Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten ist bekanntlich eine Gerade – das habt ihr vermutlich mal in der Schule gelernt. In der handelsüblichen Geometrie ist das auch richtig – aber nicht in der Physik. Denn Massen krümmen laut der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) den Raum. Heute schauen wir ein bisschen, was das bedeutet und warum der kürzeste Weg zwischen zwei Punkten auch davon abhängt, wie schnell man unterwegs ist.
Die ART sagt ja bekanntlich aus, dass die Raumzeit gekrümmt ist (was das bedeutet, habe ich vor ein paar Jahren ja schon einmal ausführlich erklärt – und wenn ich meinen alten Text genauer gelesen hätte, hätte ich mir viel Verwirrung sparen können…). Schauen wir uns zunächst einmal die Krümmung des Raums an. Die wird gern mit der Analogie zu einer gekrümmten Fläche – beispielsweise einer Kugeloberfläche erklärt. Dieses Bild hier zeigt beispielsweise, dass auf einer gekrümmten Fläche die Winkelsumme im Dreieck größer als 180° sein kann:
Leider führen diese Veranschaulichungen leicht dazu, dass man sich einen “Hyperraum” vorstellt, in den der gerade betrachtete Raum eingebettet ist – wenn sich der Raum krümmt, dann muss er sich ja scheinbar in irgendetwas krümmen. Dass das nicht so sein muss, habe ich seinerzeit mit Hilfe von Landkarten zu erklären versucht.
Eine andere Erklärung dafür, wie ein Raum gekrümmt sein kann, ohne dass man ihn in einen Hyperraum einbetten muss, wurde durch die Feynman Lectures populär (die Idee ist aber nicht von Feynman und geht ursprünglich wohl auf Poincare zurück – hinter dem Link verbirgt sich übrigens eine extrem ausführliche Internetseite über Einstein und die RT, die extrem zu empfehlen ist). Dazu stellt man sich eine kreisförmige Platte vor, bei der sich die Temperatur von Ort zu Ort ändert, etwa so (ich würde ja direkt das niedliche Bild aus den Feynman lectures nehmen, aber die Seite macht ziemlich klar, dass das nicht so gern gesehen ist):
Die Platte ist hier im Bild Außen heißer als Innen, aber man kann sich natürlich auch kompliziertere Temperaturverteilungen vorstellen.
Wir stellen uns jetzt Lebewesen vor, die auf dieser Platte leben (Feynman nennt sie einfach “bugs” und zeichnet niedliche Krabbelkäfer). Bekanntlich dehnen sich Materialien ja aus, wen sie warm werden, so dass ein Maßstab an unterschiedlichen Stellen der Platte unterschiedlich lang ist. Wir nehmen jetzt an, dass diese Ausdehnung für alle Materialien in unserer Plattenwelt gleich groß ist – die Käfer, ihre Maßstäbe, ihre Autos und alles andere dehnen sich bei einer Temperaturänderung um exakt den selben Faktor. So etwa sieht es aus, wenn wir einen einheitlichen Maßstab an verschiedene Stellen legen (ich bin etwas ungenau beim Zeichnen, weil die Temperatur über den Maßstab ja nicht ganz homogen ist; stellt euch einfach vor, der Maßstab liegt an einem Punkt und ist hier nur deutlich vergrößert gezeichnet, damit man etwas sieht.)
Wenn unsere Käfer den kürzesten Abstand zwischen zwei Punkten messen wollen, dann können sie das dadurch tun, dass sie auf unterschiedlichen Wegen von A nach B gehen und die Strecke mit ihren Maßstäben messen. Der kürzeste Weg ist dann der, bei dem sie die kleinste Zahl von Maßeinheiten brauchen. Weil die Maßstäbe nach Außen hin länger werden, ist der kürzeste Weg von A nach B gekrümmt, etwa so:
Der untere Weg ist länger, denn die Maßstäbe sind dort kürzer. (Für uns sieht die Sache von Außen anders aus, weil unsere Maßstäbe nicht mitschrumpfen.)
