Es ist schon faszinierend: Ich kann Artikel schreiben, die sich mit den Komplikationen der Raumzeitkrümmung oder mit dem Ursprung der Blütenpflanzen befassen – aber wenn ich darin generell weibliche Formen benutze (so wie man sonst gern “die Wissenschaftler” sagt ohne zu berücksichtigen, dass die natürlich auch weiblich sein können), dann gibt es jede Menge Kommentare dazu, mit so schönen Worten wie “Scheißgendern”, “Erziehung durch Sprache “1984″, oder so unglaublich tollen Wortspielen wie “Raumzeitin” (slow clap).
Aber natürlich muss ich es zugeben: Spätestens wenn ich Richard Feynman als “Physikerin” bezeichne, ist das schon eine arg seltsame Art, mich auszudrücken (und geht auch über eine reine Umkehrung des üblichen Sprachgebrauchs hinaus, da die meisten Leute ja zum Beispiel Jocelyn Bell Burnell nicht als “Astrophysiker” bezeichnen würden). Wieso ich es – zumindest im Moment des öfteren – trotzdem tue? Das hat eine recht lange Vorgeschichte hier auf dem Blog.
Meine erste echte Berührung (Mitte der 80er Jahre) mit der geschlechtergerechten Sprache waren zwei Artikel in Douglas Hofstadters “Metamagical Themas” (den zweiten davon verlinke ich immer gern). Die Artikel machten mir persönlich eins deutlich: Das generische Maskulinum führt bei mir dazu, dass ich bei Worten wie “Wissenschaftler” oder “Arzt” eher Männer assoziiere. Besonders wichtig war mir das Thema trotzdem nicht – das ging erst los, als ich mit meinem Blog anfing, weil ich jetzt zum ersten Mal Texte geschrieben habe, die von vielen Leuten gelesen wurden. Entsprechend gab es hier dann auch einiges an Debatten dazu, und ich habe ja auch in der Vergangenheit mit verschiedenen Möglichkeiten der geschlechtergerechten Sprache experimentiert (als da wären: Beidnennungen, Binnen-Is, generische weibliche Formen, abwechselnd weibliche und männliche Formen).
Dass das Ganze wichtig ist, wurde mir wieder einmal sehr bewusst, als ich die unsägliche Wissenschaftsjournalismus-Debatte gelesen habe in der der Satz fiel:
Fischer: Wissenschaftler wollen Erfolg, Wissenschaftler wollen eine Frau, ein Hotelzimmer, eine Einladung oder ein Auto!
Dieser Satz wäre wohl kaum so gesagt worden, wenn Herr Fischer gewohnheitsmäßig geschlechtergerecht formulieren würde. Wer sich (wie ich zumindest einigermaßen erfolgreich) angewöhnt, darauf zu achten, in den meisten Fällen “Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler” zu sagen, geht vielleicht nicht ganz so selbstverständlich davon aus, dass Wissenschaftler eine Frau (und nicht etwa vielleicht einen Mann?) wollen.
Aber gut, dass man möglichst geschlechtergerecht formulieren sollte und dass eine sehr gute Möglichkeit dafür die Beidnennung der Geschlechter ist, ist heutzutage ja eigentlich Konsens. Warum bin ich mit dieser Lösung (die ich selbst ja auch oft praktiziere) nicht wirklich zufrieden?
Zum Teil ist es schlicht umständlich. Selbst Ratgeber zur geschlechtergerechten Formulierung sprechen davon, dass man “Entlastungsstrategien” verwenden soll, um einen Text nicht durch ständige Beidnennung zu schwer lesbar zu machen. Noch mehr stört mich die Beidnennung, wenn ich eine konkrete Person unbekannten Geschlechts meine. Nehmen wir an, ich sage zu einem Freund (oder einer Freundin?): “Frag doch mal deinen Hausarzt” – oder sage ich “deine Hausärztin”? Es handelt sich ja um eine bestimmte Person mit einem bestimmten Geschlecht, das mir nur einfach nicht bekannt ist. Zu sagen “deinen Arzt oder deine Ärztin” ist deshalb schon etwas umständlich und erweckt den Eindruck, als ginge es eben nicht um eine konkrete Person.
Ähnlich ist es, wenn ich mir eine Person vorstelle – in der Vorlesung sage ich zum Beispiel gern Sätze wie (wenn ich sagen will, dass man etwas beweisen kann, das aber nicht so relevant für die Vorlesung ist) “Das beweist Ihnen gern eine freundliche Mathematikerin” (oder eben ein “freundlicher Mathematiker”). Klar, ich kann – und muss – mich auf ein Geschlecht festlegen. (Ein “generisches” Maskulinum hilft leider nicht, weil es – wie wir ja wissen – nicht wirklich generisch verstanden wird.) Aber warum muss ich das eigentlich tun?
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