Es ist eine Frage, die immer wieder gestellt wird: Wenn laut Allgemeiner Relativitätstheorie (ART) die Schwerkraft nichts anderes ist als ein Phänomen der gekrümmten Raumzeit, wie kann es dann “Teilchen” der Schwerkraft (Gravitonen) geben, wenn man versucht, die ART mit der Quantenmechanik zu vereinen. Was soll ein “Graviton” sein – ein kleines Stückchen Raumzeitkrümmung?
Ich gebe zu, dass ich selbst lange Zeit keine gute Antwort auf diese Frage hatte. Inzwischen habe ich ein bisschen nachgedacht, und hier ist mein Versuch einer Antwort. Der Text ist letztlich das Resultat von Überlegungen, die ich in diversen anderen Posts vorher angestellt habe. Ich versuche trotzdem, ihn soweit möglich so zu schreiben, dass ihr ihn ohne Rückgriff auf ältere Texte verstehen könnt. Die Grundlagen erkläre ich deshalb relativ knapp, und gelegentlich mag es hilfreich sein, einem Link zu folgen.
Raumzeitkrümmung
Nach der allgemeinen Relativitätstheorie ist “Schwerkraft” ja nichts als ein anderes Wort für “Raumzeitkrümmung”. Eine Krümmung des Raumes bedeutet, dass sich Abstände zwischen Punkten ändern und die Geometrie nicht mehr so ist, wie wir sie mal in der Schule (auf flachem Papier) gelernt haben – die Winkelsumme im Dreieck ist nicht mehr unbedingt 180°, das Verhältnis von Kreisumfang zu Radius ist nicht mehr unbedingt 2π. Wenn ihr zum Beispiel mit einem (super-hitzebeständigen) Raumschiff genau an der Sonnenoberfläche um die Sonne fliegt und den Umfang messt, und anschließend einmal zum Mittelpunkt der Sonne, um den Radius der Sonne zu messen, dann werdet ihr feststellen, dass der so gemessene Radius um 500 Meter größer ist als ihr es an Hand des gemessenen Umfangs (mit der Formel Radius=Umfang / 2π) erwartet hättet.
Ein anderes Beispiel ist eine Gravitationswelle. Wenn ihr einen Ring aus Teilchen habt, und eine Gravitationswelle senkrecht auf diesen Ring trifft, dann wird dieser verzerrt, etwa so (ausführlich habe ich das mit den Gravitationswellen hier erklärt):
Hier noch eine schöne Animation einer Gravitationswelle – oben ein Bild ähnlich wie mein Teilchenring, darunter seht ihr, wie sich das ganze ausbreitet:
(Die Bilder sind von Einstein online , dank an Markus Pössel)
Soweit die Raumkrümmung. Zusätzlich beeinflussen Massen (die ja “Schwerefelder” erzeugen) auch den Zeitablauf – in der Nähe einer Masse gehen Uhren langsamer. Zusammen mit der Krümmung des Raums bekommt man deswegen eine Raumzeitkrümmung. Anschaulich kann man sich das so zusammenreimen: Wenn ihr 100 Meter nach Süden geht, dann 100 Meter nach Westen, dann 100 Meter nach Norden und dann 100 Meter nach Osten, dann kommt ihr wieder am Ausgangspunkt an – vorausgesetzt, ihr seid auf einer Ebene. Auf einer Kugel ist das anders – da ist ein solcher Weg nicht mehr geschlossen. (Wenn ihr am Nordpol steht, dann kommt ihr schon am Ausgangspunkt an, wenn ihr nur die ersten drei der vier Schritte gegangen seid – greift euch einen Globus, wenn euch das anschaulich nicht klar ist..)
Genauso können wir ein “Viereck” in der Raumzeit gehen. Wir machen das in zwei Schritten: Ich warte erst eine Sekunde und fliege dann 100 Meter nach oben. Ihr dagegen fliegt erst Hundert Meter nach oben und wartet dann eine Sekunde. Eigentlich sollten wir uns am Ende der jeweiligen Sekunde treffen, oder? Tun wir aber nicht, wenn wir ein einem Schwerefeld sind – dort geht die Zeit für euch schneller, und am Ende eurer Sekunde bin ich noch nicht da (weil meine Uhr langsamer geht). Detailliert habe ich das hier erklärt.
Quantenmechanik
So, jetzt habt ihr eine grobe Idee, wie das mit der Raumzeitkrümmung funktioniert (für eine Menge weiterer Artikel zum Thema könnt ihr die tag-Wolke rechts nehmen). Wenn wir die jetzt quantisieren wollen, dann müssen wir uns jetzt ganz allgemein fragen, wie man denn eigentlich eine “klassische” (also nicht-quantenmechanische) Theorie quantisiert. (Randbemerkung: Ich schlage hier die ART der klassischen Physik zu, in dem Sinne, dass sie eben nicht quantenmechanisch ist. Oft verwendet man den Begriff “klassische Physik” auch eingeschränkt für die newtonsche Physik und zählt die Relativitätstheorien schon zur “modernen” Physik. Ist irgendwie eine Frage des Geschmacks, heute ist es praktisch, die Grenze zwischen “klassisch” und “quantenmechanisch” zu ziehen.)
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