Alternativ können die Käfer auch die Punkte A und B mit einem Stahlseil verbinden, das sie so straff ziehen, wie es nur geht – das Seil legt sich dann natürlich so, dass es die kleinste Länge hat. (Diese Analogie ist nur eine Näherung – in einem Schwerefeld hängt ein Seil natürlich immer ein wenig durch. Falls ihr euch fragt, wie man das Durchhängen im Bild der Raumkrümmung beschreibt: Die festgehaltenen Enden des Stahlseils werden in diesem Bild ständig beschleunigt, weil das Seil eigentlich frei fallen “will”.)
Und hier kommt schon die kleine Denkfalle: Vermutlich haben viele von Euch schon mal gehört, dass sich Licht um eine Masse herum krümmt, also gebogene Wege läuft. Meist sieht man dazu Bilder wie dieses hier:
Und wenn man jetzt diese beiden Bilder vergleicht, dann kann man auf den naheliegenden Gedanken kommen, dass die Krümmung des Raumes genau so funktioniert wie bei der heißen Platte und dass Licht deswegen so abgelenkt wird. Das ist auch nicht völlig falsch – aber es ist auch nicht so ganz richtig. In Wahrheit ist die Sache (wie so oft) etwas komplizierter.
Um das zu sehen, schauen wir erst einmal, ob unsere kleinen Krabbelkäfer eigentlich herausfinden können, dass ihre Platte sich so seltsam verhält. Wenn sie einfach nur herumlaufen oder Strecken messen, sehen sie ja nichts von der Krümmung, die ist nur für uns von Außen deutlich zu erkennen.
Aber unsere Krabbelkäfer können leicht herausfinden, dass ihre Platte sich etwas eigenwillig verhält. Eine Möglichkeit dazu sind Dreiecke. Bekanntlich ist die Winkelsumme im Dreieck 180°; wenn unsere Käfer sehr kleine Dreiecke zeichnen (so dass die Ausdehnung ihrer Maßstäbe beliebig klein wird), dann können sie das auch genau so herausfinden, wie wir das können. Wenn sie jetz aber ein großes Dreieck zeichnen, dann erleben sie eine Überraschung – die Winkelsumme im Dreieck ist nämlich größer als 180°:
Daraus können die Käfer schließen, dass ihre Welt so gekrümmt ist wie eine Kugeloberfläche.
Wir können genau so ein Dreieck in unserem Universum zeichnen, wenn wir noch einen zweiten Stern zur Verfügung haben:
Auch hier ist die Winkelsumme größer als 180° (das muss so sein, weil die Sterne ja scheinbar von der Sonne nach Außen verschoben werden). Die Raumzeit um die Sonne herum ist also genau so gekrümmt, wie bei der heißen Platte, oder?
Nein, ist sie nicht. Um das zu sehen, betrachten wir ein anderes Dreieck:
Der zweite Stern oben ist jetzt so weit von der Sonne weg, dass sein Licht (fast) nicht beeinflusst wird, entsprechend habe ich zwei Seiten des Dreiecks gerade gemalt. Wenn ihr jetzt die Winkelsumme ausmesst, ist sie kleiner als 180°. Eine solche Winkelsumme können wir auf der Platte auch bekommen, wenn wir das Temperaturfeld umdrehen:
Hier sind jetzt Wege Innen kürzer, weil die Maßstäbe nach Innen hin länger werden.
