ACHTUNG: Ja, dies ist ein Aprilscherz aus einer Zeit, als Aprilscherze noch lustig waren und es nicht schon täglich fake news und alternative Fakten zu lesen gab.
Dass es einen Zusammenhang zwischen unserem Bewusstsein und dem quantenmechanischen Messproblem geben könnte, habe ich ja bisher immer für eher abwegig gehalten. Ein faszinierendes neues Experiment zeigt aber, dass vielleicht doch etwas dran sein könnte.
Das Experiment wurde von der Neurophysiologin Stephanie Tuss durchgeführt. Es beruht auf dem berühmten Libet-Experiment. Dabei werden Versuchspersonen aufgefordert, zu einem beliebigen Zeitpunkt eine Handbewegung zu machen. Gleichzeitig schauen sie auf eine Uhr. Sie werden dann gefragt, bei welcher Zeigerstellung der Uhr sie ihre Entscheidung, die Hand zu bewegen, getroffen haben. Misst man die Gehirnaktivität, so stellt sich heraus, dass tatsächlich die entsprechenden Gehirnzellen, die die Bewegung veranlassen, schon aktiv sind, bevor der Versuchsperson die Entscheidung bewusst wird.
Dieses Experiment ist natürlich intensiv diskutiert worden – viele sagen, dass es ein Beleg dafür ist, dass wir keinen “freien Willen” haben, weil offensichtlich unser Bewusstsein erst dann aktiv eine Entscheidung zu treffen glaubt, wenn in Wahrheit schon alles passiert ist; andere (wie zum Beispiel D. Dennett) sehen das Problem eher in unserer Vorstellung des Begriffs “Bewusstsein”. Die neuen Experimente zeigen aber, dass es in Wahrheit eine dritte Möglichkeit gibt.
Tuss und ihr Team haben das Libet-Experiment mit hochmoderner Messtechnik wiederholt; unter anderem mittels Magnetresonanz-Spektroskopie (MRI), mit der die Gehirnfunktion genau vermessen werden kann. Auch das ist in der Vergangenheit schon gemacht worden und eigentlich erwarteten die Wissenschaftlerinnen auch keine besondere Überraschung; es ging ihnen zunächst nur darum, den Zeitpunkt der Neuronenaktivierung noch präziser zu bestimmen und die genaue Reihenfolge der Aktivierungsmuster zu beobachten. Dazu verwendeten sie einen neuartigen Ultrakurzzeit-Scanner, der von dem Physiker Eldon Tyrell entwickelt wurde. Dieser Scanner erlaubt es auch, die Hirnaktivität in Echtzeit direkt auf einem Computerbildschirm darzustellen, und zwar mit einer Verzögerung von weniger als 42 Millisekunden.
Zunächst entsprachen die erzielten Ergebnisse genau der Erwartung, die gemessenen Zeiten deckten sich genau mit dem, was man aus früheren Experimenten kannte. Doch dann gab es eine Überraschung (den genauen Ablauf der Ereignisse schilderte Tuss auf einer Pressekonferenz, das paper ist wie üblich etwas trockener in der Darstellung…): Tuss hatte die Experimente anfänglich allein durchgeführt, doch dann ihre Doktorandin A. First hinzugezogen. Erstaunt stellten sie fest, dass die Anwesenheit von First im MRI-Kontrollraum anscheinend dafür sorgte, dass die Streuung der angegebenen Zeiten der Versuchspersonen sich um ein Vielfaches erhöhte. Während die Entscheidung normalerweise etwa 200 Millisekunden vor der Bewegung bewusst wurde, wurden jetzt von den Versuchspersonen stark abweichende Zeitangaben gemacht. Hier die entsprechende Darstellung aus dem Paper:
Obwohl der Effekt statistisch einwandfrei nachzuweisen war, war er zunächst rätselhaft. Ebenso rätselhaft war die Beobachtung, dass nach dem Experiment viele Versuchspersonen berichteten, sie seien sich bei ihrer Entscheidung oft nicht sicher gewesen, wann sie sie getroffen hätten; einige sagten sogar, sie hätten das Gefühl gehabt, die Entscheidung sei von Außen gesteuert gewesen.
Es begannen umfangreiche Versuchsreihen, in denen schließlich festgestellt wurde, dass der Effekt immer dann auftrat, wenn eine der Experimentatorinnen während des Versuches den Computermonitor direkt beobachtete. (Dabei war es unerheblich, ob dies First oder jemand anderes war; solange Tuss die Experimente allein durchführte, war sie lediglich zu sehr mit der Kontrolle des Geräts beschäftigt gewesen, um den Monitor im Auge zu behalten.) Trotzdem blieb das Ergebnis rätselhaft, bis Tuss mit der Quantenphysikerin Amanda Bern darüber sprach. Bern erkannte sofort die Implikationen und stellte eine Hypothese auf, die die Ergebnisse erklären konnte.
