Die Gerüchte, dass es spektakuläre neue Funde des berühmten Spinosaurus gibt, gehen schon seit langem in der Dino-Welt um. Jetzt sind die Ergebnisse endlich (in science) veröffentlicht worden. Weil diese Geschichte ohnehin schon 1000 mal in den diversen Foren und Medien verbreitet wurde, hier nur ein kurzer Blick auf die Funde und ein paar Links zum Thema.
Spinosaurus ist der berühmte Raubsaurier mit dem Rückensegel, der auch in Jurassic Park III die Hauptrolle gespielt hat (allerdings ziemlich unplausibel, was den Kampf gegen den T. rex angeht). Das Spinosaurus kein Riesen-Raubsaurier-fressendes Monster war, sondern dass er sich vermutlich eher von Fischen ernährte, hat man schon länger angenommen. Eine genaue Analyse des Sauriers wurde allerdings dadurch erschwert, dass es keine Fossilien gab – denn die Originalfunde wurden im 2. Weltkrieg bei einem Bombenangriff auf München zerstört.
Jetzt aber gibt es neue Funde, die diese Woche in Science vorgestellt wurden. (Falls ihr euch übrigens wundert, warum ich hier wesentlich öfter über Nature- als über Science-Artikel berichte: Der Online-Zugriff für Science ist so teuer, dass unsere Uni ihn sich nicht leisten kann….)
Die neuen Funde zeigen, dass Spinosaurus bis zu 15 Meter lang werden konnte – länger als T. rex (dieser Satz darf in keinem Artikel fehlen (weil es ja den Ersten Hauptsatz des Paläo-Journalismus gibt: In jedem Artikel über Dinosaurier muss T. rex erwähnt werden)). Er hatte dabei aber erstaunlich kurze Hinterbeine und überhaupt recht seltsame Proportionen. Hier ein Bild aus dem (frei zugänglichen) “supplementary material:
Quelle: science, s.u.
Auffallend sind – neben dem Rückensegel – vor allem die vergleichsweise großen Arme. (Wobei nicht ganz klar ist, ob die Proportionen stimmen, weil die Arme nicht zusammen mit dem rest des Skeletts gefunden wurden, wenn ich es richtig verstanden habe.) Zusammen mit den kurzen Hinterbeinen zeigt sich, dass der Schwerpunkt (im Bild mit einem roten Punkt markiert) sehr weit vor den Hinterbeinen lag. Spinosaurus dürfte also nicht in der Lage gewesen sein, auf den Hinterbeinen zu gehen.
An dieser Stelle eine Randbemerkung: Um zu belegen, dass der Schwerpunkt über dem Fuß liegen sollte, zitiert das paper eine Arbeit von Gatesy, Bäker und Hutchinson (auch wenn die Arbeit in JVP erschien, nicht in Paleobiology, wie im paper steht). Hey, ich wurde in Science zitiert, wie cool ist das?
Der Schädel von Spinosaurus ist auch etwas besonderes: Nicht nur ist er sehr lang und schmal (das wusste man schon vorher), die Nasenlöcher sind auch zurückgesetzt, was als Anpassung an eine Lebensweise im Wasser gedeutet werden kann (wobei bei dieser Aussage schon Vorsicht geboten ist – auch Sauropoden hatten zum teil zurückliegende Nasenlöcher, und die lebten, wie wir heute wissen, an Land; für eine Raubsaurier ist diese Position der Nasenlöcher aber schon sehr ungewöhnlich). Hier ein Bild des Schädels (in blau die Teile, die man gefunden hat):
Quelle: science, s.u.
Auch die Füße deuten auf eine Lebensweise im Wasser hin – Zeh Nummer 1 war vergleichsweise groß und etwas abgespreizt, so wie man das z.B. von Watvögeln kennt. Ebenfalls aufschlussreich ist eine Analyse der Knochen, die zeigt, dass die Knochen ungewöhnlich dicht waren. Das findet man oft bei Tieren, die im flachen Wasser leben, weil die etwas Ballast brauchen, um vernünftig schwimmen zu können. (Wale brauchen das nicht; die tauchen so tief, dass die Lungen unter dem Wasserdruck komprimiert werden.)
Das große Rückensegel, das beim Schwimmen aus dem Wasser ragte, war möglicherweise eine “Display”-Struktur, die z.B. andere Spinosaurier (oder vielleicht auch Krokodile?) warnte, doch lieber wo anders hinzuschwimmen.
Alles in allem kann man also davon ausgehen, dass Spinosaurus im Wasser lebte und dort große Fische jagte. Die Fossilien wurden in einem Gebiet gefunden, in dem es damals ausgedehnte Flußdeltas gab, so dass die Spinosaurier genügend Platz zum Schwimmen hatten. Damit ist Spinosaurus (nachdem Entenschnnabeldinos und Sauropoden ja inzwischen als Landsaurier erkannt wurden) der erste “echte” Wasserdino.
Soweit jedenfalls die Erkenntnisse des papers und der üblichen Nachrichten-Artikel. Es gibt aber auch Zweifel. Scott Hartmann hat in seinem Blog die Rekonstruktion vermessen und mit den Daten, die im paper angegeben waren, verglichen. Seltsamerweise passt da etwas nicht zusammen – passt man das Bild an die Rekonstruktion an, sehen die Proportionen des Spinosaurus plötzlich deutlich normaler aus. Auch Jaime Headden ist auf seinem Blog skeptisch, was die Aussage angeht, dass Spinosaurus wirklich nur auf vier Beinen laufen konnte (zumal die Hände auch nicht so aussehen, als würden sie sich zum Laufen eignen). Auch er kritisiert die Zuordnung verschiedener Fossilien zur Rekonstruktion (und zwar ziemlich detailliert), die dadurch etwas problematisch wird. Ob da wirklich etwas schief gelaufen ist, muss man wohl abwarten, aber es wäre natürlich schon etwas peinlich.
Dass Spinosaurus wahrscheinlich ein schwimmender Dino war, wird durch diese Zweifel nicht angetastet, aber seine Proportionen waren vielleicht doch nicht ganz so exotisch, wie im paper angegeben und in den Rekonstruktionen zu sehen.
Die Knochen wurden übrigens eingescannt und dann mit einem 3D-Drucker ein vollständiges Skelett rekonstruiert, das jetzt in Washington ausgestellt wird. (Und da kann man nur hoffen, dass sich nicht später zeigt, dass die Rekonstruktion doch Mist war…)
So hier noch eine Sammlung von Links:
Hier ein ausführliches Video mit Paul Sereno (soweit ich sehe, wird es dann wohl demnächst ein National geopgraphic special zum Thema geben):
Ein ausführlicher Artikel mit Bildern der Skelett-Rekonstruktion und eines lebensgroßen Modells hier.
Bei newswise gibt es (rechts in der Spalte) ein paar Videos der Skelett-Rekonstruktion und viele Infos.
Falls ihr deutsche Texte bevorzugt, hier der ZEIT online Artikel.
Giant dinosaur was a terror of Cretaceous waterways.
Science 345(6202): 1232
DOI: 10.1126/science.345.6202.1232
https://www.sciencemag.org/content/345/6202/1232.summary
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