Der Raum um eine Masse herum ist nämlich nicht gleichmäßig gekrümmt. Im Inneren der Masse ist die Krümmung positiv wie bei einer Kugel, Außen ist sie negativ (wie bei einem Sattel). Das sieht man auch auf den üblichen Bildern wie diesen hier, bei denen der Raum als eine Art Gummituch dargestellt wird (wobei bei diesem Bild die Linien von Innen nach Außen nicht gerade verlaufen, vermutlich, weil die Rotation der Erde mit einbezogen wird):
(Bild von der NASA, Public domain)
Ein großes Dreieck, dass die Erde einschließt, hat eine Winkelsumme von mehr als 180°, eins, das das nicht tut, sondern außerhalb liegt, eine Summe von weniger als 180°. Ich habe eine Weile überlegt, wie sich das im Bild der heißen Platte darstellen lässt, bin aber zu keinem sinnvollen Ergebnis gekommen (vielleicht habe ich auch einen Denkpatzer gemacht – falls es doch geht, schreibt bitte einen Kommentar) – ich denke, es liegt daran, dass bei unserer heißen Platte die Längenänderung nicht von der Richtung abhängt, während sie das im gekrümmten Raum tun kann. Trotzdem ist die heiße Platte aber ein nützliches Modell, um zu sehen, wie man Raumkrümmungen darstellen kann, ohne auf “Gummituchmodelle” zurückzugreifen.
Aber auch wenn das Bild der heißen Platte nur bedingt weiterhilft – immerhin haben wir jetzt gesehen, wie die Sonne (oder irgendeine andere Masse) den Raum krümmt, und der gekrümmte Lichtweg ist anscheinend genau analog zu dem gekrümmten Weg, den wir auf der heißen Platte gehen, um den kürzesten Weg zwischen A und B zu finden.
Stellt euch also vor, ihr sucht den kürzesten Weg zwischen dem Stern und der Erde (weil ihr vielleicht eine Hyperraumumgehungsstraße bauen wollt). Der Einfachheit halber nehmen wir an, dass Erde, Sonne und Stern stillstehen, sonst wird es natürlich komplizierter. Nach dem, was wir bisher überlegt haben, könnte man das so machen: Man schickt einen Lichtstrahl vom Stern zur Erde, verfolgt dessen Weg und nimmt das als kürzesten Weg zwischen Erde und Stern. Das klingt vernünftig, und passt auch dazu, dass es in Büchern und Artikeln zur ART gern heißt, dass Licht auf sogenannten Geodäten läuft, die das Äquivalent einer geraden Linie in der gekrümmten Raumzeit sind.
Diese naheliegende Idee ist aber leider falsch. Licht nimmt zwar tatsächlich den kürzesten Weg zwischen zwei Punkten, aber der kürzeste Weg ist nicht der mit der kürzesten Strecke. (Ich habe eben noch so getan, als wäre das so, damit es nicht schon am Anfang zu kompliziert wird.)
Wie jetzt!? Das klingt ja erst Mal etwas absurd und in sich widersprüchlich.
Keine Sorge – da gibt es keine Widersprüche und mit der ART ist alles in Ordnung (naja, angesehen von Problemen mit der Energieerhaltung und Zeitreisen und damit, dass man die ART nicht anständig quantisieren kann – eine supergute Theorie ist sie trotzdem, auch wenn der Name “perfekte Theorie” meiner Ansicht nach nicht so gut passt). Ich war nur etwas schlampig mit meinen Begriffen, genauer gesagt mit dem Begriff “Punkt”.
Ein “Punkt” in der ART ist nicht einfach ein Punkt im Raum – die ART ist eine Theorie der Raum-Zeit. Um einen Punkt in der Raumzeit festzulegen, muss man eben nicht nur sagen, wo man ist, sondern auch, wann man ist. Deswegen spricht man auch gern von “Ereignis”, wenn man einen Punkt in der Raumzeit meint (das Wort steckt auch im “Ereignishorizont” eines Schwarzen Lochs – der heißt nicht so, weil da so viel los ist…).
Wenn wir – wie die Krabbelkäfer auf ihrer Platte – die Punkte A und B (also beispielsweise Erde und Stern) mit einem Stahlseil verbinden, dann hängt es zwischen den beiden Raumpunkten A und B rum – und zwar so, dass es zu jedem Zeitpunkt an beiden Enden gleichzeitig befestigt ist, und auch unsere Maßstäbe haben wir einfach hingelegt und liegen gelassen. (Weil “Gleichzeitigkeit” in der RT nicht universell gültig ist, müssen wir uns für ein bestimmtes Bezugssystem entscheiden – am einfachsten das, in dem die Raumpunkte A und B und die Masse dazwischen alle in Ruhe sind.) Betrachten wir (in diesem System) zwei gleichzeitige Raumzeitpunkte – also die Raumpunkte A und B zu einer bestimmten Zeit, beispielsweise 12:00Uhr mittags.
