Unter uns Menschen sind Moden ja weit verbreitet: Irgendjemand findet es schick, sich die Haare blau zu färben oder sich ein Stück Metall durch die Nase zu ziehen, anderen gefällt es und schon wird ein Trend geboren. (O.k., viele Trends werden auch von entsprechenden Firmen geplant.) Dass es solche Modetrends (oder zumindest etwas, das so aussieht) auch bei Tieren gibt, ist neu.
Die Beobachtungen, um die es hier geht, wurden an Schimpansen gemacht, die in einer Art Reservat (“sanctuary”) leben und lediglich einmal am Tag ein bisschen Zusatznahrung erhalten. Ansonsten können sie in ihren Territorien (die einige zehn Hektar groß sind) frei herumstromern.
Irgendwann im Jahr 2010 kam die Schimpansin “Julie” auf eine tolle Idee: Sie steckte sich einen Grashalm ins Ohr und lief damit herum:
Aus van Leuwen et al., s.u.
Sieht doch toll aus oder? Julie schien es jedenfalls zu gefallen und sie lief von da an öfters mit einem Halm im Ohr herum.
Aber auch die anderen Schimpansen schienen den Halm cool zu finden (oder chillig oder was bei Schimpansen halt angesagt ist). Als man die Tiere systematisch beobachtete, um (unter anderem) dieses Verhalten zu studieren, stellte man fest, dass auch einige von Julies Gefährten das Verhalten übernahmen. Als erstes ihr Sohn Jack, dann aber auch ihre Freundin (ja, Schimpansen sind mit Sicherheit intelligent genug, dass ich keine Skrupel habe, dieses Wort zu benutzen) Kathy, und dann auch einige der Männchen der Gruppe. Von den 12 Schimpansen in der Gruppe wurden nur 4 nie dabei gesehen, dass sie einen Grashalm im Ohr hatten (allerdings wurden die Tiere nicht rund um die Uhr beobachtet, sondern nur eine Stunde am Tag, und dann auch nur ausgewählte Individuen). Diese Grafik zeigt, wie sich der Trend verbreitete (zum Vergrößern klicken):
Aus van Leuwen et al., s.u.
Leider endet die Grafik (nach Ende der systematischen Beobachtungen) mit Julies Tod – aber auch danach wurde das Verhalten zumindest vereinzelt noch beobachtet. In den drei anderen Gruppen des Reservats wurde so ein Verhalten in der gesamten Beobachtungszeit nur ein einziges Mal gesehen, es handelt sich also nicht um einen Zufall oder ähnliches und Schimpansen stecken sich auch nicht gewohnheitsmäßig Gras ins Ohr.
Warum die anderen Schimpansen Julies neue Mode nachahmten (und warum Julie selbst sich so gern Gras ins Ohr steckte) bleibt unklar. Fanden die Tiere das wirklich “schick”? Hatte Julie vielleicht (meine Spekulation) irgendein Ohrjucken oder etwas Ähnliches, das sie dazu animierte, sich mal im Ohr zu kratzen (so wie manche Leute ja Wattestäbchen nehmen, was allerdings zumindest mein HNO-Arzt mir strengstens verboten hat)? Fand sie es einfach lustig? Interessant wäre es auch zu wissen, wie die Rangordnung in der Gruppe war – aber leider schweigt sich das paper darüber aus, ob Julie ein besonders ranghohes und angesehenes Weibchen war oder nicht. So oder so: Schimpansen kopieren das Verhalten von anderen anscheinend auch dann, wenn dieses Verhalten keinen (zumindest keinen für uns sichtbaren) Nutzen hat. Das erinnert schon sehr an einen Modetrend.
van Leeuwen, Edwin JC, Katherine A. Cronin, and Daniel BM Haun.
“A group-specific arbitrary tradition in chimpanzees (Pan troglodytes).” Animal cognition (2014): 1-5.
DOI 10.1007/s10071-014-0766-8
Kommentare (11)