und nicht eine Frau.”
    Das erinnert an die Behauptung (meist weißer Personen) “I see no color”, wenn es um Rassismus geht. Ansonsten amüsant, dass du – als vertreter des genrischen Maskulinums – nicht geschrieben hast “wenn ich zu meinem Arzt gehe…”.
    Du hast schon mit dem Wort “Ärztin” das Geschlecht eindeutig gemacht und behauptest dann, es sei irrelevant.

    “Das Belles-Lettres-Video hast Du gar nicht geschaut, oder? ”
    Nein, ich schaue keine Videos im Internet – zum einen sind mir die meist vom Tempo der Informationsvermittlung zu quälend langsam, zum anderen kann man sie schlecht zitieren. Hast du denn inzwischen den Hofstadter-text gelesen?

    “Um Frauen gesondert hervorzuheben wurden eigene Formen gebildet. ”
    Aha. Mensch ist unspoezifisch, und Frauen müssen gesondert hervorgehoben werden. Merkst du was? Männer müssen eben nach dieser Logik zunächst nicht hervorgehoben werden, das ist das, was ich mit default meine.

    “wonach einige Männer am Übergang der letzten, großen Sprachverschiebung erraten haben, dass mit der Sprache eine Diskriminierung durchsetzbar wäre, ”
    Nein. Die Sprache ist ein Ausdruck der gesellschaftlichen Diskriminierung der Frauen, nicht ihre Ursache. Sie wirkt aber heutzutage insofern zementierend, als dass sie eben suggeriert, dass der “Normal-Mensch” mänlich ist und Menschen, die das nicht sind, einer besodneren Hervorhebung bedürfen.

    Ich glaube, dieser Link (Abschnitt 1.1-1.5) hier fasst die Argumentation sehr gut zusammen:
    https://plato.stanford.edu/entries/feminism-language/

    “sondern auch den unterdrückten Frauen, die ohne Widerstand diese Sprachreform übernommen haben. ”
    Es ist sowohl bei der Gleichberechtigung von Frauen als auch von unterschiedlichen “Rassen” ein bekanntes Phänomen, dass auch Frauen das Patriarchat und Farbige das System der Vorherrschaft der Weißen unterstützen. (Das ist jetzt Feminism 101.)

    “Ist das nicht auch ein Widerspruch?”
    Ja, ist es. Der Widerspruch ist mir auch bewusst, weswegen ich hier im Blog ja gerade nicht immer ein und dieselbe Formulierungstechnik wähle, sondern mal mit Binnen-I arbeite, mal nur weibliche Formen verwende und mal “ganz normal” schreibe. Deswegen ja auch mein Vorschlag, einfach mal das generische Femininum zu erfinden, da sind dann eben Männer immer mitgemeint, wenn ich “Ärztin” sage.

    Ansonsten vergleiche ich das gern mit einem Regelkreis: Wenn man einen bestimmten Sollwert einer Größe einstellen will, dann geht das oft am effizientesten (weil das System eine bestimmte Trägheit besitzt), wenn man erst einmal etwas über den Sollwert hinausregelt und dann wieder gegensteuert.

    Ich habe schon mehrfach gesagt, dass ich keine wirklich gute Lösung für das problem kenne. Das ändert aber nichts daran, dass es ein Problem ist – was du ja bestreitest. Solange du das tust, brauchen wir über Lösungen nicht zu diskutieren, weil du nicht akzeptierst, dass da etwas zu lösen ist.

  190. #191 Stefan W.
    demystifikation.wordpress.com
    5. Januar 2013

    Du hast es immer noch nicht verstanden. Es geht nicht um positiv oder negativ, sondern um die Default-Position.

    Das hängt doch zusammen. Wieso sollte man sich sonst für die Defaultposition interessieren?

    Das erinnert an die Behauptung (meist weißer Personen) “I see no color”, wenn es um Rassismus geht. Ansonsten amüsant, dass du – als vertreter des genrischen Maskulinums – nicht geschrieben hast “wenn ich zu meinem Arzt gehe…”.

    Das ist überhaupt nicht amüsant, sondern zeigt, dass Du durch die Sprachpanscherei nicht mehr verstehst, was gemeint ist.

    Dass ich die Ärztin als weiblich kennzeichne hat den Grund, dass es hier drauf ankommt, ob es eine Frau ist oder ein Mann. Ich hätte allenfalls “weiblicher Arzt” schreiben können. Sie muss ja weiblich sein, wenn ihr Weibsein nicht die erste Geige spielt.

    Es ist unerheblich für mich, ob mein Hausarzt Frau oder Mann ist, aber weil es eine Frau ist eignet sie sich als Beispiel. Ein klein wenig den Geist anzustrengen darf ich doch bitte erwarten.

    Hast du denn inzwischen den Hofstadter-text gelesen?

    Der ist doch satirisch – nein? Du hast ja nichts verlinkt, aber ich bin dann anderen Hinweisen gefolgt, und das war ein etwa 3-5 Bildschirmseitenlanger Text auf Englisch, nicht? Wo “he” und “she” irgendwie vermanscht wurde.

    Aha. Mensch ist unspoezifisch, und Frauen müssen gesondert hervorgehoben werden. Merkst du was? Männer müssen eben nach dieser Logik zunächst nicht hervorgehoben werden, das ist das, was ich mit default meine.

    Ich merke sehr wohl so einiges. Manchmal merke ich auch, wie sich jemand ein wenig doof stellt, um so zu tun, als hätte er nicht verstanden. Ich bin hier aber wirklich unschlüssig.

    Frauen müssen nicht gesondert hervorgehoben werden. Wenn man gesondert hervorheben will, dass Frauen gemeint sind, dann kann man dies mit einer eigenen, weiblichen Form tun.

    “Die Schüler müssen ab 1970 kein Morgengebet mehr sprechen”. Das ist die allgemeine Form, die männliche wie weibliche Personen meint, solange aus dem Kontext nicht etwas anderes schon festgelegt ist (reines Jungen- oder Mädcheninternat, von dem die Rede ist, etwa).

    “Die Schülerinnen können ab der 10. Klasse rhythmische Sportgymnastik belegen.”
    Hier sind nur Mädchen gemeint. Wenn nur Jungs gemeint sein sollen, so muss das umständlicher ausgedrückt werden:

    “Männliche Schüler können am Rugbykurs teilnehmen.”

    Du kannst nicht einfach “Schüler können am Rugbykurs teilnehmen.” schreiben, und annehmen, nur Jungs wären gemeint. Die männliche Form von Schüler ist nicht geschlechtlich, sondern nur grammatisch.

    Die Defaultform ist gerade nicht geschlechtlich männlich, sondern neutral, und wer sich nicht künstlich doof stellt, der weiß das auch, weil man es von kleinauf so gelernt hat.

    Es kann aber Mißverständnisse geben, wenn der Sprecher meint, dass klar ist, dass nur Männer gemeint sind, während es dem Hörer nicht vom Kontext klar ist, oder umgekehrt.

    . (Das ist jetzt Feminism 101.)

    Nein, das ist ein fauler Trick, weil ich ja speziell danach frage, wie es angefangen hat, nicht wie Frauen in einem System, welches sie als Menschen 2. Klasse behandelt, und die Ungleichbehandlung tabuisiert daran gehindert werden ihre Diskriminierung festzustellen und zu thematisieren.

    Wir haben aber Gleichstellungsbeauftragte und eine lebhafte Diskussion, und jede Frau, die Diskriminierung ausmacht kann das offen aussprechen. Es sitzen keine verfolgten Frauen in den Knästen weil sie den Mund aufgemacht haben. Wenn das Tabu erstmal gebrochen ist, dann ist es nämlich leicht all die anderen Diskriminierungen, die es auch gibt, auch anzuprangern.

    Ansonsten vergleiche ich das gern mit einem Regelkreis:

    Es gibt ja eine Ungleichbehandlung von Frau und Mann, und zwar, weil diese verschieden sind. Wichtigste Unterschiede sind Körperbau, Hormone, Schwangerschaft und Sexualität.

    Wenn Frauen selten Vorstandsvorsitzende in Dax-Unternehmen sind, dann ist die Sprache meiner Ansicht nach so mit der allerschwächste Hebel. Und Du bist einer, der da eine Bohrmaschine an den Regelknopf anschließt, um zu drehen, drehen, drehen, und es tut sich aber nichts. Du merkst aber nicht, dass das das falsche Instrument ist, sondern kannst nur mit “weiter aufdrehen” reagieren, weil Du Dir verbietest nochmal einen Schritt zurück zu treten, und die Lage nüchtern einem zweiten Blick zu unterziehen.

    Es wäre ja so schön, wenn man das Problem mit etwas Sprachreform ändern könnte!

  191. #192 MartinB
    5. Januar 2013

    “Wieso sollte man sich sonst für die Defaultposition interessieren?”
    Weil der, der zum Default gehört, dadurch bereits privilegiert ist. Das ist wirklih nicht schwer zu verstehen.

    “Dass ich die Ärztin als weiblich kennzeichne hat den Grund, dass es hier drauf ankommt, ob es eine Frau ist oder ein Mann.”
    Um also zu belegen, dass es dir nicht darauf ankommt, ob dein Arzt männlich oder weiblich ist und als vertreter der Idee, dass es ein generisches maskulinum gibt schreibst du trotzdem nicht “Wenn ich zu meinem Arzt gehe, dann tut sie…”

    “Der ist doch satirisch – nein?”
    Ja, er zeigt auf, wie die Welt aussähe, wenn die Trennungslinie nicht Mann-Frau sondern Weiß-Schwarz wäre. Du solltest dir wirklich die Mühe machen, ihn zu lesen.

    “Wenn man gesondert hervorheben will, dass Frauen gemeint sind, dann kann man dies mit einer eigenen, weiblichen Form tun.”
    Komischerweise kann man das mit Männern sprachlich nicht tun. Weil der Mann eben der Default-Mensch ist und die Sprache nicht vorsieht, die Tatsache, dass es sich bei einem generischen Menschen um einen Mann handelt, irgendwie zu kennzeichnet. Siehe auch den anderen Link, den ich gerade gepostet habe.

    “Die männliche Form von Schüler ist nicht geschlechtlich, sondern nur grammatisch. ”
    Diese Behauptung wirdja durch das oben zitierte Experiment widerlegt – jetzt sind wir wieder am Anfang…

    ” jede Frau, die Diskriminierung ausmacht kann das offen aussprechen”
    Klar, und die Sonne scheint auch immer und es regnet nie… Nein, so schön ist die Welt leider – noch – nicht.

    “Es wäre ja so schön, wenn man das Problem mit etwas Sprachreform ändern könnte!”
    Eine SPrachreform ist eins von vielen Mitteln – nicht das einzige und nicht das wichtigste; mir persönlich aber wichtig, da ich als Vielschreiber eben damit oft konfrontiert werde. Zu sagen “Andere Dinge sind aber schlimmer, deswegen bin ich dagegen, hier etwas zu tun”, ist eins der besten Mittel, jegliche Veränderung im Keim zu ersticken. (Siehe auch den MLK-Text, den ich drüben in dem Gwirx-Artikel bei Andrea verlinkt habe, wen ich mich recht entsinne.)

  192. #193 Stefan W.
    demystifikation.wordpress.com 16:10
    5. Januar 2013

    Okay, weil es Dir offenbar wirklich Schwierigkeiten gemacht hat, hier 2 unterschiedliche Ebenen der Kommunikation zu entdecken, die nicht vermengt werden dürfen, klamüsere ich es nochmal in Zeitlupe auseinander, das mit dem Arzt.

    Damit die Unterscheidung der ersten Ebene direkter Kommunikation und der Metaebene, der Kommunikation über die Kommunikation leichter ist spreche ich nicht mehr von mir und meinem Arzt, sondern von einer Person P und deren Arzt.

    Person P sagt zu ihrem Partner P … – Pardon – sagt zu ihrem Gefährten G: “Ich geh’ zum Arzt!”
    Jetzt nehmen wir 2 Fälle an: Einmal den der Hausärztin H und einmal den des männlichen Unfallchirurgen U.
    G sei bekannt, dass der Hausarzt eine Frau ist, und der Unfallchirurg ein Mann, und auch, zu welchem von beiden P zu gehen vorhat.

    Vorsicht – jetzt kommt die Stelle, die für Verwirrung sorgte: Für P ist es unerheblich, ob U oder H Frau oder Mann sind – P will zum jeweiligen Arzt. Für mich, um Dir dieses Gedankenexperiment auszubreiten, ist es nicht unerheblich. Für mich ist natürlich wichtig, dass H eine Frau ist, ich meine, darüber diskutieren wir doch gerade!

    Dann kannst Du Dich doch nicht hinstellen und so tun, als hättest Du mich überführt oder ich mir ins Knie geschossen!

    Nochmal: Für die Basisebene, die Frage desjenigen, der zum Arzt geht, kann es belanglos sein, welchen Geschlechts dieser ist. Aber auf der Ebene des Redens über dieses Beispiel ist die Frage Geschlecht, hin oder her, ja das zentrale Thema.

    Das nur zur Klarstellug.

  193. #194 MartinB
    5. Januar 2013

    @StefanW
    Das habe ich voll verstanden. Was ich nicht verstehe ist, warum du nicht
    “mein Arzt, … sie” schreiben würdest, denn das “sie” macht das Geschlecht ja auch eindeutig.
    Umgekehrt stünde dir aber (außer einer Konstrtion wie “männlicher Arzt”, siehe dein Beispiel oben) keine Möglichkeit zur Verfügung, bereits beim nennen des Wortes “Arzt” das Geschlecht deutlich zu machen.
    Darüber besteht hoffentlich zwischen uns Einigkeit?

    Dass es also eine sprachliche Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen gibt, sollte nicht mehr zu diskutieren sein.
    Dass diese Ungleichbehandlung eine Diskriminierung ist, folgt eben daraus, dass Frauen “besondere” Menschen sind (die eine besondere sprachliche Modifikation von Worten wie “Arzt” erfordern), während Männer das nicht sind. Das ist es, was ich meine, wenn ich sage, “der default-mesch ist ein Mann”. Ausführlicher auch in dem Link oben erklärt.

  194. #195 Stefan W.
    5. Januar 2013

    “Wieso sollte man sich sonst für die Defaultposition interessieren?” Weil der, der zum Default gehört, dadurch bereits privilegiert ist. Das ist wirklih nicht schwer zu verstehen.

    Doch, genau das ist in keiner Weise selbstverständlich. Ich kann ebensogut behaupten, dass diejenigen, die nicht das gleiche sprachliche Geschlecht haben, wie der allgemeine Fall, priviligiert sind.

    Offenkundig ist nur, dass die Sprache hier nicht symetrisch ist, dass es eine Ungleichbehandlung gibt. Dass einer von beiden Seiten dadurch ein Vorteil zukommt ist damit nicht gezeigt, und schon gar nicht welcher Seite.

    Nimm nur mal “Die Person”. Die Person, die das jetzt liest – fühlt die sich zurückgesetzt, weil sie, obwohl mit einem wunderschönen Schwanz ausgestattet ist, als “die” angesprochen wird? Müßtest Du nicht, wenn das Privileg so in Fleisch und Blut übergegangen wäre, dass wir es uns gar nicht mehr bewusst machen können, wie sehr uns dieses “der” priviligiert, den Kontrast beim seltenen Mitgemeintsein mit einer weiblichen Form umso heftiger aufstoßen?

    Ich verstehe Deinen Vergleich mit der Rassentrennung so, dass da eine Parkbank ist die nur für Weiße ist, und ich sitze drauf und sage “So toll ist Parkbanksitzen ja nun nicht”. Oder im Bus setze ich mich hin, während Schwarze stehen müssen, und das Sitzendürfen ist mir so selbstverständlich, dass ich es nicht als Privileg empfinde. Aber dann würde ich doch, wenn ich ab und an in einem speziellen Bus stehen müsste, während Schwarze dort selbstverständlich sitzen dürfen, den Mangel an Privileg doppelt empfinden.

    Oder was ist das für ein Privileg, welches man man nicht spürt, wenn man es hat, nicht wenn man es nicht hat, und das die anderen, also bei unserem Disput die Frauen, auch nicht spüren?

    Ja, das ist sicher eine strittige Behauptung, wo doch so viele Frauen darauf beharren, zurückgesetzt zu sein qua Sprache. Ich sage: Das ist eine Kopfgeburt. Es basiert auf der falschen Vorstellung von der Funktion des Geschlechts in der Sprache, in der der Löffel männlich ist, ohne einen Penis zu haben, und die Gabel weiblich, obwohl sie keine Vagina hat. Und vermehren tun sich beide auch nicht.

    Das sprachliche Geschlecht ist nicht das anatomisch-biologische Geschlecht, und auch nicht das soziale. Gabeln dürfen zwar nicht katholische Priester werden, aber Löffel auch nicht.

    Und deswegen passt der Vergleich mit der Rassentrennung auch nicht, und deswegen hat es wohl auch keine Hautfarbe in der Grammatik gegeben: Weil die Idee der Diskriminierung qua Sprache Quatsch ist.

    “Wenn man gesondert hervorheben will, dass Frauen gemeint sind, dann kann man dies mit einer eigenen, weiblichen Form tun.”
    Komischerweise kann man das mit Männern sprachlich nicht tun.

    Wenn wir das sprachliche Geschlecht nicht Geschlecht nennen würden, sondern Ese. Dann seien Wörter Ese-1, Ese-2 oder Ese-3 im Deutschen, und Ese-1 sei von mir aus das, was wir bisher irreführend “weiblich” nannten, Ese-2 das ehemalige “männlich” und Ese-3 sächlich.

    “Der Hausmeister” ist dann nicht die männliche Form, sondern Ese-2. Wenn Du speziell eine Frau meinst, sagst Du “der weibliche Hausmeister” und wenn Du speziell einen Mann meinst “der männliche Hausmeister”. “Hausmeister” selbst ist aber nicht männlich, sondern Ese-2. Ese-2 entscheidet darüber, ob man “er, ihn, des usw.” sagt, während man bei Ese-1 “sie, ihr, der usw.” sagt. “Das Weib” ist übrigens Ese-3 und “das Mädchen” auch. “Die Person” ist Ese-1.

