Unsere Sprache verändert sich ja ständig – vor 10 Jahren hat man noch nicht so viel “chillaxed” wie heute und vor 30 Jahren war Sachen, die Mist waren, noch nicht “grottig”. Neue Worte werden in unsere Sprache ja oft von anderen Sprachen oder von einzelnen Gruppen, die sie zuerst verwenden, hineingetragen und verbreiten sich dann. Einen ähnlichen Mechanismus hat man jetzt auch bei Schimpansen entdeckt.
Na klar können Schimpansen nicht sprechen, dafür ist ihr Stimmapparat nicht ausgelegt. Aber mit diversen Rufen und Signalen verständigen sie sich schon ziemlich gut. So gut, dass sie spezielle Laute machen, um ihre Kumpels auf besonders leckeres Futter, beispielsweise Äpfel, aufmerksam zu machen.
Diese Rufe sind nicht bei allen Schimpansengruppen gleich. Im Jahr 2010 wurde eine Gruppe von 7 Schimpansen aus den Niederlanden nach Schottland umgesiedelt und mit einer dort im Zoo lebenden Gruppe von 6 Tieren zusammengeführt. Die beiden Gruppen unterschieden sich deutlich in dem Geräusch, das die Tiere machten, um Äpfel zu referenzieren. Das eröffnete die Möglichkeit, zu studieren, ob sich Schimpansen auch Geräusche voneinander abgucken. (Dass sich Schimpansen schicke Mode voneinander abgucken können, wissen wir ja schon.)
Es zeigte sich, dass das tatsächlich der Fall war – allerdings dauerte es insgesamt drei Jahre, weil die beiden Gruppen anfangs zwar im selben Gehege lebten, aber zwei deutlich getrennte Gruppen bildeten. Je mehr sich die Gruppen näher kamen und vermischten, desto mehr glichen die “Zugezogenen” ihren Signallaut für “Apfel” dem der Einheimischen an. Hier die entscheidende Grafik – auf der horizontalen Achse ist das jahr aufgetragen, auf der vertikalen die “principal component 1” des Signals, die – vereinfacht gesagt – eine Zahl ist, die das akustische Signal charakterisiert. Die hellen Punkte gehören zur Edinburgh-Gruppe, die schwarzen zu den Neuankömmlingen.
Aus Watson et al., s.u.
Laut statistischer Analyse unterscheiden sich die die akustischen Strukturen der beiden Gruppen im Jahr 2010 signifikant, im Jahr 2013 nicht mehr. Überrascht mich ein wenig, weil man im Plot ja eigentlich sieht, dass die Streuung der schwarzen Datenpunkte 2013 deutlich höher ist und dass einige Messwerte auf der y-Achse sehr weit unten liegen, also den ursprünglichen Lauten glichen. Leider ist das paper hier etwas unspezifisch – es ist nicht klar, wie die einzelnen Punkte sich auf die Individuen verteilen. Deshalb kann ich nicht sagen, ob es ein oder zwei sprachkonservative Schimpansen gab, die am alten Schema festhielten oder ob alle Schimpansen gelegentlich das alte “Wort” benutzten.
So oder so zeigt sich, dass die Neuankömmlinge sich in einem “Wort” an die etablierte Sprache anpassten. Interessant ist auch, dass die Gruppe der Neuankömmlinge ja größer war als die der Einheimischen – trotzdem passten sich die “Neuen” an die vorhandene Sprache an. (Bei einer Stichprobe mit Gesamtheit 1 ist das natürlich nicht so schrecklich signifikant…) Die Anpassung vollzog sich aber erst, nachdem die Gruppen sich vermischt hatten – ein bloßes Mit-Anhören der anderen Laute reichte also nicht aus, dazu bedurfte es schon enger Interaktionen.
Schimpansen können also ihre “Sprache” an andere anpassen. Im paper wird darüber spekuliert, ob sie das tun, um besser verstanden zu werden oder um den Gruppen-Zusammenhalt zu fördern, meiner Ansicht nach muss aber bei so komplexen Wesen wie Schimpansen ein solches Verhalten nicht unbedingt einen direkten evolutionären oder sonstigen Nutzen haben, sondern kann einfach durch die allgemeinen Mechanismen der Sprachverarbeitung bedingt sein – der Selektionsvorteil, den ich habe, weil ich jetzt auch manchmal “chillaxe” oder Sachen “grottig” finde, ist vermutlich auch eher gering…
Watson, Stuart K., et al. “Vocal Learning in the Functionally Referential Food Grunts of Chimpanzees.” Current Biology (2015).
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