Die Befürworter der Änderung sind dubiose Gestalten
Wenn sonst nichts mehr hilft, dann kann man natürlich diejenigen in Zweifel ziehen, die für die Änderung sind.
9. Gutmenschen und PCler
Der wohl noch harmloseste Vorwurf ist der des “Gutmenschen” oder der “political correctness”. Was daran so schlecht sein soll, ein guter Mensch zu sein, erschließt sich mir zwar nicht – aber vermutlich ist gemeint, dass jemand sich das “gut sein” auf die Fahnen schreibt, nur um sich selbst besser fühlen oder sonst etwas erreichen zu können. (Ich glaube Jörg Rings von Diax’s Rake wurde mal gesagt, er würde sich ja nur deswegen für Frauenrechte einsetzen, um Frauen rumzukriegen.) Das ist natürlich ein Vorwurf, den man kaum entkräften kann (deswegen ist es ja ein Argument-Stopper) – denn man will die Änderung ja tatsächlich erreichen, weil man sie für “gut” hält. Du bist gegen Sklaverei? Gutmensch? Gegen die Todesstrafe? Gutmensch. Gegen getrennte Sitzbänke für Schwarze und Weiße? Alles nur political correctness.
10. Ihr seid alle Extremisten
Keine moderne Feminismus-Debatte kommt ohne Worte wie Feminazi und Kampf-Emanze aus (auch unser aktuelles Beispiel nicht). Und bei der Beschneidungsdebatte wurde ja auch gern die Anti-Semitismus-Keule herausgekramt. Auch dieses Mittel ist praktisch universell einsetzbar – es gibt immer irgendeinen Extremstandpunkt, der die gerade zur Debatte stehende Änderung befürwortet. Also kann man alle, die die Änderung wollen, prophylaktisch erst einmal mit diesem Standpunkt identifizieren oder sie zumindest in dessen Nähe rücken. Jetzt kann sich der Beschneidungsgegner oder die Feministin erst mal selbst rechtfertigen. (In der Beschneidungs-Debatte wurde die Debatte gerade von den Befürwortern gern auf die jüdische Beschneidung eingeengt, damit genau dieser Mechanismus leichter greift.) Auch dieses Argument kann man natürlich immer anführen – Mediziner sind alle kleine Mengeles, Wissenschaftler wollen alle nur Atombomben bauen, usw. Es gibt immer einen Extremisten, der einen bestimmten Standpunkt teilt – “und Hitler war auch Vegetarier, nehmt das, ihr fleischverweigernden Gutmenschen!”
11. Ihr seid doch gar nicht betroffen
Das klappt natürlich nicht immer, aber durchaus manchmal – Männern, die sich für Frauenrechte stark machen, oder Nicht-Juden bzw. -Moslems, die sich zur Beschneidung äußern, kann man natürlich sagen, dass sie damit doch gar nichts zu tun haben und dass die Betroffenen das schon selbst regeln können. (Und dann kann man das “Wenn das so schlimm wäre…”-Argument von oben hinterher schieben.) Lässt sich prima mit dem Gutmenschen-Verdacht koppeln. Natürlich verkennt dieses Argument, dass eine Welt, in der die anzustrebende Änderung durchgesetzt wird, für alle besser sein mag (ja, auch Männer leiden unter dem Patriarchat, auch für Nicht-Juden oder -Moslems mag ein Land, in dem religiöse Spezialgesetze klar geregelt und diskutiert werden, ein besseres Land zum Leben sein.)
12. Nicht in diesem Ton!
Irgendwann wird so eine Diskussion auch mal laut. Oder echte Proteste werden heftig, wie beim civil rights movement in Amerika. Auch Atheisten bekommen ja gern zu hören “Warum seid ihr so zornig?” Statt die Inhalte anzugreifen, greift man lieber den Ton an – neudeutsch nennt man das “tone trolling”. Ob ein Argument gut ist oder nicht, hat aber natürlich nichts mit dem Tonfall zu tun, in des es vorgetragen wird (eine ziemlich unflätige Variante, die das illustriert, findet ihr hier). Und manchmal lässt sich Veränderung eben nur gegen Widerstände durchsetzen. So oder so, der Ton macht zwar vielleicht die Musik, aber nicht das Argument. (Was aber nicht heißt, dass jeder Angriff und jede Beleidigung eines anderen in Ordnung geht – es heißt nur, dass das nichts mit dem Argument zu tun hat.)
Diese 12 wunderbaren Argumentstopper sollten eigentlich helfen, jede Veränderung im Keim zu ersticken. (Einen Großteil davon habe ich auch bei Gremien- und sonstigen Sitzungen an der Uni erlebt.) Falls ich noch welche vergessen habe, hinterlasst sie doch in den Kommentaren.
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