Am Samstag Mittag, als ich gerade Snooker gespielt habe, war “jetzt” eben Samstag Mittag. Jetzt ist es Sonntag Nachmittag, und wenn ihr jetzt diesen Satz lest, dann ist wieder ein anderer Zeitpunkt “Jetzt”. Jeder Moment ist, von diesem Moment aus gesehen, “jetzt”, genau so wie jeder Ort “hier” ist, wenn ihr gerade an diesem Ort seid. Weil jeder Moment “jetzt” ist, sollten wie unser Bild von oben korrigieren:
Das sieht schon ziemlich merkwürdig aus, oder? Man ist versucht zu sagen, “jeder Moment ist ‘jetzt’, dann, wenn er gerade ‘stattfindet’ ” – aber das trifft es immer noch nicht, denn Momente finden nicht “statt” (sonst müsste ich wieder einen “stattfinden-Pfeil” dranmalen, der sich bewegt, dann sind wir wieder am Anfang) – Momente sind einfach. Jedes “Jetzt” ist gleichberechtigt.
Und wenn ihr einen Moment nachdenkt, dann seht ihr, dass die Pfeile jetzt überflüssig geworden sind – wenn jeder Moment einen bekommt, dann brauche ich die Pfeile nicht mehr.
Das Blockuniversum
Die Idee, dass es kein “Vergehen” der Zeit gibt, bezeichnet man auch als “Blockuniversum”. Sie ist natürlich nicht von mir, sondern schon älter.
Bereits in der Newtonschen Physik gilt die Überlegung so, wie ich sie oben angeführt habe – Newton sprach von der “gleichförmig fließenden” Zeit, und auch da muss man sich natürlich fragen was da eigentlich wie fließen soll. In der Physik gibt es keine physikalische Größe, die man als “Gegenwart” ansehen kann, wie jeder Physik-Studi weiß, der schon einmal am Anfang einer Rechnung “Sei t=0” geschrieben hat.
In der Relativitätstheorie ist das Konzept der “Gegenwart” wesentlich problematischer als in der Newtonschen Physik, weil die Frage, ob zwei Ereignisse gleichzeitig sind, (also “dieselbe Gegenwart” haben) vom Beobachter abhängt. Wenn ich beispielsweise einen Brieffreund bei Alpha Centauri hätte, mit dem ich per Funksignal Briefe austausche, dann könnten wir die Funksignale verwenden, um unsere Uhren zu koordinieren und uns dann einigen, dass wir beide irgend etwas genau “gleichzeitig” tun wollen, beispielsweise könnten wir im richtigen Moment auf seinen Geburtstag anstoßen. (Ich gehe hier der Einfachheit halber davon aus, dass wir relativ zueinander ruhen.) Ein anderer Beobachter, der sich relativ zu uns bewegt, würde dagegen sehen, dass einer von uns vor dem anderen das Glas erhebt.
Noch schwieriger wird die Sache, wenn wir Quanteneffekte ins Spiel bringen. Nehmen wir zwei mit einander quantenverschränkte Teilchen, die jemand in der Mitte zwischen Alpha Centauri und der Erde erzeugt und dann zu mir und meinem Brieffreund schickt. Solange die Eigenschaften der Quantenteilchen nicht gemessen wurden, sind sie in einem Überlagerungszustand (folgt dem Link, wenn ihr das ausführlicher erklärt haben wollt). Wenn einer von uns beiden die Eigenschaften seines Teilchens misst, dann sind damit die Eigenschaften des anderen Teilchens festgelegt. Ich könnte also mein Teilchen beispielsweise heute um 11:00Uhr messen, mein Brieffreund dann um 12:00Uhr (unter Verwendung unserer koordinierten Uhren). Die Logik würde uns sagen, dass es meine Messung war, die den Verschränkungszustand zerstört hat, denn sie fand ja zuerst statt. Für den Beobachter in der Andromeda-Galaxis dagegen sieht die Sache andersherum aus – er nimmt wahr, dass es die Messung bei Alpha Centauri war, die zuerst stattfand und deshalb für die Aufhebung der Verschränkung verantwortlich war. (Solche Experimente kann man übrigens – mit genügender Präzision – auch auf der Erde machen und hat das auch getan.)
Ihr seht, dass in der modernen Physik die Gleichzeitigkeit ein schwieriges Konzept ist. Für Ereignisse, die mich persönlich (oder jedes andere Objekt, ich bin da nichts besonderes) betreffen, sind sich allerdings auch in der Relativitätstheorie alle Beobachter einig, welches in der Vergangenheit und welches in der Zukunft liegt.
Der Zeitpfeil
Jetzt könnt ihr argumentieren, dass die Gegenwart natürlich eine ganz andere Bedeutung hat: Sie hat etwas mit dem Zeitpfeil zu tun und trennt die Vergangenheit und die Zukunft. Wenn es keine Gegenwart gibt, gibt es dann auch den Unterschied zwischen Vergangenheit und Zukunft nicht?
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