Wenn zwei Dinge a und b gleich sind, dann sind sie gleich und es ist a=b, viel mehr gibt es dazu auf den ersten Blick nicht zu sagen. In der Physik haben wir es ziemlich oft mit Gleichungen zu tun – aber auch wenn sie alle die Form a=b haben, unterscheiden sie sich doch in ihrer Bedeutung oft stark voneinander. Nicht alle Gleichheitszeichen in der Physik sind gleich. Warum das so ist, will ich heute ein wenig diskutieren.
Vorher eine Warnung und ein Hinweis. Erst mal die Warnung: Das, was jetzt kommt, habe ich mir größtenteils selbst überlegt (auch wenn einiges in anderer Form zum Beispiel bei Feynman steht). Entsprechend solltet ihr nicht annehmen, dass die Einteilung der unterschiedlichen Gleichungsarten universell anerkannt gültig ist und dass alle PhysikerInnen sie so verwenden. Es ist mein ganz persönlicher Versuch, etwas Ordnung in den Gleichungsdschungel zu bringen.
Und als Hinweis: In diesem Artikel geht es um physikalische Gleichungen – deswegen tauchen hier auch ziemlich viele davon auf. Wenn ihr Gleichungen nicht so mögt, weil euch Mathe- oder PhysiklehrerInnen einen Horror davor eingeimpft haben, macht einfach das, was ich tue, wenn ich zum ersten mal einen Physiktext lese: Überfliegt die Gleichungen und konzentriert euch auf den Text drum herum; ich habe mir Mühe gegeben, die meisten Dinge auch in Worten zu erklären.
Formelzeichen
Bevor es zum Gleichheitszeichen geht, erst mal ein Blick auf Formelzeichen. Auch bei denen ist Vorsicht geboten – nicht immer steht derselbe Buchstabe für dieselbe Sache. Wer beispielsweise das E aus einer Energieformel in eine Gleichung für das elektrische Feld E einsetzt, der hat natürlich ein Problem. Aber selbst dann, wenn ein Formelzeichen für dieselbe physikalische Größe steht, ist oft Vorsicht geboten.
Nach Einstein gilt ja E=mc² – Energie ist Masse mal dem Quadrat der Lichtgeschwindigkeit.
Hebt man eine Masse m auf der Erde um die Höhe h, so braucht man dafür eine Energie von E=m g h, mit g als der Erdbeschleunigung.
Setzt man die beiden Gleichungen gleich (Energie gleich Energie), bekommt man
mc² = mgh
Kürzt man jetzt rechts und links das m weg, bleibt
c²=gh oder h=c²/g, woraus folgt, dass man Massen laut Einstein nur um etwa 10Billionen Kilometer in die Höhe heben kann????
Das ist natürlich Unsinn. Wo steckt der Fehler?
Das eine m, nämlich das in der Gleichung E=mgh, ist die Masse des Gewichts, dass wir hochheben. Das andere m, das in der Einstein-Formel, ist die zusätzliche Masse, die wir messen, wenn wir einem System Energie zufügen. Wenn also beispielsweise Keith T. Maxwell mit seinem Raumschiff auf der Erde landet, dort die Masse um die Höhe h hochhebt und dann wieder wegfliegt, hat er die Energie der Erde um einen Wert von mgh erhöht. Und damit erhöht sich das Schwerefeld der Erde genau so, als hätte er eine zusätzliche Masse der Größe mgh/c² auf der Erde abgelegt. In beiden Gleichungen steht m also für die Masse, aber nicht für die selbe Masse.
Aber eigentlich wollte ich ja etwas über das Gleichheitszeichen und seine Bedeutungen schreiben.
Definitionsgleichungen
Manchmal ist ein Gleicheitszeichen einfach nur eine Zigarre ein Gleichheitszeichen – beispielsweise, wenn man ein Formelzeichen einfach nur definiert (aber Vorsicht: Viele “Definitionen” sind in Wahrheit nicht einfach Definitionen, wie wir gleich sehen werden). Beispielsweise verwendet man in der Quantenmechanik oft das Kürzel “h-quer”: . h ist das Plancksche Wirkungsquantum (eine Naturkonstante), und da in den Gleichungen dauernd h geteilt durch 2 π vorkommt, hat man irgendwann das Kürzel eingeführt (ich glaube, Dirac war’s). Ein anderes Beispiel ist die in der Thermodynamik oft verwendete Abkürzung – zu einer Temperatur T gehört eine Energie kT (k ist die Boltzmann-Konstante, ein Umrechnungsfaktor, der eben genau Temperaturen in Energien umrechnet), und deren Kehrwert wird gern als β abgekürzt.