Da die beiden Raumzeitpunkte räumlich voneinander getrennt aber gleichzeitig sind, ist es nicht möglich, ein Signal von einem zum anderen zu schicken. Die höchste mögliche Geschwindigkeit ist ja die Lichtgeschwindigkeit, aber um von A nach B in exakt Null Sekunden zu kommen, bräuchte wir unendlich hohe Geschwindigkeiten, und die gibt es nicht. (Außer vielleicht auf der Hyperraumumgehungsstraße?) Solche Raumzeitpunkte (oder Ereignisse) heißen “raumartig” getrennt. Die kürzeste Verbindung zwischen unseren beiden gleichzeitigen Ereignissen (A und B um 12.00Uhr mittags) ist also die kürzeste Linie im Raum. Da wir gleich auch noch die Zeit einzeichnen müssen, baue ich noch eine Zeitachse ins Bild ein:
Wir zeichnen jetzt die kürzeste Linie im Raum ein, also eine Linie, die wir bekommen, indem wir ein Stahlseil spannen oder indem wir Maßstäbe legen wie es die Käfer gemacht haben. So sieht sie (so in etwa) aus:
Um die Länge dieser Linie zu bestimmen, können wir sie in sehr viele sehr kleine Stückchen zerteilen, so dass jedes Stückchen näherungsweise gerade ist. (Ausführlicher habe ich das und das, was als nächstes kommt, im 4. Teil der Raumzeit-Krümmungs-Serie diskutiert – den ihr übrigens ziemlich unabhängig von den anderen Teilen lesen könnt.) Wenn wir ein Koordinatensystem haben, dann können wir die Länge jedes Stückchens mit dem Satz des Pythagoras berechnen:
Falls ihr euch fragt, warum ich das so umständlich mache – ich könnte ja auch das Stück direkt messen statt seine Achsabschnitte in den beiden Koordinatenrichtungen -, nun, das ist ganz simpel: Gleich werden wir Wege betrachten, die sich durch Raum und Zeit erstrecken, und da können wir nicht so ohne weiteres “schräge” Linien ausmessen.
Jetzt senden wir also ein Signal von A nach B, so dass das Signal bei A zu einer bestimmten Zeit startet und zu einer späteren bei B ankommt. (Wenn das ohne Überlichtgeschwindigkeit möglich ist, dann heißt der Abstand zwischen den beiden Punkten zeitartig.) Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten: Wir könnten zum Beispiel Bälle werfen (wenn wir so weit werfen können) oder ein Lichtsignal schicken. Was ist jetzt die kürzeste Verbindung zwischen den beiden Punkten?
Starten wir erst einmal mit dem Lichtsignal. Den Pfad, den das Signal nimmt, kennen wir ja schon (der führte ja gerade zur Lichtablenkung), jetzt kommt nur noch die Zeitachse hinzu. So etwa sieht das aus:
Hier habe ich jetzt eine Strecke in der Raumzeit, die ich ausmessen möchte. Wie man den räumlichen Teil ausmisst, wissen wir schon, aber was ist mit dem zeitlichen Teil? Den zeitlichen Abstand zwischen zwei Punkten messen wir in Sekunden – da die Lichtgeschwindigkeit eine Naturkonstante ist, können wir Sekunden ohne weiteres in Meter umrechnen – eine Sekunde entspricht einer Strecke von 300000 Kilometern (was man auch gern als “Lichtsekunde” bezeichnet, ganz analog zum alten Begriff der “Wegstunde”).
