gerrothoraxB

Aus Sanchez&Schoch, s.u.

Und hier zum Vergleich den Typ D:

gerrothoraxD

Aus Sanchez&Schoch, s.u.

Man muss kein Knochenexperte sein, um den drastischen Unterschied zu erkennen – Typ B ist extrem porös, hier wurde Knochenmateriel im laufe des Lebens drastisch ab- und umgebaut. (Wenn Ihr einen Auffrischungskurs in Knochenstrukturen braucht, findet ihr den hier.) Die Löcher entstehen durch Zellen, dIe sich durch den Knochen durchfressen und Material entfernen (sogenannte Osteoklasten). Von einigen Fischen weiß man (hey, ich klinge wie Dr. Grant aus Jurassic Park), dass sie sich an wechselnden Salzgehalt anpassen können. Dabei spielt der Kalziumgehalt eine wichtige Rolle, und der wiederum lässt sich durch Knochenauf- und abbau steuern. Tatsächlich findet man den Knochen vom Typ B auch in Kupferzell, dort, wo der Salzgehalt vermutlich stark schwankte.

Der Knochen vom Typ D wiederum ist ziemlich massiv. Seine Mikrostruktur enthält dicht gepackte Lamellen und kann in die Gruppe des “fibrolamellaren Knochens” einsortiert werden. (So viel zum weit verbreiteten Irrglauben, den gäbe es nur bei warmblütigen Säugetieren und Vögeln…) Der Knochen ist nicht nur sehr kompakt ohne viele Poren, sondern auch insgesamt ziemlich dick. Das spricht dafür, dass er – ähnlich wie bei heutigen Seekühen – als Ballast diente. Gerrothoraxe mit Typ-D-Knochen waren also vermutlich eher behäbige Auf-dem-Boden-Rumlieger, während die mit den porösen Knochen etwas dynamischer waren.

An Hand der Knochen kann man auch abschätzen, wie alt die Tiere jeweils waren. Knochen haben bei vielen Tieren Wachstumsringe, ein bisschen ähnlich wie bei Bäumen. (Darüber habe ich auch schon mal im Zusammenhang mit Flugsauriern geschrieben.) Es stellt sich heraus, dass die unterschiedlichen Gerrothorax-Typen auch unterschiedlich lange brauchten, um erwachsen zu werden: Einige schafften das innerhalb von drei, andere erst nach sechs oder sieben Jahren.

Insgesamt zeigt sich also, dass Gerrothorax zwar äußerlich über einen langen Zeitraum unverändert blieb, dass er sich aber sehr flexibel an ganz unterschiedliche Lebensräume anpassen konnte: Je nach Bedarf konnte er innerhalb von 3, aber auch erst nach 6 Jahren geschlechtsreif werden, er konnte sich massive oder poröse Knochen zulegen und er konnte sich an ganz unterschiedliche Salzgehalte anpassen. Die beiden Fundstellen liegen übrigens zeitlich nur einige 10000 Jahre auseinander – bedenkt man, dass Gerrothorax über 35 Millionen Jahre und auch in Flüssen und Deltas existierte, gab es vielleicht noch weitere Anpassungstrategien.

Auch wenn Gerrothorax aussieht wie eine übergroße Kaulquappe, die unter einen Laster geraten ist, war er doch ein erstaunlich erfolgreiches Tier. Vielleicht war er eine Art von Pionier, der neue Lebensräume eroberte und sich überall ausbreitete, wo es Wasser und Nahrung gab. Auf jeden Fall erweist sich ein ziemlich unscheinbares Tier als überraschend faszinierend.

                                     

Die Knochenanalyse findet ihr hier:

Bone Histology Reveals a High Environmental and Metabolic Plasticity as a Successful Evolutionary Strategy in a Long-Lived Homeostatic Triassic Temnospondyl
S. Sanchez • R. R. Schoch
Evol Biol DOI 10.1007/s11692-013-9238-3

Und hier die beiden biomechanischen Untersuchungen (nicht frei verfügbar, aber ihr wisst ja sicher, wem ihr im Zweifel ne mail schicken könnt…)

GERROTHORAX PULCHERRIMUS FROM THE UPPER TRIASSIC FLEMING FJORD FORMATION OF EAST GREENLAND AND A REASSESSMENT OF HEAD LIFTING IN
TEMNOSPONDYL FEEDING

Jenkins et al.

Journal of Vertebrate Paleontology 28(4):935–950, December 2008

Cranial morphology of the plagiosaurid Gerrothorax pulcherrimus as an extreme example of evolutionary stasis.

Schoch, R.R. & Witzmann, F. Lethaia, Vol. 45, 2011: p. 371–385.

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Kommentare (14)

  1. #1 rolak
    8. Juni 2013

    Wer ist Gerrot? Welcher Hoax? Oh *flush* Vorsichtig lesen!

    Klammerteufel .. oder ist das der Klammeraffe?

    Weder noch, MartinB, interpunktorisches Lispeln.

    Ein mir völlig fremdes Thema, wieder mal gewürzt mit Trivia-Xrefs, doch nicht nur deswegen angenehm (unabschreckend) zu lesen.

    into the double digits

    1

  2. #2 Steffmann
    9. Juni 2013

    @Rolak:

    Was bitte sind “Trivia-Xrefs” ????

  3. #3 rolak
    9. Juni 2013

    “Trivia-Xrefs” ????

    a) Ein ‘?’ hätte zur Erkenntnis ‘Frage!’ gereicht
    b) TriviaXrefs oder sinnerhellende Querverweise zu Comic / Serie / Belletristik.etc.

