Um die Frage endgültig zu klären, haben WissenschaftlerInnen aus Spanien und Norwegen jetzt etwas sehr naheliegendes, aber auch sehr aufwändiges getan: Sie haben einfach Knochen von über hundert Säugetieren gesammelt und analysiert, um zu sehen, ob sie in ihnen LAGs finden würden oder nicht.
Die Knochen stammen alle von Wiederkäuern – das ist eine gute Wahl, weil die sich alle zumindest von der Physiologie her ziemlich ähnlich sind, weil sie weltweit verbreitet sind (denn es liegt ja schon nahe, dass man LAGs vielleicht eher da findet, wo es eher frostig ist als da, wo das ganze Jahr über Pinacoladas serviert werden), und weil sie meist eine sehr konstante Körpertemperatur haben (die brauchen sie wegen ihrer vier Mägen). Außerdem wachsen sie hinreichend langsam – an einer Maus, die in ein paar Wochen ausgewachsen ist, wird man wohl kaum LAGs erwarten können.
Diese Knochen zu bekommen, war anscheinend nicht so einfach. Gut, nen Rinderknochen gibt’s ohne viel Aufwand beim Schlachter, aber einige Arten, beispielsweise Thomson-Gazellen, findet man auf der Liste der bedrohten Tierarten, da sollte man also nicht unbedingt mal eben schnell ein paar Knochen um die Ecke kaufen. Zum Glück hat das zoologische Institut in Hamburg eine große Sammlung von Knochen, und so ließen sich von vielen der 41 Arten Knochen aus dieser Sammlung nehmen. (Dafür handelte man sich die Schwierigkeit ein, das genaue Todesdatum des Tiers herausfinden zu müssen, weil man die Knochenstruktur mit der Jahreszeit in Verbindung bringen wollte.)
Damit die Knochen alle vergleichbar waren, hat man sich auf Oberschenkelknochen beschränkt, die bei Wiederkäuern generell schnell wachsen, weil die ja meist schon kurz nach der Geburt laufen können. Deswegen findet man hier auch den Turbo-Knochen mit der fibrolamellaren Struktur, der am schnellsten wächst. (Mal abgesehen vom Geflechtknochen, aber der ist mechanisch eher mau und für ein hochbeanspruchtes Wiederkäuerbein nicht zu gebrauchen.)
Diese Knochen wurden jetzt also unter dem Mikroskop analysiert und darauf hin untersucht, ob man in ihnen nicht vielleicht ein paar LAGs finden würde. Und siehe da, das alte, einfache Weltbild, nach dem die total angesagten Säugetiere solche Loser-Strukturen nicht haben, hat diesen Test nicht überlebt (aus Kohler et al., s.u.):
Hier kann (insbesondere dank der schwarzen Pfeile, die aber wohl im Tier selbst nicht vorhanden sind) vermutlich jeder ziemlich deutlich die Linien im Knochen erkennen. Jawohl, es sind echte LAGs, genau so, wie man sie auch in Dinosauriern findet, nur jetzt in einem Rothirsch.
Tja, so viel zum einfachen Weltbild des letzten Jahrhunderts. Auch Säugetiere können LAGs in ihren Knochen haben.
Haben sie aber ja nicht immer – ganz so blöd waren die ForscherInnen früher ja auch nicht, in den von ihnen untersuchten Tieren gab es einfach keine.
Und nun wüsste man natürlich gern, warum man manchmal LAGs findet und manchmal nicht. Die Annahme liegt, wie gesagt, nahe, dass insbesondere solche Tiere, die starken klimatischen Schwankungen ausgesetzt waren, LAGs zeigen würden, während die, die sich im gemütlichen tropischen Klima das ganze Jahr die Sonne auf den Pelz brutzeln lassen, keine Wachstumspausen einlegen.
“But blowing-cake”, wie man in England zu sagen pflegt. Ganz so schick ist das Leben in den Tropen nämlich anscheinend auch nicht – LAGs finden sich auch in Antilopen wie dem Nyala, dem Kudu oder dem afrikanischen Springbock.
Analysiert man die Daten genauer, so zeigt sich, dass die LAGs generell in Zeiten der Trockenheit auftreten – in nördlichen Breiten ist das oft im Winter, in den Tropen in der (welch Überraschung) Trockenzeit. In der regnerischsten (und bei uns auch wärmsten) Jahreszeit wachsen die Knochen dagegen am schnellsten, was man an der größeren Anzahl von Blutgefäßen in den Knochen erkennen kann. (Die zugehörige Grafik in dem nature-paper ist allerdings etwas arg mit Informationen überladen, deswegen zeige ich sie hier nicht. )
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