    Oder zum Beispiel Engländer. Gab es in der Vorzeit mal eine Phase, in der England nur aus Engländern bestand? Wenn Ärzte die männliche Form als Reaktion, und nicht als Ursache dafür hat, dass Jahrzehntelang alle Ärzte männlich waren – waren dann auch alle Engländer jahrzehntelang männlich?

    Die Argumentation bricht doch hinten und vorne zusammen!

    Wenn man Dich drauf aufmerksam macht, dass das Gedankengebäude vorne einbricht kommst Du mit einer Behelfsstütze gelaufen, die Du hinten rausgerissen hast, um vorne zu flicken, aber dann stürzt es hinten ein. Weist man auf die Schäden hinten hin nimmst Du die Stütze vorne wieder weg, und stellst sie wieder hinten auf.

    Merkst Du nicht, wie es dann auf der anderen Seite einstürzt?

    Entweder die Sprache ist ein Reflex auf die Realität, oder die Sprache ist realitätsbildend. Wenn die Sprache das Sein bestimmt, dann können nicht werdende Biologinnen und Medizinerinnen in die Unis strömen, aber Mathematikerinnen und Physikerinnen bleiben aus. Wenn die veränderte Sprache die Realität nicht ändert, dann ist sie nur ein piotjemkinsches Dorf. Wenn die Sprache lediglich ein Abbild wäre, dann hätte man seit je “Die Engländer und Engländerinnen können nicht kochen!” gesagt.

    Es gibt noch die Möglichkeit dass sich alles in einer Rückkoppelungsschleife befindet, und die Sprache die Realität beeinflusst, und die Realität wieder zurückwirkt; dass das ein sich verstärkender Kreislauf ist.

    Dummerweise könnte man damit 2 Effekte erklären, aber nicht die Abwesenheit von 2 Effekten. Wir müssen aber die Abwesenheit von 2 Effekten erklären.

    ” jede Frau, die Diskriminierung ausmacht kann das offen aussprechen” Klar, und die Sonne scheint auch immer und es regnet nie… Nein, so schön ist die Welt leider – noch – nicht.

    Und Du darfst und kannst jetzt auch nicht sagen, wo konkret in der BRD eine Frau Diskriminierung nicht thematisieren darf oder kann, weil Dir dann ähnliches blüht?

    Ich meine Du hast ja meine Emailadresse. Vielleicht schickst Du mir die Information ja per Email von einem Internetcafe mit einer Wegwerfadresse, so dass Du bestreiten kannst, es gewesen zu sein, wenn die Old-Boy-Netzwerke Dir nachstellen.

    Es ist doch lächerlich! Wir haben eine Frau als Bundeskanzler, wir haben in den wichtigsten Medienhäusern Frauen an der Spitze (Springer, Mohn). Und das ohne dass wir unsere Klassiker, von Göthe bis Kafka, von Kraus bis Müller, von Benn bis Lasker-Schüler einstampfen müssen, weil sie niemand mehr versteht.

    Zu sagen “Andere Dinge sind aber schlimmer, deswegen bin ich dagegen, hier etwas zu tun”, ist eins der besten Mittel, jegliche Veränderung im Keim zu ersticken.

    Das zu sagen ist vor allem ein Strohmann, denn das hat niemand gesagt. Ich bestreite, dass die sprachliche Situation wie sie ist schlimm ist; erstens. Zweitens, dass es möglich ist per order di mufti die Sprache zu reformieren, denn man kann so nicht sprechen, und Sprache wird im Alltag gelernt, nicht in Sprachcamps. Selbst engagierteste Frauen schaffen es doch nicht einen längeren Text in Neusprech zu verfassen, ohne dass ihnen ein paar Fälle durch die Lappen gehen. Drittens – selbst wenn man es schaffen würde, so sage ich, würde man nichts ändern außer der Sprache selbst.

    Es wäre der reine Fetischismus, symbolisches Getue im Vertrauen darauf, dass der gute Wille belohnt wird von das Gott.

  195. #196 MartinB
    5. Januar 2013

    ” Dass einer von beiden Seiten dadurch ein Vorteil zukommt ist damit nicht gezeigt, und schon gar nicht welcher Seite. ”
    Dass wir also bei einer beliebigen Bezeichnung zuerst an einen Mann denken, soll ein Vorteil für Frauen darstellen, weil? Weil es auch das Wort “Mörder” gibt?

    “Oder im Bus setze ich mich hin, während Schwarze stehen müssen, und das Sitzendürfen ist mir so selbstverständlich, dass ich es nicht als Privileg empfinde”
    Ja, das passt, den teil hast du verstanden.

    “Aber dann würde ich doch, wenn ich ab und an in einem speziellen Bus stehen müsste, während Schwarze dort selbstverständlich sitzen dürfen, den Mangel an Privileg doppelt empfinden”
    Müsstest du, wenn so etwas hinreichend oft vorkommt und die Situation ansonsten symmetrisch wäre – ist sie aber nicht. Was die Rassentrennung angeht – es gab z.B. im System der Apartheit sowohl “whites only” als auch “blacks only”-Bereiche – trotzdem ist die Situation nicht symmetrisch gewesen.
    https://en.wikipedia.org/wiki/File:Non-whites_Only_Bench_Outside_High_Court_Civil_Annex_CT.jpg

    “Das sprachliche Geschlecht ist nicht das anatomisch-biologische Geschlecht, und auch nicht das soziale.”
    Diese Behauptung wird durch beliebig häufige Widerholungen wirklich nicht wahrer. Ich habe oben ein Experiment ausführlich geschildert, das belegt, dass das sprachliche und das bilogische (bzw. gesellschaftliche) Geschlecht gekoppelt sind. Bitte führe ein besseres Experiment an, dass das Gegenteil belegt, oder ziehe die Behauptung zurück.

    “waren dann auch alle Engländer jahrzehntelang männlich? ”
    Natürlich – jedenfalls alle, auf die es ankam (Frauen zählten bekanntlich damals weniger, durften mit wenigen Ausnahmen keine Berufe ergreifen etc..) In diesem Sinne waren tatsächlich Engländer zunächst mal männlich, und die Sprache gibt genau das wieder.

    “Entweder die Sprache ist ein Reflex auf die Realität, oder die Sprache ist realitätsbildend.”
    Beides ist der Fall. Die Realität formt die Sprache und die Sprache formt die Wahrnehmung der Realität.
    https://en.wikipedia.org/wiki/Linguistic_relativity
    (wobei der Streit andauert, wie stark der Einfluss ist, dass es gar keinen gibt, wird aber wohl niemand ernsthaft vertreten.)

    “Es gibt noch die Möglichkeit dass sich alles in einer Rückkoppelungsschleife befindet, und die Sprache die Realität beeinflusst, und die Realität wieder zurückwirkt; dass das ein sich verstärkender Kreislauf ist. ”
    Richtig

    “Wir müssen aber die Abwesenheit von 2 Effekten erklären. ”
    Das habe ich nicht verstanden – welche Abwesenheit müssen wir erklären?

    “wo konkret in der BRD eine Frau Diskriminierung nicht thematisieren darf oder kann”
    Du musst nur mal z.B. in einer Gremiensitzung eines männerdominierten Forschungsgremiums sitzen (ich halte das jetzt mal bewusst vage) und dir anhören, was dort zur Frauenförderung gesagt wird – “wir müssen das tun, das wird so von uns verlangt etc.”, immer mit dem unterschwelligen Ton “ist zwar sinnlos, aber muss halt sein”. Eine dort sitzende Frau dürfte es ziemlich schwer haben, den Mund aufzumachen. Ich habe auch schon eine Berufungskommission erlebt, in der ein Mitglied eine Frau mit der Begründung nicht wollte “die bekommt doch eh Kinder und ist dann weg, wenn sie die Stelle hat”. (Da haben dann zum Glück anwesende Männer protestiert.)
    Umgekehrt sind z.B. Professorinnen in männerdominierten Fächern zuätzlich belastet, weil sie in möglichst viele Gremien berufen werden sollen (wegen der Gleichstellung), so dass sie weniger Zeit für Forschung und Lehre haben.
    In der ZEIT dieser Woche war ein Artikel über verschiedene Treffen von Wirtschaftsspitzen (habe den Namen gerade nicht parat), die sich dadurch auszeichnen, dass Frauen dort nicht teilnehmen dürfen – selbst Irene Rosenfeld vom Kraft Food Vorstand war als Rednerin – da Frau – unerwünscht.
    Nein, bis zur echten Gleichberechtigung ist’s noch ein ganzes Stück.

    ” Ich bestreite, dass die sprachliche Situation wie sie ist schlimm ist; erstens. ”
    Das habe ich verstanden. Wir haben Experimente, die belegen, dass man bei “generischen” Bezeichnungen bevorzugt an Männer denkt, so dass Frauen in der Vostellung marginalisiert werden (siehe auch das andere zitierte Experiment, das übrigens nicht nur mit dem Wort “Autor” durchgeführt wurde), aber das findest du nicht schlimm und dass es Frauen gibt, die das anders sehen, ficht dich nicht an.

    “Selbst engagierteste Frauen schaffen es doch nicht einen längeren Text in Neusprech zu verfassen, ohne dass ihnen ein paar Fälle durch die Lappen gehen. ”
    So what? Auch die engagierteste Feministin wird sich gelegentlich dabei ertappen, in Stereotypen zu denken.
    Auch ein Revolutionär 1789 wird vermutlich Adelige aus Gewohnheit mal mit Sire angesprochen haben (oder was imemr damals die passende Bezeichnugn war), auch wenn er Gleichberechtigung wollte.
    Auch der engagierteste Nazi-gegner wird früher vermutlich mal gesagt haben “nur keine jüdische Hast”, weil das damals einfach ein übliches Sprichwort war.
    Dass das so ist, zeigt nur, wie verwurzelt das Problem ist.

  196. #197 Stefan W.
    5. Januar 2013

    Dass diese Ungleichbehandlung eine Diskriminierung ist, folgt eben daraus, dass Frauen “besondere” Menschen sind (die eine besondere sprachliche Modifikation von Worten wie “Arzt” erfordern), während Männer das nicht sind. Das ist es, was ich meine, wenn ich sage, “der default-mesch ist ein Mann”. Ausführlicher auch in dem Link oben erklärt.

    Und der Defaultmensch ist ein Bauer, während der König etwas besonderes ist, und sich darin seine Diskriminierung manifestiert, schon verstanden!

    Oder der Mannschaftskapitän im Fußball. Ist hervorgehoben, und damit klar als diskriminiert zu erkennen.

    Oder der General beim Militär. Mir kommen echt die Tränen – so viel Diskriminierung!

  197. #198 Stefan W.
    demystifikation.wordpress.com 18:49
    5. Januar 2013

    Dass wir also bei einer beliebigen Bezeichnung zuerst an einen Mann denken, soll ein Vorteil für Frauen darstellen, weil? Weil es auch das Wort “Mörder” gibt?

    Das ist glaube ich nicht gezeigt worden. Vielmehr ist eine Situation geschaffen worden, in der dem Hörer oder Leser ein bewußt offen gehaltener Satz präsentiert wurde, und darauf hat eine signifikante Mehrheit, in Abhängigkeit von Vorurteilen über Berufsrollen, häufiger oder seltener eine geschlechtssensitive Annahme getroffen – also nicht alle Probanden immer, sondern nur eine Mehrzahl – richtig?

    Und zweitens war es keine Kommunikation, bei der der Sprecher frei war zu sagen was er wollte, sondern nur die Hörer. Die Frage ist also, ob das überhaupt eine realistische Situation war, oder ob es nicht eine realitätsferne, gekünstelte Problemlage war, die die Sprache zwar als Möglichkeit zulässt, die der geübte Sprecher aber eben vermeidet, weil er im Mittel die gleichen Vorurteile hat wie der Hörer, und nicht sagen würde “3 Mathematiker stehen auf Gleis 7. (Pause) Sie haben kurze Röckchen an.”

    Also bitte keine voreiligen Schlüsse aus dem Material ziehen, die sich daraus gar nicht ergeben.

    Natürlich – jedenfalls alle, auf die es ankam (Frauen zählten bekanntlich damals weniger, durften mit wenigen Ausnahmen keine Berufe ergreifen etc..) In diesem Sinne waren tatsächlich Engländer zunächst mal männlich, und die Sprache gibt genau das wieder.

    Sicher – die Engländer haben sich jahrhundertelang durch Zellteilung unter Ausschluss von Frauen vermehrt. Das ist doch so lächerlich.

    Die Unterdrückung oder Benachteiligung von Frauen war nie so absolut wie hier behauptet werden muss, um die These zu stützen, dass heute noch die sprachliche Ungleichheit in dieser Weise nachwirkt.

    Vielleicht ist es Deiner Aufmerksamkeit entgangen, aber die Engländer hatten auch Frauen auf dem Königsthron, und zwar vor Thatcher bereits.

    Aber wahrscheinlich war das nur eine willenlose Marionette des Machopacks.

    Da haben dann zum Glück anwesende Männer protestiert.

    Das glaube ich nicht. Männer würden sowas nie tun!

    Hier https://www.danisch.de/blog/2013/01/03/zwei-hochschul-studien-und-ein-witz-zur-frauenforderung/ ist ein Blog, der sich mit Frauenförderung befasst – er ist beim Frauenthema für meinen Geschmack oft zu holzschnittartig, aber ganz falsch liegt er m.E. nicht.

    “Wir müssen aber die Abwesenheit von 2 Effekten erklären.”
    Das habe ich nicht verstanden – welche Abwesenheit müssen wir erklären?

    Erstens, wie konnten Frauen in Männerberufe eindringen, bevor es eine sprachliche Reform gab, die ihnen erst das Bewusstsein eröffnete, dass das möglich ist? Wie können Frauen Versager sein, ohne dass die Sprache sie dazu einlädt?

    Wieso gibt es sowenige Türken und Schwarze bei Polizei und in der Politik, in den Vorstandsetagen der gr. dt. Aktienunternehmen, ohne dass man sie mit Hilfe der Sprache da raushält?

    Also Frage 1: Wo ist die Sprache als Ursache? Wieso ist sie so selten zu finden? So schön hat man das hinkonstruiert mit den Frauen, und dann finden sich all die häßlichen Ausnahmen!

    Und Frage 2: Wo ist die Sprache als Folge? Deine Ausführungen zu Briten befriedigen mich nicht. Es gibt keine pauschale Leugnung von Frauen in der Geschichte. Es gibt im Gegenteil Frauen in Theaterstücken, in Büchern, in Liedern, in Gemälden und Literatur.

    Man muss annehmen dass es eine geheime, unentdeckte Verschwörung gegen die Frauen gibt, oder wieso so selektiv hier und da Frauen nicht nur vorkommen, sondern ausgestellt werden, aber gleichzeitig sollen ganze Bevölkerungen verschwiegen werden.

    Dein Argument ist wie die Panzer, die Porsche im 2. Weltkrieg gebaut hat: Sie kamen nicht zur Front, weil sie durch keinen Tunnel durchgepasst haben. 😉

    Gremiensitzung eines männerdominierten Forschungsgremiums sitzen (…) und dir anhören, was dort zur Frauenförderung gesagt wird

    Was dort gesagt oder nicht gesagt wird beweist nicht, das etwas nicht gesagt werden darf. Vielleicht ist manches auch zu doof, als dass es jemand sagen würde. Zudem halte ich Männer die in Gremien sitzen heute für so mutig wie vor 30 oder 80 Jahren – für nahezu überhaupt nicht mutig.

    Ich meine dass Mut eher eine anthropologische Konstante ist, als dass sich da wesentliche Fortschritte im Lauf der Geschichte akkumulieren.

    so dass Frauen in der Vostellung marginalisiert werden

    In der Vorstellung kommen Katholiken auch in den Himmel. In der Vorstellung ist auch Jules Verne zum Mond gereist. In der Vorstellung hat Old Shatterhand Bären mit Fausthieben schlafen geschickt. Und in der Vorstellung sagen wir alle brav “Aktionärinnenversammlung” und schwupp – schon wenige Jahrzehnte später wird die Realität der Sprache folgen.

    Auch der engagierteste Nazi-gegner wird früher vermutlich mal gesagt haben “nur keine jüdische Hast”, weil das damals einfach ein übliches Sprichwort war.

    Auch wenn dieser Nazigegner selbst Jude ist? Ich würde vorschlagen wir denken die Beispiele mal zuende.

  198. #199 MartinB
    5. Januar 2013

    Meinst du das jetzt wirklich ernst?

    Die Tatsache, dass es auch positive Diskriminierung geben kann, beweist jetzt genau wie, dass die sprachliche Diskriminierung von Frauen nicht negativ ist?
    Wenn jemand “autor”, “Arzt” oder “Sozialarbeiter” sagt, dann werden Frauen weniger oft mitgedacht als Männer. Da führt zu einer Marginalisierung der Rolle von Frauen.
    Wenn jemand “Soldat” sagt, dann wird evtl. der General nichtmitgedacht (obwohl man ja extra zu diesem Zwecke Begriffe wie “gemeiner Soldat” eingeführt hat) – dadurch wird die Rolle des Generals allerdings nicht marginalisiert, weil er bereits in einer privilegierten Position ist. (Und nein, das ist kein Zirkelschluss – die Sprache zementiert ein vorhandenes Privileg, aber sie schafft es nicht.)

  199. #200 MartinB
    5. Januar 2013

    ” in Abhängigkeit von Vorurteilen über Berufsrollen”
    Der Effekt der Berfusrollen ist ja herausgelöst worden.

    “sondern nur eine Mehrzahl”
    Ach so. Solange nicht alle immer diskriminiert werden oder falsch denken, ist ja alles gut?