Betrachten wir also ein kleines gerades Wegstück in der Raumzeit. Können wir die räumliche und die zeitliche Strecke ebenfalls mit Hilfe des Satzes des Pythagoras addieren? Nein, das können wir nicht. Raum und Zeit sind ja nicht dasselbe, sondern durchaus unterschiedliche Dinge, und das bleiben sie auch in der ART. Der Satz des Pythagoras bleibt zwar fast erhalten, aber er bekommt ein Minuszeichen: Der raum-zeitliche Abstand berechnet sich nach ds²=dx²-dt² (ich lasse jetzt die Wurzel weg und schreibe ds², sonst gibt es Ärger, wenn die Wurzel negativ wird, damit wollen wir uns jetzt nicht befassen (ich jedenfalls nicht (und zum Glück ist es mein Blog (muhaha))):
Typischerweise ist es in den meisten Büchern dabei die räumliche Komponente, die das Minus-Zeichen bekommt. Ich mache es hier aber andersherum (und damit auch andersherum als in meiner alten Raumkrümmungs-Serie), weil das den Vorteil hat, dass wir nach wie vor von kürzesten Strecken in der Raumzeit reden. Wie lang ist also die Strecke in der Raumzeit, die unser Lichtsignal nimmt?
Da wir Raum und Zeit mit Hilfe der Lichtgeschwindigkeit ineinander umgerechnet haben, legt ein Lichtstrahl in einer Zeit dt genau eine räumliche Strecke dx=c dt zurück. Für den Lichtstrahl ist also der Raumzeitabstand genau gleich Null. Die zugehörige Bahn ist wieder gekrümmt (das wussten wir ja schon von der Lichtablenkung), und zwar stärker als bei unserem kürzesten Weg im Raum. Dass das so sein muss, liegt daran, dass in einem Schwerefeld die Zeit ja langsamer vergeht. Da wir die Zeitkomponente bei der Berechnung der Raumzeit-Strecke ja abziehen, ist es günstiger, das Licht auf einer Bahn zu bewegen, die etwas weiter außen liegt. (Eine schöne und einigermaßen nachvollziehbare Berechnung der Lichtablenkung findet ihr in diesem paper von Lerner. (Cool, habe gerade das google-Link-fix addon entdeckt, damit man beim Link-Kopieren nicht immer den google-Quark bekommt.))
Und das ist genau die Komplikation, die ich oben erwähnt habe: Ja, im Heiße-Platte-Modell kann man sich anschaulich machen, wie ein Raum gekrümmt sein kann, aber die Raumkrümmung dort entspricht nicht ganz der Lichtablenkung in Schwerefeld, denn die wird zusätzlich auch von der Veränderung des Zeitablaufs beeinflusst. Denn es ist nicht nur der Raum, der gekrümmt ist, sondern die Raumzeit, weil auch die Zeit durch die Massen beeinflusst wird.
Als letztes können wir zum Beispiel einen Ball werfen. Weil der nicht mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs ist, wird er später beim Stern ankommen als das Lichtsignal. Seine Bahn verläuft noch etwas weiter außen:
Wenn man es durchrechnet (ratet mal, wo ich das ausführlich erklärt habe), stellt man fest, dass der kürzeste Weg durch die Raumzeit gerade der ist, den der Ball auf einer Wurfparabel von A nach B nehmen würde. Welche Wurfparabel das ist (man kann den Ball ja flach oder hoch werfen) hängt davon ab, wann der Ball ankommen soll – man darf hier nie vergessen, dass A und B Ereignisse sind, also Punkte in Raum und in der Zeit. Je schneller der Ball unterwegs ist, desto “flacher” verläuft die Parabel.
