Bin ich also im Überlagerungszustand aus dem Beispiel oben:
dann ist die Wahrscheinlichkeit für jeden Zustand gleich 1/2²=1/4, es sind also alle Zustände gleich wahrscheinlich.
Ihr seht jetzt auch, warum die Regel, dass die Amplitude den Wert Null bekommt, wenn man weiß, dass man einen Zustand nicht gemessen hat, Sinn ergibt: Wenn ich weiß, dass das Teilchen nicht “da” ist, dann sollte die Wahrscheinlichkeit, dass es “da” ist, gleich Null sein, sonst wäre unsere Physik ein bisschen unlogisch.
Und auch die Regel, dass die Summe über alle Quadrate der Wahrscheinlichkeitsamplituden gleich 1 ist, ergibt nun Sinn: Die Gesamtwahrscheinlichkeit, dass mein Teilchen in irgendeinem der möglichen Zustände ist, muss gleich 1 sein, denn irgendwas muss das Teilchen ja tun.
Das erklärt jetzt auch, warum man die Zustände nicht multiplizieren darf (so wie in der Aufgabe c oben), sondern addieren muss: Das Addieren von Zuständen spiegelt mathematisch die Tatsache wider, dass es sich um unterschiedliche Möglichkeiten handelt, die jeweils eine Wahrscheinlichkeit haben (bzw. eine Wahrscheinlichkeitsamplitude). Wenn ich mit einer Wahrscheinlichkeit von 10% drei richtige im Lotto habe und mit einer Wahrscheinlichkeit von 1% 4 richtige (die Zahhlen stimmen natürlich nicht), dann ist die Wahrscheinlichkeit für 3 oder 4 richtige eben 11%.
Die Wellenfunktion
Bisher konnte unser Teilchen nur an ganz bestimmten Orten sein – hier, da oder dort. Das ist natürlich nicht besonders realistisch – ein echtes Elektron kann sich ja so ziemlich überall rumtreiben, nicht bloß an ganz bestimmten Orten. Prinzipiell ändert das nichts an den Überlegungen, aber es macht die Schreibweise etwas komplizierter. Zu jedem möglichen Ort x gehört jetzt eine Wahrscheinlichkeitsamplitude – da es verdammt viele Orte x gibt, reicht das Alphabet nicht aus, um die ganzen Wahrscheinlichkeitsamplituden alle durchzubuchstabieren. Deswegen hat sich folgende einfache Schreibweise eingebürgert: Man schreibt die Amplitude (ich spare mir ab jetzt das volle Wort “Wahrscheinlichkeitsamplitude”, weil ich schreibfaul bin, jedenfalls dann, wenn die Sache eindeutig ist) für den Ort x, also für den Zustand |x>, einfach als ψ(x). Der Zustand des Teilchens ist dann also:
|Zustand> = ψ(x1) |x1> + ψ(x2) |x2>+ ψ(x3) |x3> + …
und zwar summiert über alle möglichen Werte von x.
Mathematisch korrekt sind das unendlich viele Zustände, deswegen schreibt man das eigentlich besser als Integral, und das ψ(x)² ist eine Wahrscheinlichkeitsdichte. Spielt aber hier eigentlich keine Rolle.
In ψ(x) steckt jetzt also die Information darüber, mit welcher Wahrscheinlichkeit das Teilchen wo ist – die Wahrscheinlichkeit für den Ort x ist gegeben durch ψ(x)². Weil die Wellenfunktion einen Wert an jedem Punkt des Raumes hat, kann man sich das Hinschreiben der Ortszustände auch sparen und direkt sagen, dass ψ(x) den Zustand kennzeichnet. Manchmal wird die Schreibweise auch noch weiter verzerrt und man schreibt |ψ(x)> oder einfach nur |ψ> – das sieht ein bisschen komisch aus, aber da die Wellenfunktion den Zustand des Teilchens ja eindeutig kennzeichnet, kann man diese Schreibweise trotzdem so verwenden.
Als Beispiel betrachten wir ein Elektron, das wir auf einem Draht einsperren – es kann sich also nur in einer Richtung (der x-Richtung) bewegen und nicht in die anderen. Dann können wir ψ(x) einfach für verschiedene Fälle hinmalen. Dieses Bild (von Wikipedia, public domain) zeigt zwei mögliche Wellenfunktionen, links eine mit einer niedrigen, rechts eine mit einer hohen Energie. Die Darstellung der Kugel darunter soll symbolisieren, mit welcher Wahrscheinlichkeit wir das Teilchen an einem bestimmten Ort finden:
Im Zustand links ist das Elektron bevorzugt in der Mitte (da, wo die Wellenfunktion am größten ist), im Bild rechts hat sie mehrere Maxima und Minima.
Kleine Aufgabe: Warum ist im Bild rechts die Wahrscheinlichkeit, das Elektron am Ort eines der Minima zu finden, groß, obwohl der Wert der Wellenfunktion doch dort klein (weil negativ) ist?
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