    “Die Unterdrückung oder Benachteiligung von Frauen war nie so absolut wie hier behauptet werden muss, um die These zu stützen, dass heute noch die sprachliche Ungleichheit in dieser Weise nachwirkt. ”
    Nein, natürölich nicht, Frauen wurden niemals als Besitz ihres mannes angesehen, haben niemals ihre Vermögensrechte mit der Ehe automatisch an ihren mann abgetreten, die körperliche Autonomie von Frauen war niemals ein Problem, Vergewaltigung in der Ehe ist schon seit dem Altertum ein Straftatbestand, Frauen haben schon immer alle Berufe ergreifen dürfen, das Frauenwahlrecht gab es auch schon immer.

    “die Engländer hatten auch Frauen auf dem Königsthron”
    Ach so – na das hat den Millionen anderer Frauen (s.o.) sicher viel genützt. Wennes mal eine Königin gab, dann waren natürlich auch die Hälfte aller Ärzte schon immer Frauen, ist klar.

    Deinen Link finde ich zum Kotzen:
    “Sagt der Mann, der durch die Prüfung fällt „Der Prüfer kann mich nicht leiden!”, während die Frau, die durchfällt sagt, „Der hat was gegen Frauen!” ”
    Echt jetzt? Das soll ich ernst nehmen?

    “Erstens, wie konnten Frauen in Männerberufe eindringen, bevor es eine sprachliche Reform gab, die ihnen erst das Bewusstsein eröffnete, dass das möglich ist?”
    Weil sie für diese Rechte gekämpft haben. Habe ich jemals behauptet, dass die Sprache allein für diese Ungleichheit verantwortlich ist? Sprache zementiert Ungleichbehandlung, ist aber weder ihre alleinige noch ihre Hauptursache.

    “Wieso gibt es sowenige Türken und Schwarze bei Polizei und in der Politik, in den Vorstandsetagen der gr. dt. Aktienunternehmen, ohne dass man sie mit Hilfe der Sprache da raushält? ”
    Weil da andere Mechanismen am Werk sind? Nur weil ein Auto wegen kaputter Bremsen einen Unfall hat, kann es bei einem anderen ein defketes Steru sein? Ud? Heißt das, dass man Bremsen nicht reparieren muss, weil nicht alle Unfäle durch defekte Bremsen verursacht werden?

    “Man muss annehmen dass es eine geheime, unentdeckte Verschwörung gegen die Frauen gib”
    Nein. Die Sprache netwickelt sich von ganz allein – und sie entwickelte sich dominiert von Männern (denn Priester, Schriftsteller, Politiker waren eber fast alle Männer).

    “Auch wenn dieser Nazigegner selbst Jude ist? ”
    Gut, das war ein schlechtes Beispiel (die anderen sind besser). Dass aber auch engagierte Vertreter der sprachlichen Gleichberechtigung sich mal ver-formulieren, hat trotzdem keine Aussagekraft für die Frage, wie diese Formulierungen zu bewerten sind.

  200. #201 Stefan W.
    5. Januar 2013

    Wenn Du von Anfang an verstanden hast, dass ich eine Frau als Arzt brauche, um meine Behauptung aufzustellen, dass ich mich in erster Linie für den Beruf der Person interessieren kann, die in dem Falle aber eine Frau ist, weil irgendein Geschlecht muss sie ja haben, was sollte dann diese Reaktion:

    “Wenn ich zu meiner Ärztin gehe, dann ist sie für mich in erster Linie meine Ärztin, und nicht eine Frau.”
    Das erinnert an die Behauptung (meist weißer Personen) “I see no color”, wenn es um Rassismus geht. Ansonsten amüsant, dass du – als vertreter des genrischen Maskulinums – nicht geschrieben hast “wenn ich zu meinem Arzt gehe…”. Du hast schon mit dem Wort “Ärztin” das Geschlecht eindeutig gemacht und behauptest dann, es sei irrelevant.

    Ich bin übrigens kein Vertreter eines Phänomens der deutschen Sprache – ich bin auch kein Vertreter des Akkusativs.

    Diese Rollenzuschreibung ist einfach Quatsch!

    Ich sage auch nicht, Du seist ein Vertreter der Konjunktion, weil Du ‘und’ und ‘oder’ benutzt.

  201. #202 MartinB
    5. Januar 2013

    “was sollte dann diese Reaktion: ”
    Ganz einfach: Warum hast du nicht geschrieben:
    “Wenn ich zu meinem Arzt gehe, dann ist sie für mich in erster Linie meine Ärztin, und nicht eine Frau.”
    Wäre doch ganz logisch.
    Und du bist ein Vertreter der These, dass das grammatische Geschlecht nichts mit dem biologischen zu tun hat, deswegen schreibe ich das so verkürzt (aber tu ruhig so, als hättest du das nicht verstanden).

  202. #203 Stefan W.
    demystifikation.wordpress.com
    6. Januar 2013

    Wäre doch ganz logisch. Und du bist ein Vertreter der These, dass das grammatische Geschlecht nichts mit dem biologischen zu tun hat, deswegen schreibe ich das so verkürzt

    Ja, ja, die Logik, und die Sprache. Aber dazu gleich.

    Erst noch ein ‘Nein’. Oder auch ‘ja, arg verkürzt!’. Dass das grammatische Geschlecht nichts, bzw. gar nichts, also überhaupt nichts mit dem Geschlecht zu tun hat, das ist nun auch übertrieben.

    Der Versuch sich in eine extreme Position zu flüchten geht hier schief. Würde er funktionieren, dann würde das die Sache vereinfachen. Das schlimme ist gerade der Versuch der plumpen Vereinfachung. Aber wenn man das Problem nicht radikal vereinfacht, dann passt die schöne, einfache Lösung leider nicht, die man angetragen bekam, und dann muss man ständig ein einfaches Gemüt vorschützen, wenn man seine einfachen Lösungen an den Mann bringen will.

    Aber zur Logik: “Wenn ich zu meinem Arzt gehe, dann ist sie für mich in erster Linie meine Ärztin, und nicht eine Frau.” So spricht man, wenn man jemanden überraschen will. Wenn es nur eine Person ist, und es spielt noch eine Rolle, ob Männlein oder Weiblein, dann legt man die Karten auf den Tisch – sofort. Das macht man so in der Logik der Sprache: Den anderen gleich auf’s gewünschte Gleis setzen, damit er ohne zu entgleisen ankommt.

    Du vollziehst hier offenbar gerade den Prozess nach, den die Sprache selbst genommen hat, dass sie für spezielle Fälle eben eine weibliche Sonderform geschaffen hat. Jetzt den Gedanken noch ernstnehmen.

    Ich glaube die Frau von heute ist genauso emanzipiert wie der Mann von heute. Aber man kann niemand zwingen Freiheiten wahrzunehmen. Man kann Frauen erlauben das Kopftuch abzulegen, aber wenn man sie zwingt es abzulegen macht man sie nicht freier. Man kann Frauen nicht die freie Wahl lassen, ob sie sich voll dem Beruf widmen, oder nur teilweise, und gleichzeitig erwarten, dass sie beruflich die gleichen Karrieren machen wie Männer. Man kann letzteres erreichen, wenn man unterbindet, dass sie sich frei zwischen Familie & Beruf entscheiden.

    Die freie Wahl zw. Familie u. Beruf kann man nicht mit Sprache kompensieren, mit Binnen-I und ähnlichem Klamauk. Da kann man ebensogut 3 Ave-Maria plus 2 Vater-Unser beten.

  203. #204 MartinB
    6. Januar 2013

    “Ich glaube die Frau von heute ist genauso emanzipiert wie der Mann von heute. ”
    Das überrascht mich nicht, da du ja auch glaubst, dass die Frauen in der Vergangenheit nie so absolut unterdrückt und benachteiligt waren, wie von mir behauptet – s.o – und da du ziemlich hässliche und frauenfeindliche Texte verlinkst.

  204. #205 Red Toms
    https://www.cheaptomsoutletsale.net/toms-women-shoes-red-p-57.html
    20. Mai 2013

    But I do feel really sorry for him because I think hes done a great job.

  205. #206 Jürgen Köster
    Wolfach
    26. September 2015

    Meiner Meinung nach ist die Schlussfolgerung, es gäbe kein generisches Maskulinum aus dem Ergebnis des Experiments nicht zulässig. Wenn Fortsetzung der Formulierung “Eine Gruppe von Sozialarbeitern…” nur die Möglichkeiten “…viele der Männer…” und “…viele der Frauen…” angeboten wird, dann wird die Auffassung von Sozialarbeitern als generisches Maskulinum unterdrückt, weil die Fortsetzung eine geschlechtshomogene Zusammensetzung der Gruppe impliziert. Es hätte auch die Möglichkeit “…viele der Männer und Frauen…” als mögliche Fortsetzung angeboten werden müssen, denn nur dann kann der Begriff als generisches Maskulinum verstanden werden.

    Meiner Meinung nach kann übrigens durch einen generellen Verzicht auf die Verwendung eines generischen Maskulinum sogar eine ungewollte Diskriminierung von Frauen geschehen. Geht es beispielsweise in einem Artikel über Lehrer um Inhalte, bei denen eine Unterscheidung der Geschlechter nicht sinnvoll ist, dann ist die Auffassung des Begriffes “Lehrer” als GM naheliegend. In diesem Fall kommt aber der Formulierung “Lehrerinnen und Lehrer” die gleiche sprachliche Logik zu wie der Formulierung “Frauen und Menschen”, die von einem kritischen Leser sicher als diskriminierend empfunden wird.

  206. #207 MartinB
    27. September 2015

    @Jürgen
    Hätte man machen können – aber der Unterschied der Reaktion auf “viele der Männer” und “viele der Frauen” wird dadurch nicht angetastet.
    “dann ist die Auffassung des Begriffes “Lehrer” als GM naheliegend. ”
    Wie wir ja – dank dieses und anderer Experimente – wissen, ist das nicht der Fall, es werden mit dem GM bevorzugt Männer assoziiert.

  207. #208 Jürgen Köster
    Wolfach
    27. September 2015

    Der Unterschied der Reaktion auf “viele der Männer” und “viele der Frauen” entsteht doch nur, weil es keine Endung für eine geschlechtshomogene Gruppe von Männern gibt und das generische Maskulinum deshalb zweideutig verwendet werden muss. Vielleicht sollte man das Problem einmal von der anderen Seite angehen und eine spezielle Endung für geschlechtshomogene Gruppen von Männern in unsere Sprache einführen. Ich erfinde jetzt einfach mal was:
    Arbeiter = generisches Maskulinum
    Arbeiterin = ein weiblicher Arbeiter
    Arbeiterer = ein männlicher Arbeiter
    Dass der Begriff Arbeiterer nicht gebräuchlich ist, wohl aber der Begriff Arbeiterin, erzeugt überhaupt erst das Problem, dass generische Maskulina nicht immer als solche interpretiert werden, wie das z.B. in England der Fall ist, wo es weder für Männer noch für Frauen spezielle Endungen gibt.

  208. #209 MartinB
    27. September 2015

    @Jürgen
    ” weil es keine Endung für eine geschlechtshomogene Gruppe von Männern gibt und das generische Maskulinum deshalb zweideutig verwendet werden muss. ”
    Gut erkannt – die wird/wurde halt nicht für nötig erachtet.
    “Vielleicht sollte man das Problem einmal von der anderen Seite angehen und eine spezielle Endung für geschlechtshomogene Gruppen von Männern in unsere Sprache einführen. Ich erfinde jetzt einfach mal was:”
    Wäre auch ne Lösung, macht die Sache aber erstens nicht einfacher und wirft zweitens dann das Problem auf, dass nicht alle Menschen sich gern in das zweigeschlechtliche System einsortieren.

    “wo es weder für Männer noch für Frauen spezielle Endungen gibt.”
    Das Problem existiert abgeschwächt auch im Englischen, z.B. actress, stewardess.
    Das Englische hat dann noch das Extra-Problem “man”=Mann oder Mensch, das haben wir dann wieder nicht.

  209. #210 Jürgen Köster
    Wolfach
    28. September 2015

    Das Problem existiert auch im Englischen immer genau in jenen Fällen, in denen es eine spezielle Endung zur Separation von Frauen, aber keine zur Separation von Männern gibt. Gerade das ist doch ein Beleg dafür, dass die männliche Interpretation des generischen Maskulinum nicht durch eine Überlagerung seines grammatikalischen Geschlechts, sondern durch das Fehlen einer Endung zur Separation von männlichen Vertretern der Gruppe des generischen Maskulinum entsteht.

    Es gibt auch Fälle, in denen der Gebrauch generischer Maskulina grundsätzlich erwünschet ist, nämlich immer dann, wenn jemand mit seinem Titel angeredet wird. Die korrekten Anreden lauten “Frau Professor”, “Frau Pfarrer”, “Frau Bundeskanzler” und nicht “Frau Professorin” etc. Vermutlich, weil in diesem Fall klar ist, dass eine Frau angeredet wird und deshalb die Betonung der Zugehörigkeit zur Gruppe des generischen Maskulinum wichtiger erscheint.

    Für mich steht daher fest, dass das Genderproblem nicht im Gebrauch unserer Sprache, sondern in der Sprache selbst begründet liegt. Eine konsequente Lösung ist deshalb nur durch eine Veränderung der Sprache selbst (z.B. Hinzufügen einer speziellen Endung zur Separation von männlichen Vertretern) möglich. Eine Veränderung allein des Gebrauchs der Sprache löst das Problem nicht.

  210. #211 MartinB
    28. September 2015

    @Jürgen
    “Gerade das ist doch ein Beleg dafür, dass die männliche Interpretation des generischen Maskulinum nicht durch eine Überlagerung seines grammatikalischen Geschlechts, sondern durch das Fehlen einer Endung zur Separation von männlichen Vertretern der Gruppe des generischen Maskulinum entsteht.”
    Sehe ich nicht so. Denn ein einzelner Man ist eben ein “Arbeiter” – also ist “Arbeiter” als Funktion *auch* männlich und somit überlagert.
    “Eine konsequente Lösung ist deshalb nur durch eine Veränderung der Sprache selbst ”
    Das sehe ich genauso

    “z.B. Hinzufügen einer speziellen Endung zur Separation von männlichen Vertretern”
    Das wiederum halte ich für nicht optimal, siehe z.B. meine neueren Artikel zum Thema:
    https://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2013/05/17/geschlechtergerecht-oder-geschlechtsneutral-eine-antwort/ (Mit Verweisen auf weitere)
    https://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2015/03/26/das-generische-femininum/

  211. #212 Jürgen Köster
    Wolfach
    29. September 2015

    Aus meiner Sicht stützen beide Artikel meine These, dass das Problem nicht beim generischen Maskulinum an sich liegt, sondern im Vorhandensein der Endung -in für weibliche Vertreter einer Gruppe und dem gleichzeitigen Fehlen einer Endung -xx für männliche Vertreter einer Gruppe.

    Richard Feynman als Physikerin zu bezeichnen ist natürlich Quatsch, denn die Endung -in steht explizit für einen weiblichen Physiker und Feynman war ein männlicher Physiker. Von einer Raumzeitin zu sprechen, macht ebenso wenig Sinn, wie es Sinn machen würde, von einem Raumzeitxx zu sprechen, da es weder männliche noch weibliche Vertreter der Raumzeit gibt.

    Wenn ich von “einem Menschen” (generisches Maskulinum) oder von “einer Person” (generisches Femininum) spreche, dann ist in beiden Fällen kein biologisches Geschlecht bevorzugt. Diese beiden Wörter sind die einzigen mir bekannten Wörter, die echt generisch funktionieren und auch die einzigen, bei denen es weder eine spezielle Endung für Frauen noch eine für Männer gibt. (Es gibt keine Menschin und keine Personin und schon gar keinen Menschxx oder einen Personxx, weil es bereits die Spezifikationen “Mann” und “Frau” gibt, die hier als Separatoren verwendet werden können.)

    Zurück zum Arbeiter. Gäbe es einen Arbeiterxx, dann würde man bei dem Begriff “Arbeiter” ebenso wenig automatisch an einen männlichen Arbeiter denken, wie man bei dem Begriff “Mensch” an einen Mann denkt, weil man “Arbeiterxx” sagen würde, wenn man konkret von einem männlichen Arbeiter spricht. (So, wie man auch “Arbeiterin” sagt, wenn man konkret von einem weiblichen Arbeiter spricht.)

    Das sichtbar werden von männlichen Vertretern und das unsichtbar bleiben von weiblichen Vertretern beim Verwenden eines generischen Maskulinum außer “Mensch” ist also keine Folge des grammatischen Geschlechts, sondern eine Folge der unterschiedlichen Spezifizierungsmöglichkeiten von männlichen und weiblichen Vertretern der gemeinten Personengruppe.

  212. #213 MartinB
    29. September 2015

    @Jürgen
    “Diese beiden Wörter sind die einzigen mir bekannten Wörter, die echt generisch funktionieren”
    Naja, es heißt “der mensch”, und beziehen tue ich mich darauf mit “er”. Tatsächlich neutral sind z.B. “kind”, Mitglied”. (Und es ist schade, dass diese Worte in dem versuch oben nicht verwendet wurden, vermutlich, weil die Entsprechung in den anderen Sprachen nicht passt.)

    Ansonsten sehe ich nach wie vor nicht, wie man die beiden Ansichten experimentell trennen soll – “Arbeiter” wird männlich assoziiert, weil die generische Form gleich der männlichen ist, es aber eine gesonderte weibliche Form gibt. Darüber sind wir uns, glaube ich, einig. Ob man das nun dem Fehlen einer gleichwertigen männlichen Form oder dem Vorhandensein einer Extra-Form für weibliche personen zuschreibt, ist in meinen Augen egal. In Kurzschreibweise:

    Aktuelle Situation:
    Mask. = M oder F
    Fem. = F

    Deine Idee:
    Generikum: M oder F
    Mask. M
    Fem. F

    Meine Idee:
    Generikum M oder F

    Da wir die erste Situation haben, ist es in meinen Augen müßig zu diskutieren, ob wir diese Situation haben, weil wir nicht die zweite oder nicht die dritte haben (das ist ungefähr so, als ob wir diskutieren würden, warum ein Auto rot ist und du sagst, weil es nicht weiß ist und ich, weil es nicht schwarz ist.)

