Ein letzter Auslöser für mich, es auch wirklich mal mit dem “generischen/exklusiven Femininum” zu versuchen, war Jürgens “Aufforderung”, sich nicht zu sehr von grammatischen Regeln einschränken zu lassen. Es spricht nichts dagegen, wenn ich für mich Formen verwende, die so nicht in irgendeiner Grammatik stehen – so lange ich mein sprachliches Ziel erreiche, kann ich auch mal ein paar Regeln ignorieren (so wie es zum Beispiel Binnen-Is ja auch tun).
Ist das “generische” Femininum also die Lösung der Sprachprobleme? Nein.
Wenn man alle Texte darauf umstellen würde, wäre das auch irgendwann kontraproduktiv, denn dann träte das generische Femininum an die Stelle des generischen Maskulinums, und wir würden bei unbestimmten Personen irgendwann automatisch ein weibliches Geschlecht assoziieren. Damit wäre nichts gewonnen. Das generische Femininum ist eine Zwischenlösung für mich und meinen Blog (und vielleicht auch in einigen anderen Bereichen), aber nicht mehr. (Das ist ein bisschen wie mit Maßnahmen zur Frauenförderung – deren Ziel ist es auch sich letztlich überflüssig zu machen, falls denn irgendwann mal Gleichberechtigung erreicht wird.)
Mir ist auch völlig klar, dass ein gewisser Widerspruch zwischen zwei Ansprüchen besteht, die ich formuliert habe: Einerseits soll die Betonung des Geschlechts reduziert werden, andererseits will ich Bewusstsein schaffen. Beides gleichzeitig ist ein bisschen die Quadratur des Kreises, aber das “generische/exklusive Femininum” ist dafür trotzdem halbwegs gut geeignet – einerseits macht es auf die ständige Betonung des Geschlechts aufmerksam, weil es ungewohnt ist, andererseits verwende ich es aber eben generisch/neutral, so dass hoffentlich deutlich wird, dass das Geschlecht in Wahrheit eben wirklich nicht so wichtig ist. (Genau das war ja meine Lehre aus dem Buch “Ancillary Justice”.)
Was will ich am Ende erreichen? Im wesentlichen zwei Dinge: zum einen (und vor allem) geht es darum, mein eigenes Bewusstsein zu schärfen. Die Verwendung von Beidnennungen hat da schon weitergeholfen, hypothetische oder unbekannte Personen sind beispielsweise für mich inzwischen deutlich häufiger weiblich oder einfach geschlechtlich unbestimmt, als das vor ein paar Jahren noch der Fall war. Zum anderen ist natürlich auch das Ziel, meinen Blog für die Leserinnen (ja, das ist jetzt generisch gemeint und schließt alle Leute ein, die den Blog lesen, egal welches Geschlecht sie haben) zu einem Ort zu machen, an dem “inclusivity” (gibt es dafür ein gutes deutsches Wort?) wichtig ist.
Ach ja, noch eine Anmerkung: Ich bin beim generischen Femininum insofern nicht konsequent, weil ich nach wie vor das Wort “man” benutze. Ich habe ein paar Mal probiert, es durch “mensch” oder “frau” zu ersetzen, aber ich merke, dass es nicht klappt. Wenn ich “man” schreibe, dann stelle ich mir einfach keine bestimmte Person vor – schreibe ich “Wissenschaftler”, denke ich inzwischen ziemlich automatisch (wenn auch nicht 100% verlässlich), dass der Wissenschaftler na klar auch weiblich sein könnte (und verwende dann eine Beidnennung oder eben gleich eine weibliche Form) – bei “man” ist meine Vorstellung so unkonkret, dass das einfach nicht passiert (und wenn doch, dann gibt es da auch keine besondere Geschlechter-Präferenz). In den Texten, wo ich es vermieden habe, habe ich am Ende mit der Suchfunktion alle “man”s ausgetauscht – aber das ist ja nicht das Ziel der Aktion, es geht ja darum, meine eigenen Denk- und Schreibgewohnheiten aktiv zu ändern. Insofern wird es vermutlich erst Mal beim “man” bleiben. (Wenn es jemanden stört, hinterlasst einen Kommentar, ich denke gern nochmal drüber nach.)
Bevor ihr euch jetzt in den Kommentaren über “Sprachnazis”, “Genderkontrolleure” oder “Gedankenkontrolle a la 1984” aufregt, sage ich es nochmal ganz klar: Das hier ist meine persönliche Sprachregelung. (Mein Blog, meine Texte, meine Regeln.) Niemand muss sie meiner Ansicht nach übernehmen, sie muss nicht Allgemeingut werden oder generell für alle Dokumente der Welt verwendet werden. Ich habe für mich persönlich festgestellt, dass ich mir nicht mehr so automatisch wie früher Männer vorstelle, wenn ich Worte wie “Wissenschaftler” lese, seit ich beim Schreiben auf die entsprechenden Formulierungen achte. Das generische/exklusive Femininum ist ein Versuch, mein eigenes Schreiben (und Denken) weiter von Stereotypen zu lösen. Ich weiß nicht, wie lange oder wie konsequent ich es verwenden werde; im Moment gefällt es mir gut, mich selbst ein wenig zu sensibilisieren, wenn ich schreibe “Ich als Physikerin”.
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