Diese Gleichheitszeichen sind echte Identitätszeichen: Man kann in jeder Gleichung immer β durch 1/(kT) ersetzen, da kann nichts schiefgehen (es sei denn, β steht für was anderes…).
Eine andere Definition ist zum Beispiel die der Geschwindigkeit: Die Geschwindigkeit gibt an, wie sich der Ort mit der Zeit ändert (ist die Geschwindigkeit Null, bleibt ihr am Ort, je schneller ihr seid, desto schneller seid ihr woanders). In Formeln schreibt man v für die Geschwindigkeit, und die Änderung des Ortes x mit der Zeit schreibt man dann so:
Solche Gleichungen sind also “echte” Gleichungen – aber letztlich sind es nur Namens-Definitionen, mit denen allein kann man keine Physik betreiben, denn man kann ja letztlich alles definieren, wie man möchte. Aber das tut man natürlich nicht – man definiert bevorzugt solche Größen, die auch sinnvoll sind. Beispielsweise ist die Beschleunigung die Änderung der Geschwindigkeit mit der Zeit, das schreibt man (a ist die Beschleunigung – denkt an “acceleration”)
Diese Formel werdet ihr in vielen Physikbüchern finden. Aber manchmal ändert sich ja auch die Beschleunigung, beispielsweise, wenn ihr das Gaspedal durchtretet oder ganz umweltfreundlich stärker in die Pedale strampelt. Warum also nicht die Beschleunigungsänderung b definieren:
?
Diese Formel werdet ihr so in keinem Buch finden – der Grund ist einfach der, dass die Änderung der Beschleunigung keine besonders interessante Größe ist, wenn man Physik betreibt – sie taucht nur in sehr wenigen Gleichungen auf (der einzige Fall, an den ich mich im Moment erinnere, ist die Berechnung der Energie einer bewegten Ladung, wer will, kann das in den Feynman Lectures, Band II Kap. 28 nachlesen.).
Selbst solche Definitionsgleichungen enthalten also Physik – weil man eben nur das definiert, was auch als physikalisches Konzept sinnvoll ist. Aber die meisten Gleichungen in der Physik sind anderer Art.
Gesetze und Definitionen
In der Schule habt ihr vermutlich einige Gleichungen kennengelernt, die man als “Gesetze” bezeichnet. (Entgegen weit verbreiteter Ansicht sind “Gesetze” nicht die höchste Form der physikalischen Erkenntnis, sondern meist einfache Beziehungen zwischen Größen – gemeint ist eher “Gesetzmäßigkeit”.) Ein Beispiel ist das Ohmsche Gesetz: Der Widerstand eines elektrischen Verbrauchers (beispielsweise einer Glühlampe) ist gleich Spannung geteilt durch Stromstärke: R=U/I.
Vielleicht hat es euch verwirrt, dass oft gleichzeitig gesagt wird: “Der Widerstand ist definiert als Quotient aus Spannung und Stromstärke”. Ist R=U/I nun bloß eine Definition für das Kürzel R oder ein physikalisches Gesetz?
Beides ist richtig. Messt ihr an einer Glühlampe den Strom, wenn ihr verschiedene Spannungen anlegt (Profi-Tipp: Wenn ihr ein Multimeter parallel zur Glühlampe geschaltet habt, um die Spannung zu messen, dann nicht einfach auf Strom-Messung umschalten – damit habe ich mal im Elektronik-Praktikum einen Schutzwiderstand zum Verglühen gebracht und meinen Ruf als Theoretiker bereits im 2. Studiensemester endgültig festgelegt…), dann werdet ihr feststellen, dass Spannung und Strom zueinander proportional sind. Das ist also eine echte physikalische Erkenntnis, die ihr schreiben könntet als U~I (die tilde nimmt man gern als Proportionalitätszeichen). Wenn ihr ausrechnen wollt, wie groß der Wert des Stroms bei einer bisher nicht angelegten Spannung ist, dann ist es natürlich praktisch, wenn ihr dieser Proportionalitätskonstante einen Namen gebt. Und dann bekommt ihr eben U=RI oder R=U/I.