    Die Frage ist eben, welche Lösung man für besser hält.
    Die Lösung einer extra-männlichen Form ist denkbar, zieht aber dann ziemlich weite Folgen nach sich (weil auch entsprechende Pronomina und Artikel gebraucht werden und neu geschaffen werden müssen). Und sie hat den großen Nachteil, die falsche Binarisierung des Geschlechts noch weiter zu zementieren – nicht alle Menschen sind eindeutig Mann oder Frau, weder biologisch noch von ihrer Selbstwahrnehmung her.

    Die Lösung einer einheitlichen generischen Form für alle hat das problem nicht. Und ich sehe nach wie vor nicht, warum das Geschlecht so wichtig ist, dass wir es ständig hervorheben sollten – aber das habe ich in den anderen Artikeln ja ausführlich begründet.

  213. #214 Dr. Webbaer
    29. September 2015

    Kleine Korrektur:
    Arbeiter = generisches Maskulinum
    Arbeiterin = ein weiblicher Arbeiter
    Arbeiterich = ein männlicher Arbeiter

    Vgl. :
    -> https://de.wikipedia.org/wiki/Generisches_Maskulinum
    -> https://de.wikipedia.org/wiki/Sexus_(Sprache)

    Es gibt natürlich das Generische Maskulinum und die Generischen Genera.

    Wenig Sinn macht es ein den weiblichen Sexus per Suffix markiertes Substantiv als “generisch” den (unbekannten) Sexus meinend zu nutzen.

    Generell meint in der deutschen Sprache das Genus nicht den Sexus.

    HTH
    Dr. W

  214. #215 Jürgen Köster
    Wolfach
    29. September 2015

    @MartinB
    Also einig sind wir uns auf jeden Fall, dass die aktuelle Situation nicht befriedigend ist im Sinne einer Gleichbehandlung von Männern und Frauen.

    Bezüglich der Beschreibung der aktuellen Situation muss ich dir allerdings widersprechen. Die aktuelle Situation ist nicht
    Mask = M oder F
    Fem = F

    Ein echtes Mask gibt es ja (noch) nicht. Die aktuelle Situation ist
    Generikum = M oder F (evtl. mit Bevorzugung von M)
    Fem = F

    Was du als deine Idee bezeichnest (Generikum = M oder F und sonst nichts), entspräche dem Streichen des Suffixes -in aus unserer Sprache und konsequent nur noch von z.B. einem Arbeiter zu sprechen, wobei dann wie bei dem Begriff “Mensch” unbestimmt ist, ob damit ein männlicher oder ein weiblicher Arbeiter gemeint ist. Das wäre für mich tatsächlich auch eine in sich konsistente Lösung.

    Ich habe dich aber bisher so verstanden, dass du forderst
    Generikum = M
    Fem = F

    und immer dann, wenn weibliche und/oder männliche Vertreter gemeint sind (was ja bei den meisten Zusammenhängen auch der Fall ist), soll die Formulierung “Fem und/oder Generikum” benutzt werden. – Also “Arbeiterinnen und Arbeiter”, “Schülerinnen und Schüler”, etc.

    Das ist meiner Meinung nach keineswegs unproblematisch. Es fördert nämlich die ohnehin schon vorhandene Vermischung von Genus und Sexus, anstatt diese abzuschwächen. Wenn ein generisches Maskulinum nur noch männlich interpretiert wird, dann wird früher oder später auch darüber gestritten, wie mit dem bisher sexus-neutralen Begriff “Mensch” umzugehen ist. Ob die Formulierung “Frauen und Menschen” nun diskriminierend oder integrierend ist, ob auch bei dem Wort Mensch das Suffix -in eingeführt werden muss, um die Formulierung “Menschinnen und Menschen” benutzen zu können, etc.

    Irgendwann wären wir dann wahrscheinlich auch so weit, dass man maskuline Begriffe für Gegenstände und Sachverhalte als unpassend empfindet, weil der Schnee, der See, der Stuhl etc. ja eigentlich Neutra sein müssten, aber tatsächlich Maskulina sind. Der nächste Streit wäre damit vorprogrammiert.

    Der Hinweis von Dr. Webbaer könnte allerdings tatsächlich die Lösung realisieren, die du als meine Idee bezeichnest. Nun ist es natürlich ungewohnt von “Arbeiterichen” zu sprechen. Eine Gewöhnung könnte man aber dadurch erreichen, dass man die Formulierung “Arbeiterinnen und Arbeiteriche” als generische Formulierung verwendet solange die Situation so ist, dass das generische Maskulinum “Arbeiter” nicht als sexus-neutral empfunden wird.

    Die Gefahr bei dieser Strategie besteht natürlich darin, dass die Rechnung nicht aufgeht und es irgendwann wirklich nur noch Arbeiterinnen und Arbeiteriche, aber keine Arbeiter mehr gibt. Verloren wäre gegenüber dem Ansatz “Arbeiterinnen und Arbeiter” jedoch nichts. In beiden Fällen ginge ein Generikum verloren. Beim Ansatz “Arbeiterinnen und Arbeiteriche” wäre es aber zumindest nicht ausgeschlossen, dass ein Generikum verloren geht und er würde das Problem vermeiden, dass die Vermischung von Genus und Sexus sprachlich gefördert wird.

    Mhm… Wenn ich es mir recht überlege, schmeckt mir das konsequente Nichtbenutzen des Suffixes -in aber schon ein bissel besser als das Einführen des Suffixes -erich. Es ist schon sehr gewöhnungsbedürftig, von einem Arbeiterich zu sprechen… Aber das Zementieren von Arbeiter = männlicher Arbeiter ist für mich wirklich nicht akzeptabel. Dann bin ich lieber ein ein Physikerich.

  215. #216 Jürgen Köster
    Wolfach
    29. September 2015

    Korrektur: Beim Ansatz “Arbeiterinnen und Arbeiteriche” wäre zumindest nicht sicher, dass ein Generikum verloren geht, wohl aber beim Ansatz “Arbeiterinnen und Arbeiter”.

  216. #217 Dr. Webbaer
    29. September 2015

    @ Herr Köster :

    Unter uns Polyglotten, die auch bspw. die englischsprachige Handhabung kennen, die nur wenige erzürnt, wobei es natürlich schon in einigen Fällen eine den Sexus meinende Suffix gibt, wie in ‘Princess’ oder ‘Actress’ beispielsweise, dennoch ein Sprachraum adressiert bleibt, in dem sich nicht i.p. “geschlechtergerechte Sprache” bemüht bis aufgegeilt wird, wie im Doitschen, äh, wo ist stehengeblieben worden?

    Ach ja:
    Es gibt im D-Sprachigen, zumindest aus betont internationaler Sicht, aus diesbezüglich sozusagen übergeordneter Sicht, keine Ungerechtigkeit, wenn es Generische Genera gibt, die nicht den Sexus meinen.

    Aus der vielfältigen Verwendung der das biologisch weibliche Geschlecht meinenden Suffix ‘-in’ und der seltenen das biologisch männliche Geschlecht meinenden Suffix ‘-rich’ könnte sogar geschlossen werden, dass eher das Männchen im Deutschen i.p. ungünstiger Diskrimination zu leiden hätte.

    Allerdings spricht gegen diese Vermutung, dass es für Tätigkeits- und Berufsbezeichnungen im Deutschen überwiegend Substantive mit männlichem Genus gibt.

    Einen besonderen Ausweg sieht Ihr Kommentorenfreund hier nicht, außer eben im Hinterköpfchen zu behalten, dass im Deutschen das Genus nicht den Sexus meint und dass im Deutschen sprachlich sehr freundlich mit dem weiblichen Wesen umgegangen wird, auch bspw. die Menge der In-Formen meinend und die Anrede, in der das Weibsvolk immer zuerst genannt wird, wenn beide Geschlechter meinend angeredet wird.

    Insgesamt ginge dies zumindest für den Schreiber dieser Zeilen, der aber auch kein Neomarxist [1] ist, in Ordnung,
    MFG
    Dr. W

    [1]
    Wer mal sowas zK nimmt:
    -> ‘Im Deutschen gibt es kein generisches Maskulinum und die „generische“ Verwendung maskuliner Formen bringt keinen praktischen Vorteil mit sich.’ (Quelle)

    … hat es nicht mit erwarteten Linguisten zu tun, sondern mit Vertretern einer Tendenzwissenschaft, ähnlich wie bspw. bei der Sozialistischen Marktwirtschaft oder der Kritischen Theorie, die jeweils die Annahme des (Neo-)Marxismus voraussetzt.
    Mit einer Esoterik.

    [Anmerkung: habe den Kommentar per Hand freigeschaltet (aber nicht gelesen): Bitte max. 4 Links verwenden.]

  217. #218 MartinB
    30. September 2015

    @Jürgen
    “Ein echtes Mask gibt es ja (noch) nicht.”
    Doch, eine Person männlichen Geschlechts ist im MOment eindeutig ein “Arbeiter” – folglich wird “Arbeiter” für männliche Personen verwendet. Die Form hat eben eine Doppelrolle – generisch oder männlich. Ichglaube, darüber sind sich auch alle Linguistinnen einig.

    “Ich habe dich aber bisher so verstanden, dass du forderst
    Generikum = M
    Fem = F”
    Äh, nein. Das ist ja ein wenig die Situation, die wir haben. Ich hätte gern eine Form für alle, ungeachtet des Geschlechts (bzw. der Postion auf dem Spektrum M-F).

    Was den Arbeiterich angeht – ist es dann “das Arbeiter” und “es”, wenn wir uns darauf beziehen? Und auch ansonsten finde ich diese Differenzierung nicht einfach – im Moment sind 99 Sängerinnen und ein Sänger 100 Sänger. Nach der neuen Logik sind dann auch 99 Sängeriche und eine Sängerin 100 Sänger – ich sehe nicht wirklich, warum so eine Extra-Form notwendig sein soll.

  218. #219 Dr. Webbaer
    30. September 2015

    Und auch ansonsten finde ich diese Differenzierung nicht einfach – im Moment sind 99 Sängerinnen und ein Sänger 100 Sänger. Nach der neuen Logik sind dann auch 99 Sängeriche und eine Sängerin 100 Sänger – ich sehe nicht wirklich, warum so eine Extra-Form notwendig sein soll.

    Es ist grammatisch nicht (ganz) klar, sondern nur dem Kontext zu entnehmen, dass unter den “99 Sängerinnen und ein Sänger” der eine Sänger biologisch männlichen Geschlechts ist.
    Vielleicht ist dessen biologisches Geschlecht unbekannt?
    Hier haben diejenigen zu nagen, die feministisch in gerechte Sprache machen, gerade auch seit Kurzem, seitdem der Genderismus das Binäre bei der Geschlechter-Unterscheidung dabei ist aufzulösen; zunehmend zu nagen.

    Dass die Idee. die biologisch geschlechtlich markierte Suffix ‘-in’ generisch zu nutzen, ist klar, oder?
    Dass wenn bspw. ‘Freundinnen’ nicht mehr Frauen meinen, die befreundet sind oder mit denen jemand befreundet ist, zu Redewendungen wie ‘weibliche Freundinnen‘ zu greifen wäre?

    MFG
    Dr. W (der weiter oben vier Webverweise angebracht hat, es gehen aber wohl nur drei – der zudem für die manuelle Freischaltung dankt!)

  219. #220 Dr. Webbaer
    30. September 2015

    *
    Dass die Idee. die biologisch geschlechtlich markierende Suffix ‘-in’ generisch zu nutzen, problematisch ist, ist klar, oder?

  220. #221 MartinB
    30. September 2015

    @Wb
    “die biologisch geschlechtlich markierende Suffix ‘-in’ ”
    Jetzt haut es mir sämtliche Ironie- und Konsistenzmeter gleichzeitig raus. Seit Jahren schreibt der Webbär bei diesem Thema regelmäßig (auch hier oben bei #18) “das genus meint nicht den Sexus” – und dann das?
    ROFL.
    Und nein, Herr Webbär, Siemüssen darauf nicht antworten – alles was länger als 3 Zeilen ist und von Ihnen kommt, lese ich eh nicht.

  221. #222 Dr. Webbaer
    30. September 2015

    Das Genus meint nicht den Sexus, in der deutschen Sprache, es gibt den Sexus markierende Sufffixe, die über sich dem Substantiv anschließende Silben, wie ‘-in’ oder ‘-(e)rich’ , den Sexus eben markieren.
    KA, was daran belustigend oder abstoßend ist oder sein kann.

    MFG
    Dr. W

  222. #223 Dr. Webbaer
    30. September 2015

    *
    Suffixe

  223. #224 Jürgen Köster
    Wolfach
    30. September 2015

    “Ein echtes Mask gibt es ja (noch) nicht.”
    “Doch, eine Person männlichen Geschlechts ist im MOment eindeutig ein “Arbeiter” – folglich wird “Arbeiter” für männliche Personen verwendet. Die Form hat eben eine Doppelrolle – generisch oder männlich. Ichglaube, darüber sind sich auch alle Linguistinnen einig.”

    @MartinB
    Lies mal, was du schreibst. Du behauptest, Arbeiter wäre ein echtes Mask und lieferst selbst die Begründung, warum es das nicht ist. Es hat eine Doppelrolle, also ist es im Moment eben kein echtes Mask, sondern ein Generikum. Du sagst ja selbst, dass 99 weibliche und ein männlicher Sänger 100 Sänger sind. Ein Sänger kann also eine Frau oder ein Mann sein. Eindeutig ist nur, dass eine Sängerin eine Frau ist.

    “Ich hätte gern eine Form für alle, ungeachtet des Geschlechts (bzw. der Postion auf dem Spektrum M-F).”

    Dann haben wir das gleiche Ziel im Blick. Aber eine solche Form ist momentan eben weder Sänger noch Sängerin. Sänger wäre es, wenn es das Suffix -in nicht gäbe oder wenn es sowohl das Suffix -in als auch das Suffix -(er)ich gäbe. Andere Möglichkeiten sind rein logisch ausgeschlossen.

  224. #225 Jürgen Köster
    Wolfach
    30. September 2015

    “Allerdings spricht gegen diese Vermutung, dass es für Tätigkeits- und Berufsbezeichnungen im Deutschen überwiegend Substantive mit männlichem Genus gibt.”

    @Dr. Webbaer
    Dieses Argument ist nur schlüssig unter der Annahme, dass der grammatikalische Genus auch den Sexus meint. Dass dies momentan so empfunden wird und von der Theorie her aber nicht so sein sollte, ist genau das Problem, das es zu lösen gilt.

  225. #226 MartinB
    30. September 2015

    @Jürgen
    ” Es hat eine Doppelrolle”
    Ja, das ist in der Sprache aber oft so. Der Artikel “der” ist der Artikel für den Nominativ Singular maskulinum und ist deswegen (in diesem Fall) maskulin – ungeachtet, dass es auch der Artikel für Genitiv Sing. Fem sein kann. Niemand sagt, dass “der” (im entsprechenden Kontext) nicht eindeutig maskulin ist.

    ” Aber eine solche Form ist momentan eben weder Sänger noch Sängerin.”
    Stimmt, deswegen gibt es ja auch die Idee mit Professx (oder so ähnlich). Ich mag – aus den ausführlich angeführten Gründen – im Moment die Feminin-Form für alle lieber.

  226. #227 Jürgen Köster
    Wolfach
    30. September 2015

    Um mal etwas mehr Klarheit darüber zu bekommen, worüber wir sprechen, will ich nun erst einmal folgendes festhalten: Da wir Menschen nun mal sowohl aus weiblichen als auch aus männlichen Personen bestehen, müssen in unserer Sprache auf eine Einzelperson bezogen prinzipiell drei Dinge möglich sein:

    MF: Von einer Person sprechen und offen lassen, ob sie männlich oder weiblich ist.

    M: Konkret von einer männlichen Person sprechen.

    F: Konkret von einer weiblichen Person sprechen.

    Die aktuelle Situation sieht so aus:
    MF = Sänger
    M = Sänger
    F = Sängerin

    Wenn ich dich richtig verstanden habe, wäre dein Lösungsvorschlag:
    MF = Sängerin
    M = männliche Sängerin
    F = weibliche Sängerin

    Mein Lösungsvorschlag wäre:
    MF = Sänger
    M = männlicher Sänger
    F = weiblicher Sänger

    Prinzipiell wäre für mich Dein Lösungsvorschlag durchaus ok, aber ich verstehe nicht, was daran besser sein soll als an meinem.

  227. #228 MartinB
    1. Oktober 2015

    @Jürgen
    Was an meinem Vorschlag “besser” ist, habe ich in dem entsprechenden Artikel ja ausführlich diskutiert (ebenso, warum der Vorschlag nicht perfekt ist oder alle probleme löst).
    https://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2015/03/26/das-generische-femininum/

  228. #229 Jürgen Köster
    Wolfach
    1. Oktober 2015

    @MartinB
    “Wenn man alle Texte darauf umstellen würde, wäre das auch irgendwann kontraproduktiv, denn dann träte das generische Femininum an die Stelle des generischen Maskulinums, und wir würden bei unbestimmten Personen irgendwann automatisch ein weibliches Geschlecht assoziieren. Damit wäre nichts gewonnen. Das generische Femininum ist eine Zwischenlösung…”

    Mir scheint, du willst partout nicht wahr haben, dass das eigentliche Problem nicht in der Verwendung generischer Maskulina besteht, sondern in der in der Verwendung exklusiver Feminina (z.B. Sängerin) und der Nicht-Verwendung exklusiver Maskulina (z.B. Sängerich). Solange entweder beides (exklusives Maskulinum UND exklusives Femininum) oder weder das eine noch das andere verwendet wird, besteht ein sprachliches Gleichgewicht zwischen den Geschlechtern. Somit wäre sowohl deine als auch meine Lösung nicht nur eine Zwischenlösung sondern eine echte Lösung, da es sowohl bei dir als auch bei mir weder ein exklusives Femininum noch ein exklusives Maskulinum gibt.

