Echte Blüten kannten wir bisher erst aus der Kreidezeit, also dem Ende des Erdmittelalters. Ein neues Fossil zeigt aber, dass Blüten deutlich älter sind, als von den meisten Paläontologinnen angenommen.
Anmerkung: In der ersten Fassung des Artikels stand an vielen Stellen “Blume” statt “Blüte” – das kommt davon, wenn man im Englischen “flower” liest und nicht nachdenkt. Ob die Blüte wirklich zu einer Blume gehört, ist icht gesagt und vermutlich eher unwahrscheinlich. Entschuldigung für die Verwirrung.
Am Ende der Kreidezeit sah die Pflanzenwelt schon in vieler Hinsicht ganz ähnlich aus wie heute. Gras gab es zwar noch nicht, aber es gab viele Blütenpflanzen, die wir auch heute kennen, beispielsweise Magnolien, Platanen und Palmen. Abgesehen von Tyrannosauriern oder Triceratopsen, die da herumstreiften, sähe die Welt für uns also schon ganz vertraut aus, jedenfalls am Ende der Kreidezeit. Doch bisher – von einigen sehr uneindeutigen Fossilien abgesehen – stammten die ältesten Blütenpflanzen (oder genauer gesagt, die ältesten Angiospermen, also Bedecktsamer) aus der frühen bis mittleren Kreidezeit, der Zeit von vor 100 bis 125 Milionen Jahren (wie zum Beispiel hier zu lesen ist).
Aus der älteren Jura-Zeit (namensgebend für den Film “Jurassic Park”, der “Cretaceous Park” hätte heißen sollen, weil fast alle Dinos darin aus der Kreidezeit stammten) dagegen kannten wir bisher Nadelbäume, die berühmten Zykadeen und Bennettiteen, aber nichts, was auch nur annähernd wie eine Blüte aussah.
Doch das hat sich jetzt eindeutig geändert. Hier seht ihr das Fossil der allerersten Blüte (jedenfalls der ersten, die wir heute kennen), die den Namen Euanthus panii (Pans echte Blume/Blüte, nach der Entdeckerin Kwang Pan) bekommen hat:
Aus Liu&Wang, s.u.
Ihr seht zwei Seiten, weil es sich um eine plattgedrückte Blüte handelt – allerdings nicht zwischen zwei Seiten eines Buches, wie man es sonst gern macht, um Blumen aufzubewahren (erstens gab es damals noch keine Bücher und zweitens hält das auch nicht so lange), sondern eingebettet in feinen Sandstein, der sogar die feinen Linien auf den Blütenblättern abzeichnet. Die Blüte hat sich auf beiden Seiten der Sandsteinplatte (slab und counterslab) abgezeichnet, ähnlich wie bei vielen anderen Fossilien auch. Das P im Bild kennzeichnet die Blütenblätter (Petals), das S die Kelchblätter (Sepals), die grünen Blätter, die unterhalb der Blütenblätter sitzen und die die Blüttenblätter umgeben, wenn die Blüte noch nicht ganz ausgewachsen ist. Auch die Samenanlage ist erhalten.
Ich stelle gerade fest, dass ich diese ganzen Begriffe zwar mal in der Schule für den Bio-Unterricht auswendig lernen musste, das ist aber schon sehr lange her (kurz nach der Kreidezeit) und ich habe das alles wieder vergessen. Da ich von Pflanzen also nicht viel verstehe, gehe ich auf die Details zum paper hier nicht ein – ich muss zugeben, dass mir beim Lesen der Kopf etwas schwirrt, weil ich mit micropyle, gynoecium, stamens und all diesen Begriffen nicht so viel verbinde, normalerweise habe die Fossilien, für die ich mich interessiere, ja eher Postzygapophysen oder Deltapectoral-Kämme, damit kann ich mehr anfangen.
Der größte Teil des papers befasst sich mit der sehr detaillierten Analyse des Fossils – denn es ist satte 161 Millionen Jahre alt. Dass es zu dieser Zeit schon echte Blüten gegeben haben soll, ist eine außergewöhnliche Behauptung, und die muss na klar auch außergewöhnlich gut belegt werden. Entsprechend werden die einzelnen Bestandteile der Blüte detailliert betrachtet und mit verschiedenen Pflanzengruppen verglichen. Die Autorinnen kommen aber zu dem klaren Schluss: “we place Euanthus in
angiosperms with decent confidence.” [“Wir gruppieren Euanthus mit ordentlicher Gewissheit in die Bedecktsamer ein.”]
Aber vielleicht geht es euch ja ähnlich wie mir in diesem Fall (falls nicht, schreibt gern noch mehr zu Euanthes in den Kommentaren), und ihr wollt vor allem wissen, wie das Ding denn nun in natura aussah. Hier eine Rekonstruktion:
Aus Liu&Wang, s.u.
Die Geschichte der Blüten (und damit wohl auch der blumen-bestäubenden Insekten) wurde damit also locker 40 Millionen Jahre oder zurückdatiert. Das ist schon eine ziemliche Sensation. Das paper schließt deshalb auch (ein wenig übertrieben reißerisch) mit dem Satz
The presence of a full-fledged flower such as Euanthus in the Jurassic is apparently out of the expectations of any currently accepted evolutionary theories, implying either that these theories are flawed, and/or the history of angiosperms is much longer than previously assumed.
[Die Anwesenheit einer vollständig geformten Blüte wie Euanthes im Jura liegt anscheinend außerhalb der Erwartung aller gegenwärtig akzeptierten evolutionären Theorien, was entweder impliziert, dass diese Theorien fehlerhaft sind und/oder dass die Geschichte der Angiospermen wesentlich länger ist als bisher angenommen.]
Nun ja, warum das (insbesondere, da man ja schon vage Hinweise auf jurassische Angiospermen hatte) nun gleich irgendwelchen Evolutionstheorien widersprechen soll, erschließt sich mir nicht (aber dieser Satz wird mit Sicherheit bald auf irgendwelchen kreationistischen Webseiten zitiert werden), und auch das “oder” finde ich verwirrend: Offensichtlich reicht die Geschichte der Blüten weiter zurück als bisher gedacht, das zeigt das Fossil ja ziemlich deutlich.
PS: Ja, auch diesmal wieder ein generisches Femininum – alle Formen sind weiblich (und ja, Kwang Pan ist ein Mann, das Geschlecht von Liu und Wang habe ich nicht nachgeguckt). Das ist auf meinem Blog im Moment so, über Gründe dazu schreibe ich bei Gelegenheit mal was, wenn mir danach ist.
Zhong-Jian Liu & Xin Wang (2015): A perfect flower from the Jurassic of China, Historical Biology: An
International Journal of Paleobiology, DOI: 10.1080/08912963.2015.1020423
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