Die Gleichung ist also sowohl eine Definition (nämlich die des Kürzels “R”) als auch eine physikalische Beobachtung. Für den Definitions-Aspekt gilt wieder, dass Definitionen nur dann sinnvoll sind, wenn sie auch eine physikalische Bedeutung hat – man könnte versuchen, die Drachizität als D=U²/I³ zu definieren, aber diese Größe hat eben keine Bedeutung und ist auch nicht für ein und dieselbe Glühlampe konstant.
Wie die meisten Gesetze hat auch das Ohmsche Gesetz einen Anwendungsbereich – es gilt nicht immer. Legt ihr große Spannungen an eure Glühlampe an, dann wird irgendwann die Proportionalität nicht mehr erfüllt sein, weil sich beispielsweise der Widerstand mit der Temperatur ändert oder weil es nicht möglich ist, beliebig große Ströme durch ein Metall zu quetschen.
Dass physikalische Gleichungen Anwendungsbereiche haben, ist Vielen oft nicht bewusst (mich haben neulich ein paar Studis sehr verblüfft angeguckt, als ich sagte, es würde nicht reichen, bloß Gleichungen für die Prüfung zu lernen, sondern man müsse auch wissen, unter welchen Bedingungen diese Gleichungen gelten).
Physikalische Identitätsgleichungen
Identitätsgleichungen Gleichungen sind mit den Gesetzen von eben verwandt. Unter einer Identitätsgleichung verstehe ich eine Gleichung, die zwei Größen gleichsetzt, die wir auf unterschiedliche Weise definiert haben. Das klassische Beispiel hierfür ist E=mc². Die Größen Energie und Masse sind in der Physik lange bekannt und definiert (auch wenn das durchaus trickreich sein mag, klickt die Links, wenn ihr mehr wissen wollt.). Einstein hat aber entdeckt, dass das, was wir normalerweise als “Masse” wahrnehmen, nichts anderes ist als der Energiegehalt eines Körpers (genau das haben wir ja oben bei dem Beispiel mit der angehobenen Masse auch gesehen), man braucht nur den passenden Umrechnungsfaktor (so als würde man von Dollar in Euro umrechnen). Energie ist Masse – Masse ist Energie; zwei scheinbar unterschiedliche Konzepte entpuppen sich als letztlich zwei Seiten derselben Medaille. Anders als das Ohmsche Gesetz gilt die Gleichung E=mc² letztlich auch immer; soweit ich es sehe, bekommt man lediglich in der Allgemeinen Relativitätstheorie ein wenig Probleme, weil dort das Konzept der Energieerhaltung nicht mehr so ohne weiteres funktioniert.
Die Gleichungen U=IR und E= mc² sehen auf den ersten Blick sehr ähnlich aus: Eine Größe auf der linken Seite ist gleich einer anderen physikalischen Größe auf der rechten Seite, die mit einer Konstante multipliziert wird. Ein wichtiger Unterschied ist zunächst der, dass wir es im einen Fall mit einer Naturkonstante zu tun haben (c²), im anderen mit einer Größe, die vom jeweiligen Problem abhängt – der elektrische Widerstand ist für unterschiedliche Bauteile unterschiedlich. Eng damit verknüpft ist, dass die Einsteinsche Gleichung universell ist und so ziemlich immer gilt, während das Ohmsche Gesetz nur in ganz bestimmten Situationen anwendbar ist. Deswegen ist es auch nicht sinnvoll, zu sagen “Strom ist Spannung”.
Zwischen diesen beiden Extremen gibt es aber mehr oder weniger fließende Übergänge. Deswegen führe ich mal schnell noch eine Zwischenkategorie ein.