Für einen fliegenden Ball ist der Raumzeitabstand ds – so wie ich ihn hier definiert habe – negativ. Er hat auch eine direkte physikalische Bedeutung: bis auf das Minuszeichen (hier macht die Wurzel wieder ein wenig Ärger, aber das lässt sich mathematisch schnell in den Griff bekommen, wer’s genauer wissen will, kann bei Wikipedia nachschauen) gibt der Raumzeitabstand ds genau die Zeit an, die auf einer Uhr vergehen würde, die sich mit dem Ball mitbewegt. (Da wir die Strecke minimieren, vergeht für einen Ball also die maximale Zeit.) Für das Lichtsignal ist diese “Eigenzeit” gerade Null. (Wenn man will, kann man das so interpretieren, dass für ein Lichtsignal keine Zeit vergeht – aber Vorsicht: Das ist nur eine anschauliche Interpretation, da sollte man nicht zu viel hineindeuten… Spätestens, wenn man sich überlegt, was dann beim raumartigen Abstand passiert (die Eigenzeit wird negativ?), wird die Sache haarig. (Naja, man könnte jetzt an rückwärts in der Zeit laufende Tachyonen oder so etwas denken…))
Insgesamt sehen wir also: Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten (Ereignissen) hängt von der Lage der Punkt im Raum und in der Zeit ab. Licht oder andere Signale laufen nicht einfach auf dem kürzestem Weg im Raum, sondern auf dem kürzesten Weg in der Raumzeit (dem mit der maximalen Eigenzeit).
Die Analogie mit der Platte ist zunächst mal einfach eine andere Art, die Raumkrümmung zu veranschaulichen als die üblichen Bilder von gespannten Gummitüchern und ähnlichem. Sie hat aber gleich zwei Vorteile: Zum einen sieht man unmittelbar, dass man keinen “Hyperraum” oder so etwas braucht, um die Raumkrümmung zu bekommen – die Platte selbst ist und bleibt ja vollkommen flach, es sind die verzerrten Maßstäbe, die für die (scheinbare?) Krümmung sorgen. Und das bringt mich zum zweiten entscheidenen Vorteil: Man kann die Effekte der Raumkrümmung dadurch beschreiben, dass man nicht den Raum beeinflusst, sondern die Materie. Denn in unserem Platten-Modell waren es ja die Maßstäbe, die sich verändern, nicht der Raum. Diese beiden Standpunkte sind nicht unterscheidbar. Und so ist es auch in der ART – man muss sie nicht über die Raumzeitkrümmung verstehen, sondern kann auch mit Teilchen und Kräften arbeiten.
Das funktioniert allerdings nur dann, wenn alle Maßstäbe sich genau gleich verändern. Wenn die Krabbelkäfer auf der heißen Platte Materialien mit unterschiedlichen thermischen Ausdehnungen hätten, dann könnten sie ja direkt die Temperaturänderung bemerken; sie würden dann nicht von gekrümmten Wegen reden, denn die Krümmung würde dann davon abhängen, woraus sie ihre Maßstäbe machen. Wir können die Gravitation also statt über die Raumzeitkrümmung auch durch einen Einfluss auf Materie beschreiben, während die Raumzeit sich ganz normal verhält. Und diese Betrachtungsweise ist insbesondere dann praktisch, wenn man die ART mit der Quantenmechanik unter einen Hut bringen möchte. (Sowohl die Feynman Lectures on Gravitation als auch Steven Weinbergs Buch “Gravitation and Cosmology” verwenden diesen Zugang und führen die geometrische Betrachtungsweise erst später ein.) Dazu schreibe ich aber vermutlich ein andermal etwas…
Warnung: Wie so oft habe ich mir vieles, was hier erklärt wird, selbst zusammengereimt und überlegt. Ich übernehme keine Garantie dafür, dass ich nicht doch irgendwo Mist gebaut habe – in der ersten Version dieses Artikels (die ich vor knapp einem halben Jahr angefangen habe, bevor ich mich dann bei jedem Editieren des Artikels immer weiter verwirrt habe) stand jedenfalls ziemlich viel Blödsinn, den ich zum Glück (und mit etwas Hilfe des physicsforums) noch bemerkt habe, und insgesamt habe ich den Artikel gefühlte 1000 Mal umgeschrieben. Wer weiß, ob ich nicht die zweite Schicht Blödsinn übersehen habe. Falls ich Mist erzählt habe (oder falls der Artikel durch das viele Umschreiben völlig wirr ist), beschwert euch bitte in den Kommentaren.
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