Imai et al. (2013)
In dieser Arbeit wurden deutsche und japanische MuttersprachlerInnen getestet. Das Japanische kennt kein GG, so dass man ähnliche Effekte erwarten kann wie beim Vergleich Deutsch/Englisch.
Das Versuchsprinzip war ein ganz anderes als bei allen bisherigen Experimenten. Es wurde hier untersucht, ob das GG von Tieren einen Einfluss auf die Annahme über das Geschlecht des Tieres hat. Den Versuchspersonen wurde zunächst beigebracht, dass nur weibliche Tiere die Eigenschaft BROMA haben, männliche nicht. (Und entsprechende männliche Eigenschaften sowie solche, die alle Tiere haben sollten.) Dann wurden sie z.B. gefragt “Hat die Giraffe BROMA innen drin?” (Die merkwürdige “innen drin”-Formulierung beruht vermutlich auf einem Vorexperiment, das mit Kindern durchgeführt wurde (Saalbach et al. (2012)). Darauf gehe ich aber hier nicht ein, weil das Ergebnis dieser älteren Arbeit durch die neuere Arbeit hier meiner Ansicht nach eh fragwürdig ist.) Da “die Giraffe” kein eindeutiges Geschlecht hat, sollte die Antwort hier “nein” lauten (VPs wurden angewiesen, bei unentscheidbaren Sätzen “nein” zu antworten, was ich etwas seltsam finde – warum bietet man nicht drei Möglichkeiten an: “ja”, “nein”, “unentscheidbar”?). Ebenso wurde das Experiment mit Eigenschaften gemacht, die alle Tiere haben sollten (als Kontrolle), mit Tieren, bei denen das Geschlecht explizit angegeben wurde z.B. “die männliche Maus”) und noch einigen anderen Kombinationen. (Die in dieser Arbeit alle explizit mit Beispielsätzen aufgelistet werden – für den armen Blogger, der keine Ahnung vom Thema hat, eine echte Wohltat, weil er sich nicht zusammenreimen muss, wie die Sätze nun genau lauteten…)
Das Ergebnis der Arbeit lässt sich relativ knapp zusammenfassen: Wenn im deutschen ein Artikel mit eindeutigem GG genannt wurde, dann tendierten deutsche VPs dazu, das entsprechende Geschlecht anzunehmen. “Die Maus” wurde also tendenziell als weiblich angesehen. Dieser Effekt trat selbst dann auf, wenn das SG explizit genannt wurde: “die männliche Maus” wurde von VPs signifikant häufiger mit der Eigenschaft BROMA versehen (die ja weiblich ist) als bei japanischen VPs.
Interessanterweise verschwand der Effekt, wenn eine Formulierung im Plural ohne Artikel verwendet wurde (dafür wurde eine andere Gruppe von VPs genommen – die VPs bekamen also entweder nur Singular- oder nur Pluralformulierungen): Bei Fragen der Art “Haben Giraffen BROMA innen drin?” schnitten deutsche und japanische VPs ähnlich ab. (Was natürlich die Frage aufwirft – das wurde aber nicht getestet – was passieren würde, wenn man den Artikel “die” im Plural verwenden würde – wird dadurch ein weibliches Geschlecht evoziert?)
Dieses Experiment testet in gewisser Weise direkt das Konzept des “generischen Maskulinums” (ich sagte ja, dass ich darauf noch mal kurz zurückkomme). Die AutorInnen schlussfolgern, dass es anscheinend der Artikel ist, der für die Assoziation mit einem Geschlecht sorgt. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das eine zulässige Schlussfolgerung ist – meiner Ansicht nach könnte es auch so sein, dass Formulierungen im Singular mit einem bestimmten SG assoziiert werden (insbesondere dann, wenn das SG offensichtlich relevant ist und die VPs auch Sätze präsentiert bekommen, bei denen das Geschlecht eindeutig genannt ist.) Die Annahme, dass Formulierungen wie “der Elefant” von uns tendenziell als männlich war genommen werden, ohne dass das auf unser Konzept von “Elefant” abfärbt, scheint mir angesichts der in den anderen Experimenten ja deutlich nachgewiesenen “priming”-Effekte zumindest problematisch. Soll man wirklich annehmen, dass ich in meinem Leben 1000 Mal “der Elefant” lese (aber nur wenige mal “die Elefantenkuh”), mir dabei jedesmal eher einen männlichen Elefanten vorstelle und trotzdem keine Assoziation “Elefant=männlich” aufbaue?
Um zu sehen, ob das GG unser Konzept “Elefant” beeinflusst, sollte man das Experiment vielleicht mit Bildern wiederholen – interpretieren deutsche Sprecher das Bild eines einzelnen Elefanten tendenziell eher als männlich oder als weiblich? (Wobei man vielleicht keine Elefanten nehmen sollte, weil die einen sexuellen Dimorphismus haben, sondern dann besser Tiere wie Mäuse oder Gänse.) Die AutorInnen argumentieren zwar, dass wir im Alltag ja auch meist mit sprachlichen Fragen konfrontiert sind und dass ihr Experiment deswegen die größere Alltagsrelevanz besitzt, aber so ganz überzeugend finde ich das nicht. Man könnte auch einfach keine ganzen Sätze bilden, sondern stattdessen schreiben: “Hat dieses Tier Broma?” und darunter auf dem Computerbildschirm steht dann “Maus” oder “die Maus” – dann könnte man den Effekt des Artikels isolieren (und zusätzlich noch Dinge wie den unbestimmten Artikel untersuchen).
Kommentare (67)