    Einen Beleg dafür lieferst auch hier wieder du selbst: “Wenn ich “man” schreibe, dann stelle ich mir einfach keine bestimmte Person vor – schreibe ich “Wissenschaftler”, denke ich inzwischen ziemlich automatisch (wenn auch nicht 100% verlässlich), dass der Wissenschaftler na klar auch weiblich sein könnte (und verwende dann eine Beidnennung oder eben gleich eine weibliche Form) – bei “man” ist meine Vorstellung so unkonkret, dass das einfach nicht passiert (und wenn doch, dann gibt es da auch keine besondere Geschlechter-Präferenz).”

    Warum ist das so? Weil es zu “man” – als generisches Maskulinum aufgefasst – sowohl ein exklusives Maskulinum (“er”) als auch ein exklusives Femininum (“sie”) gibt. – Das gleiche gilt auch für “Mensch” (generisches Maskulinum) oder für “Person” (generisches Femininum).

    Wie bereits gesagt, wäre mir deine Lösung ebenso recht wie meine. Die Frage ist vielmehr, welche dieser beiden Lösungen allgemein eine größere Akzeptanz finden würde und ob es vielleicht eine Lösung gibt, die eine größere Akzeptanz finden würde als unsere beiden Lösungen.

  229. #230 MartinB
    1. Oktober 2015

    @Jürgen
    ” dass das eigentliche Problem nicht in der Verwendung generischer Maskulina besteht, sondern in der in der Verwendung exklusiver Feminina (z.B. Sängerin) und der Nicht-Verwendung exklusiver Maskulina (z.B. Sängerich). ”
    Ich habe oben mehrfach erklärt, warum ich da keinen Unterschied sehe.

    ” Somit wäre sowohl deine als auch meine Lösung nicht nur eine Zwischenlösung sondern eine echte Lösung”
    Vorsicht – im Moment propagiere ich ja ein exklusives Feminnum und bezeichen auch Feynman als Physikerin (so wie du Meitner als Physiker bezechnen würdest). Das ist also symmetrisch. (In dem text habe ich exklusive und generische Formen nicht wirklich sauber getrennt, aber das habe ich erst hinterher so richtig gemerkt.)

    Ich denke ohnehin, der eigentliche Knackpunkt werden Dinge wie Pronomina sein, auch da brauchen wir neutrale Formen, das ist deutlich ungewohnter.

  230. #231 Dr. Webbaer
    1. Oktober 2015

    @ Jürgen Köster :

    Wie schaut es eigentlich zurzeit in praxi in der deutschen Sprache aus? :

    1.) Physiker = (bei Annahme des generischen Maskulinums: biologisch-geschlechtlich neutral – könnte auch ein geschlechtsloses Wesen sein) oder (bei Ablehnung oder Unkenntnis des generischen Maskulinums: ein Mann)
    2,) Physikerin = (sexusmarkiert weiblich, eine Frau) oder (bei Annahme eines generischen Femininums, das sexusmarkiert weiblich ist (was “irgendwie” irritiert, zumindest: einige), aber generisch verwendet werden soll: biologisch-geschlechtlich unbestimmt, aber nicht durchgesetzt, also allgemein größtenteils unverständlich)
    3.) Physikerich = sexusmarkiert männlich, ein Mann also, aber nicht durchgesetzt, also allgemein größtenteils unverständlich

    Korrekt?

    MFG
    Dr. W

    PS:

    Die aktuelle Situation sieht so aus:
    MF = Sänger
    M = Sänger
    F = Sängerin

    M = der Sänger, der Artikel ist hier wichtig.
    Korrekt?

  231. #232 Jürgen Köster
    Wolfach
    1. Oktober 2015

    “Ich denke ohnehin, der eigentliche Knackpunkt werden Dinge wie Pronomina sein, auch da brauchen wir neutrale Formen, das ist deutlich ungewohnter.”
    Das Geschlecht eines Pronomens ist grundsätzlich immer das gleiche wie das Geschlecht des Nomens für das es steht. Davon abzuweichen wäre eine Veränderung der Grammatik unserer Sprache.

    “Vorsicht – im Moment propagiere ich ja ein exklusives Feminnum und bezeichen auch Feynman als Physikerin (so wie du Meitner als Physiker bezechnen würdest). Das ist also symmetrisch. (In dem text habe ich exklusive und generische Formen nicht wirklich sauber getrennt, aber das habe ich erst hinterher so richtig gemerkt.)”
    Ähm… Ja, einverstanden. Aber was hat das mit meiner Behauptung zu tun, dass sowohl deine als auch meine Lösung keine Zwischenlösung, sondern eine echte Lösung des Genderproblems sein würden?

    Du versuchst das Genderproblem zu lösen, indem du aus einem echten Femininum ein generisches Femininum machst und ich versuche das, indem ich aus einem generischen Maskulinum, das bisweilen auch als ein echtes Maskulinum benutzt wird, ein echtes generisches Maskulinum mache, indem ich es konsequent nicht exklusiv benutze, so wie ich konsequent auch kein exklusives Femininum benutze. Beide Lösungen sind symmetrisch und somit in sich konsistent. Ich würde vorschlagen, wir praktizieren einfach unabhängig voneinander unsere Lösungen. Sollte sich eine davon allgemein durchsetzen, dann werden wir sehen, ob dann das Genderproblem wirklich gelöst ist, oder ob die Lösung nur eine Teillösung war.

  232. #233 Jürgen Köster
    Wolfach
    1. Oktober 2015

    @Dr. Webbaer
    “1.) Physiker = (bei Annahme des generischen Maskulinums: biologisch-geschlechtlich neutral – könnte auch ein geschlechtsloses Wesen sein) oder (bei Ablehnung oder Unkenntnis des generischen Maskulinums: ein Mann)
    2,) Physikerin = (sexusmarkiert weiblich, eine Frau) oder (bei Annahme eines generischen Femininums, das sexusmarkiert weiblich ist (was “irgendwie” irritiert, zumindest: einige), aber generisch verwendet werden soll: biologisch-geschlechtlich unbestimmt, aber nicht durchgesetzt, also allgemein größtenteils unverständlich)
    3.) Physikerich = sexusmarkiert männlich, ein Mann also, aber nicht durchgesetzt, also allgemein größtenteils unverständlich”

    Korrekt. Damit ergibt sich tatsächlich einen Unterschied zwischen meiner Lösung und der Lösung von MartinB. Bei ihm kann das Suffix -in nicht mehr als Sexusmarkierung verwendet werden, weil er Feminina mit der Endung -in als generische Feminina verwendet. Bei meiner Lösung könnte wird ganz einfach auf das Suffix -in als Sexusmarkierung verzichtet. Dieser Unterschied mag vielleicht als Vorteil der Lösung von MartinB erscheinen, aber für mich ist er eher marginal, denn der Gebrauch von Sexusmarkierungen ist ja nicht wirklich nötig, weil man ja genauso gut auch von “weiblichen Blabla” und “männlichen Blabla” sprechen kann.

    “M = der Sänger, der Artikel ist hier wichtig.
    Korrekt?”

    Nicht wirklich. Der Artikel wird durch den männlichen Genus bestimmt und nicht dadurch, ob Sänger in der Funktion M oder MF benutzt wird. Will man die Funktion M verdeutlichen muss man “männlicher Sänger” (oder “der männliche Sänger”) sagen. Einfach nur “der Sänger” wird ebenso wie “Sänger” aktuell sowohl in der Funktion M als auch in der Funktion MF benutzt. (Und durch diese nicht-Eindeutigkeit entsteht meiner Meinung nach überhaupt erst das Genderproblem und die damit verbundene Gleichsetzung von Genus und Sexus.)

  233. #234 MartinB
    1. Oktober 2015

    @Jürgen
    “Das Geschlecht eines Pronomens ist grundsätzlich immer das gleiche wie das Geschlecht des Nomens für das es steht. ”
    Ja klar, aber welches Pronomen möchtest du für die geschlechtsneutrale Form verwenden? “Es”?

    “keine Zwischenlösung, sondern eine echte Lösung des Genderproblems sein würden?”
    O.k., das mit der Zwischenlösung war, wie gesagt, der Tatsache geschuldet, dass ich in dem Text nicht ganz sauber zwischen generischem und exklusivem Femininum unterschieden habe. Ein generisches femininum (bei dem Mann Feynman trotzdem noch als Physiker bezeichnet) ist keine endgültige Lösung; ein exklusives schon.

    “Beide Lösungen sind symmetrisch und somit in sich konsistent”
    Sehe ich nicht so. Innerhalb der Sprache hast du recht – aber da in unserer Gesellschaft die rolle der Geschlechter nicht symmetrisch ist und da aktuell ein generisches Maskulinum verwendet wird, dürfte es meiner Ansicht nach bei der Verwendung nur maskuliner Formen wesentlich länger dauern, bis Frauen selbstverständlich mitgedacht werden.

  234. #235 Jürgen Köster
    Wolfach
    1. Oktober 2015

    “Ja klar, aber welches Pronomen möchtest du für die geschlechtsneutrale Form verwenden? “Es”?”
    “Er”, wenn es sich um ein generisches Maskulinum handelt, “Sie” bei einem generischen Femininum und “Es” bei einem generischen Neutrum.
    Beispiele:
    Ein Mensch kann denken, er kann aber auch fühlen.
    Eine Person ist groß, wenn sie nicht klein ist.
    Ein Kind ist ein Junge, wenn es kein Mädchen ist.

    Alles andere wäre grammatikalisch falsch.

    “Sehe ich nicht so. Innerhalb der Sprache hast du recht – aber da in unserer Gesellschaft die rolle der Geschlechter nicht symmetrisch ist und da aktuell ein generisches Maskulinum verwendet wird, dürfte es meiner Ansicht nach bei der Verwendung nur maskuliner Formen wesentlich länger dauern, bis Frauen selbstverständlich mitgedacht werden.”
    Diese Argumentation ist wieder nur so lange schlüssig, wie der Genus eines Begriffes mit dem Sexus der gemeinten Person gleichgesetzt wird. Solange dies der Fall ist, wird aber weder deine noch meine Lösung akzeptiert werden.

    Irgendwie spiele ich gerade mit dem Gedanken, mal einen eigenen Blog zu verfassen, in dem ich die Problematik Genus, Sexus, Genderproblem und mögliche Lösungen systematisch auseinander nehme… Mal schauen, vielleicht nehme ich mir irgendwann die Zeit dazu…

  235. #236 MartinB
    2. Oktober 2015

    @Jürgen
    ““Es” bei einem generischen Neutrum.”
    Wenn wir also deine Lösung mit “Arbeiterer” einführen würden, dann hieße es
    “Der (oder das?) Arbeiter muss darauf achten, dass es die Vorschriften einhält?”

    “Diese Argumentation ist wieder nur so lange schlüssig, wie der Genus eines Begriffes mit dem Sexus der gemeinten Person gleichgesetzt wird.”
    Ja, aber die Experimente zeigen ja, dass das der Fall ist. Ich sehe es deshalb umgekehrt: um davon wegzukommen muss man genau diese Annahme durchbrechen, und genau dazu dient mir das exklusive Femininum, das ich im Moment verwende.

  236. #237 Dr. Webbaer
    2. Oktober 2015

    @ Jürgen Köster :

    Das Problem ist für Sie (hauptsächlich?, ausschließlich?), dass die das biologisch männliche Geschlecht meinende Genusmarkierung ‘-(e)rich’, eben von Ausnahmen abgesehen, kaum durchgesetzt ist und insofern oft nicht klar ist, ob ein Substantiv als generisches Maskulinum gemein ist?

    MFG
    Dr. W

  237. #238 Jürgen Köster
    Wolfach
    2. Oktober 2015

    @MartinB
    “Der (oder das?) Arbeiter muss darauf achten, dass es die Vorschriften einhält?”
    Quatsch. “Der Arbeiter muss darauf achten, dass er die Vorschriften einhält.” Arbeiter ist ein Maskulinum, ob generisch oder nicht. Falls du mir nun wieder deine These mit dem maskulinen (nicht männlichen!) Pronomen unterjubeln willst, wiederhole ich gleich mal: “Der Mensch kann denken, er kann aber auch fühlen.” 😉

    “…um davon wegzukommen muss man genau diese Annahme durchbrechen, und genau dazu dient mir das exklusive Femininum, das ich im Moment verwende.”
    Grins. Ich könnte jetzt böse sein und sagen, du versuchst es mit Gewalt, ich mit Umgewöhnung, aber das wäre nicht fair. Wir sind einfach unterschiedlicher Meinung, welcher der beiden Wege zum prinzipiell gleichen Ziel der bessere ist und niemand kann schlüssig zeigen, wer von uns recht hat.

    @Dr. Webbaer
    Das ist die Hälfte der Wahrheit. Die Volle Wahrheit lautet: Das Problem für mich ist, dass sich nur eines der beiden sexusmarkierenden Suffixe, aber nicht beide oder gar keins durchgesetzt hat. Hätten sich beide durchgesetzt, wären generische Maskulina ebenso selbstverständlich wie wenn sich keines der beiden durchgesetzt hätte. Erst durch die Unsymmetrie entsteht die sprachliche Situation, dass sich erst aus dem Zusammenhang ergibt, ob ein Maskulinum generisch oder exklusiv verwendet wird.

  238. #239 Dr. Webbaer
    2. Oktober 2015

    @ Jürgen Köster :

    O-key do-key, macht Sinn, danke für die Erläuterung.

    MFG
    Dr. W (der bis jetzt nicht genau verstanden hat, was seinen Dissens mit dem hiesigen werten Inhaltegeber zum hier bearbeiteten Thema genau ausmacht)

  239. #240 MartinB
    3. Oktober 2015

    @Jürgen
    “Arbeiter ist ein Maskulinum, ob generisch oder nicht. Falls du mir nun wieder deine These mit dem maskulinen (nicht männlichen!) Pronomen unterjubeln willst, wiederhole ich gleich mal: “Der Mensch kann denken, er kann aber auch fühlen.””
    Wir würden also auch in deiner Logik dasselbe Pronomen für eine generische Person (von wenigen Ausnahmen wie “Person abgesehen) und für eine männliche Person verwenden, aber ein anderes für weibliche Personen?

    “Der Mensch kann denken, er kann aber auch fühlen.”
    Ich weiß nicht, ob jemand das Experiment mal so gemacht hat, aber ich halte es angesichts der Experimente, die wir kennen, für nicht unplausibel, dass beim Wort “Mensch” eher an einen Mann gedacht wird (insbesondere, wenn der Satz noch ein Pronomen enthält), beim Wort “Person” eher an eine Frau.

    Doppelbedeutungen sind immer problematisch – so wie im Englischen das Wort “man” – man muss immer damit rechnen, dass beide Konnotationen mitschwingen.

    Geschlechtergerecht ist die Lösung durch ihre Asymmetrie jedenfalls nicht.

  240. #241 Jürgen Köster
    Wolfach
    6. Oktober 2015

    “Wir würden also auch in deiner Logik dasselbe Pronomen für eine generische Person (von wenigen Ausnahmen wie “Person abgesehen) und für eine männliche Person verwenden, aber ein anderes für weibliche Personen?”
    Nein, wir würden dasselbe Pronomen für ein exklusives und ein generisches Maskulinum verwenden, was aber so lange kein Problem ist, wie es zu einem generischen Maskulinum entweder kein exklusives Femininum und kein exklusives Maskulinum oder eben beides gibt.

    “Doppelbedeutungen sind immer problematisch.”
    Da sind wir uns einig. Es darf nicht ein und der selbe Begriff mal generisch und mal exklusiv verwendet werden. Du versuchst das zu verhindern, indem du doppeldeutige Maskulina durch generische Feminina ersetzt und ich, indem ich die doppeldeutigen Maskulina grundsätzlich nur generisch verwende. Die exklusiven Fälle hätten bei dir die Form
    M = “männliche Schülerin”
    F = “weibliche Schülerin”
    und bei mir
    M = “männlicher Schüler”
    F = “weiblicher Schüler”

    Beides sind generische Begriffssysteme und deshalb sind auch beide geeignet, um Doppeldeutigkeiten zu vermeiden.

    Es ist ungefähr so, als ob wir uns darüber streiten, ob ein physikalisches System aus einem Inertialsystem A oder aus einem Inertialsystem B heraus beschrieben werden muss. Tatsächlich spielt es keine Rolle. Es muss nur ein Inertialsystem sein, damit keine Scheinkräfte auftreten.

    Ebenso spielt es keine Rolle, welches generische Begriffssystem man einer Sprache zugrunde legt, um Doppeldeutigkeiten zu vermeiden. Wichtig ist nur, dass es generisch ist.

  241. #242 MartinB
    6. Oktober 2015

    @Jürgen
    “Nein, wir würden dasselbe Pronomen für ein exklusives und ein generisches Maskulinum verwenden”
    Ja, und genau das halte ich für problematisch – das Problem ist dann nur teilweise gelöst, weil es immer noch Worte gibt, die grammatikalisch sowohl generisch als auch zur Kennzeichnung eines Geschlechts dienen können. Ohne geschlechtsneutrale Pronomina und Artikel gibt es keine geschlechtsneutrale Sprache – gerade Menschen, die sich nicht in das simple Binär-Schema einordnen lassen, haben ja oft ein Problem mit der Wahl korrekter Pronomina (weswegen man im Englischen mehr und mehr zu “they” auch im Singular übergeht).
    Du schreibst ja selbst:
    “Es darf nicht ein und der selbe Begriff mal generisch und mal exklusiv verwendet werden.”
    Wenn “er” aber sowohl generisch als auch exklusiv verwendet wird, tust du doch genau das? Oder verstehe ich was falsch, und du willst/würdest das Pronomen “sie” einfach komplett abschaffen?

