Ist es ein Vogel? Ist es ein Flugsaurier? Nein, es ist Yi qi, der Dino, der eine Fledermaus sein wollte.Spektakuläre Dinosaurierfunde gibt es ja immer wieder – aber Yi qi, der “seltsame Flügel” aus China, ist schon eine Kategorie für sich. Hätte nature das paper vor vier Wochen veröffentlicht, hätte ich vermutlich erst mal an einen Aprilscherz gedacht. Damit ihr seht, dass ich nicht übertreibe, hier erstmal eine Skizze des Fossils:
Aus Xu et al., s.u.
Falls ihr jetzt denkt “Ja, ein Dino mit Federn, wie überaus spektakulär, gibt’s im Moment doch ständig” – stimmt schon. Auf den ersten Blick sieht Yi qi nicht viel anders aus als diverse andere kleine gefiederte Dinos, von denen man inzwischen ja ne Menge kennt.
Aber wenn ihr genau hinseht (und die Beschriftung lest, muhaha), dann seht ihr etwas seltsames: Schaut mal links oben hin, da seht ihr etwas, das mit “rse” abgekürzt ist. Das ist ein länglicher Knochen (rechts unten gibt es noch das Gegenstück “lse”) – aber was für einer? Es ist kein normaler Arm- oder Fingerknochen, zum Fuß gehört er auch nicht. Stattdessen ist es ein Extra-Knochen, der an der Hand saß, aber nicht zu den üblichen Fingern oder Mittelhandknochen zählte und den man bisher von keinem anderen Dino kennt.
Setzt man die Knochen halbwegs plausibel zusammen (wobei alles unetrhalb der Brust hier im wesentlichen Spekulation ist und analog zu engen Verwandten von Yi qi dargestellt ist), dann sieht Yi qi etwa so aus:
Aus Xu et al., s.u.
Schon ziemlich seltsam, oder? Den merkwürdigen Knochen seht ihr an der Hand nach hinten abgespreizt (die Abkürzung “se” steht übrigens für “styliform element”, r oder l entsprechend für rechts und links). Ist das der Dino mit den Scherenhänden? (Nein, das sind wohl eher die Therizinosaurier.) Was macht so ein Dino mit einer derart seltsamen Hand?
Nun, die Hand war nicht einfach nur ne Hand und der Extra-Knochen nicht bloß ein Spieß, der nach hinten rausragt. Oben im Bild könnt ihr (sowohl in der Zeichnung als auch im Foto unter f) sehen, dass an diesem Knochen etwas dranhängt. Und das sind keine Federn (die hat Yi qi aber auch reichlich), sondern es ist eine Membran. Auch wenn man es nicht sicher sagen kann, so scheitn es sich um eine Flughaut zu handeln, wie man sie von vielen anderen Tieren (wie etwa Flughörnchen) kennt – von denen haben übrigens auch einige Extra-Knochen an der Hand entwickelt.
Zusammen mit der Flughaut hatte Yi qi aber wie schon gesagt auch Federn. Wie genau Federn und Flughaut angeordnet waren, ist nicht klar, auch nicht, wie groß die Flughaut war. Hier zwei mögliche Rekonstruktionen; die obere mit kleiner, die untere mit großer Flughaut (Soweit ich sehe ist die Schwanzrekonstruktion auch Spekulation):
Aus Xu et al., s.u.
Dass Yi qi mit seinen Flügeln wirklich flattern konnte wie eine Fledermaus oder ein echter Vogel, ist allerdings eher unwahrscheinlich – das gibt die restliche Anatomie eigentlich nicht her, von daher war Yi qi vermutlich (sicher ist es aber nicht) eher ein Gleitflieger.
Eine schicke Lebendrekonstruktion findet ihr auch hier beim Spiegel online. Die Welt titelt übrigens wenig sinnvoll von einem “missglückten Experiment der Evolution” – was insofern wohl eher Blödsinn ist, als wir von missglückten Experimenten der Evolution mit ziemlicher Sicherheit keine Fossilien finden werden, weil die ja schnell aussterben. Die Welt argumentiert ” Die Evolution des Flugvermögens verlief alles andere als gradlinig. Es vergingen Millionen Jahre, bis einige Dinosaurier fliegen konnten” – was zwar richtig ist, aber nichts über die Ge- oder Missglücktheit von Yi qi aussagt; die Evolution ist ja kein Ingenieurbüro, das den Auftrag hatte, einen aktiven Flieger zu entwickeln, und auch heute würde man ja nicht sagen, dass Flughörnchen ein missglücktes Experiment der Evolution sind – sie sind an ihren Lebensraum angepasst und haben dafür mit ihren Flughäuten eine gute Überlebensstrategie entwickelt, auch wenn sie nicht mal eben über den Atlantik fliegen können.
Immerhin hat der Welt-Artikel den Vorteil, dass er das nature-Video zum Fund eingebettet hat, das tue ich hier auch, denn neben viel überflüssigem Drumherum zeigt es auch schicke Bilder und eine Rekonstruktion und enthält auch ein paar interessante Infos (hat die Specherin was gegen Tauben?) und zeigt die Details des Fossils:
Yi qi zählt zur Gruppe der “Maniraptoren” und ist tatsächlich relativ eng mit Archaeopteryx verwandt – am Kladogram im paper sitzt er dicht neben urzeitlichen Vögeln wie Jeholornis, Archaeopteryx oder Xiaotingia. Andere fliegende Dinos wie Microraptor, der berühmte “Doppeldeckersaurier” sind dagegen im Stammbaum deutlich weiter entfernt und sind eher mit Velociraptor und ähnlichen Dinos verwandt. Es zeigt sich also immer mehr, dass es damals eine große Vielzahl an ganz unterschiedlichen fliegenden oder gleitenden Dinos gab. (Und das ist vermutlich auch das, was die Welt-Schlagzeile eigentlich sagen sollte.)
Faszinierend an Yi qi finde ich auch, dass es ja häufiger Spekulationen über Dinos gibt, die wir noch nicht gefunden haben, oder über ungewöhnliche Dino-Strukturen. Aber dass schon mal jemand vorgeschlagen hat, dass ein gefiederter Dino zusätzlich zu den Federn noch eine Flughaut hat, daran kann ich mich nicht erinnern – die Wirklichkeit übertrifft die Fantasie eben doch meistens.
Xing Xu, Xiaoting Zheng, Corwin Sullivan, Xiaoli Wang, Lida Xing, Yan Wang, Xiaomei Zhang, Jingmai K. O’Connor,Fucheng Zhang & Yanhong Pan
A bizarre Jurassic maniraptoran theropod with preserved evidence of membranous wings
www.nature.com/doifinder/10.1038/nature14423
Kevin Padian
Dinosaur up in the air
doi:10.1038/nature14392
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