Mögt Ihr (englischsprachige) Science Fiction? Dann habe ich hier einen kleinen Lesetipp für Euch: Die Solar-Clipper-Serie von Nathan Lowell. Ursprünglich als Podcasts produziert (hier könnt ihr euch die anhören), gibt es diese Serie jetzt auch als ebooks und Taschenbücher. Die einzelnen Bände tragen die einfallsreichen Namen “Quarter Share”, “Half Share”, “Full Share”, “Double Share”, “Captain’s Share” und “Owner’s Share”.
Die Handlung der Bücher ist zuerst mal schnell erzählt: Der junge Ishmael Wang sitzt (im Jahr 2352) nach dem Tod seiner Mutter finanziell auf dem trockenen. Da ihm keine andere Wahl bleibt, heuert er als niedrigster Dienstgrad (Quarter Share) auf einen interstellaren Clipper an, der zwischen unterschiedlichen Sternsystemen hin- und hersegelt (unter Ausnutzung des Sonnenwinds) und Waren ausliefert. Wang freundet sich mit seinen Arbeitskollegen an und tut so aufregende Dinge wie Kaffee kochen, das Deck schrubben oder Biofilter auswechseln. Auf den Stationen, zwischen denen die Schiffe hin- und hersegeln (weil sie nur dann durch den Hyperraum springen können, wenn sie hinreichend weit weg von anderen Massen sind, brauchen die Schiffe Wochen, um von einem System zum anderen zu kommen) – also: auf den Stationen handeln die Crew-Mitglieder ein wenig auf den örtlichen Flohmärkten und versuchen, Geld zu verdienen.
Tja, viel mehr passiert in den ersten beiden Bänden nicht. (Und auch später – abgesehen vom letzten Band – bleibt die Handlung sehr unaufgeregt.) Erwartet ihr in einem SF-Roman Aliens? Fehlanzeige. Raumschlachten? Fehlanzeige. Aufregende Entdeckungen im All? Fehlanzeige. Schwarze Löcher, Neutronensterne oder sonstige astronomische Sehenswürdigkeiten? Fehlanzeige. Seltsamerweise sind die Bücher trotzdem spannend – auch wenn alles sehr alltäglich ist, will man doch immer wissen, wie es weitergeht. (Zugegeben, ich bin vielleicht kein Maßstab: Ich habe auch Adalbert Stifters “Nachsommer” zweimal gelesen, obwohl in dem Buch wirklich absolut gar nichts passiert (das Buch kann ich übrigens auch wirklich empfehlen – die richtige Stimmung vorausgesetzt), und mein Lieblingsbrot ist ja auch nicht gerade dafür bekannt, aufregende Hobbies zu haben…)
Was das Buch auszeichnet, ist zum einen die detailgetreue Beschreibung des Alltags auf einem Raumfrachter – man hat das deutliche Gefühl, dass Lowell den Bauplan des Schiffes, die Biographien sämtlicher Crew-Mitglieder, die genauen Wachrotationspläne und alle sonstigen Details bis ins Kleinste kennt. (Die Detailtreue erinnert ein bisschen an Kim Stanley Robinsons Mars-Trilogie, bei der man auch das Gefühl hat, der Autor hätte auf dem Mars jeden Stein persönlich umgedreht, bevor er drüber schreibt.) Endlich ist es mal nicht so, dass hinter jeder Ecke Aliens lauern und ständig das Universum gerettet werden muss. Während andere SF-Bücher und Filme von einem Höhepunkt zum nächsten jagen, wobei man sich immer fragt, was die Leute eigentlich an normalen Tagen tun, könnt ihr hier genau solche normalen Tage miterleben. Langweilig sind die Bücher wie gesagt trotzdem nicht.
Zum anderen ist der Schreibstil ziemlich unterhaltsam und hat einen eigenwilligen Humor. Der erste Band beginnt beispielsweise mit
Call me Ishmael. Yeah I know, but in this case it’s really my name: Ishmael Horatio Wang.
Wenn das nicht eure Art von Humor ist, dann habt ihr vielleicht nicht ganz so viel Spaß am Lesen (aber ich denke, die Bücher lohnen sich trotzdem, wenn ihr “harte” SF mögt). Aber wenn ihr Wortspiele und nerdige und besserwisserische Bemerkungen (ein Markenzeichen des Ich-Erzählers) lustig findet, dann werdet ihr sicher euren Spaß haben.
Leider ist allerdings der letzte Band der Serie in meinen Augen nicht ganz geglückt – hier haben die Beschreibungen tatsächlich spürbare Längen (zumal es einen guten teil der Story um Finanzen geht, statt um Raumschiffe…), und die Handlung wird zum Ende hin dann plötzlich doch dramatisch, es gibt einen Todesfall, und die Serie endet in einer ziemlich bedrückenden Weise, die gar nicht zum eher optimistischen und fröhlichen Ton der ersten Bände passt, aber wohl beabsichtigt ist (dass Ishmael auch ein tragischer Charakter ist, klingt durchaus gelegentlich an). Immerhin soll es (laut einem Kommentar des Autors auf seinem Blog) weitere Abenteuer geben.
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