Nehmen wir als Beispiel ein Elektron. In der klassischen Physik betrachten wir das als ein punktförmiges Teilchen. Um zu wissen, was es gerade tut, müssen wir insbesondere wissen, wo es gerade ist. (Über die Geschwindigkeit mache ich mir hier keine Gedanken, sonst müsste ich mich gleich mit Dingen wie der Unschärfe-Relation herumschlagen, das führt aber vom Thema ab. Rechts bei den Artikelserien findet ihr eine Serie zur Schrödinger-Gleichung und einige andere Artikel zur QM, da erkläre ich das ausführlich.) Ein “klassisches” Elektron ist also durch seinen Ort gekennzeichnet, oder anders gesagt, wenn ich seinen Zustand wissen will, dann muss ich seinen Ort kennen. Der (Orts-)Zustand eines Elektrons ist also gekennzeichnet durch drei Zahlen für den Ort in den drei Raumrichtungen.
In der Quantenmechanik ist die Sache dagegen komplizierter. Hier ist der Ort des Elektrons nicht mehr unbedingt eindeutig bestimmt, sondern es gibt Überlagerungszustände. Diese geben nur noch die Wahrscheinlichkeit (mathematisch genauer die Wahrscheinlichkeitsamplitude) an, das Elektron irgendwo zu finden. Das Elektron kann zum beispiel eine Wahrscheinlichkeit von 5% haben, gerade vor meiner Nase zu sitzen, und 3% dafür, über meinem Kopf zu schweben usw. Wir müssen für jeden Ort, an dem das Elektron sein kann, eine solche Wahrscheinlichkeit angeben, dann haben wir den Zustand des Elektrons eindeutig beschrieben.
Das es unendlich viele Raumpunkte gibt, müssen wir für jeden dieser Punkte eine Zahl festlegen. Statt dreier Zahlen für den Zustand brauchen wir jetzt unendlich viele Zahlen. (Mathematisch gesprochen brauchen wir eine Funktion.) Ein Quantenzustand ist also deutlich komplizierter als ein klassischer Zustand (was übrigens auch der Grund dafür ist, dass man so viel Bohei um Quantencomputer macht – mit Quantenzuständen zu hantieren eröffnet eben mehr Möglichkeiten.) Diese Größe, die jedem möglichen Zustand eine Wahrscheinlichkeit (bzw. Wahrscheinlichkeitsamplitude) zuordnet, heißt Wellenfunktion.
Wenn ihr das Elektron tatsächlich an einem Punkt beobachtet, dann ist dort seine Wellenfunktion gleich eins (es ist ja sicher, dass ihr es dort findet,also ist die Wahrscheinlichkeit eins), überall anders gleich Null. Habt ihr das Elektron noch nicht beobachtet, dann kann es an ganz verschiedenen Orten sein, seine Wellenfunktion hat überall dort Werte ungleich Null. (Der Übergang vom Zustand vor zum Zustand nach der Messung ist der berühmte “Kollaps der Wellenfunktion”. Klickt hier wenn ihr wissen wollt, welche Folgerungen sich daraus für die Frage nach der Natur unserer Realität ergeben.)
Was bedeutet dieser Wahrscheinlichkeitskram nun, wenn ihr wissen wollt, wie ein physikalischer Prozess abläuft? Zunächst einmal bedeutet er, dass wir für Prozesse ebenfalls meist nur Wahrscheinlichkeiten angeben können. Wenn ihr zwei klassische Elektronen wie Billardkugeln aufeinanderschießt, dann passiert immer genau dasselbe, solange ihr dieselben Anfangszustände habt. Wenn ihr dagegen echte quantenmechanische Elektronen habt, dann müsst ihr berücksichtigen, wie die unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten die verschiedenen Möglichkeiten beeinflussen. Stellt euch die Wahrscheinlichkeiten ein bisschen wie eine Wolke vor (man spricht auch oft tatsächlich von Elektronenwolken) – an einigen Stellen ist die Wolke dichter (hohe Wahrscheinlichkeit) an anderen dünner. Sind die Wolken für die beiden Elektronen am selben Ort sehr dicht, dann haben wir eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass sie stark wechselwirken. Eine Möglichkeit, das ganze zu berechnen, ist es, für jede der einzelnen (sozusagen klassischen) Möglichkeiten zu gucken, was passieren kann (Elektron 1 ist hier, Elektron 2 ist da, oder Elektron 1 ist hier, Elektron 2 ist dort usw.), und all diese Einzelmöglichkeiten mit den jeweiligen Wahrscheinlichkeiten zu verrechnen und am Ende alles aufzuaddieren. Klingt kompliziert? Ist es auch. Mathematisch vereinfacht man sich das oft mit Hilfe der berühmten Feynman-Diagramm, die ich hier erklärt habe. Details schauen wir uns hier aber erst mal nicht an.
Quantengravitation
So, und damit ist eigentlich schon klar, wie man die Raumzeitkrümmung mit der Quantenmechanik vereinen kann: Eine quantenmechanisch beschriebene Raumzeit kann in einem Überlagerungszustand sein, bei dem also unterschiedliche Krümmungszustände jeweils eine Wahrscheinlichkeit haben. Es gibt dabei eine kleine Schwierigkeit, weil wir “Raumzeit”, anders als Elektronen, nicht direkt beobachten können. Wir können uns aber – so wie oben beim Bild der Gravitationswelle – vorstellen, dass wir den Raum mit kleinen Teilchen auffüllen, deren Verhalten wir dann beobachten. (Der Einfachheit halber tun wir so, als würden diese Teilchen nicht der Quantenmechanik unterliegen.)
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