Doch, natürlich gibt es den. Dass es einen Zeitpfeil gibt, ist unbestritten. (Auch wenn es nicht so klar ist, woher er kommt.) Zu jedem Zeitpunkt gibt es Ereignisse, die von diesem Zeitpunkt aus in der Vergangenheit liegen, und andere, die in der Zukunft sind. Welche das sind, ist an jedem Zeitpunkt anders. Ich versuche es mal wieder mit einer räumlichen Analogie: Stellt euch ein Seil vor, das von einem Haken herunterbaumelt. An jedem Punkt des Seils gibt es einen Teil des Seils, der oberhalb liegt und den gerade betrachteten Punkt (und alle darunter) trägt, und einen anderen Teil des Seils, dessen Last von diesem Punkt hier getragen (und nach oben weitergereicht) wird. Ein Punkt weiter oben hat viel Last zu tragen, einer weiter unten nur wenig. Die anliegende Last hat eine Richtung hat (nämlich in Richtung des Seils nach unten) und die rückhaltende Kraft hat ebenfalls eine Richtung (nach oben), so dass an jedem Punkt des Seils eine klare Zweiteilung zwischen lasttragendem Teil (Vergangenheit”) und lasterzeugendem Teil (“Zukunft”) herrscht.
Oder stellt euch als zweite (etwas umständliche) Analogie eine Straße vor, in der viele Häuser stehen. Es ist vollkommen finstere Nacht, aber dann biegt ein Auto in die Straße und beleuchtet die Häuser mit seinen Scheinwerfern.So etwa könnte das (schnell hingekritzelt) aussehen:
Wenn ich von meinem Standpunkt aus nach links in die Richtung des Autos schaue, dann sehe ich nur die unbeleuchteten Rückseiten der Häuser, habe also keine Ahnung, wie die Häuser dort aussehen. (Sie liegen in der “Zukunft”.) In der anderen Richtung dagegen kann ich die Häuser deutlich sehen. (Das ist die “Vergangenheit”.) Jemand in einem anderen Haus kann mehr oder weniger Häuser erkennen – trotzdem sind alle Häuser letztlich gleich, jedes steht nur an einem anderen Punkt in der Reihe.
Das Bild des Blockuniversums leugnet nicht, dass es einen Zeitpfeil gibt und dass die Welt für uns so aussieht, als würde die Zeit vergehen, genauso wenig wie eine Astronomin leugnet, dass es für uns so aussieht, als würde die Sonne sich um die Erde drehen. Die Astronomin erklärt uns ja nicht nur, warum dieses Bild falsch ist, sondern auch, warum es uns trotzdem so erscheint. Im Blockuniversum ist es genauso – weil es den Zeitpfeil gibt, trennen wir Ereignisse nach Vergangenheit und Zukunft und haben das Gefühl, dass sich die Grenze zwischen Vergangenheit und Zukunft verschiebt (so wie ihr in der Scheinwerferstraße das Gefühl hättet, dass sich die Grenze zwischen erleuchteten und dunklen Häusern verschiebt, wenn ihr die Straße entlang geht).
Kritiker des Blockuniversums führen gern als Gegenargument an, dass es mir dann ja egal sein müsse, ob ich einen unangenehmen Moment noch vor mir oder schon hinter mir habe. Aber das geht an der Sache vorbei, denn mein “jetziges” Ich hat den Termin eben “vor sich” und weiß, dass noch eine unangenehme Erfahrung bevorsteht. Unsere Gehirne sind so verdrahtet, dass wir in die Zukunft planen (denn den Zeitpfeil gibt es ja wirklich) und dass wir versuchen, unangenehme Dinge zu meiden und entsprechend zu handeln. Auch Kritiker des Blockuniversums werden vermutlich zugeben, dass es eigentlich wirklich wenig hilfreich ist, mir heute Sorgen über etwas zu machen, das morgen eintritt und das ich nicht beeinflussen kann, aber unseren auf Planung konstruierten Gehirnen fällt es schwer, das umzusetzen.
Wo wir gerade bei Kritikern sind – die Wikipedia-Seite zum Thema führt als wichtigen Kritiker John Lucas an (der sich – nach meiner Ansicht – schon in Sachen Gödelscher Satz mit wenig argumentativem Ruhm bekleckert hat (Wer mag, kann ja auf seine Wikipedia-Seite gehen und mal schauen, wie schnell er eine Widerlegung für die “anthropic mechanical thesis” findet), aber das ist eine andere Geschichte…). Lucas sagt
the Block universe gives a deeply inadequate view of time. It fails to account for the passage of time, the pre-eminence of the present, the directedness of time and the difference between the future and the past
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