Ja, heute gibt’s mal wieder nen dramatischen Titel. Der ist allerdings auch berechtigt, denn immerhin geht es um die berühmten Säbelzahnkatzen (gern auch Säbelzahntiger genannt). Mit ihren enorm langen Eckzähnen sehen die ja sehr bedrohlich und mörderisch aus, aber auch ein bisschen seltsam. Wie beißt so eine Katze eigentlich zu und was tut sie genau mit ihren Zähnen?
Dass Säbelzähne eine sinnvolle evolutionäre Entwicklung sind, kann man daran sehen, dass sich so etwas im Laufe der Zeit nicht bloß einmal, sondern sehr viele Male entwickelt hat. Der “Säbelzahntiger” (korrekterweise Smilodon genannt) ist nur einer von mehreren Säbelzähnen. Auch andere Säugetierfamilien (die zu den Katzen gehörenden Nimraviden und die “Urraubtiere” oder Creodonten) haben unabhängig ähnliche Säbelzähne entwickelt, ebenso die Beuteltiere (mit dem südamerikanischen Thylacosmilus); und selbst bei den Säugetiervorfahren kennt man Inostrancevia.
Seit einigen Jahren hat sich die Theorie durchgesetzt, dass Smilodon et al. ihre Zähne einsetzten, indem sie den Hals ihrer Beutetiere durchbissen, nachdem sie sie vorher mit ihren kräftigen Vorderpranken zu Boden gedrückt haben. Eine neue Studie, die den Säbelzahntiger Smilodon und den Beutel-Säbelzahntiger Thylacosmilus vergleicht, zeigt jetzt, dass diese Theorie – … vermutlich richtig ist.
O.k., sagen die meisten Wissenschaftsjournalisten, laaaaangweilig, wir wollen Drama und Revolution und neue Theorien und Schlagzeilen der Art “Die Geschichte der Raubtiere muss neu geschrieben werden” – aber hier bei den Scienceblogs wissen wir ja hoffentlich, wie Wissenschaft wirklich funktioniert und dass auch eine Bestätigung einer Theorie interessant sein kann.
Schauen wir erst mal auf die beiden Akteure. Hier also der berühmte Säbelzahntiger Smilodon:
By Sergiodlarosa, CC BY-SA 3.0, Link
Ihr seht vorn die langen Säbelzähne, ihr seht aber auch, dass Smilodon einen ziemlich robusten Vorderkörper (heißt das bei Vierbeinern so?) hat, mit sehr kräftigen Vorderbeinen.
Und hier die südamerikanische Beutelversion Thylacosmilus:
By Rom-diz – Own work, Public Domain, Link
Ihr seht, dass die Zähne des Thylacosmilus eher noch länger sind und dass auch er sehr kräftige Vorderbeine hatte. (Im Hintergrund links seht ihr noch ein schickes Glyptodon, ein Riesengürteltier.) Man kann Smilodon und Thylacosmilus auf einen Blick unterscheiden (nicht an der Fellfarbe, die ist ja Spekulation; hier beim Thylacosmilus dem Beutelwolf nachempfunden): Thylacoleo hat am Unterkiefer lange Fortsätze, die bei geschlossenem Maul die langen Säbelzähne auf der Innenseite abdecken – wozu die genau dienten, weiß ich nicht, aber es scheint plausibel, dass sie die Zähne schützen und es leichter machen, sich zum Beispiel mit geschlossenem Maul mal schlafen zu legen. (Ich wette, so einen upgrade hätten die Smilodons auch gern – quasi Säbelzahn 2.0.)
Für die Funktion der Säbelzähne ist natürlich vor allem der Schädel der beiden interessant, hier also entsprechend zwei Detaildarstellungen (Computermodelle, erstellt nach CT-Bildern der Schädel):
Aus Chamoli et al., s.u.
Wenn ihr brav aufgepasst habt, dann wisst ihr, welcher der beiden zum Smilodon gehört und welcher zum Thylacosmilus – die Zahnscheide am Unterkiefer verrät’s.
Ihr erkennt sehr schön die langen Säbelzähne. Ihr könnt auch sehen, dass der Thylacosmilus seinen Zahn deutlich tiefer im Schädel verankert hat als der Smilodon und dass er sein Mau noch weiter aufreißen konnte – etwa 105°, also mehr als ein rechter Winkel war möglich, während es beim Smilodon “nur” etwa 87° waren.
Was ihr auch erkennt ist, dass das Kiefergelenk vergleichsweise schwach aussieht, besonders beim Thylacosmilus. Das lässt es unwahrscheinlich erscheinen, dass so ein Säbelzahn seine Säbelzähne einfach dadurch in die Beute hineinschlagen konnte, dass er einen Biss ansetzte und dann den Unterkiefer schloss. Gegen diese Art des Säbeleinsatzes spricht auch der eingezeichnete Kreis oben im Bild: Zeichnet man so einen Kreis durchdie Säbelzähne, dann liegt der Mittelpunkt beim Smilodon ein Stück und beim Thylacosmilus ziemlich weit vom Kiefergelenk entfernt. Das Schließen des Unterkiefers würde den Säbelzahn also nicht entlang seiner Achse in die Beute hineindrücken können, sondern würde für eine Bewegung des Zahns nach hinten sorgen. Da der aber auf der Rückseite keine scharfe Schneidkante hatte, dürfte das eine wenig erfolgversprechende technik sein, um den Zahn tief in die Beute zu schlagen.