  4. #4 Ludger
    9. Juni 2013

    Und warum war der wunderhübsche Gerrothorax nach 35 Megajahren am Ende? Die Umweltbedingungen waren es ja offensichtlich nicht. Fressfeinde? – kaum: die hätten spezialisiert sein müssen und gleichzeitig so flexibel bei den Lebensbedingungen wie Gerrothorax. Infektionen? Gibt es dazu Überlegungen?

  5. #5 RainerM
    9. Juni 2013

    Offenbar ist er dem Massenaussterben an der Trias-Jura-Grenze zum Opfer gefallen.

  6. #6 MartinB
    9. Juni 2013

    @Ludger, Rainer
    Ja, die Frage habe ich mir auch gestellt, es stand aber nichts dazu in den veröffentlichungen. Was genau an der TJ-Grenze passiert ist, das ihn dahingerafft hat, weiß ch nicht.

  7. #7 dilopho
    9. Juni 2013

    Was das ganze noch seltsamer macht: die ganzen verschiedenen Anpassungen gehören anscheinend zu einer Art und nicht (wie ich eigentlich gedacht hab) zu verschiedenen Arten der Gattung Gerrothorax.
    Kann man eigentlich sagen, durch was das Massensterben nach der Trias ausgelöst wurde?

  8. #8 Ludger
    10. Juni 2013

    Ich hab da mal was gefunden:
    https://derstandard.at/1343744726064/Massensterben-An-der-Trias-Jura-Grenze-waren-die-Ozeane-vergiftet :
    “Als vor rund 200 Millionen Jahren an der Grenze zwischen Trias und darauf folgendem Jura der globale Superkontinent Pangea auseinanderbrach und massive Vulkanausbrüche riesige Mengen an Kohlendioxid (CO2) und Schwefeldioxid (SO2) freisetzten, ging dies mit einem weltweiten Massensterben der Tier- und Pflanzenwelt zu Land und Wasser einher. ”
    unter Bezug auf:
    https://www.nature.com/ngeo/journal/v5/n9/full/ngeo1539.html

  9. #9 Bettina Wurche
    10. Juni 2013

    Klasse-Artikel, danke!!!!
    1. Hyobranchial-Apparat:
    könnte man vielleicht mit “Die umgebauten Kiemenbogen-Derivate (auf dem Weg vom Fisch zum Tetrapoden)” erklären. Es sind die festen und weichen Bestandteile der Schlundregion.
    Für Menschen sehr schwierig vorstellbar, weil es das alles bei uns Säugern schon lange nicht mehr gibt.
    2. Im Stuttgarter Museum am Löwentor gibt es ein herrliches Dioramea, in dem ein Panzerlurch in Lauerstellung in einem Flussabschnitt liegt.
    3. Soweit ich weiss/recherchiert habe, ist auch das T/J-Massensterben letztendlich nicht so richtig aufgeklärt. Es gibt so die üblichen Verdächtigen wie Absinken des Meeresspiegels, Klimaveränderung, extremer Vulkanimus.
    Die Klimaveränderungen sind z. B. an Molluskenschalen nachgewiesen worden.
    https://www.palaeontologie.geowissenschaften.uni-muenchen.de/personen/dozenten/nuetzel/publikation_nuetzel/index.html

  10. #10 MartinB
    10. Juni 2013

    @Bettina
    “Hyobranchial-Apparat:”
    Doch so einfach? Danke. Habe ich mich nicht getraut, so zu übersetze – das kommt davon, wenn man nur fachbücher auf Englisch hat…

    “Soweit ich weiss/recherchiert habe, ist auch das T/J-Massensterben letztendlich nicht so richtig aufgeklärt. ”
    Ich wusste schon, warum ich den Satz zum Aussterben wieder rausgenommen habe 😉

  11. #11 Theres
    12. Juni 2013

    Ein erstaunlich faszinierendes Tier, doch …
    Er starb wohl wegen “von allem ein bisschen zu viel” aus, :), doch, so hat unsere Biolehrerin das gern umschrieben. Es gibt doch nie nur eine Ursache, beziehungsweise, immer mehr als eine Wirkung derselben. Vergiftete Ozeane lassen darauf schließen, dass zu viele Vulkane ausbrachen usw.

  12. #12 Steffmann
    13. Juni 2013

    @rolak:

    a) Ein ‘?’ hätte zur Erkenntnis ‘Frage!’ gereicht

    Es ist einfach unnötig, in so einem thread die Leute zu nötigen, jeden Scheiss zu googlen (mich inbegriffen). Es wäre einfacher, wenn du/wir Begriffe benutzen, die jeder versteht.

  13. #13 rolak
    14. Juni 2013

    die Leute zu nötigen

    Tja Steffmann
    a) niemand wurde genötigt zu recherchieren
    b) niemand wurde genötigt eine bestimmte Suchmaschine zu nutzen
    c) niemand kann wissen, was dem Gegenüber bekannt ist, Reduktion auf Null ist sinnleer
    d) nichts davon rechtfertigt eine Satzzeichenkaskade

    Und selbstverständlich sind beide Begriffe Allgemeingut, zumindestens ebenso wie Microraptor, open access und fibrolamellar.
    Haben sie Dir das Förmchen weggenommen? Problem?

  14. #14 MartinB
    14. Juni 2013

    @Steffmann, rolak
    Habt euch mal wieder lieb, Streit haben wir hier schon anderswo genug…