Koboldmakis sind niedlich aussehende Primaten mit ziemlich großen Augen. Sie leben heutzutage in Südost-Asien, waren aber früher (im Eozän, also vor etwa 55-35 Millionen Jahren) deutlich weiter verbreitet und hatten damals auch eine wesentlich größere Artenvielfalt. Unklar war lange zeit, wie sie mit den anderen Primaten verwandt sind.
Hier erst einmal ein nettes Bild eines Koboldmakis (von Wikipedia):
Von Kok Leng Yeo – Tarsier Sanctuary, Corella, Bohol
via AnimalPhotos.info, CC BY 2.0, Link
Und dieses Youtube-Video zeigt eindeutig die Verwandtschaft zum gestiefelten Kater:
Früher fasste man die Koboldmakis mit den Lemuren (also den Kattas, Sifakis, Indris, Pottos und wie die alle heißen) zu den Halbaffen zusammen. Allerdings war nicht so klar, ob diese Einteilung wirklich korrekt war, denn die meisten Merkmale, die diese beiden Gruppen zusammenfassten, waren urtümliche Merkmale (vornehm Plesiomorphien genannt), die sie von ihren Vorfahren geerbt hatten und die deswegen zum Rekonstruieren von Verwandtschaftsbeziehungen wenig taugen (dass ein Mensch und eine Eidechse beide fünf Zehen haben, ein Pferd aber nur eine, heißt eben nicht, dass Mensch und Eidechse besonders eng verwandt wären).
Auch molekulare Untersuchungen waren zunächst nicht so eindeutig. Man verwendete hierzu die DNA aus den Mitochondrien, also den Kraftwerken der Zelle. Auch hier zeigte sich eine Verwandtschaft zwischen den Koboldmakis (die auch Tarsier genannt werden) und den übrigen Lemuren. Später stellte sich aber heraus, dass das daran lag, dass sich auf der Entwicklungslinie zu den “echten” Affen (sowohl den Alt- als auch den Neuweltaffen und natürlich auch uns Menschen) ziemlich viele Veränderungen in der Mitochondrien-DNA ereignet hatten, so dass auch hier die scheinbar enge Verwandtschaft auf urtümlichen Merkmalen beruhte.
Andere Untersuchungen deuteten dagegen an, dass die Tarsier sich sogar noch vor den Lemuren und Affen von den übrigen Primaten evolutionär getrennt hatten. Insgesamt gibt es also drei Möglichkeiten, die in dieser Grafik dargestellt sind (Achtung – die Grafik enthält keine Zeitrichtung, bei den Hypothesen 1 und 2 läuft die Zeit von unten nach oben, bei 3 andersherum):
Aus Hartig et al., s.u.
Nur damit niemand verwirrt ist, zu den Anthropoidea gehören auch die Menschenaffen und Affen, nicht etwa nur die Menschen (das sind dann die Hominiden, Hominoiden, bzw. Homininen…).
Um jetzt herauszubekommen, welche der drei Hypothesen (Tarsier kamen zuerst, Tarsier und Lemuren (vornehm sollte ich Strepsirrhini sagen…) bilden die Gruppe der Halbaffen, Tarsier und Affen gehören zusammen) zutrifft, hat ein Forschungsteam aus Münster und Missouri ebenfalls die DNA untersucht. Alerdings ein ganz bestimmtes DNA-Merkmal, nämlich die so genannten SINEs und LINEs.
SINE und LINE steht für short (bzw. long) interspersed nuclear element – also eingestreute DNA-Sequenzen im Genom. (Mehr dazu bei Wikipedia und hier in einfacher Form bei Yahoo.) Diese SINEs und LINEs sind ziemlich weit in unserem Genom verstreut. Sie sind in der Lage, sich innerhalb der DNA selbst zu vermehren – sie können also die Zellen dazu bringen, mehr dieser Elemente in die DNA einzubauen.
SINEs und LINEs sind also gewissermaßen Nutznießer des DNA-Kopiersystems und vermehren sich auf der DNA. Das macht sie besonders geeignet, um evolutionäre Zusammenhänge zu rekonstruieren – eine Funktion haben die meisten von ihnen nicht (einige aber schon, wenn ich diesen Wikipedia-Artikel richtig verstehe). Man hat sie auch verwendet, um die Hypothese zu testen, dass Wale von den Huftieren abstammen. (Kreationisten mögen die SINEs und LINEs deshalb auch nicht so besonders gern…)
Verwendet man diese DNA-Elemente, dann ergibt sich ein ziemlich eindeutiges Bild der Tarsier-Evolution: Sie sind tatsächlich enger mit den Affen als mit den Lemuren verwandt, Hypothese Nummer 3 trifft also zu. Insgesamt fand man 19 SINEs, 22 LINEs und 63 LTRs (long terminal repeat, noch so ein DNA-Stückchen…), die die Tarsier und die Affen miteinander teilen, die Lemuren aber nicht. Damit ist wohl ziemlich klar, dass die Koboldmakis enger mit uns Affen verwandt sind, als man früher geglaubt hat.
Retrophylogenomics Place Tarsiers on the Evolutionary Branch of Anthropoids
Gerrit Hartig, Gennady Churakov1, Wesley C. Warren, Jurgen Brosius, Wojciech Makaowski Jurgen Schmitz
SCIENTIFIC REPORTS | 3 : 1756 | DOI: 10.1038/srep01756
Kommentare (2)