Physikalische Beziehungsgleichungen
Eine Beziehungsgleichung setzt – ganz ähnlich wie E=mc² – zwei physikalische Größen miteinander in Beziehung, aber diese beiden Größen kann man trotzdem nicht als äquivalent betrachten. Ein Beispiel hierfür ist die Gleichung E= hν (“nu” ist das Formelzeichen für die Frequenz) aus der Quantenmechanik (QM). Diese Gleichung gibt den Zusammenhang zwischen der Energie eines Photons und seiner Frequenz an. Sie gilt in der QM auch für Elektronen – einem Elektron mit einer Energie E kann man eine Frequenz ν zuordnen. (Diese Frequenz kann man sich als die “Rotationsgeschwindigkeit der Wellenfunktion” vorstellen, das habe ich in meiner Serie über die Schrödingergleichung näher erklärt.)
Dabei ist allerdings schon etwas Vorsicht geboten. Beispielsweise misst man Bindungsenergien gern relativ zum ungebundenen Zustand – ein Wasserstoffatom, also eine Verbindung aus Elektron und Proton, hat beispielsweise eine Bindungsenergie von -13,6eV (Wobei eV einfach eine praktische Energieeinheit ist) – man muss also 13,6eV hinzufügen, um das Elektron vom Atom zu lösen. Verwendet man die Gleichung E=mc² ergibt sich eine negative Masse – das ist auch physikalisch sinnvoll, denn es sagt uns, dass ein Wasserstoffatom leichter ist als ein Elektron und ein Proton, die wir getrennt wiegen, zusammengenommen. Verwendet man dagegen E= hν, dann bekommt man negative Frequenzen, was schon ein bisschen komisch ist. Auch daran sieht man schon, dass die Gleichung E= hν einen etwas anderen Charakter hat als E=mc². Es ergibt wenig Sinn zu sagen “Energie ist Frequenz” – während “Masse ist Energie” durchaus sinnvoll ist.
Wie gesagt sind die Grenzen aber fließend. Was ist zum Beispiel mit der Beziehung zwischen Frequenz, Wellenlänge und Geschwindigkeit einer Welle? Die lautet c=νλ – die Geschwindigkeit einer Welle ist das Produkt aus Frequenz und Wellenlänge. Das muss so sein, weil die Welle am Ort auf- und abschwingt und sich mit einer Geschwindigkeit ausbreitet – der Abstand zwischen zwei Wellenbergen ergibt sich dann zwangsläufig daraus. Insofern ist diese Gleichung universell – allerdings ist die Geschwindigkeit c für unterschiedliche Wellenarten natürlich unterschiedlich, ähnlich wie es beim Ohmschen Gesetz unterschiedliche Werte für R geben kann.
So betrachtet, kann man unsere Gleichungen nach zwei Kriterien einstufen: zum einen nach der Universalität, zum anderen danach, ob die Gleichung freie Parameter enthält, die von der Problemstellung abhängen:
U=RI hat freie Parameter und einen eingeschränkten Gültigkeitsbereich;
c=νλ hat freie Parameter, gilt aber (für Wellen) immer;
E= hν hat keine freien Parameter, gilt aber nicht in allen Fällen;
E=mc² hat keine freien Parameter und gilt universell.
Natürlich sind die Grenzen fließend: die Gleichung E= hν hat einen größeren Anwendungsbereich als U=RI, insofern kann man hier keine ganz strenge Einteilung vornehmen. Wichtig ist aber, dass zu jeder Gleichung das Wissen über ihren Anwendungsbereich gehört.
Bewegungsgleichungen
Bisher haben wir es mit relativ einfachen Gleichungen zu tun gehabt, bei denen auf beiden Seiten des Gleichheitszeichens Größen wie Stromstärke oder Masse standen. In unserer Welt passieren aber auch gelegentlich Dinge – was bedeutet, dass physikalische Größen sich auch mit der Zeit ändern können. Gleichungen, die solche Änderungen beschreiben, kann man – im weitesten Sinne – als “Bewegungsgleichungen” bezeichnen (auch wenn sich nicht unbedingt etwas “bewegt”, wenn sich zum Beispiel eine Spannung ändert).
Die bekannteste Bewegungsgleichung ist wohl das 2. Newtonsche Axiom (das sicher besser Newtons 2. Gesetz heißen sollte): F=ma. Auf den ersten Blick sieht es aus wie unsere Gleichungen von eben: Kraft gleich Masse mal Beschleunigung, zwei Größen sind zueinander proportional und der Faktor dazwischen ist die Masse.
