Viele Beobachtungen sprechen ja dafür, dass es – neben der altbekannten “normalen” Materie – auch noch Dunkle Materie gibt – also irgendetwas, das wir nicht direkt über optische Signale im All beobachten können, das aber trotzdem durch seine Schwerkraft die Bewegung von Sternen und Galaxien beeinflusst. Was diese Dunkle Materie sein könnte, darüber gibt es bisher nur Spekulationen. Eine davon hat gerade etwas Aufwind bekommen.
Vorneweg ein Wort zur Warnung: Ich bin auf diesem Gebiet wahrlich kein Experte (viel mehr über dunkle Materie findet ihr bei Florian) und ich gebe sofort zu, dass ich die hier zitierten paper nicht vollkommen verstanden (oder auch nur in allen Einzelheiten gelesen) habe. Ich hoffe, dass ich trotzdem – nicht zuletzt dank einiger Sekundärquellen – den Kern richtig wiedergebe.
Am Anfang dieser Geschichte steht eine Entdeckung von Februar: Bei der Beobachtung von 73 Galaxien-Clustern im Röntgenbereich wurde etwas Unerwartetes entdeckt. Analysiert man die Röntgenstrahlung in einem Spektrum (so ähnlich, wie man weißes Licht mit einem Prisma in verschiedene Farben zerlegen kann), dann kann man sehen, bei welcher Energie im Spektrum wie viel Strahlung freigesetzt wird. Dabei entdeckte man eine Spektrallinie, die man keinem bekannten Phänomen zuordnen kann. Diese Linie gehört zu einer Energie von 3,55 keV. Das keV (Kiloelektronenvolt) ist eine gängige Einheit in der Physik – es ist die Energie, die ein Elektron gewinnt, wenn es eine Spannungsdifferenz von einem Kilovolt durchläuft (anders als der Name suggeriert, ist es also keine Einheit für eine elektrische Spannung.). Energien dieser Größenordnung findet man zum Beispiel, wenn Elektronen aus den inneren Schalen eines Atoms herausgeschlagen werden und dann andere Elektronen von Außen nach Innen herunterfallen und dabei eben Energie in Form von Röntgenstrahlung freisetzen. Entsprechend kann man im Spektrum von Sternen Linien dieser Art beobachten – beispielsweise die Eisen-K-Linie. Weil es ziemlich viele Elemente gibt, gibt es auch viele solcher Spektrallinien, und die AstronomInnen haben sicherlich ziemlich viel Mühe, diesen ganzen Wirrwarr sauber auseinanderzudröseln.
Tut man das aber, so scheint im Spektrum der beobachteten Galaxien eine Linie übrig zu bleiben, die eben bei einer Energie von 3,55keV liegt und bei der nicht klar ist, woher sie stammt. (Und diese Entdeckung wurde gleich von zwei Arbeitsgruppen gemacht.) Hinzu kommt, dass diese Linie nur sehr schwach ist und dass – wegen der vielen anderen Linien, die es so gibt – es auch möglich ist, dass die Linie doch von einem eigentlich bekannten Phänomen stammt. In der Zusammenfassung des papers steht dazu:
the detection is at the limit of the current instrument capabilities and subject to significant modeling uncertainties.
[Die Messung ist an der Grenze der gegenwärtigen instrumentellen Möglichkeiten und unterliegt signifikanten Modellierungs-Unsicherheiten]
Nimmt man aber an, dass diese Linie tatsächlich existiert und nicht nur ein Beobachtungs-Artefakt oder ein Fehler in der Modellierung ist, dann stellt sich natürlich die Frage, woher sie kommt. Und da gibt es eine interessante Möglichkeit: Sterile Neutrinos.
Nein, sterile Neutrinos sind keine Neutrinos, die keine Kinder bekommen können (das können Neutrinos eh nicht…). Darunter versteht man bisher unbekannte (mit anderen Worten: vollkommen spekulative) Teilchen, die ähnlich wie Neutrinos nicht elektrisch geladen sind, die aber zusätzlich auch nicht der schwachen Wechselwirkung unterliegen (das ist die Wechselwirkung, die Teilchen in andere Teilchen umwandeln kann, beispielsweise Neutrinos in Elektronen). Ein steriles Neutrino unterliegt also nicht der elektrischen oder der schwachen Wechselwirkung, und der starken Wechselwrikung, die die Quarks in den Protonen und Neutronen zusammenhält, sowieso nicht. Übrig bleibt also zunächst mal nur die Gravitation, der ja alle Teilchen unterliegen. (Ja, alle, auch die masselosen, weil die zwar keine Ruhemasse haben, aber ja trotzdem Energie herumtragen.)
Ein Teilchen, das nur der Gravitation unterliegt, ist natürlich nahezu unmöglich zu detektieren, da die Gravitation so unglaublich schwach ist (die Gravitationsanziehung zwischen einem Elektron und einem Proton in einem Wasserstoffatom ist etwa 10000 Billionen Billionen Billionen (wenn ich mich gerade nicht bei den Nullen verzählt habe) mal schwächer als die elektrische Anziehung). Entsprechend könnte man denken, dass solche Teilchen auch nur sehr selten erzeugt werden können – und Röntgenstrahlung sollten sie dann wohl auch nicht abstrahlen, oder?
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