  242. #243 Jürgen Köster
    Wolfach
    6. Oktober 2015

    “Wenn “er” aber sowohl generisch als auch exklusiv verwendet wird, tust du doch genau das? Oder verstehe ich was falsch, und du willst/würdest das Pronomen “sie” einfach komplett abschaffen?”

    Die Pronomen “er” und “sie” muss es nach wie vor geben, weil es ja auch Maskulina und Feminina gibt, die aber alle generisch sind. Damit sind automatisch auch “er” und “sie” generisch.

    Auch du kannst ja bei deinem System nicht “er” oder “sie” abschaffen. Auch bei dir gibt es ja noch Wörter wie Mensch, Löffel oder Fuß, die du dann mit “er” pronomieren musst. Oder willst du grundsätzlich alle Maskulina aus unserer Sprache verbannen? Nur dann könntest du auf “er” verzichten.

    Ebenfalls in deinem als auch in meinem System gibt es zwei exklusive Ausnahmen, nämlich die Wörter “Mann” und “Frau”. Das wären die einzigen beiden Wörter, die dafür sorgen, dass die Pronomen nicht 100% sondern nur 99,9% generisch sind, um jetzt einfach mal zwei Zahlen in die Welt zu setzen. Wollten wir auch diese letzte nicht-generische Färbung der Pronomen vermeiden, dann müssten wir auch hier von “männlichen Menschen” und “weiblichen Menschen” anstatt von “Männern” und “Frauen” sprechen. (Bei dir wären es vielleicht männliche bzw. weibliche Menschinnen.) Ich meine, dass diese mathematische Strenge nicht nötig ist und “Mann” und “Frau” als einzige exklusive Begriffe verbleiben könnten.

  243. #244 MartinB
    6. Oktober 2015

    @Jürgen
    O.k., ich glaube, ich hatte dich missverstanden. Bei dir heißt es also beim Bezug auch auf einen weiblichen Arbeiter dann “er” (das ist ja auch die Lösung, die bei Star Trek verwendet wird – “der Admiral” und “er” und “Sir” – aber trotzdem ist eine weibliche Person gemeint.)
    Das ist in meinen Augen völlig o.k. (auch wenn ich die rein weiblichen Formen immer noch besser finde aus genannten Gründen).

    Problematisch sind immer noch Worte wie “Person” oder “Mensch” – nehmen wir dann im ersten Fall “sie” im zweiten “er”? (Das Problem existiert aber in meiner Variante genauso.)
    Insofern wäre ein echt geschlechtsneutrales Pronomen (wie “they” im Englischen) immer noch besser.

  244. #245 Jürgen Köster
    Wolfach
    6. Oktober 2015

    “Person” und “Mensch” sehe ich nicht als Problem, denn das sind ja jetzt schon generische Begriffe. Ich hatte bei meiner Argumentation allerdings tatsächlich etwas ganz anderes übersehen: Auch dann, wenn alle Substantive generisch sind, bleiben immer noch die Namen, die normalerweise niemals generisch sind und das ist tatsächlich ein Grund, warum die Pronomen doppeldeutig bleiben. Beispiel: “Martin geht nach seiner Arbeit noch einkaufen. Deshalb kommt er später nach hause.” Hier ist “er” exklusiv männlich. Es wäre also tatsächlich nötig, weder generische Maskulina noch generische Feminina zu verwenden, damit es in Bezug auf Substantive nur noch das Pronomen “es” gibt.

    Hier kommt bei mir nun bei aller Liebe zur Theorie dann doch der Pragmatiker durch, der dem Homo Sapiens zutraut, ein Pronomen aus dem verwendeten Zusammenhang heraus zu interpretieren. Auf jeden Fall würde ich sagen, dass eine Sprache mit ausschließlich generischen Substantiven allemal besser ist als eine Sprache, in der es sowohl doppeldeutige Substantive als auch doppeldeutige Pronomen gibt.

  245. #246 MartinB
    6. Oktober 2015

    @Jürgen
    “Hier ist “er” exklusiv männlich.”
    Das muss ja nicht so sein, wenn wir “er” auch grundsätzlich für weibliche personen verewnden (so wie ich im Moment “sie” auch für männliche nehme).

    “Hier kommt bei mir nun bei aller Liebe zur Theorie dann doch der Pragmatiker durch”
    Aber nach wie vor est es dann doch so: Wenn wir das Pronomen “er” generisch *und* für explizit mänliche Personen verwenden, aber “sie” für explizit weibliche Personen, dann heben wir immer noch sprachlich die Tatsache hervor, dass Frauen “anders” sind (und der default-Mensch eben männlich – ich denke, die Experimente hier und auch die zur Verwendung der Artikel, die ich anderweitig beschrieben habe, zeigen schon, dass solche Priming-Effekte nicht vernachlässigt werden können).
    Und wir lösen damit immer noch nicht das Problem, was wir mit Menschen tun, die sich nicht eindeutig einem Geschlecht zugehörig fühlen (und ein kurzer Blick in entsprechende Internetforen zeigt, dass das in der Tat ein problem ist).

    Insofern ist für mich die beste Lösung eine, die auch geschlechtsneutrale Pronomina verwendet.

  246. #247 Jürgen Köster
    Wolfach
    6. Oktober 2015

    Ich weiß nicht, ob man das mit den Pronomen wirklich so eng sehen muss. Aber betrachten wir mal das Ergebnis des Experiments in Norwegen. Ich kenne die norwegische Sprache zwar nicht gut genug, um das wirklich beurteilen zu können, aber das Ergebnis des Experiments in Norwegen scheint ja zu zeigen, dass generische Maskulina trotz nicht generischer Pronomen funktionieren können.

    Ich bin andererseits aber grundsätzlich etwas skeptisch bei der Beurteilung solcher Experimente allgemein. Wenn es um Sprachen und unser Denken geht, ist es nämlich nicht so, wie wir es aus der Physik gewohnt sind. Es gibt keine eindeutige Kausalität zwischen Sprache und Denken. Der Zusammenhang ist multikausal. Die Sprache beeinflusst zwar unser Denken, aber unser Denken beeinflusst auch die Sprache, die wir benutzen und die Art wie wir unsere Sprache interpretieren. Zusätzlich wird unser Denken von der gegebenen kulturellen Situation beeinflusst. Deshalb ist das Ergebnis eines solchen Experiments nur auf die gegebene Sprachsituation in Verbindung mit der zugrunde liegenden kulturellen Situation gültig. Es lässt aber streng genommen keine Rückschlüsse auf den Ausgang des Experiments unter der Annahme einer veränderten Sprache zu.

    Auf exklusiv sexusbestimmende Begriffe außer bei Namen zu verzichten scheint mir trotzdem sinnvoll – einfach vom gesunden Menschenverstand her gedacht. Ausschließlich geschlechtsneutrale Pronomen in Bezug auf Personenbegriffe zu verwenden, wäre zwar wünschenswert, scheitert aber irgendwo an der Praktikabilität. Es würde erfordern, jeden maskulinen Personenbegriff durch ein generisches Neutrum zu ersetzen. Das einzige mir bekannte Suffix, das dies ermöglichen würde wäre das Verniedlichungssuffix -chen. Anstatt von einem Physiker oder von einer Physikerin zu sprechen könnten wir theoretisch von einem Physikerchen sprechen und dann das neutrale Pronomen “es” verwenden. Ich bezweifle jedoch, dass dies allgemein akzeptiert werden würde. – Naja… Angela Merkel wäre dann ein weibliches Kanzlerchen und Wolfgang Schäuble ein männliches Ministerchen… und wir beide kämen an Fasching in die Bütt. 😀

  247. #248 MartinB
    7. Oktober 2015

    @Jürgen
    Du verwirrst mich etwas. Zum einen finde ich es nicht wirklich sinnvoll, erst die Ergebnisse der Forschung da zu akzeptieren, wo sie einem passen, und dann an der stelle, wo man gefühlsmäßig denkt “das ist mir zu viel” zu sagen “Naja, so exakt ist diese Forschung ja eh nicht.”

    Zum zweiten zeigt doch das norwegische Experiment (ebenso wie die zunehmende Verbreitung von “they” im Englischen als generisches Pronomen), dass zumindest generische Pronomina funktionieren.
    Dass der Weg zu echter geschlechtsneutralität weiter ist, ist klar, dass das nicht ohne größere Eingriffe in die Sprache geht, auch. Aber es gibt für jede Sprachänderung immer Leute, die sagen “das geht zu weit” (selbst Beidnennungen oder Worte wie “Studierende” sind einigen ja schon zu viel). Deswegen sollte man meiner ansicht nach erst einmal überlegen, was das ideale Ziel ist, zu dem man möchte – und dazu gehören für mich geschlechtsneutrale Pronomina.
    Und schließlich zeigt das Experiment sowohl hier als auch im Buch von Ann Leckie (im anderen Artikel erläutert), dass es tatsächlich gar nicht so unpraktikabel ist, wie man denkt, wen auch gewöhnungsbedürftig.

  248. #249 Jürgen Köster
    Wolfach
    7. Oktober 2015

    Wie bereits gesagt, kenne ich die Norwegische Sprache nicht gut genug, um das selbst beurteilen zu können. Ich habe mich hier auf deine Aussage im Blog gestützt:

    “Norwegisch hat anscheinend ursprünglich ähnlich klare grammatische Geschlechter wie das Deutsche oder Französische, in den letzten 30 Jahren wurde aber die Sprache so verändert, dass die weiblichen Bezeichnungen immer weniger verwendet wurden, so dass das männliche Geschlecht heutzutage tatsächlich generisch verwendet wird wie im Englischen.”

    Wenn das maskuline (nicht männliche!) Geschlecht generisch verwendet wird, dann scheinen generische Maskulina in Norwegen zu funktionieren. Das dazu passende maskulinen Pronomen kann aber auch in Norwegen nicht vollkommen generisch sein, da es ja logischerweise auch dort wie bei uns auf Männernamen (wie Martin oder Jürgen) bezogen exklusiv verwendet werden muss. In Norwegen scheint also genau die Lösung realisiert zu sein, die ich vertrete: Substantiva grundsätzlich (maskulin) generisch (indem die femininen -in-Formen nicht mehr verwendet werden) und Pronomina je nach Zusammenhang mal generisch, mal exklusiv. Wenn dies so ist, dann – und nur dann – zeigt der Test, dass genau diese Lösung funktioniert.

    Was ich mit der begrenzten Gültigkeit des Testergebnisses meine, ist, dass der Test nur geeignet ist, um eine bereits realisierte Lösung zu beurteilen. Er ist aber nicht geeignet, um zu beurteilen, ob und wie gut eine noch nicht realisierte Lösung funktionieren würde. Wir können also davon ausgehen, dass die norwegische Lösung auch bei uns funktionieren würde und dass die französische Lösung auch bei uns nicht funktionieren würde. Wir können dem Test aber nicht entnehmen, wie gut eine fiktive Lösung funktionieren würde, die in keinem der getesteten Länder realisiert ist, weil der Test nur Korrelationen aber keine Kausalitäten zwischen Sprache und Denken feststellen kann.

    Ist also in Norwegen eine andere Lösung realisiert, dann sagt der Test über das mögliche Funktionieren meiner Lösung ebenso wenig aus wie über deine oder irgend eine andere noch nirgendwo realisierte Lösung.

  249. #250 MartinB
    7. Oktober 2015

    @Jürgen
    Möglicherweise habe ich das mit dem Norwegischen Falsch verstanden – ich dachte, man verwendet dort inzwischen alle Formen generisch, von Pronomina ist soweit ich weiß im Text gar nicht die Rede. (Igrnedeine nordische Sprache hat ein geschlechtsneutrales Pronomen eingeführt, ich weiß aber nicht mehr welche).

    Und ich weiß nicht, was du mit “funktionieren” meinst – ist irgendwo nachgewiesen, dass generische Formen für Substantive in Verbindung mit männlichen Pronomina immer korrekt verstanden werden? (Das Experiment hier jedenfalls nicht, denn da tauchen keine Pronomina auf.)

    Und meine Argumente gegen geschlechtsspezifische pronomina sind eh grundsätzlicher Natur – wie ja mehrfach erläutert.

  250. #251 Jürgen Köster
    Wolfach
    7. Oktober 2015

    “ist irgendwo nachgewiesen, dass generische Formen für Substantive in Verbindung mit männlichen Pronomina immer korrekt verstanden werden? (Das Experiment hier jedenfalls nicht, denn da tauchen keine Pronomina auf.)”
    So hatte ich deine Aussage über die norwegische Sprache verstanden. Aber ok, dann scheint es keinen solchen Nachweis zu geben und ich beschränke mich ebenfalls wieder auf eine grundsätzliche Argumentation unabhängig vom experimentellen Befund.

    Was die Pronomina angeht, kapiere ich jetzt überhaupt erst, wovon du sprichst. Du meinst nicht das neutrale Pronomen “es”, sondern ein ein Pronomen, das im Singular beide nicht-neutralen geschlechter meint. Ein solches Pronomen (korrekterweise müsste man es als utral und nicht als neutral bezeichnen) hat sich tatsächlich im Schwedischen eingebürgert. Dort wird anstatt “han” (=”er”) oder “hon” (=”sie”) das utrale Pronomen “hen” verwendet, wenn von einem Individuum gesprochen wird, dessen biologisches Geschlecht unbestimmt bleiben soll. Daneben gibt es angeblich trotzdem noch ein neutrales Pronomen, das unserem “es” entspricht. Eine ähnliche Entwicklung scheint tatsächlich in der Englischen Sprache im Gange zu sein, wo zunehmend das Plural-Pronomen “they” auch im Singular verwendet wird, wenn der Sexus eines Individuums unbestimmt bleiben soll.

    Meiner Meinung nach sind wir davon in unserer Sprache aber noch Lichtjahre entfernt. Erst einmal müssen sich generische Maskulina und/oder generische Feminina (evtl. auch generische Neutra) als Utra für beide biologischen Geschlechter durchsetzen. Das ist in der englischen und in der schwedischen Sprache schon länger der Fall. Niemand spricht in England von einer “teachress”, wenn von einem weiblichen “teacher” (generisches Maskulinum) die Rede ist. Das gibt es dort nur noch bei wenigen Ausnahmen wie “actress”. Auch in Schweden gibt es schon lange keine unterschiedlichen Bezeichnungen mehr für weibliche und männliche Vertreter eines Berufes oder einer Personengruppe.

    Ich denke, dass die Entwicklung von spezifischen zu generischen Substantiven erst weitgehend abgeschlossen sein muss, ehe es überhaupt ein Bewusstsein für die Notwendigkeit utraler Pronomina gibt.

  251. #252 MartinB
    8. Oktober 2015

    @Jürgen
    “Was die Pronomina angeht, kapiere ich jetzt überhaupt erst, wovon du sprichst. ”
    Na prima, ich dachte schon, irgendwie reden wir aneinander vorbei.

    “Ich denke, dass die Entwicklung von spezifischen zu generischen Substantiven erst weitgehend abgeschlossen sein muss, ehe es überhaupt ein Bewusstsein für die Notwendigkeit utraler Pronomina gibt.”
    Denke ich nicht – erstens kann man beides in einem Aufwasch machen, zweitens ist das Bewusstsein zumindest bei einigen (gerade denen, die nicht ins klassische Binärschema fallen) durchaus vorhanden.
    Andererseits hast du – realpolitisch gedacht – vermutlich recht, wenn man überlegt, was für Aufregung es selbst bei Beidnennungen oder auch bei so etwas wie der sehr zaghaften Rechtschreibreform gab. Aber auf meinem Blog kann ich ja zum Glück auch radikal sein.

  252. #253 Dr. Webbaer
    9. Oktober 2015

    @ Herr Köster :

    Die Sache mit den Personalpronomina in der deutschen Sprache ist i.p. Problematik, sollte eine vorliegen, quasi deckungsgleich zu der Problematik, sollte eine vorliegen, mit den Berufs- oder Tätigkeitsbezeichnungen, die den Sexus meinen und sexus-markiert sein könnten?!

    MFG
    Dr. W

  253. #254 Jürgen Köster
    Wolfach
    13. Oktober 2015

    @ Dr. Webbaer
    Jain… Solange es nur um Substantive geht, ist die Pronominaproblematik dekungsgleich mit der Problematik der Personenbezeichnungen. Aber Pronomina können sich ja auch auf Vornamen beziehen, die immer sexusmarkiert sind (Frank ist immer ein Mann und Sabine immer eine Frau). Somit haftet den Pronomina immer die Färbung maskulin=sexus-männlich und feminin=sexus-weiblich an. Vermutlich entstand in Schweden deshalb das Bedürfnis nach utralen Pronomina für die generisch verwendeten Personenbezeichnungen. Aber wie gesagt, ist die Einführung solcher uteraler Pronomina für mich noch zu weit weg, als dass ich mir darüber schon viele Gedanken mache. Erst einmal müssen sich generische Substantiva durchsetzen (in der Art, dass sie wirklich generisch verwendet werden und nicht nur in der Theorie generisch sind). Da hinken wir mit unserer Sprache Ländern wie England, Norwegen oder Schweden noch mächtig hinterher.

  254. #255 MartinB
    14. Oktober 2015

    @Jürgen
    “Aber Pronomina können sich ja auch auf Vornamen beziehen, die immer sexusmarkiert sind (Frank ist immer ein Mann und Sabine immer eine Frau)”
    Auch das muss nicht sein. Ich habe gerade einen interaktiven Roman gelesen, in dem ich jemand namens “Morgan” gespielt habe – das Geschlecht blieb bis zum Ende offen. Insbesondere Kurzformen sind gar nicht so oft geschlechtsneutral, z.B. Pam, Sam, Toni. Und dann gibt es noch Namen wie Rene oder Andrea, wo das Geschlecht regional unterschiedlich zugeordnet wird.

