Das die Vögel von den Dinosauriern abstammen (und damit evolutionär Dinosaurier sind) hat sich ja inzwischen herumgesprochen. Interessant ist aber natürlich herauszubekommen, wie sich die Veränderung vom Dino zum echten Vogel vollzog. Für die Form den Vogelkopfes gibt es jetzt eine verblüffend einfache Antwort: Vögel haben die Köpfe von Dino-Babies.
Zugegeben, dieser Satz ist etwas plakativ, er beschreibt die Sache aber ganz gut. Vögel haben vergleichsweise kurze Schnauzen (moderne Vögel haben Schnäbel dran, aber viele Vögel der Kreidezeit hatten noch echte zahnbewehrte Schnauzen), einen relativ großen Hirnschädel und große Augen. Dinosaurier dagegen haben längere Schnauzen, kleinere Hirnschädel und Augen. Schaut man sich dagegen die Embryos oder Jungtiere von Dinos oder auch heutigen Krokodilen (die auch zur Gruppe der Archosaurier zählen) an, dann sehen die wesentlich vogelähnlicher aus. Dieses Bild hier zeigt das sehr schön:
(Quelle: Bhullar et al., s.u.)
In der linken Spalte seht ihr jeweils die Schädel von Embryos (oben) oder Jungtieren (mitte und unten), in der rechten Spalte die von erwachsenen Tieren. Oben seht ihr einen Alligator (und wer diesen Blog gaaanz aufmerksam liest, wird den Schädel rechts sicher wiedererkennen), in der Mitte Coelophysis, einen vergleichsweise urtümlichen Dinosaurier, und unten Archaeopteryx.
Gerade der Schädel des Alligator-Embryos sieht überhaupt nicht aus wie der eines Krokodils, sondern viel eher wie der eines Vogels. Das spricht schon sehr stark dafür, dass Vögel tatsächlich die Schädelform von Jungtieren auch als Erwachsene beibehalten.
So etwas (dass erwachsene Tiere die Eigenschaften von Jungtieren behalten) kommt im Tierreich öfters vor. Ein prominentes Beispiel ist der Axolotl, ein Amphibium, das das Larvenstadium nie beendet und einfach als Larve geschlechtsreif wird:
Von Stan Shebs, CC BY-SA 3.0, Link
Ein anderes Beispiel ist (höchstwahrscheinlich jedenfalls) die Säugetierart Homo sapiens (im Volksmund auch “Mensch” genannt). Dieses schöne Bild hier
zeigt den Kopf eines jungen und eines erwachsenen Schimpansen – man erkennt deutlich, dass der junge Schimpanse sehr menschenähnlich aussieht. (Das Bild habe ich auf der Seite der AG Evolutionsbiologie gefunden – wie es aussieht eine gute Quelle zum Thema Evolution und Abwehr von kreationistischem Unfug.)
Dieses Phänomen, dass jugendliche Merkmale im erwachsenen Tier erhatlen bleiben, nennt man Neotenie oder Pädomorphose. (Frage an mitlesende BiologInnen: Gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen Neotenie und Paedomorphose? Wikipedia behauptet, beides sei dasselbe.)
Auch bei den Vögeln scheint es also ähnlich zu sein. Um das ganze aber etwas genauer (und möglichst quantitativ) zu untersuchen, braucht man ein paar mehr Daten. Ein Team von Paläontologen hat deshalb Schädel von mehr als 30 unterschiedlichen Arten untersucht und detailliert vermessen. Dabei wurden auf den Schädeln Markierungspunkte festgelegt, die sich möglichst an allen Schädeln identifizieren ließen (Hier am Beispiel des Herrerasaurus):
(Quelle: Bhullar et al., s.u.)
Punkt 1 ist beispielsweise die Spitze des Oberkiefers (oder, wenn ihr’s im Fachjargon hören wollt “Anterior end of premaxillary dental margin”), Punkt 21 ist der vorderste Punkt, an dem der Postorbitalknochen an der Augenhöhle sitzt (“Anterior margin of postorbital along orbital rim”) und so weiter.
Diese Markierungspunkte würden für alle Schädel vermessen (ich schätze, dafür hat man Doktoranden eingespannt, für solche langweilig-nervigen Arbeiten sind die ja da (ich hoffe, hier liest keiner von meinen Doktoranden mit…)), so dass man für jeden Punkt jetzt Koordinaten hatte. Diese Koordinaten wurden dann verwendet, um herauszufinden, wie sich die einzelnen Schädel unterscheiden.
Dazu hat man die Methode der Hauptkomponentenanalyse (principal component analysis) verwendet. Das ist ein Werkzeug aus der Statistik, mit dem man herausfinden kann, welche Größe die Streuung in einer Verteilung dominiert. Stellt euch beispielsweise vor, ihr habt zwei Größen gemessen, beispielsweise die Länge und das Gewicht unterschiedlicher Dinosaurier (das ist jetzt eine seeehr einfaches Beispiel). Ihr tragt diese Daten in einem Koordinatensystem auf:
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