Modifiziert aus Schoch et al., s.u.
Sieht doch gleich völlig anders aus, oder? Nicht? Es haben sich nur die Knochen des HA etwas verschoben, meint ihr? Stimmt. Aber da steckt auch der Trick. Ich habe nämlich, um die Sache etwas spannender zu machen, ein Zwischenbild ausgelassen. So sah nach der neueren Untersuchung nämlich der Moment zwischen den beiden Teilbildern aus:
Modifiziert aus Schoch et al., s.u.
Hier ist der Kopf etwas angehoben, aber der Unterkiefer ist noch geschlossen und der HA ist vollständig zusamengeklappt. Wenn der Gerrothorax jetzt den Unterkiefer nach unten klappt (was jetzt ja geht, weil er nicht mehr auf dem Boden liegt) und gleichzeitig den HA auseinanderfaltet, dann vergrößert sich das Volumen des Rachenraums natürlich deutlich und die Beute wird ins Maul hineingesaugt. (Während ein einfaches Aufklappen des Deckelschädels die Beute eher wegspülen würde.) Machen Fische übrigens auch gern so, die meisten Knochenfische können ihr Maul beim Öffnen nach Vorn stülpen, könnt ihr bei den Guppies in eurem Aquarium wunderbar sehen.
Gerrothorax lag also im Wasser herum und lauerte auf Beute – wenn sie in seine Nähe kam, dann riss er auf die gezeigte Art das Maul auf und saugte sein Futter förmlich auf. Klingt alles in allem wie eine ganz gute Überlebensstrategie, oder?
Ist es auch – und das ist ein weiterer Aspekt, der Gerrothorax so interessant macht: Die Art lebte über einen Zeitraum von mehr als 35 Millionen Jahren, und das auch noch in ziemlich unterschiedlichen Lebensräumen. Diese Grafik illustriert das sehr schön:
Aus Sanchez&Schoch, s.u.
Links seht ihr die jeweiligen Zeitepochen (Stufen) – das Ladinium liegt in der Mitteltrias und ist etwa die Zeit, zu der sich die ersten Dinos entwickelten – am Ende der Trias waren die Dinos dagegen schon ziemlich weit entwickelt und es gab viele unterschiedliche Arten. Aber die ganze zeit schwamm in den Gewässern der gute alte Grrothorax herum und wenn schon eine Wissenschaftlerin am Ende der Trias gelebt hätte, hätte sie Gerrothorax vielleicht als “lebendes Fossil” bezeichnet.
Interessant ist aber nicht nur die lange Zeit, über die Gerrothorax existierte. Mindestens genauso interessant ist, dass er – anders als bei anderen Arten, die lange Zeit überlebt haben – ganz unterschiedliche Lebensräume besiedelte. O.k., für uns Landbewohner ist Wasser irgendwie immer vor allem Wasser, aber wie ihr oben im Bild rechts sehen könnt, lebte Gerrothorax über die Jahrmillionen in ganz unterschiedlichen Ökosystemen: Brackwasser, Seen, Deltas oder Flüsse – ganz egal, Gerrothorax kam anscheinend überall klar. Und das ist schon erstaunlich, denn diese unterschiedlichen Lebensräume unterscheiden sich beispielsweise stark in ihrem Salzgehalt (und für Tiere, die Kiemen haben und eine Amphibienhaut, ist der Salzgehalt schon ein wichtiger Umweltfaktor), und sie unterschieden sich sicherlich auch darin, welche Beutetiere es gab und wie oft Gerrothorax seinen Deckel erfolgreich aufklappen konnte.
Wie also schaffte Gerrothorax es, mit so unterschiedlichen Bedingungen klarzukommen? Und wie soll man das herausbekommen?
Aufmerksame “Hier-Wohnen-Drachen-Leserinnen” ahnen schon, dass die Antwort etwas mit der Knochenstruktur zu tun hat, darüber schreibe ich ja öfter mal. Und na klar, so ist es auch.
Dazu wurden Fossilien aus zwei unterschiedlichen Fundstellen in Deutschland analysiert, aus Kupferzell und Vellberg. Kupferzell war ein See mit klarem, leicht salzhaltigem (also brackigem) Wasser, der eher arm an Nährstoffen war. Der Wasserspiegel war variabel, was dazu führte, dass sich auch der Salzgehalt entsprechend änderte. Im Vergleich dazu war Vellberg, obwohl es auch ein Seenlebensraum war, ein deutlich stabilerer Lebensraum.
Analysiert man die Knochen von Gerrothorax aus den unterschiedlichen Lebensräumen, dann kann man feststellen, dass es deutlich unterschiedliche Knochenstrukturen gibt. Ich zeige hier nur zwei der vier Typen, die man für den Oberschenkelknochen gefunden hat (auch der Oberarmknochen wurde untersucht) – falls ihr die anderen sehen wollt: Dieses paper ist sogar open access, also für alle frei lesbar. Hier seht ihr den Histotyp B:
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