Vor etwa 400-380 Millionen Jahren entwickelten sich die ersten vierfüßigen Wirbeltiere (Tetrapoden) und die ersten Insekten. Aus dieser Zeit kennt man einige faszinierende Fossilien, bei den Wirbeltieren beispielsweise Tiktaalik oder (etwas später) Ichthyostega (über den habe ich vor kurzem ausführlich berichtet), bei den Insekten kennt man Rhyniella, einen urtümlichen Verwandten der heutigen Springschwänze.
Hier zum Einstimmen ein paar Bilder. Ichthyostega sah wohl etwa so aus:
Von Dr. Günter Bechly – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Link
Hier noch ein Bild von Tiktaalik:
Von Zina Deretsky, National Science Foundation (Courtesy: National Science Foundation) – National Science Foundation, Gemeinfrei, Link
Ihr seht hier schon, dass die ersten Vierfüßer eher Wasser- als Landtiere waren. Man kennt aus dem Devon zwar Fußspuren, die wohl von landlebenden Tieren stammten, doch Fossilien gibt es dazu bisher nicht. Erst im späteren Karbonzeitalter kennt man eine ganze Reihe von Landwirbeltieren, aber dazwischen klafft eine Lücke.
Bei den Wirbeltieren wird diese Lücke in den bekannten Fossilien als “Romers Lücke” (Romer’s gap) bezeichnet, benannt nach dem berühmten Paläontologen Alfred S. Romer. Sie erstreckt sich über etwa 15 Millionen Jahre, von 360-345 Millionen Jahren vor der Gegenwart, im frühen Karbon (der “Kohlezeit”). Danach dann kennt man einige Fossilien, die unterschiedlichen Gruppen angehören, aber wie sich die Entwicklung von den ersten Vierfüßern (Tetrapoden, eine geeignetere Bezeichnung als “Landwirbeltiere”, weil die ersten Tetrapoden ja im Wasser lebten) zu den späteren vollzog und wie sich die Tetrapoden an unterschiedliche ökologische Nischen anpassten, darüber weiß man wegen der Lücke sehr wenig.
Bei den Insekten sieht die Lage ähnlich aus. Man kennt die urtümliche Rhyniella (von der ich leider kein hübsches Bild gefunden habe), dann allerdings, gerade als die Evolution spannend wird und sich die Insekten weiterentwickelten, kennen wir … nichts. Hier gibt es eine Lücke, die sich aber sogar über 60 Millionen Jahre erstreckt, von vor 385-325 Millionen Jahren.
Eine wichtige Frage der Paläontologie besteht darin, ob diese Lücken “echt” sind – also eine Zeit repräsentieren, in der es nur wenige Insekten und Vierfüßer gab – oder ob es sich um Artefakte handelt, die einfach daher rühren, dass wir noch nicht an den richtigen Stellen gesucht haben. Eine Hypothese besagt, dass im frühen Kohlezeitalter, also genau zur Zeit der Romer-Lücke, der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre vergleichsweise niedrig war. Dies könnte die Entwicklung beeinträchtigt haben, weil früher Tetrapoden noch nicht so gute Atmer waren (und weil Insekten wegen ihres Tracheen-Atmungssystems mit niedrigem Sauerstoffgehalt oft auch nicht sooo gut klarkommen). So wurden Tetrapoden und Insekten in wenige Nischen gedrängt, und die Tetrapoden waren möglicherweise vor allem auf das Wasser als Lebensraum beschränkt.
Neue Fossilienfunde machen diese Annahme etwas unwahrscheinlicher. Für frühe Tetrapoden ist Schottland eine der besten Fundstellen. Damals lag Schottland noch südlich des Äquators und war Teil des “Alten Roten Kontinents” (auch Euramerika genannt). Insbesondere aus dem Karbon-Zeitalter kennt man viele Fossilien aus Schottland.
Eine Veröffentlichung vom Frühjahr dieses Jahres (ja, ich weiß, die Pressemeldungen zu den Ur-Tetrapoden aus Schottland ging schon vor Monaten durch die Medien – bisher bin ich aber nicht zum Bloggen gekommen) präsentiert nun gleich ein ganzes Sammelsurium von Fossilien direkt aus der Mitte der Romer-Lücke. Vier Fundstellen liegen in Südschottland, eine weitere im Westen Schottlands. Einige davon kennt man schon länger, aber die meisten sind vollkommen neu. Hier ein kleiner Überblick über die Fundstellen:
(Bild aus Smithson et al., s.u.)
Die erste Fundstelle in Burnmouth hat gleich etwas ganz besonderes aufzuweisen:
(Bild aus Smithson et al., s.u.)
Was ihr hier seht, ist ein Stück eines Fußes (wobei nicht klar ist, ob es sich um den Vorder- oder Hinterfuß handelt). Er hat deutlich erkennbar 5 Zehen. Das ist deswegen interessant, weil alle älteren Tetrapoden aus dem Devon, die man bisher kennt, 7 oder 8 Zehen hatten. Dieses Fossil ist also das älteste, bei dem man den heutigen typischen Tetrapoden-Bauplan gefunden hat. Der Fuß ist vergleichsweise klein, ähnelt von seiner Struktur her aber sehr stark dem späterer landlebender Tetrapoden. Das spricht dafür, dass dieses Tier ebenfalls landlebend war.
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