Wer diesen Blog regelmäßig liest, der hat vielleicht mitbekommen, dass es in der zweiten Jahreshälfte 2013 hier ganz besonders still war. Der Grund: Ich habe ein Buch geschrieben, das vor einigen Tagen erschienen ist. Falls ihr jetzt – als treue Leserinnen und Leser – denkt “Cool, ein Hier-Wohnen-Drachen-Buch, muss ich haben”, dann muss ich euch warnen: Nein, dieses Buch hat nur wenig mit meinem Blog zu tun und wahrscheinlich werdet ihr eine Enttäuschung erleben, wenn ihr das Buch kauft.
Natürlich nicht, weil das Buch irgendwie schlecht wäre – selbstverständlich ist es super! Aber es ist ein Lehrbuch, kein populärwissenschaftliches, und deswegen anders gestrickt als dieser Blog. Das Buch ist aus meinem Vorlesungsskript zu meiner Vorlesung “Funktionswerkstoffe” entstanden – für die Veröffentlichung habe ich aber an Text, Didaktik und Bildern noch einmal kräftig gefeilt, was mich letztes Jahr viele Abende und Wochenenden gekostet hat.
Ach ja – was ist eigentlich ein Funktionswerkstoff? Hat nicht jeder Werkstoff eine Funktion? Werkstoffe werden ja insbesondere eingesetzt, um Lasten zu tragen – euer Auto soll sich nicht durchbiegen, eure Hauswand nicht gleich umfallen, nur weil ein Wolf gegenpustet. Alle Werkstoffe, die man nicht einsetzt, weil sie solche Lasten tragen sollen, kann man “Funktionswerkstoffe” nennen. Häufig verwendet man den Begriff auch für Werkstoffe in der Elektrotechnik, weil viele Funktionswerkstoffe als elektrische Leiter oder Halbleiter oder so eingesetzt werden. So ganz scharf ist der Begriff also nicht.
Bücher über Funktionswerkstoffe gibt es ziemlich viele – warum habe ich noch eins geschrieben? Als ich die Vorlesung das erste mal halten wollte – ich glaube, es war 2002 – habe ich mir die Bücher zum Thema angeschaut. Die meisten hatten einen ähnlichen Aufbau: Am Anfang wurde erst einmal Physik erklärt. Weil man zum Verständnis von Funktionswerkstoffen ziemlich viel Physik braucht, gab es in den meisten Büchern erst einmal einen Kurzabriss zum Thema Elektrodynamik, Quantenmechanik und eventuell auch Thermodynamik – so dicht gedrängt, dass ich diese Abschnitte ziemlich schwierig fand. Erst danach ging es dann an die eigentlichen Funktionswerkstoffe. Als ich mir überlegte, was wohl passieren würde, wenn ich die ersten 4-6 Wochen des Semesters erst einmal einen dichtgepackten Theoretische-Physik-Kurs halte, wurde mir klar, dass ich mich so elegant meiner Lehrverpflichtung entledigen könnte, weil nach 6 Wochen niemand unter den Maschinenbau-Studis noch kommen würde. Das wäre zwar ein netter Zeitsparer, aber nicht wirklich zielführend.
Dann hatte ich eine Idee – wie wäre es, wenn man in jeder einzelnen Stunde ein bisschen Theorie erklärt, die aber gleich nutzt, um eine bestimmte Art von Funktionswerkstoff zu erklären? Für einige Werkstoffgruppen braucht man ja nur ein bisschen theoretisches Physikverständnis, für andere dagegen sehr viel. Ich bastelte mir eine Tabelle, in der ich auflistete, welche physikalischen Prinzipien man braucht, um welche Werkstoffgruppe zu verstehen. Piezoelektrische Materialien zum Beispiel sind Kristalle, die sich in einem elektrischen Feld verformen – um die zu verstehen, muss man ein bisschen was über elektrische Felder wissen und über Atome (um zu verstehen, wieso Kristalle elektrische Ladungen enthalten können), aber nicht viel mehr. Magnetische Materialien brauchen dagegen ein bisschen Quantenmechanik und so schwierige Konzepte wie den Spin – die gehörten also eher nach hinten.
Und so füllte ich eine Tablle, und sortierte die einzelnen Zeilen und Spalten so um, dass mein Konzept einigermaßen aufging. Lediglich an einer Stelle klappte es nicht – der Sprung zum Kapitel “elektrische Leiter” war einfach zu groß. Um die zu verstehen, braucht man ein bisschen Quantenmechanik, man muss wissen, wie Elektronen sich benehmen, wenn man sie in einen Kasten einsperrt, und zwar in drei Dimensionen. Es schien, als würde mein Konzept doch nicht aufgehen, aber dann hatte ich einen Geistesblitz, auf den ich immer noch stolz bin: Farbstoffe!
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