Aus Themen wie den Streit zwischen Atheisten und diversen Religionen halte ich mich ja meist raus; mein Blog ist ja mehr der Ort, wo ich Dinge erkläre, die ich interessant und wichtig finde. Heute erkläre ich mal dem Papst etwas, der scheint es nötig zu haben.
Der Papst hat nämlich (bei seinem Abflug von Sri Lanka, wo anscheinend auch nicht wirklich schöne Dinge passiert sind) folgendes gesagt:
“It is true that you must not react violently, but although we are good friends if (he) says a curse word against my mother, he can expect a punch, it’s normal.”
Das “he” bezieht sich dabei auf seinen Reiseorganisator, Herrn Gasbari. Bei der Zeit liest sich das Zitat etwas anders, aber inhaltlich ist es ziemlich dasselbe:
“Wenn Dr. Gasbarri , mein lieber Freund, meine Mama beleidigt, erwartet ihn ein Faustschlag”
Ich will gar nicht anfangen, jetzt irgendwelche Bibelzitate über hinzuhaltende Wangen hervorzukramen. Aber auch ein Papst – insbesondere einer, der sich als Kämpfer für den Frieden sieht – sollte schon einmal etwas von Deeskalation gehört haben. Falls nicht: Hier ein Link, wo das schön erklärt wird. (Ich denke, als Papst hat man im Zweifel einen Dolmetscher für deutsche Texte.) Nein, lieber Papst, es ist nicht in Ordnung, auf eine Beleidigung mit einem Faustschlag zu reagieren. Es ist auch nur normal in dem Sinne, dass es häufig vorkommt, aber nicht in dem Sinne, dass es einer erstrebenswerten Norm entspricht. Deswegen steht in dem verlinkten Text auch “Eine Beleidigung unkommentiert stehen lassen zu können, das zeugt von ungleich größerer Stärke.”
Außerdem hat der Papst noch gesagt:
“You can’t provoke, you can’t insult the faith of others, you can’t make fun of faith,”
Doch, darf man. Ist wirklich so. Ein einfacher Grund, warum das auch kaum anders geht, ist schon der, dass man ansonsten in der Lage sein müsste, objektiv zu entscheiden, was eine Beleidigung ist, und das dürfte insbesondere wenn es um Religionen geht schwierig werden. Man kann das natürlich der Staatsmacht überlassen – und dann bekommt jemand, der die Religion beleidigt, eben 1000 Stockhiebe in Dosen a 50 Stück, an denen er möglicherweise im Laufe der nächsten Monate sterben wird.
Um es ganz klar zu sagen: Natürlich hat Meinungsfreiheit Grenzen, da, wo sie Personen direkt beleidigt. Religionen sind aber keine Personen und haben deswegen auch keine Rechte. Ein Recht auf “Freiheit von Beleidigung von Dingen, die mir wichtig sind” gibt es aber nicht, kann es auch nicht geben. (Sonst würden Eintracht Braunschweig Fans verhindern, dass der Nachbarverein in Hannover jemals in den Medien erwähnt wird…) Dinge und Ideen kann man nicht beleidigen (und Personen, die schon über 1000 Jahre tot sind, auch nicht).
Und schließlich hat der Papst noch gesagt
“Everyone has not only the freedom and the right but the obligation to say what he thinks for the common good … we have the right to have this freedom openly without offending,”
Ich darf also meine Meinung frei sagen, aber nur, wenn sie niemanden beleidigt? Und was ist, wenn meine Meinung nun mal von jemand anderem als inhärent beleidigend angesehen wird? Darf ich sie dann gar nicht äußern? Ich denke, dann sollte die katholische Kirche in Zukunft davon Abstand nehmen, ihren Glauben öffentlich zu predigen, denn es gibt sowohl Atheisten als auch Anhänger anderer Religionen, die sich dadurch gestört und beleidigt fühlen. Oder gilt das mit dem “offending” nur für ausgewählte Religionen?
Damit auch das ganz klar wird: Es ist nicht unbedingt sinnvoll, höflich oder ein guter Umgang, wenn man den Glauben anderer beleidigt. Auf der anderen Seite sollte man aber – gerade in Kulturen, in denen Religion sehr dominant ist – auch ein gewisses Verständnis für Wut und Ärger gegen Religionen aufbringen. (Ohne Wut sind soziale Veränderungen schließlich oft nicht zu erreichen.) Aber gerade das Christentum ist wahrlich nicht in einer unterprivilegierten Lage, sondern genießt in vielen Staaten gesetzliche oder faktische Sonderrechte. (Vom Islam ganz zu schweigen.)
Und schließlich noch dieses – nicht ganz vollständige – Zitat
“These people provoke and then (something can happen). In freedom of expression there are limits.”
Schade dass man nicht erfährt, was der Papst statt “something can happen” wirklich gesagt hat. Aber auch hier irrt der Papst. Nein es war kein Fall von “shit happens” in Paris – es waren Menschen, die beschlossen haben, andere Menschen umzubringen, keine Erdbeben, Naturgewalten oder sonst etwas. Auch wenn wir uns über die genaue Definition und das Konzept des freien Willens streiten können – Menschen sind für ihre Taten verantwortlich. Und nein, es ist nicht (gar nicht, überhaupt nicht und in keinster Weise) die Schuld der Journalisten von Charlie Hebdo, dass sie ermordet wurden. (Insgesamt erinnert das auch fatal an “Was hatte sie an”, “Warum ist sie nachts allein durch den Park gegangen” etc.)
Ja, und wenn man das alles gesagt hat, dann hilft es auch nicht mehr, wenn man dann versucht, das Ganze abzuschwächen, mit Sätzen wie
“you can’t kill in the name of God. That is an aberration.”
Man kann also nicht im Namen Gottes töten, aber wenn jemand Religionen beleidigt, dann darf er schon mal eins aufs Maul bekommen, das ist ganz normal.
Ja, natürlich hat der Papst die Morde verurteilt – aber irgendwie scheint er doch ein gewisses Verständnis dafür zu haben, wenn jemand auf religiöse Beleidigungen mit Gewalt reagiert. Ich habe das nicht.
Wie üblich in meinem Blog schätze ich Kommentare. Ebenfalls wie üblich bitte ich aber um einen zivilen Umgang – gegen Sarkasmus ist nichts einzuwenden, aber Beleidigungen (zum Beispiel von Religionen) nur um der Beleidigung willen sind zwar nicht generell verboten, aber hier in meinem Blog nicht gern gesehen. (Und nein, das ist keine Zensur.)
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