Die Beschleunigung ist aber die Änderung der Geschwindigkeit (das sagt das erste Axiom: Solange keine Kräfte wirken, bleibt die Geschwindigkeit gleich) – und die Geschwindigkeit ist die Änderung des Ortes, wie wir ganz am Anfang schon gesehen haben. Die Kraft ist also die Änderung der Änderung des Ortes. Und das bedeutet, dass ihr mit Hilfe des 2. Newtonschen Axioms herausbekommen könnt, wo sich ein Teilchen in der Zukunft aufhalten wird, wenn ihr die Kräfte, die auf das Teilchen wirken, sowie seinen Ort und seine Geschwindigkeit zu einem Zeitpunkt kennt.
Und damit ist diese Gleichung sehr mächtig – ihr könnt vorhersagen, wo ein Ball auf den Boden auftreffen wird, wenn man ihn wirft, oder wie sich die Planeten bewegen (drüben bei Florian geht’s ja ständig genau darum, und von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, rechnen die AstronomInnen immer mit den Newtonschen Gleichungen), wie sich Atome bewegen (in guter Näherung kann man größere Mengen von Atomen mit der Newtonschen Physik beschreiben) und vieles mehr. Bewegungsgleichungen verkörpern in gewisser Weise einen der wichtigsten Aspekte der Physik, nämlich die Fähigkeit, Vorhersagen zu machen, in ganz unmittelbarer Weise. (Natürlich macht auch das Ohmsche Gesetz eine Vorhersage über zukünftige Messungen – aber es extrapoliert nicht direkt in die Zukunft, wie das eine Bewegungsgleichung tut.)
Viele Größen in der Physik hängen aber nicht nur von der Zeit, sondern vom Ort ab – die Temperatur hat beispielsweise eine Orts- und Zeitabhängigkeit
Von NOAA / National Weather Service – National Centers for Environmental Prediction – Climate Prediction Center
File: W!B: (overlay of weeks, see below) – www.nws.noaa.gov > Monitoring & Data > Global Climate Data > Global Regional Climate Maps > Europe [1], Gemeinfrei, Link
Weder ist es überall gleich warm, noch herrscht zu jeder Zeit an einem Ort die selbe Temperatur.
Solche Größen heißen in der Physik “Felder”, und auch für sie gibt es Gleichungen, die meist so genannte “partielle Differentialgleichungen” sind – was nichts anderes ist als der mathematische Ausdruck dafür, dass man Größen hat, die von verschiedenen Variablen (Ort und Zeit) abhängen und die sich mit Ort und Zeit ändern. (Irgendein Physiker – war es Sommerfeld, der Mann, der am häufigsten für den Nobelpreis vorgeschlagen war, ohne ihn je zu bekommen? – hat mal (so etwa, das genaue Zitat habe ich nicht parat) gesagt “Die ganze Physik besteht im Lösen von Differentialgleichungen.”)
Zu den wichtigsten Gleichungen der Physik gehören deshalb “Bewegungsgleichungen” für Felder – also Gleichungen, die sagen, wie sich Felder mit der Zeit ändern. Ein Beispiel hierfür sind die zwei der vier Maxwellgleichungen, die elektrische und magnetische Felder beschreiben (für die findet ihr bei den Artikelserien eine ausführliche Erläuterung). Beispielsweise gibt es eine Maxwellgleichung die – leicht vereinfacht in Worten ausgedrückt – sagt: “Die räumliche Änderung des Magnetfeldes ist gleich der zeitlichen Änderung des elektrischen Feldes.” (Diese Gleichung gilt, wenn keine Ströme fließen, die können auch Magnetfelder verursachen.) In Formeln sieht das so aus:
Solche Gleichungen haben die interessante Eigenschaft, dass man sie in zwei Richtungen lesen kann: Eine zeitliche Änderung eines elektrischen Feldes bewirkt ein Magnetfeld – oder ist es umgekehrt, dass ein sich räumlich änderndes Magnetfeld eine zeitliche Änderung des elektrischen Feldes hervorruft? Beides geht Hand in Hand – ihr könnt das eine nicht ohne das andere bekommen. Wie ihr die Gleichung lest. hängt meist davon ab, was ihr damit gerade tun wollt – kennt ihr die eine Größe, könnt ihr die andere berechnen. Das war bei unseren einfachen Gleichungen wie U=RI ganz ähnlich: Wenn ihr den Widerstand kennt, könnt ihr bei bekanntem Strom die Spannung ausrechnen und umgekehrt. (Darüber, was das für die Möglichkeit,die Welt zu “erklären” bedeutet, habe ich vor sehr langer Zeit mal nachgedacht.)
