Nein, das hier ist keine (grammatikalisch auch nicht 100% einwandfreie) Parodie auf das berühmte Gedicht von Blake (trotz des religiösen Themas eins der schönsten Gedichte der englischen Sprache), sondern eher der Versuch eines Bloggers, einen Artikel, in dem es um Tigerkrallen geht, irgendwie mit einer sinnvollen Überschrift zu versehen.
Manchmal kann Forschung wirklich einfach sein – man muss nur drauf kommen. Der Artikel, um den es heute geht, ist wahrlich keine weltbewegende Forschung, liefert aber trotzdem ein kleines interessantes Stück Information. Wie so oft geht es – letztlich – um Dinos und andere ausgestorbene Tiere. Von denen finde wir ja meist nur die Knochen und die Paläontologinnen und Paläontologen können sich dann damit amüsieren, aus diesen Knochen möglichst viel Informationen herauszuholen. Dabei schauen sie nicht nur auf die Form der Knochen und fragen sich, wie die zusammenpassen, sondern untersuchen auch, was sonst so mit den Knochen passiert ist – beispielsweise, während sie in Sand oder Schlamm eingebettet wurden oder auch vorher.
Manchmal findet man beispielsweise Kratzer an fossilen Knochen, die darauf hindeuten, dass ein Raubtier am Knochen genagt und das Fleisch abgeschabt hat. Ein paar schöne Beispiele und eine detaillierte Diskussion findet ihr beispielsweise in diesem BBC-Artikel. Findet man also einen Knochen mit mehreren parallelen Kratzern drauf, dann kann man vermuten, dass diese von Zähnen eines Raubtiers stammen – denn dass etwas anderes so schöne Kratzer in einen Knochen macht, ist ja eher unwahrscheinlich.
Oder vielleicht doch nicht? Könnten solche Kratzer vielleicht nicht von den Zähnen, sondern beispielsweise auch von den Krallen eines Raubtiers stammen? Das würde es natürlich schwieriger machen, solche Kratzer zu verstehen und mögliche Urheber zu identifizieren.
Auf den ersten Blick scheint die Idee aber wenig plausibel: Denn das Keratin, aus dem Krallen und auch unsere Fingernägel bestehen, ist wesentlich weicher als Knochen. (Auf der Härteskala für Materialien, die angibt, wie leicht man in ein Material Kratzer machen kann, liegt Keratin bei 2,5, Knochen bei 5.) Man sollte also Knochen mit Keratin eigentlich nicht anritzen können. Es gibt aber (in der Veröffentlichung um die es geht auch detailliert ausgeführte) vereinzelte Beispiele von Knochen, die anscheinend durch Krallen angeritzt wurden.
Man könnte natürlich lange theoretisieren, ob es nun möglich ist, Knochen mit Krallen zu ritzen oder nicht – man kann es aber auch einfach ausprobieren. Dazu braucht man ein Tier mit Krallen, und da kommt der Tiger aus dem Titel ins Spiel.
Es handelt sich um einen Tiger, der im Sedgwick County Zoo in Wichita lebt. Zootiere sind ja immer von Langeweile bedroht und deshalb bekommen sie von den Zoowärterinnen und -wärtern des öfteren Dinge zur Beschäftigung. Wer – wie ich – eine Zeitlang die (besonders für Kinder) sehr unterhaltsame Fernsehserie “Leopard, Seebär & Co” gesehen hat, der kennt das: Da bekommen Affen Holzrohre, in denen Nüsse versteckt sind und die sie nur mit viel Geschick rausangeln können, Eisbären kriegen einen gefrorenen Fisch-Block, aus dem sie die Fische rausbrechen müssen, Fleischstücke für Löwen werden so aufgehängt, dass sie sich kräftig strecken müssen und und und.
Und so kam das Forschungsteam auf die Idee, ein entsprechendes Spielzeug für einen Tiger zu bauen. Dazu wurden Rinder-Oberschenkelknochen vom Fleisch befreit und dann in einem Stück eines Baumstamms befestigt, und zwar so, dass der Tiger den Knochen zwar mit den Krallen, aber nicht mit der Schnauze erreichen konnte.
Aus Rothschild et al., s.u.
Dieses Spielzeug bekam der Tiger dann in seinen Käfig. Natürlich versuchte er, an den Knochen heranzukommen, was ihm aber nicht gelang. Nachdem er das Interesse verloren hatte, wurde das Spielzeug wieder eingesammelt, untersucht, und – Tadaa!!! – Es gab eindeutige Kratzer von Tigerkrallen:
Aus Rothschild et al., s.u.
Anscheinend können Krallen also doch Spuren in Knochen hinterlassen, obwohl die Härte von Knochen so viel größer ist. Vermutlich liegt das auch an der Geschwindigkeit, mit der die Krallen bewegt werden – das wäre sicher eine interessante Untersuchung für Materialwissenschaftler (bei uns am Institut sind solche Forschungsthemen leider fehl am Platz, wir machen ja mehr Hochtemperaturwerkstoffe).
Auf jeden Fall zeigt das, dass man bei Kratzspuren an fossilen Knochen nicht unbedingt davon ausgehen kann, dass sie von Zähnen stammen.
Persönliche Nachbemerkung, weil es hier in letzter Zeit ja so still war: Ja, ich blogge wieder. Das Buch ist zum Lektorieren beim Verleger (allen Unkenrufen zum Trotz war es fristgerecht am Samstag fertig) und ich kann mal wieder an andere Dinge denken. Die Wahrscheinlichkeit, dass es im Dezember mehr als 2 Posts gibt, ist also durchaus hoch.
The Power of the Claw
Bruce M. Rothschild, Bill Bryant, Christopher Hubbard, Kent Tuxhorn, Ginny Penn Kilgore, Larry Martin, Virginia Naples
PLOS One September 2013 | Volume 8 | Issue 9 | e73811
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