Dass ein Schließen des Unterkiefers den Säbelzähnen nicht so viel weiterhilft, sieht man auch, wenn man das Computermodell nimmt und die Spannungen berechnet, die innerhalb des Schädels bei so einem Biss auftreten würden:
Aus Chamoli et al., s.u.
Oben seht ihr den Smilodon, in der Mitte den Thylacosmilus und unten zum Vergleich einen heutigen Leoparden. Ihr könnt deutlich erkennen, dass die Spannung am Kiefergelenk bei den Säbelzähnen sehr groß ist (größer als 25 Megapascal – das ist für Knochen noch nicht sehr viel (die werden bei Spitzenlast bis zu etwa 60-80MPa belastet und versagen je nach Belastungsart bei 150-220MPa), aber schon durchaus beachtlich). Besser ist es also, wenn so ein Säbelzahn seine Zähne anders in die Beute schlägt.
Dafür sprechen auch die Muskeln der Tiere (oben links wieder der Leopard, bei den ausgestorbenen Viechern muss man na klar die Muskeln rekonstruieren, das geht aber einigermaßen gut):
Aus Chamoli et al., s.u.
Ihr seht, dass die rosafarbenen Kiefermuskeln gerade beim Thylacosmilus wirklich ziemlich mau ausgeprägt sind – berechnet man die Bisskraft für die beiden Säbelzähne, so kommt man auf schlappe 519 Newton für den Smilodon und lachhafte 38 Newton für Thylacosmilus (der ist allerdings auch kleiner als ein Smilodon und wiegt nur etwa 80kg) – nur zum Vergleich, beim Löwen ist die Bisskraft bei knapp 3000 Newton. (Alles natürlich lächerlich im Vergleich zu Dinosauriern oder Riesenkrokodilen…)
Ihr seht an dem Muskelbild aber auch, dass die Halsmuskeln ziemlich kräftig sind – und das legt nahe, dass die Zähne durch Bewegen des Kopfes vom Hals aus bewegt wurden – dabei konnte der Kopf dann auch so gedreht werden, dass die Zähne sich sauber entlang ihres Bogens bewegen; das Problem, das wir oben mit dem eingezeichneten Kreis gesehen haben, wird so also gleich mitgelöst.
Hier zum Beleg die Knochenbelastung bei Halsmuskelantrieb der Zähne:
Aus Chamoli et al., s.u.
Wie ihr sehen könnt, sind die Lasten auf dem Knochen jetzt vergleichsweise klein.
Es passt also alles zur Theorie, dass die Zähne mit Hilfe der Halsmuskeln in die Beute geschlagen wurden. Der Unterkiefer hatte dabei vermutlich eher eine stabilisierende Wirkung. Da die Zähne im Querschnitt recht schmal sind, würden sie bei einer ungünstigen Belastung möglicherweise brechen – das macht es unwahrscheinlich, dass so ein Säbelzahn seine Zähne einfach so in die Beute gerammt hat. Vermutlich wurde die Beute also erst einmal festgehalten und erst dann mit einem gezielten Biss getötet. Dafür spricht auch, dass tendenziell bei allen Säbelzähnen die Vorderbeine um so kräftiger sind, je länger die Säbelzähne sind.
Die Bilder zeigen aber noch etwas anderes: Die Kiefermuskeln des Thylacosmilus waren noch schwächer als die des Smilodon, seine Bisskraft war – auch wenn man die Körpergröße entsprechend einrechnet – extrem gering und sein Maul konnte sich, wie wir gesehen haben, noch weiter öffnen. Seine Zähne waren im Querschnitt noch etwas schmaler und ließen sich also leichter einschlagen – wenn auch auf Kosten der Stabilität, die Beute musste dazu also wirklich gut festgehalten werden. Insgesamt ist der Thylacosmilus also ein noch extremerer Säbezahn als der “klassische” Säbelzahntiger – tatsächlich quasi der “Säbelzahntiger 2.0”.
Wroe S, Chamoli U, Parr WCH, Clausen P, Ridgely R, et al. (2013) Comparative Biomechanical Modeling of Metatherian and Placental Saber-Tooths: A
Different Kind of Bite for an Extreme Pouched Predator. PLoS ONE 8(6): e66888. doi:10.1371/journal.pone.0066888
Das paper ist übrigens open access – falls ihr selbst reinschauen wollt, steht dem also nichts im Wege.
Kommentare (10)