Dass ich den Zen-Buddhismus faszinierend finde, habe ich hier ja schon öfter mal anklingen lassen. Richtig wieder angefacht wurde mein Interesse aber erst wieder vor zwei Jahren, durch die Lektüre des Buches “Hardcore Zen”, das ich ganz zufällig in Edinburgh in einer Buchhandlung ausliegen sah. Angesproche hat mich der schöne Untertitel “Punk Rock, Monster Movies & the Truth about Reality”. Auch das Titelbild ist enorm ansprechend:
O.k., als typischer Scienceblog-Leser steht ihr vermutlich Büchern aus dem Bereich “Religion” oder “Spiritualität” mit viel Skepsis gegenüber. Und religiöse Autoritäten machen auf euch vermutlich wenig Eindruck. Dass der Autor Brad Warner “Dharma Transmission” erhalten hat, ihm also von einem buddhistischen Meister bestätigt wurde, dass er erleuchtet ist, findet ihr vermutlich eher albern als sinnvoll. Gut so – Brad Warner sieht das ähnlich:
For the record, I’ll tell you I’m an ordained Buddhist priest who received Shiho, “Dharma Transmission,” in an ancient line of Buddhist teachers. This is supposedly the symbolic recognition that I have “attained” the same enlightenment as the Buddha did some 2,500 years ago– but if I were you I wouldn’t put too much stock in that kind of thing. Guys who’ve received Dharma Transmission are a dime a dozen here in Japan these days, and there are hundreds of them in America and Europe as well. Big deal.
Und auch auf Religionen ist er nicht wirklich gut zu sprechen:
Religions… have never offered anything more to me than sophisticated methods of avoiding the truth, of building elaborate fantasies in place of reality. … They serve up vapid platitudes in place of answers to the genuine and crucial questions that burn in our guts.
Selbst der Buddhismus bekommt in gewisser Weise sein Fett weg:
The fact is, it’s hard to find a group of people who misunderstand Buddhism more thoroughly than Buddhist scholars.
Aha – es gibt also nur einen Guru, der den Durchblick hat, und der heißt Brad Warner? Eher nicht:
Question what you read and hear. … And by all means, question this, too.
Gut, Brad Warner ist anscheinend nicht der Ansicht, er habe die Weisheit gepachtet (erleuchtet ist er nach eigenem Bekunden übrigens auch nicht, dazu gleich noch mehr). Trotzdem ist das Buch für jeden, der die Ideenwelt des zen kennenlernen will, auf jeden Fall empfehlenswert.
Warner erzählt aus seiner Lebensgeschichte – angefangen bei seiner Zeit als Punk-Rocker, seinem Weg nach Japan, wo er seinen Traumberuf antrat (als Mitarbeiter einer Firma, die Monster-Filme produziert) und seinen Erfahrungen mit dem Zen-Buddhismus.
Der Zen-Buddhismus zerfällt gewissermaßen in zwei Richtungen – es gibt den Rinzai-Zen, in dem beim Meditieren die berühmten “Koans” gelöst werden müssen. Ihr wisst schon: “Was ist der Klang einer klatschenden Hand?” “Zeige mir das Gesicht, das du hattest, bevor du geboren wurdest.” – die bekannten seltsamen Zen-Sprüche eben. Wenn ihr euren Meister davon überzeugen könnt, dass ihr ein Koan “gelöst” habt (was immer das genau bedeuten soll), dann zeigt das, dass ihr ein Erleuchtungserlebnis hattet.
Einige Rinzai-Sekten gehen so weit, dass die Mönche sich für jedes gelöste Koan ein Symbol auf ihre Kleidung sticken dürfen, damit man gleich weiß, wer den Durchblick hat, aber das ist eher unüblich. Auch im Rinzai-Zen misst man Koans eigentlich nicht zuu viel Bedeutung bei – in einem der Bücher von Janwillem van de Wetering (der 18 Monate in einem Rinzai-Kloster lebte) heißt es “Koans sind wie Papiertaschentücher” – man nimmt sie, um den Kopf frei zu bekommen, dann wirft man sie weg. Trotzdem – im Rinzai macht man schon einiges Aufhebens um die “Erleuchtung”, die durch das Lösen des Koans demonstriert wird.
Im Gegensatz dazu steht Soto-Zen (oder eben “Hardcore Zen”). Im Soto-Zen geht es beim Meditieren nur um eins: Richtig sitzen (Shikantaza). Man konzentriert sich nicht auf ein Koan oder auf sonst irgendetwas, sondern versucht, sich von allen Gedanken möglichst frei zu machen. Falls ihr mal versucht habt, gar nichts zu denken, merkt ihr, wie schwer das ist. Unser Geist ist ständig in Bewegung und ständig tauchen irgendwelche Gedanken von irgendwoher auf. (Wenn Daniel Dennett recht hat, ist das auch kein Wunder, denn unser Bewusstsein besteht dann aus einer Vielzahl von Agenten, die miteinander interagieren und konkurrieren, einer von denen ist immer aktiv.)
Das Meditieren im Soto-Zen ist der Versuch, den Geist so weit zur Ruhe zu bringen, dass alle diese Gedanken, die sich mit dem Gestern oder Morgen befassen, verschwinden, so dass der Blick auf die Gegenwart frei wird. Das ist die einzige Erleuchtung, die man hier im Angebot hat – und falls ihr erwartet, dass ihr, einmal erleuchtet, von nun an als erhabenes und abgeklärtes Wesen durch die Welt schreitet und Weisheiten aus eurem Mund perlen – vergesst es. Erstens ist auch das wieder nur eine Vorstellung, die sich auf eine Zukunft bezieht, die es nur in eurer Fantasie gibt – und zweitens ist euer “Ich” sowieso nur eine Fiktion.
Aber bevor ich jetzt noch eine endlose Abhandlung darüber schreibe, empfehle ich euch lieber das Buch von Brad Warner – erstens hat der mehr Durchblick als ich, und zweitens schreibt er auch noch wesentlich lustiger (das darf man von einem Buch mit Kapiteltiteln wie “No sex with cantaloupes” wohl auch erwarten). Ihr müsst ja nicht gleich zum Zen-Buddhismus übertreten (tue ich übrigens auch nicht).
Kommentare (115)