  255. #256 Jürgen Köster
    Wolfach
    16. Oktober 2015

    Allerdings bezieht sich ein Name immer auf eine bestimmte Person mit einem eindeutigen Sexus. Insofern kann ein Name zumindest nie generisch gemeint sein und somit bezieht sich das Pronomen, das für einen Namen steht, auf den Sexus der gemeinten Person, während es sich bei einem Substantiv auf das grammatikalische Genus bezieht. (Wenn ich z.B. von Andrea Bocelli spreche, dann spreche ich von “ihm”, im Falle von Andrea Berg von “ihr”.) – Streng genommen hat ein Name gar kein grammatikalisches Genus…

  256. #257 MartinB
    16. Oktober 2015

    @Jürgen
    ” Insofern kann ein Name zumindest nie generisch gemeint sein”
    Auch das ist aber nur kulturelle Gepflogenheit. Es spricht überhaupt nichts dagegen, sich eine Kultur vorzustellen, in der alle Namen für beide/alle Geschlechter verwendet werden können.

  257. #258 Jürgen Köster
    Wolfach
    19. Oktober 2015

    Auch in einer Kultur, in der jeder Name für beide Geschlechter benutzt werden kann, ergäbe es keinen Sinn, einen Namen generisch zu denken. Wenn ich von “Martin” spreche, dann meine ich damit immer eine konkrete Person, die entweder ein Mann oder eine Frau ist. Es ergibt keinen Sinn, von “einem Martin” zu sprechen in der Art, wie ich z.B. von “einem Schüler” spreche. Menschen, die Martin heißen, definieren nicht in der Weise eine spezielle Gruppe von Menschen, wie Menschen, die Schüler sind… Anders ausgedrückt: Ein Name bezieht sich immer auf den ganzen Menschen incl. seines biologischen Geschlechts, während eine Personenbezeichnung sich auf eine Eigenheit eines Menschen bezieht, die normalerweise nichts mit seinem biologischen Geschlecht zu tun hat.

  258. #259 MartinB
    19. Oktober 2015

    @Jürgen
    “ergäbe es keinen Sinn, einen Namen generisch zu denken. ”
    Warum nicht? genauso wie ich bei Nennung des Namens “Jürgen” nicht weiß, welches Alter oder welche Haarfarbe damit verbunden ist (und mir das auch in vielen Fällen egal sein kann), genauso könnte es mit dem geschlecht sein. (Natürlich hat jeder konkrete Mensch ein Alter, aber das muss bei bloßer Namensnennung nicht mitgedacht werden.) Es ist in unserer kultur nicht so, aber ich sehe nicht, warume ine entsprechende Kultur unmöglich oder undenkbar sein sollte.

  259. #260 Dr. Webbaer
    21. Oktober 2015

    @ Herr Dr. Bäker :

    Wie passt es zusammen, wenn einerseits die Sexusmarkierung stark beworben wird und andererseits Vornamen, die in der BRD zudem sexuseindeutig sein sollen, ansonsten werden sie staatlicherseits gerne auch abgelehnt, >:->, beworben werden, so dass sie sexusneutral oder “generisch” sein könnten?

    Ansonsten natürlich allen Debattanten vielen Dank, zuletzt gelang es dem Schreiber dieser Zeilen zunehmend zu verstehen welche Probleme bei diesem Topic überhaupt gesehen werden; der Schreiber dieser Zeilen ist hier ja recht fröhlich und locker, mehr so der Null-Problemo-Typ, zumindest was Sprachen betrifft, auch weil Sprachen ganz außerordentliche Kulturleistungen darstellen und in der Regel, vielleicht überraschend: für einige, kohärent sind.

    MFG
    Dr. W

  260. #261 Jürgen Köster
    Wolfach
    24. Oktober 2015

    @MartinB
    Das ist doch Quatsch. Welchen Sinn soll es machen, generisch von “einem Jürgen” oder “einem Matin” zu sprechen? Wenn ich von “einem Schüler” spreche, dann meine ich damit ein Individuum, das sich von anderen Individuen darin unterscheidet, dass es von einem anderen Individuum (einem Lehrer) unterrichtet wird. Wenn ich von “einem Bäcker” spreche, dann meine ich damit ein Individuum, das Brot backt. (Theoretisch muss ein Individuum nicht einmal ein Mensch sein.)

    Aber welchen Sinn ergibt es, von “einem Jürgen” oder “einem Martin” zu sprechen? Was zeichnet einen Jürgen oder einen Martin von anderen Individuen aus? Mit einem Namen ist immer ein konkretes Individuum gemeint, das ein eindeutiges Geschlecht hat. Ob mir das bei der Nennung des Namens wichtig ist oder nicht, spielt dabei keine Rolle, sie hat es – sogar, wenn mit einem Namen eine Maschine gemeint wäre (ich kannte mal jemanden, der seinen Haushaltsgeräten Namen gab), hätte sie eindeutig kein Geschlecht.

  261. #262 MartinB
    25. Oktober 2015

    @Jürgen
    “Aber welchen Sinn ergibt es, von “einem Jürgen” oder “einem Martin” zu sprechen?”
    Das ist die falsche Frage.
    “Mit einem Namen ist immer ein konkretes Individuum gemeint, das ein eindeutiges Geschlecht hat. Ob mir das bei der Nennung des Namens wichtig ist oder nicht, spielt dabei keine Rolle, sie hat es”
    Stimmt, aber die Person hat auch ein Alter, eine Haarfarbe, eine Körpergröße, einen IQ etc.
    Warum ist dir das Geschlecht so wichtig, dass du glaubst, ohne eindeutige Korrelation zwischen Namen und Geschlecht gäbe es irgendwelche Probleme, während du das bei anderen Eigenschaften nicht so siehst?

    Die Frage ist eben nicht, ob eine bestimmte Person “generisch” gemeint sein kann (da smacht na klar keinen Sinn), sondern, warum es genau diese einzige ausgezeichnete Eigenschaft gibt, von der wir meinen, dass sie zwingend bei jeder Nennung einer konkreten Person festgelegt werden muss, während wir Alter (das ja auch oft sehr wichtig ist – in den meisten Fällen ist es im Umgang mit einer Person wichtiger, zu wissen, ob sie 18 Monate oder 18 Jahre alt ist als, welches Geschlecht sie hat) oder andere Eigenschaften nicht in dieser Weise behandeln.

    Das ist die entscheidende Frage hier (und ich verewise mal wieder auf das Buch “Ancillary Justice”, über das ich im anderen Post geschrieben habe, wo du das explizit erleben kannst).

  262. #263 Jürgen Köster
    Wolfach
    25. Oktober 2015

    Ok, also einig sind wir uns auf jeden Fall, dass Namen nicht generisch verwendet werden verwendet werden können.

    Was die fiktive Kultur angeht, in der ein Name für jeden Menschen unabhängig seines biologischen Geschlechts verwendet werden kann, ist mir unsere Diskussion ehrlich gesagt inzwischen etwas zu realitätsfern. Kennst du eine Kultur, in der es sowas gibt? Die Frage wäre nämlich, ob in einer solchen Kultur ein Name dann ein eindeutiges grammatikalisches Genus hat. Wenn ja, dann wäre als Nebeneffekt auch das Problem mit den Pronomina gelöst. Es gäbe dann tatsächlich nur noch Pronomina, die unabhängig vom biologischen Geschlecht verwendet werden und ein utrales Pronomen wie das schwedische “hen” wäre überflüssig.

    Ich gebe dir natürlich recht, wenn du sagst, dass das biologische Geschlecht eines Menschen nicht so wichtig ist, dass es sprachlich manifestiert werden sollte. (Deshalb lehne ich ja die Verwendung des Suffixes -in ab.) Aber bei Namen sieht die Realität halt so aus, dass es Vornamen für Männer und andere Vornamen für Frauen gibt. Wir scheinen wieder an einem Punkt zu sein, wo du gerne eine radikale Position einnimmst, während ich nur von der gegebenen Situation aus einen Schritt in eine sinnvolle Richtung gehe und offen lasse, wohin die Reise auf lange Sicht führt.

  263. #264 MartinB
    26. Oktober 2015

    @Jürgen
    “Die Frage wäre nämlich, ob in einer solchen Kultur ein Name dann ein eindeutiges grammatikalisches Genus hat. Wenn ja, dann wäre als Nebeneffekt auch das Problem mit den Pronomina gelöst. Es gäbe dann tatsächlich nur noch Pronomina, die unabhängig vom biologischen Geschlecht verwendet werden und ein utrales Pronomen wie das schwedische “hen” wäre überflüssig.”
    Ich denke, in einer solchen Sprache wird es vermutlich gar keine Pronomina mit einem Genus geben, jedenfalls nicht in dem Sinne, dass das Genus irgendwas mit Geschlecht im biologischen oder gesellschaftlichen Sijnn zu tun hat.

    ” Ich gebe dir natürlich recht, wenn du sagst, dass das biologische Geschlecht eines Menschen nicht so wichtig ist, dass es sprachlich manifestiert werden sollte. ”
    Prima.

    ” Aber bei Namen sieht die Realität halt so aus, dass es Vornamen für Männer und andere Vornamen für Frauen gibt. ”
    Na klar, und das wird sich auf absehbare zeit auch nicht ändern. Aer ich finde es hilfreich, sich einfach zu fragen, *warum* wir das Geschlecht so viel wichtiger finden als z.B. das Alter. Antworten wie die von Jürgen (weil wir nun mal geschlechtliche Wesen sind) überzeugen mich da nicht.

    “Wir scheinen wieder an einem Punkt zu sein, wo du gerne eine radikale Position einnimmst,”
    Die radikale Position nehme ich ja nicht ein mit der Idee, dass man das wirklich in absehbarer Zeit umsetzenkönnte, sondern eben nur als Gedankenexperiment, um zu sehen, welche unausgesprochenen Annahmen wir eigentlich im Alltag machen.

  264. #265 Veldrin
    8. April 2018

    »Was meiner Ansicht nach bei diesen Studien schade ist, ist, dass keine echt neutralen Formen im Deutschen ausprobiert wurden, wie beispielsweise “Kind”, “Mitglied”, “Person” oder auch moderne Konstrukte wie “Studierende”. Das könnte zeigen, ob in diesem Fall dann keine Bevorzugung eines Geschlechts mehr vorliegt, wie im Englischen, oder ob auch dann die männliche Form gegenüber der weiblichen deutlich bevorzugt wäre […]«

    Das würde mich auch interessieren. Leider habe ich diesbezüglich nichts im Internet finden können.

    Persönlich kann ich nur sagen, dass ich beim Generischen Maskulinum Frauen miteinbeziehe, seitdem ich angefangen habe mich mehr mit der Deutschen Sprache zu beschäftigen.

    Ich bin kein Fan davon die spezifische weibliche Form neben der generischen männlichen Form zu nutzen, da dadurch das generische Maskulinum schleichend zu einer spezifischen wird – beziehungsweise so wirkt.

    Wenn von Bürgern die Rede ist, denke ich immer auch an Frauen. Nein, das stimmt nicht ganz, ich denke an gar kein Geschlecht im Besonderen, sondern einfach an Menschen. Bei Hebammen (Generisches Femininum), denke ich überwiegend an Frauen, aber im Hinterkopf habe ich, dass das auch Männer sein können. Umgekehrt bei KFZ-Mechatronikern. Es hat also mehr mit dem Stereotyp zu tun bei mir. Bürger ist eben nicht sterotypisch männlich oder weiblich, sondern neutral. Daher denke ich bei solchen Personenbezeichnungen auch an beide Geschlechter.

    Am liebsten würde ich das spezifische Femininum und spezifische Maskulinum (sofern es denn eins gibt, ich glaube nämlich nicht) abschaffen und das Generische Femininum swie Maskulinum in Neutrum umbenennen. Fortan wären eben Schüler nur noch Schüler.

    Eine Alternative wäre ein spezifisches Maskulinum zu erfinden und neben das spezifische Femininum zu gesellen.
    So wäre das Generische Maskulinum sowie Femininum fortan einfach neutral und Neutrum genannt.
    Also beispielsweise:
    Neutral: Schüler
    Femininum: Schülerin
    Maskulinum: Schülerkun

    -kun aus dem japanischen entlehnt mangels besseren Einfalls. Option 1 würde mir aber besser gefallen, da einerseits ein echtes Maskulinum ungewohnt wäre und künstlich und andererseits mir der Sinn abhanden kommt, warum man spezifisch weibliche oder männliche Formen benötigt. Das macht es unnötig kompliziert. Ein Neutrum würde vieles einfacher machen.

  265. #266 Veldrin
    8. April 2018

    „Persönlich kann ich nur sagen, dass ich beim Generischen Maskulinum VERMEHRT Frauen miteinbeziehe“ meinte ich, da ich auch davor Frauen miteinbezog – wenn auch seltener, je nach Stereotyp.

  266. #267 Veldrin
    8. April 2018

    „Einige der Frauen“ (Satz 2) impliziert für mich, dass ausschließlich Frauen in der Gruppe vertreten sind.
    Wohingegen „Einige der Frauen DIESER GRUPPE“ die Implikation wieder herausnimmt.

    Es ist nun mal so, dass bei 100% Frauen in einer Gruppe die spezifische (feminine) Form üblich ist und nicht generische Maskulinum, welches BEIDE Geschlechter einbezieht. Es gibt kein spezifisches Maskulinum, daher greift man bei rein männlichen Gruppen behelfsmäßig auf das Generische Maskulinum, also die neutrale Form zurück.

  267. #268 Veldrin
    9. April 2018

    Muss meinen letzten Kommentar korrigieren.

    Es hängt tatsächlich auch stark von der Betonung ab. Kann mich da jitpleecheeps Kommentar (#11) nur anschließen.

  268. #269 Veldrin
    9. April 2018

    »Das sogenannte „generische Maskulinum“ wird tendenziell eher als echtes Maskulinum verstanden«

    Dem muss ich widersprechen. Es kommt immer auf den Kontext an. Wenn von Puffbesuchern gesprochen wird denke ich, wegen des gängigen Stereotyps, dass diese sehr stark überwiegend Männer sind, eben an eine rein männliche Gruppe. Bei Stripbesuchern hingegen schließe ich Frauen mit ein, da hier Frauen offenbar deutlich häufiger als Kunden anzutreffen sind.

    Es kommt halt auf Betonung, Stereotyp und Kontext an. Generell gehe ich aber immer prinzipiell von einem GENERISCHEN Maskulinum aus. Im Kontext, also wenn man beispielsweise von der Deutschen Fußballnationalmannschaft der Männer(!) spricht und dann das Generische Maskulinum „Spieler“ benutzt, denke ich natürlich, wegen des Kontextes nicht an weibliche Spieler sondern ausschließlich männliche.
    Wenn man aber generell von Spielern spricht, dann stelle ich mir einfach Personen vor und da ist mir egal ob weiblich oder männlich oder sonstwas.

  269. #270 Veldrin
    9. April 2018

    »das entscheidet man nicht nach (prozentualer) wahrscheinlichkeit und auch nicht nach logik, sondern nach kontext. nehmen wir an, es gäbe umkleideräume für sozialarbeiter, dann wäre klar, dass sich in der umkleide für “sozialarbeiter” die männer umziehen und in der für “sozialarbeiterinnen” die frauen. «

    Nope. Ich würde sofort an gemischte also Unisexumkleiderräume denken. Es sei denn man spricht explizit von ZWEI Umkleideräumen. Dann würde man aber, zumindest meine Generation, nicht von „eine für die Sozialarbeiter“ und „eine für die Sozialarbeiterinnen“, sondern von „eine für Frauen und eine für Männer“ oder schlicht „zwei getrennte Umkleidekabinen“ sprechen. Das Generische Maskulinum, behaupte ich mal, ist je jünger die Menschen sind stärker und das Femininum wird immer seltener verwendet. Zumindest mein Gefühl.

  270. #271 MartinB
    9. April 2018

    @Veldrin (269)
    “Dem muss ich widersprechen. Es kommt immer auf den Kontext an. ”
    Das kannst du ja gern tun – aber die geschilderten Experimente zeigen ja relativ deutlich, dass im Deutschen eben *nicht* das Stereotyp entscheidet. (Dass du mal nen Extremfall findest, wo das anders ist, widerlegt das nicht.)

    Und ob Deine eigene Selbstwahrnehmung wirklich korrekt ist, ist auch nicht immer ganz leicht herauszufinden (dazu gibt es z.B. implicit-bias-Tests).

  271. #272 Panthauer
    hier und dort
    17. April 2019

    „…….nun, das darf natürlich jede Leserin ganz allein entscheiden.“
    Nur die Leserinnen oder auch die Leser?
    Schon kompliziert, wenn man versucht krampfhaft „neutral” zu sein was?

    Im Briefkopf, bei der Begrüßung, nennt man beide Geschlechter. Aber im Text geht es um was anderes. Man muss es auch nicht unnötig herausfordern, um seinen eigenen „Standpunkt“ provokant darzustellen:
    „Die ForscherInnen haben deshalb drei unterschiedliche Sprachen miteinander verglichen.“
    Wenn, dann heißt das:
    „Die Forscherinnen und Forscher“
    Oder:
    „Die Autorinnen führen noch ein weiteres Argument an,……“
    Richtig heißt das:
    „Die Autorinnen und Autoren“…………………..
    Also man muss es nicht provozieren.
    Mit „geschlechtsneutraler Formulierung“ hat das nichts mehr zu tun.
    Es ist einfach eine Provokation, mehr nicht.

    Aber erstaunlich wieviele Gedanken man sich über die Verkomplizierung der Sprache machen kann. Da wundert es einen nicht, wenn in manchen Bereichen des Zusammenlebens die Dinge verschlimmbessert werden, anstatt sich um wichtigere Probleme zu kümmern.

