Stellt euch also wieder einen Ring aus solchen Teilchen vor, genau wie oben. Wir können uns vorstellen, dass wir den Abstand zwischen zwei Teilchen messen können, weil sie sich vielleicht elektrisch anziehen oder abstoßen – je größer der Abstand, desto kleiner die Kraft. Wenn eine klassische Gravitationswelle auf die Teilchen trifft, dann wird der Abstand periodisch größer oder kleiner, entsprechend variiert auch die Kraft.
Als nächstes betrachten wir jetzt eine quantenmechanische Überlagerung verschiedener Krümmungszustände der Raumzeit. Nehmen wir – auch wenn das physikalisch nicht sehr sinnvoll ist – an, wir hätten eine Wahrscheinlichkeit von 50% dafür, dass der Abstand der Teilchen unverändert ist und 50% dafür, dass er sich halbiert. Wenn wir jetzt die Kraft zwischen unseren Teilchen messen, dann messen wir in 50% der Fälle den unveränderten Wert, in 50% der Fälle ist der Kraft größer (genauer gesagt vervierfacht, weil die elektrische Kraft mit dem Quadrat des Abstands abnimmt). Beachtet bitte, dass unsere Teilchen selbst ja (laut Hypothese) nicht der Quantenmechanik unterliegen – es sind klassische Teilchen, die aber auf die Quantennatur unserer Raumzeitkrümmung reagieren.
So wie wir beim Elektron (oder bei der Begegnung zweier Elektronen wie oben beschrieben) alle Möglichkeiten berücksichtigen müssen, so müssen wir es jetzt auch für die Raumzeitkrümmung tun. Um zu wissen, wie ein Prozess abläuft, müssen wir also alle Möglichkeiten für die jeweiligen Raumzeitabstände der beteiligten Teilchen betrachten und die alle mit der zugehörigen Wahrscheinlichkeit verrechnen.
Damit wir das können, müssen wir also für jeden denkbaren Raumzeitkrümungszustand die zugehörige Wahrscheinlichkeit kennen. Ähnlich wie beim Elektron können wir von einer Wellenfunktion sprechen – die wird hier aber noch wesentlich komplizierter, weil wir jetzt nicht bloß jedem Ort eine Zahl zuweisen müssen, sondern jedem denkbaren Raumzeitkrümmungszustand (und um die Raumzeitkrümmung zu kennen, müssen wir an jedem Ort und zu jeder zeit die entsprechende Krümmung wissen). Mathematisch wird das ganze deswegen noch komplizierter als beim Elektron. (Die zugehörige Theorie namens Quantenfeldtheorie ist entsprechend happig – wenn ihr rechts bei den Artikelserien klickt, dann könnt ihr meinen Versuch finden, zumindest ein paar Einblicke zu geben.)
Gravitonen
Gravitonen sollen ja das “Vermittlerteilchen” der Gravitation sein. Und das ist jetzt genau der Punkt, wo die Anschauung erst einmal zu haken scheint: Wenn die Gravitation nichts ist als Raumzeitkrümmung (und Quantengravitation eine Überlagerung von Raumzeitkrümungen), was haben dann Teilchen damit zu tun? Eine Gravitationswelle ist ja eine Verzerrung der Raumzeit, die sich ausbreitet, wie die Animation oben zeigte – wo ist da Platz für ein “Teilchen”?
Schauen wir, um das besser zu verstehen, einmal kurz, wie das ganze bei elektromagnetischen Wellen aussieht. (Ausführlich habe ich das gerade hier getan – so ziemlich alles, was in dem Artikel über Photonen steht, sollte sich auf Gravitonen übertragen lassen. Dort wird auch auf den Zusammenhang mit den Überlagerungen detailliert eingegangen.) Denken wir uns also eine elektromagnetische Welle (kurz em-Welle), die wir so veranschaulichen können:
In grün habe ich das elektrische Feld gezeichnet, in Magenta das Magnetfeld. Der gelbe Pfeil kennzeichnet die Ausbreitungsrichtung. In der klassischen Physik kann so eine elektromagnetische Welle eine beliebige Energie haben. In der Quantenmechanik dagegen nicht – hier können wir der Welle Energien nur in Form von “Quanten” entnehmen, also in Energiepaketen. (Beim Licht heißen die Quanten “Photonen”.) Wir können ein oder zwei oder hundertsiebenundvierzig Quanten in der Welle haben, aber nicht achteinhalb oder siebzehn-dreiviertel. (Anmerkung für ganz Genaue: ich ignoriere der Einfachheit halber die Nullpunktsenergie). Weil wir die Energie nur in Paketen entnehmen oder zufügen können, ist die Energie der Welle eben gequantelt. Und da jedes dieser Quanten dieselbe Größe des Energiebetrags hat, kann man bei einer Welle mit hundersiebenundvierzig Quanten eben sagen, dass sie aus 147 Teilchen, den Photonen, besteht. (Dass das ganze durchaus kompliziert sein kann und dass die Zahl der Teilchen in einer Welle nicht immer eindeutig festgelegt ist, habe ich im verlinkten Artikel erklärt.)
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