Quellengleichungen
Bewegungsgleichungen für Felder sind aber nicht die einzigen Arten von Feldgleichungen. Denn Felder werden nicht nur durch andere Felder erzeugt, sondern auch durch Materie. Eine der Maxwell-Gleichungen sagt beispielsweise aus, dass elektrische Felder durch Ladungen entstehen – Ladungen sind die Quellen elektrischer Felder. (Quellen magnetischer Felder gibt es nicht, weil es – soweit man weiß – keine magnetischen Ladungen gibt (außer in der gruseligen Karlsruher Physikdidaktik, aber das ist ein ganz anderes Thema…).)
Quellengleichungen verknüpfen ganz unterschiedliche Dinge miteinander – nämlich (in der Sprache der klassischen Physik) eine Feldgröße und eine Größe, die sich auf die Materie bezieht. Ein anderes Beispiel für eine solche Gleichung ist die berühmte Einstein-Gleichung
Sieht unscheinbar aus, oder? Bis auf einen Faktor 8π ist eine Größe G gleich ner anderen Größe T. Aber G ist hier der so genannte Einstein-Tensor, ein Maß für die Krümmung der Raumzeit. Und T ist der so genannte Energie-Impuls-Tensor, der unter anderem die Masse (nach der Gleichung E=mc²) als eine Komponente enthält. Diese Gleichung sagt uns also, wie Materie die Raumzeit krümmt. (Falls ihr euch wundert, dass in dieser Feldgleichung gar keine Änderungen einer Größe drinstecken – die sind gut versteckt in der Definition des Einstein-Tensors…)
Nebenbemerkung: Macht man den Sprung zur Quantentheorie (was für die Gravitation nicht so einfach ist, aber zum Beispiel für elektrische Felder gut geht), dann ist es so, dass Quellengleichungen zwei verschiedene Quantenfelder miteinander in Beziehung setzen. Elektrische Felder (Photonen im Quantenbild) “koppeln” an elektrische Ladungen, die Raumzeitkrümmung (Gravitonen im Quantenbild) koppelt an den Energiegehalt.
Zum Abschluss ein Überblick
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Auch Bewegungsgleichungen und Quellengleichungen kann man nach den obigen Kriterien einsortieren – sie haben Anwendungsbereiche und können freie Parameter enthalten. Die Maxwellgleichungen sind beispielsweise ziemlich universell (erst in der Quantentheorie passieren zusätzliche Dinge, beispielsweise können theoretisch Photonen mit Photonen wechselwirken), auch die Gleichungen der ART sind universell. Sie enthalten – bis auf die Angabe der jeweiligen Quellgrößen wie Ladungen und Massen – keine freien Parameter. Andere Feldgleichungen – stellt euch zum Beispiel die Gleichungen vor, die eine strömende Flüssigkeit beschreiben – sind weniger universell und enthalten als Parameter die Eigenschaften der Flüssigkeit.
Insgesamt haben wir die Gleichungen der Physik also nach drei Kriterien eingeteilt: Universalität, Zahl freier (problembezogenen) Parameter und schließlich der Gleichungstyp – einfache Beziehungen wie das Ohmsche Gesetz, Bewegungsgleichungen wie das Newtonsche Gesetz und Quellengleichungen wie zum Beispiel die Einstein-Gleichung. Zusätzlich gelten einige Gleichungen für Felder (Größen, die von Ort und Zeit abhängen), andere nicht.
Ihr seht, nicht alle Gleichungen sind gleich – und wenn man erfolgreich Physik betreiben will, dann sollte man immer wissen, welche Gleichung unter welchen Umständen gilt. Gleichungen sind zwar das Herz der Physik, weil sie die Physik zu einer quantitativen Wissenschaft machen, aber die Formeln allein reichen nicht aus, um Physik zu verstehen (was leider nicht immer dazu gesagt wird).
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