Dazu brauchen wir wieder einmal die Grundlagen der Quantenmechanik. Da ich die neulich ausführlich erklärt habe, mache ich es hier kurz (und ein bisschen schlampig): Quantenmechanische Systeme können sich in einer Überlagerung aus mehreren Zuständen befinden; erst ein “Messprozess” führt dazu, dass einer dieser Zustände tatsächlich beobachtet und damit realisiert wird. Die meisten PhysikerInnen gehen davon aus, dass dieser Messprozess nichts mit dem Bewusstsein zu tun hat, sondern entweder auf einer Wechselwirkung mit einem “hinreichend großen System” beruht oder dass etwas ganz anderes dahinter steckt (wie bei der Viele-Welten-Theorie).
Berns Hypothese sieht so aus: Wenn wir die Möglichkeit einer Entscheidung haben, dann befindet sich ein Teil unseres Gehirns in einem quantenmechanischen Überlagerungszustand. Im Libet-Experiment ist dies ein Misch-Zustand aus den beiden Möglichkeiten “Muskelpotential aktiviert” und “Muskelpotential nicht aktiviert”. Beim gewöhnlichen Libet-Experiment bleibt dieser Überlagerungszustand erhalten, bis wir die bewusste Entscheidung für die Bewegung treffen. Diese Entscheidung sorgt für die quantenmechanische Messung und dafür, dass tatsächlich einer der beiden Zustände realisiert wird. Die bisherigen Interpretationen des Libet-Experiments wären demnach also beide falsch, weil sie nicht berücksichtigen, dass durch den Entscheidungsprozess der Zustand erst rückwirkend realisiert wird.
Beobachtet ein bewusster Beobachter aber das Aktivierungspotential im Gehirn, bevor die bewusste Entscheidung getroffen wurde, dann sorgt dies bereits für den Messprozess; sobald der beobachtenden Doktorandin der Messwert des Aktivierungspotentials bewusst wird, bevor die Versuchsperson sich selbst bewusst entscheiden hat, bestimmt diese Beobachtung die Messung. Die Versuchsperson hat dann keinen Einfluss mehr auf das Ergebnis – das erklärt auch, warum viele Versuchspersonen das Gefühl hatten, nicht selbst die Entscheidung zu treffen. Um diese Hypothese zu testen, wurde die Computerdarstellung mit einer Zeitverzögerung versehen. Wenn die Hypothese richtig ist, dann müsste der Effekt verschwinden, wenn die bewusste Beobachtung des Monitors erst nach der Entscheidung durch die Versuchsperson stattfindet.
In dieser Grafik ist die Streuung der Zeitangaben der Versuchsperson (also die Größe der Fehlerbalken im Bild oben) aufgetragen gegen der Zeitpunkt der Beobachtung am Computermonitor für eine Serie von 7 Versuchen (dabei wurden für jeden Messwert 5 Versuchspersonen jeweils 20 mal gemessen):
Man erkennt deutlich, dass sich die Streuung (Standardabweichung) massiv verringert, sobald die Beobachtung hinreichend spät stattfindet, nämlich nach dem Zeitpunkt, zu dem die Versuchsperson die Entscheidung selbst getroffen hat. Damit ist eindeutig gezeigt, dass tatsächlich die Beobachtung des Computermonitors einen Einfluss auf die Wahrnehmung der Versuchsperson hat.
Wichtig ist dabei, dass anscheinend bis zur Beobachtung durch die Experimentatorin bzw. zur Entscheidung durch die Versuchsperson das gesamte System aus Gehirn, MRI-Scanner und Computer in einem quantenmechanischen Überlagerungszustand erklärt, etwas, dass bisher für nicht möglich gehalten wurde. Der Quantenphysiker Anton Spaltinger sagte dazu “Das wäre ein unglaublich überraschendes Ergebnis; Schrödingers Katze würde damit quasi Wirklichkeit.”
Natürlich sind noch weitere Experimente notwendig, um den Effekt zu untersuchen. Er erlaubt aber auch, eines der größten Rätsel der Physik, den quantenmechanischen Messprozess, nun auf ganz andere Weise als bisher experimentell zu testen. Man darf gespannt sein.
Stephanie Tuss, April First, Amanda L. Bern
“Observer-induced quantum mechanical state collapse in the Libet experiment”
Journal for exact results in philosophy, vol 1, p. 1 (2013)
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