Eifrige und treue Leserinnen und Leser dieses Blogs haben beim Lesen des Titels vielleicht ein deja-vu-Erlebnis: Gab’s hier nicht mal einen ganz ähnlich klingenden Artikel? Ja, den gab es. Aber seit kurzem wissen wir mal wieder etwas mehr darüber, was Doppeldeckersaurier gern fraßen – oder auch nicht…

Es geht mal wieder um den Microraptor, oder auch Doppeldeckersaurier

Microraptor Restoration.png
Von Fred WierumEigenes Werk, CC BY-SA 4.0, Link

Microraptor zeichnete sich durch lange Federn an den Hinterbeinen aus – inzwischen wissen wir, dass das vermutlich auch auf den berühmten Urvogel Archaeopteryx zutraf. Im oben erwähnten Artikel habe ich kurz ein Fossil geschildert, bei dem man Knochen eines urzeitlichen Vogels (eines Enantiornithen) im Bauch eines Microraptor-Fossils gefunden hat. Die Autoren des Artikels hatten damals geschlossen, dass Microraptor auf Bäumen lebte – aber das schien ein etwas zu starker Schluss zu sein, denn viele Tiere, die selbst nicht auf Bäumen lebten, fressen Vögel (beispielsweise Katzen, die zwar halbwegs klettern können (jedenfalls nach oben, für’s Runterklettern brauchen sie ja manchmal eine Feuerwehr…), aber sicher keine Baumbewohner sind).

Ein neues Fossil zeigt nun, dass die Vorsicht durchaus berechtigt war, denn bei diesem Fossil fand man die Überreste von Fischen im Bauchraum. Hier ein Überblick über das Fossil:

microraptorXing1

Aus Xing et al., s.u.

Und hier eine Vergrößerung des Mageninhalts:

microraptorXing2

Aus Xing et al., s.u.

Die Pfeile markieren zwei Wirbel des Fisches, wenn ich es richtig verstehe, gehören die etwa horizontalen verlaufenden Knochen zu den Flossenstrahlen des Fisches (und wenn ich solche Bilder sehe, bei denen ich nichts erkenne, dann weiß ich wieder, warum ich kein Paläontologe geworden bin..).

Die Autoren der neuen Arbeit nutzen diesen Fund nun, um zu schlussfolgern, dass Microraptor  ein guter Fischjäger war. Als Indiz dafür geben sie die leicht nach vorn geneigten vorderen Zähne an – so etwas findet man gelegentlich ja bei Fischfressern (die Pfeile markieren die nach vorn geneigten Zähne):

microraptorXing3

Aus Xing et al., s.u.

Ob das nun eine haltbare Schlussfolgerung ist, darüber kann man streiten (und auf der viel zitierten dinosaur mailing list wurde das in den letzten Wochen auch getan). Meiner Ansicht nach sind gerade die langen Beinfedern des Microraptor eher ein Gegenargument dazu, dass er gern im Wasser herumspazierte und Fische fraß, die würden mir da eher hinderlich erscheinen. Es ist natürlich auch denkbar, dass Microraptor den Fisch nur gefressen hat, als er schon tot war (der Fisch, nicht der Microraptor); im Prinzip ist sogar denkbar, dass Microraptor gerade normalerweise keine Fische fraß und dass diese letzte Mahlzeit ihm nicht bekommen ist und er deswegen kurz nach dem verspeisen des Fisches das Zeitliche segnete.

Am plausibelsten erscheint mir, dass Microraptor (wie eine heutige Katze) einigermaßen flexibel war, was seinen Speiseplan anging: Er war agil genug, um Vögel zu erwischen, aber konnte auch – vielleicht vom Ufer eines der vielen Seen, die es in der damaligen Zeit gab – Fische fangen, wenn ihm danach war.

Das Fossil zeigt aber auch etwas anderes sehr schön: Wie schwierig die Paläontologie eigentlich ist. Ein Saurier mit Speiseresten im Magen ist so ziemlich das beste, was wir erwarten können, wenn wir die Ernährung der Dinos rekonstruieren wollen; aber selbst aus einem solchen Fossil kann man keine eindeutigen Schlüsse ziehen. Wird wohl doch Zeit, dass mal jemand eine Zeitmaschine erfindet.

                                           

Lida Xing et al.

PISCIVORY IN THE FEATHERED DINOSAUR MICRORAPTOR

Evolution, doi:10.1111/evo.12119

Kommentare (4)

  1. #1 Roggen
    10. Mai 2013

    “Meiner Ansicht nach sind gerade die langen Beinfedern des Microraptor eher ein Gegenargument dazu, dass er gern im Wasser herumspazierte und Fische fraß, die würden mir da eher hinderlich erscheinen.”

    Unter den fischfressenden Vögeln gibt es die, die im Wasser herumspazieren bei der Jagd (wobei Schwanzfedern sicher hinderlich wären) und die, die im Flug Fische fangen. Letzteres würde ganz gut klappen, wenn die Beinfedern eher zum Gleiten (knapp über der Wasseroberfläche) geeignet waren.

    Aber mir gefällt der Gedanke, dass das der Mageninhalt, aus dem Paläontologen immer gerne die Ernährungsgewohnheiten schließen, in Wirklichkeit die Todesursache war 🙂

  2. #2 Roggen
    10. Mai 2013

    Ach, Beinfedern natürlich, nicht Schwanzfedern…

  3. #3 MartinB
    10. Mai 2013

    @Roggen
    Fischfang durch Gleiten über der Wasseroberfläche ist eine ziemlich spezialisierte Sache; soweit ich weiß, brauchen die Vögel, die sowas können, ziemlich spezielle Anpassungen; es ist auch unwahrscheinlich, dass Microraptor so gut fliegen konnte.

  4. #4 dilopho
    10. Mai 2013

    Was die Sache mit Fangen aus der Luft angeht, muss man auch bedenken, dass Microraptor erstens wahrscheinlich nicht richtig fliegen konnte (was Martin ja schon erwähnte) und somit auf einen Gleitflug angewiesen war und zweitens, dass er, sobald er mit seinen Fängen nach dem Fisch greifen will, seine beiden hinteren Gleitflügel kurz über der Wasseroberfläche aufgeben muss.
    Es wäre vielleicht noch ein Fangen mit dem Maul möglich, doch fehlte ihm dann als Gleitflieger vermutlich der nötige Auftrieb um einen Bauchplatscher zu vermeiden.