Ein Grund ist sicher, dass die Konsequenzen der Quantenmechanik für unser Bild der Wirklichkeit schwerer zu durchschauen sind, aber ich denke, es kommt hier noch etwas anderes hinzu. Viele Aspekte der Quantenmechanik passen scheinbar gut zu unserer Vorstellung der Welt: Dass es einen inhärenten Zufall gibt (wie in den meisten Interpretationen angenommen), ist etwas, das uns vertraut ist, denn auch im Alltag ist vieles “zufällig”. (Dass dieser Zufall einen anderen Charakter hat, ist für das Weltbild ja zunächst unerheblich und wird von den meisten vermutlich auch nicht so wahrgenommen.) Zudem bietet diese Zufälligkeit natürlich auch die Möglichkeit, sie heranzuziehen, um beispielsweise das Bewusstsein erklären zu wollen, das dadurch gleich wieder eine Spur mysteriöser wird oder an einen Einfluss “höherer Mächte” zu glauben.¹ Ideen wie “Quantenheilung” und ähnliches passen auch hier hinein.
¹Das ist ja auch richtig so: jeder weiß ja, dass Kosmokraten und Chaotarchen Quantenfluktuationen nutzen, um DAS GESETZ durchzusetzen ;-).
Wie oft haben wir – hier auf den Scienceblogs und anderswo – das berühmte “Es gibt mehr Dinge…”-Zitat gehört, wenn es um Fragen von Esoterik, Religion oder Ähnliches ging? Und wie oft wurde dann die QM als Beispiel dafür herangezogen? Letztlich wird die QM dazu verwendet, um die Welt zu mystifizieren und wird genau deswegen nicht abgelehnt.
Für die SRT gilt nichts dergleichen – sie sagt uns einfach, dass unser fundamentales Verständnis von Raum und Zeit falsch ist, ohne uns, quasi “zum Trost”, neue Aspekte der Realität zu zeigen, die mit unseren Ideen harmonieren. Und genau deswegen löst sie Angst und Ablehnung aus. Und diese Angst und Ablehnung überträgt sich dann bei vielen auf die Wissenschaft und die wissenschaftliche Methode selbst. Es ist nicht so sehr die wissenschaftliche Methode selbst, die abgelehnt wird (was man auch daran sieht, dass einzelne wissenschaftliche Fakten gern als Argument herangezogen werden), sondern die Tatsache, dass diese Methode uns zeigt, dass Kant (oder Platon mit seinem Höhlengleichnis) recht hatte: Die Welt ist nicht so, wie sie uns erscheint.
Natürlich ist diese Angst keine notwendige Reaktion. Man kann die Tatsache, dass die Wissenschaft unsere Ideen umkrempelt, auch positiv werten: Ist es nicht unglaublich aufregend, dass wir mit den Mitteln der Wissenschaft Dinge erkennen können, die unserem Alltagsverstand widersprechen? Das Gefühl ist ein bisschen so, wie das, das der Film “The Sixth Sense” auslöst: Die Auflösung am Ende stellt absolut alles auf den Kopf, was man vorher zu wissen geglaubt hat, und dieser Moment der Erkenntnis ist es, der für den großen Erfolg des Films verantwortlich ist. Das Gefühl des “Umkrempelns” von Vorstellungen kann also auch Begeisterung auslösen. Wie oben schon gesagt, kann man dies in der Wissenschaft zwar auch weniger positiv deuten, weil eine uns vertraute und liebgewonnene Idee bestätigt wird, nämlich die der wissenschaftlichen Methode selbst. Dennoch ist Begeisterung als Reaktion sicherlich angemessener als Angst, denn immerhin akzeptiert man so das, was wir über die Realität herausgefunden haben – die Realität zu leugnen ist ja selten hilfreich.
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