  272. #273 Klaus-Peter Kuhn
    Ulm
    2. Juni 2019

    Ich weiß, ich bin etwas spät dran, 7 Jahre nach der Veröffentlichung. Aber das Thema ist ja noch nicht veraltet und die Ergebnisse dürften immer noch stimmen, auch wenn es inzwischen neue geben dürfte.
    Mich würde interessieren, was bei einer analogen Studie auf japanisch herauskäme. Das Japanische kennt bekanntlich kein grammatikalisches Geschlecht, ist also sprachlich noch genderneutraler als das Englische. Falls also des generische Maskulinum unser Denken beeinflusst, müsste man in einer genderneutralen Spreche wie dem japanischen keine oder nur minimale Effekte beobachten.

    Falls dennoch vergleichbare Effekte wie im Deutschen oder Französischen beobachtet werden, müsste man schließen, dass nicht die Sprache, sondern andere Faktoren, zum Beispiel tiefsitzende kulturelle Vorurteile über die gesellschaftliche Rolle der Frau und ein daraus resultierender Bias der Wahrnehmung, für den Effekt verantwortlich sind.

  273. #274 MartinB
    2. Juni 2019

    @Klaus-Peter
    Zum Thema Japan gibt es hier Untersuchungen:
    https://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2014/03/16/der-die-das-beeinflusst-die-grammatik-unser-denken-teil-2/?all=1
    Aber wenn man schon im Enlischen andere Effekte als im deutschen beobachtet, ist doch eigentlich klar, dass die Sprache einen Einfluss hat, genau das belegen doch die Studien hier. Es behauptet ja im übrigen niemand, dass die Sprache allein für unterschiedliche Ansichten über Männer und Frauen verantwortlich wäre oder dass sie auch nur hauptverantwortlich ist.

  274. #275 Dietmar
    Walsrode
    18. November 2019

    Ich habe leider vergessen, wie der griechische Philosoph hieß. Aber jedenfalls war es eine Idee der klassischen Antike, die Genera in männlich, weiblich und sächlich einzuteilen.

    Alles deutet darauf hin, dass die Vorstellungen zur Zeit, als urindogermanisch gesprochen worden ist, anders waren: Man (kommt aus dem gleichen Wortstamm wie homo und Mensch, der sich auf die Erde bezieht) sah sich als Bewohner der Erde im Gegensatz zu den Göttern, die keine “Erdlinge”, kein Homo, kein Mann, kein Mensch waren.

    Jetzt kann man ja sagen, alles schön und gut, Dietmar, aber trotzdem ist es so, dass das Maskulinum die Frauen unterdrücken hilft.

    Testen wir mal unser Sprachgefühl:

    “Sehr geehrte Damen und Herren, ich begrüße Sie zu unserem Konzert!”

    So banal begrüße ich, meine ich, nicht. Da fällt mir meist lustigeres ein. Aber formal alles super so. Aus Höflichkeit nenne ich die Damen zuerst, die Damen sind weiblich, die Herren männlich. Dazwischen liegt ein Kontinuum, das ich vollkommen in Ordnung finde, und jeder kann sich da einordnen, wie er veranlagt ist.

    Dann begrüßt der Bürgermeister: “Liebe Bürgerinnen und Bürger, auch ich begrüße Sie zum Konzert!”

    Das hat er nie so lächerlich gemacht! Ihm fällt immer etwas Lustiges und Herzliches ein. Abgesehen davon ist das formal falsch. Und jetzt kommt der sprachgefühlige Beweis dafür:

    “Sehr geehrte Gästinnen und Gäste, herzlich willkommen!”

    Gesehen? Wem da nicht der Draht aus der Mütze springt ist bereits so genderverblendet, dass ich hoffnungslos bin.

    Erläuterung:

    “Damen und Herren” bezeichnet ausdrücklich das Geschlecht der Zuhörer. “Bürger” ist aber der Oberbegriff für alle (!) in der Gemeinde mit Bürgerrechten ausgestatteten Bewohner. Das schließt die Frauen ein. Ebenso wie alle Blauäugigen, Krummbeinigen, Nasepopelnden etc. Man muss die nicht erwähnen, sie gehören dazu. Sprachlich müssten deshalb zuerst “Bürger” und dann “Bürgerinnen” als Bestandteil der Bürger genannt werden, wenn sie besonders erwähnt werden sollen. Das sagt unser Sprachzentrum, wenn es nicht vom Ideologen und seine Idiotie dauerbelästigt wird.

    “Gast” ist ein eben solcher Oberbegriff, der noch nicht so verwurstet wurde und deshalb vielleicht eindeutiger fühlen lässt, wie unsinnig dieser Quatsch ist.

    Wir müssen im Schuldienst in Unterrichtsentwürfen “Schülerinnen und Schüler” schreiben und kürzen das mit “SuS” ab. Tun wir das nicht, unterdrücken wir die Mädchen und werden gerügt. Oder gewürgt. Das weiß ich nicht so genau.

    Dieses Konzept geht davon aus, dass die Wortendung -er bei “Schüler” Männlichkeit andeutet, -in bei “Schülerin” Weiblichkeit. Nur ist auch in “Schülerin” das -er enthalten. Die “gendergerechte Sprache” geht also davon aus, dass ein “männliches” Wort durch eine angehängte Endung weiblich wird. Das Wort bleibt aber das Wort und das Sprachzentrum kennt kein Geschlecht. Nur die Bedeutung (!) wird auf den weiblichen Anteil spezifiziert, aber nicht das Wort geändert. “Schüler” ist 1. der Oberbegriff für alle, die beschult werden, und 2. bleibt dieses Wort im Standardgenus, auch wenn es die sprachliche Konkretisierung auf die weiblichen Schüler mit dem Wort “Schülerin” gibt. Würden die Endungen so funktionieren, wie es die “gendergerechte Sprache” gerne hätte, müsste es “Schüler” für die männlichen und “Schülin” für die weiblichen Schüler heißen. Tut es aber nicht, wie wir alle wissen.

    Sprache funktioniert eben nicht so, wie es die Ideologen gerne hätten.

  275. #276 MartinB
    18. November 2019

    @Dietmar
    1. Gääähn. Been there, done that, all das hatten wir schon 1000 mal.
    2. “Sprache funktioniert eben nicht so, wie es die Ideologen gerne hätten.”
    Richtig. Deswegen untersucht man das Problem wissenschaftlich. Und siehe da, die Studien zeigen, dass Frauen sich bei Verwendung des “generischen Maskulinums” weniger mitgemeint fühlen. Ist so. Man kann natürlich den Kopf in den Sand stecken und Texte schreiben, die ma lustig findet (“Gästinnen” – wie kreativ, darauf ist bestimmt noch nie jemand gekommen), das hat dann aber mit rationalem Argumentieren oder Wissenschaft nichts zu tun. Die Studienlage ist ziemlich klar, wie auch hier auf dem Blog belegt.

  276. #277 Dietmar
    Walsrode
    18. November 2019

    Gääähn

    Oh, tut mir ja leid, dass ich Dich nicht hinreichend entertaine.

    Deswegen untersucht man das Problem wissenschaftlich.

    Und wie heißt die Wissenschaft, die Sprache untersucht? Na? Sprachwissenschaft. Nicht die Pseudowissenschaft “Gender Studies” oder so etwas.

    Man kann natürlich den Kopf in den Sand stecken

    Man kann natürlich dämliche Vorwürfe auch für Argumente halten. Sind sie aber nicht.

    die ma lustig findet (“Gästinnen” – wie kreativ, darauf ist bestimmt noch nie jemand gekommen)

    Das ist lustig, weil es offensichtlich Unsinn ist. Der gleiche Unsinn, wie Bürger als “männlich” zu bezeichnen.

    Das sogenannte Maskulinum ist der Standardgenus. “Maskulin” wurde er genannt aus einer philosophischen Kategorisierung heraus. Das Sprachzentrum denkt eindeutig nicht (!) in sexuellen Kategorien. Täte es das, wäre “das Mädchen” kein Neutrum.

    “Das Virus” oder “der Virus”? “Das Virus” für Leute, die ihre Bildung zeigen wollen, weil das Wort im Lateinischen ein Neutrum ist. Das ist es, weil es den Verlauf von etwas darstellte. Dieser Hintergrund ist für uns verloren, und wir würden ein Maskulinum daraus machen. Du meinst jetzt, nicht. Gut: “Der Tempel” oder “das Tempel”? Im Lateinischen ein Neutrum, weil es das Ergebnis von Abgrenzen, Abstecken, Abzirkeln ist. Für uns nicht erkennbar, also Maskulinum: “der Tempel”. Nicht wie “das Laufen”.

    Das Maskulinum ist irrtümlich ein Maskulinum. Tatsächlich das Standardgenus.

    Im Sanskrit heißt das weibliche Geschlechtsteil yónis und ist männlich. Weil der Standardgenus grundsätzlich Dinge beschreibt, die etwas tun, hier “der Halter” beim Akt oder in der Schwangerschaft. Zufällig ist “die Scheide” feminin, aber nicht, weil wir schlauer wären, sondern aus dem gleichen Grund, aus dem die Wasserscheide feminin ist.

    Tut mir leid, dass ich dich langweile. Tut mir leid, dass ich nicht in Deiner intellektuellen Liga spiele.

    Du bist super, ich bin ein Wurm und verachte Frauen, weil ich meine, dass es ein Standardgenus gibt. Zufrieden?

  277. #278 Dietmar
    Walsrode
    18. November 2019

    Aber eines noch: Die Sprache ist ja nun so alt wie die Menschheit. Das heißt, dass in grauer Vorzeit sich die Männer irgendwie überlegt haben müssten, dass sie viel toller als Frauen wären, und sich dies in der Sprache niedergeschlagen haben müsste.

    Das heißt, es gab einen intersexuellen Machtkampf, der sich darin spiegelt. Wo sehen wir den? Wir sehen Machtkämpfe zwischen Männchen um Weibchen. Wir sehen beispielsweise Paschas mit ihrem Harem. Weil Männchen viele Reproduktions-Zellen erzeugen, Weibchen wenige mit großem Aufwand und unter großem Risiko während Schwangerschaft und Aufzucht. Eine erfolgreiche Population kann also sinnvoll aus vielen Weibchen und wenig oder nur einem Männchen bestehen.

    Einen intersexuellen Kampf kann man wo sehen? Nur bei unseren Vorfahren, bei denen die Sprache entstand?

    Sicher…

    Aber ich bin schon weg…

  278. #279 Dietmar
    Walsrode
    19. November 2019

    Nein. Ich finde Deine Anmache doch zu ärgerlich und deshalb:

    Du meinst also, “Bürger” ist “männlich” und “Bürgerin” ist “weiblich”, richtig? Weil dem Lexem die Beugung angehängt wird. -er für männlich und -in für weiblich. Also ist Deine Behauptung, dass das -er in “Bürgerin” durch das an dieses -er angehängte -in aufgehoben wird. Wo bitte funktioniert Sprache so?

    So funktionieren Suffixe nicht. Wenn etwas hoffnungs-los ist, wie dieses Gespräch hier mit Dir wahrscheinlich, wird die Hoffnung durch -los nicht irgendwie weggezaubert wie bei Harry Potter. Hoffnung wird angesprochen und dann abgesprochen.

    -er bleibt erhalten und durch -in spezifiziert. Würde Sprache funktionieren, wie es sich die Gender Studies oder jemand von denen vorstellt, hieße es “Bürger” für männliche Bürger und “Bürgin” für weibliche Bürger. Tut es nicht. Allein die Tatsache, dass der Begriff “weiblicher Bürger” sprachlich vollkommen Sinn ergibt, wie “weiblicher Gast”, sollte zeigen, dass die Vorstellung von dem Maskulinum als “männlich” Unsinn ist.

    Du kannst mein “Gästinnen und Gäste” gerne weglachen. Viel Spaß dabei. Du könntest aber auch mal versuchen, argumentativ zu belegen, warum “Bürgerin” auf der gleichen Stufe wie “Bürger” steht, “Gästin” aber wie “Gast”. Das wird Dir nicht gelingen. Der Grund ist, dass -in nicht -er aufhebt.

    Aber wer bin ich schon…

    Was ich bin, weiß ich: Jetzt wirklich weg.

  279. #280 Dietmar
    Walsrode
    19. November 2019

    “Gästin” aber nicht wie “Gast

  280. #281 MartinB
    19. November 2019

    @Dietmar
    “So funktionieren Suffixe nicht. ”
    Dann frag mal 100 Leute, wie sie die Worte “Bürger” und “Bürgerin” verstehen und du wirst sehen, dass Suffixe im Alltag genau so funktionieren. Es gibt wirklich und wahrhaftig Studien dazu, die solche Fragen untersuchen, hier auf dem Blog habe ich z.B. die von Gygax et al. ausführlich diskutiert.

    Es mag ja sein, dass das theoretisch gesehen nicht korrekt ist, dass das linguistisch alles ganz andere Ursprünge hat (haben wir hier in diversen Kommentaren ausführlich diskutiert), aber irgendwer sagte mal
    “Sprache funktioniert eben nicht so, wie es die Ideologen gerne hätten.”
    Und so ist es – sie funktioniert auch nicht so, wie LinguistInnen es gern hätten, sondern Sprache ist das, was die Sprechenden verstehen. Und da zeigt die SPrachpraxis ganz klar (und durch Studien belegt): Wenn man nach “Helden” fragt, werden häufiger Männer genannt als wenn man nach “Helden und Heldinnen” fragt etc. Lies gern die Artikel hier zum Thema und gucke, was in der Praxis heute im Deutschen verstanden wird – das ist nämlich für geschlechtergerechtes Sprechen relevanter als die Frage, wie das mal irgendwann im Sanskrit war.

  281. #282 Uni1
    Beteigeuze
    3. Dezember 2020

    Ich empfehle Dr. Tomas Kubelik: Wie Gendern unsere Sprache verhunzt (auf YT zu sehen)

  282. #283 Emil
    13. Januar 2021

    Der Einbruch des Fundamentalismus in die deutsche Sprache…

    Ich spreche auch tschechisch und da gibt es ganz akribisch separate weibliche Formen. Ändern tut sich dadurch in der Praxis aber nichts.

    Im deutschen sehe ich solche Reinheitsvorstellungen aber eindeutig als einen Touch fundamentalistisches Nazitum oder auch einfach nur sehr dumm. Der ganze Feminismus ist mittlerweile völlig regressiv.

  283. #284 MartinB
    14. Januar 2021

    Hmm, wenn es solche Formen im Tschechischen also gibt und man sie jetzt im Deutschen einführt und das Fundamentalismus und Nazitum ist, ist dann Tschechisch per se eine fundamentalistische Nazi-Sprache?

  284. #285 Person
    Egal
    28. Dezember 2022

    Habe was gefunden was auf dem ersten Blick vielleicht albern klingt.

    Analog zu Bäuerin, Wanderin, Ärztin, Expertin, Wählerin, könnte man ja eine komplett ungenerisch bzw. spezifisch männliche Form schaffen, angelehnt an Mäuserich und Enterich, aber nur die letzte Silbe des Suffixes. Also nicht Wandererich und Ärzterich sondern Ärztich und Wanderich analog zu Wanderin und Ärztin.

    Neutral wäre dann Wanderer, Wähler, Bauer, Arzt, Experte.
    Spezifisch weiblich wäre dann Wanderin, Wählerin, Bäuerin, Ärztin
    und spezifisch männlich wäre dann nicht mehr das alte (teilweise generische) Maskulinum, sondern das neue rein spezifische Maskulinum: Wanderich, Wählerich, Bäuerich, Ärztich, Expertich, Stundetich, Polizistich.

    Es klingt zugegeben gewöhnungsbedürftig, aber vielleicht nur weil wir es nicht gewohnt sind.

    Auf jeden Fall deutlich praktischer als Doppelnennung, Sternchen usw.

    Dann gäbe es aber immer noch die anderen Probleme wie beispielsweise die Artikel und Pronomen.

    Im Englischen gibt es beispielsweise das Singular-They. In anderen Sprachen werden die spezifischen Formen kombiniert zu einer neuen neutralen Form.

    Naja, ich glaube die ganze Gendersprache ist zum Scheitern verurteilt. Es klingt einfach beschissen. Wobei ich mich mit Gewalt an Wanderiche/Wanderinnen/Wanderer und Bürgeriche/Bürgerinnen/Bürger gewöhnen könnte, weil es nicht holprig ist und eine Möglichkeit böte das Generische Maskulinum als Utrum(?) beizubehalten.

    Finde das im Englischen sehr schön, dass ich da einfach Citizen, Voter, Doctor, Police Officer etc. sagen kann und das einfach neutral ist. So benutze ich zwar die deutschen Begriffe auch, aber es ist ja leider nur generisch und nicht wirklich neutral.

  285. #286 Person
    Egal
    28. Dezember 2022

    *auf den ersten Blick

  286. #287 Person
    Egal
    28. Dezember 2022

    Der Feminismus hilft auch dem (cis-)männlichen Teil der Bevölkerung! Wer glaubt, dass der Feminismus sich nur um die Belange von (Cis-/Trans-)Frauen und Trans-Männer kümmert hat sich vermutlich nicht wirklich mit ihm beschäftigt.

  287. #288 Person
    Immer noch egal
    28. Dezember 2022

    Es bleibt auf jeden Fall spannend wie sich die Deutsche Sprache entwickelt. Vielleicht wird es ja in ein paar Jahren eine Alternative geben die weder die Sprache hässlich macht noch geschlechterungerecht ist. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg und es werden bestimmt noch viele Experimente probiert bis etwas gefunden wurde das natürlich von der Zunge geht und ALLE Menschen abholt.

  288. #289 MartinB
    28. Dezember 2022

    @Person
    Das Problem der Artikel und Pronomen ist aber ja das schwierigste an der Sache, neue Wortendungen sind verglichen damit simpel…

    Zu 287: Ja, auch Männer profitieren, wenn Frauen gleichberechtigt sind, aber Feminismus ist für Frauen und zentriert ihre Probleme, Anliegen und Bedürfnisse.