Dass die Quantenmechanik seltsame Vorhersagen macht, die unserer (klassischen) Intuition widersprechen, ist ja nichts neues. Ein aktuelles Experiment demonstriert sehr eindrucksvoll, wie seltsam die Quantenmechanik tatsächlich ist.

Zugegeben, der eigentliche Aufbau des Experiments ist ziemlich komplex und erfordert abgefahrene moderne Quanten-Techniken wie etwa “Quantenzustandstomographie”, von denen ich auch nur ein paar Ideen verstehe.  Aber zumindest das Prinzip ist eigentlich nicht so schwer zu verstehen, die Details überlassen wir dann des Expertinnen…

Für das Experiment verwendet man Licht, das man auf einen halbdurchlässigen Spiegel schickt. Diesen Aufbau habe ich schon vor langer Zeit mal benutzt, um die Seltsamkeiten der Quantenmechanik (QM) zu erklären:

halbdurchlaessigNeu

Von links kommt ein Photon und hat am Spiegel eine 50%-Chance, nach rechts sowie eine 50%-Chance, nach oben zu fliegen. Dort sitzen Alice und Bob, zwei Physikerinnen*, die mit dem Photon herumexperimentieren können.
*Ja, wie im Moment üblich bekommt auch Bob eine grammatikalisch weibliche Form

Jede von beiden kann natürlich nur ganze Photonen messen – wenn also Alice ein Photon misst, misst Bob keins, und umgekehrt. Das allein könnte man also auch mit den Mitteln der klassischen Physik erklären – das Photon fliegt eben entweder in die eine oder die andere Richtung. In meinem  Text von damals habe ich nicht genau erklärt, wie man sicherstellen kann, dass das Photon in Wahrheit tatsächlich in einer seltsamen Überlagerung aus beiden Möglichkeiten ist und dass es sozusagen gleichzeitig bei Alice und Bob sein kann (jedenfalls solange, bis man es misst) . Genau das tut das hier vorgestellte Experiment. (Andere haben das auch schon vorher gemacht, aber dieses Experiment zeichnet sich dadurch aus, dass es die Effekte besonders klar zeigt.)

Hier ein Blick auf den Aufbau – Ihr seht, dass das Grundprinzip mit dem Spiegel dasselbe ist wie oben, aber der Rest ist “etwas” komplizierter:

qmKollaps1

Fuwa et al., s.u.

Am halbdurchlässigen Spiegel wird das Photon “geteilt” und fliegt dann zu Bob und Alice (ich denke mal, die Verbindung oder Verschränkung zwischen den beiden Möglichkeiten soll durch die graue Schleife bei “50:50” angedeutet werden.) Alice macht dann verschiedene Experimente mit dem Photon – insbesondere solche, bei denen sie die Polarisation des Photons messen kann. Bob misst ihrerseits (*s.o.) ebenfalls (mit Hilfe der “Quanten-Tomographie”) das Photon.

Das Ergebnis eines einzigen Experiments hängt in der QM ja (fast) immer vom Zufall ab. Macht man aber sehr viele Experimente, so kann man eine Statistik bekommen und kann dann etwas über den Zustand der Photonen erfahren. Bob tut genau das: Sie misst beispielsweise die Polarisation der Photonen (also die Schwingungsebene des elektrischen Feldes – ausführlich hier erklärt) und ihre Phase (genauer gesagt, die “Quadraturen” – schaut bei Wikipedia dazu, ich vertiefe das vorsichtshalber nicht, weil mir nicht zu 100% klar ist, wie genau die Messung funktioniert, der Methodenteil ist sehr knapp…).

Bob hat zunächst keine Ahnung, was Alice auf ihrer Seite tut. Deswegen bekommt Bob ein statistisches Mischmasch aller möglichen Zustände, etwa so:

qmKollaps2

Fuwa et al., s.u.

Alice kann aber auf ihrer Seite Messungen machen und den Zustand des Photons auf diese Weise beeinflussen. Beispielsweise kann sie an der Phase des Photons drehen und diese beeinflussen. Diese Beeinflussung der Phase macht sich dann entsprechend auch bei Bob bemerkbar.  Etwas ähnliches haben wir vor langer Zeit hier schon mal diskutiert, da war es aber ein reines Gedankenexperiment, das zwei Teilchen verwendete. Hier ist das ganze jetzt weiter verschärft, weil es ein einziges Photon ist, an dem manipuliert wird.

Nehmen wir an, dass Alice ihre Experimente macht bevor Bob irgendetwas misst. Dann ist unser Photon – nach den Regeln der Qm – also erst einmal in einem Zustand, bei dem es zum Teil in Richtung Alice und zum Teil in Richtung Bob unterwegs ist. Wenn jetzt Alice den Zustand des Photons manipuliert, dann ändert sich der Gesamtzustand des Photons, also auch der Teil, der in Richtung Bob unterwegs ist. Auf diese Weise kann Alice also den Zustand, der bei Bob ankommt, manipulieren. (Ich muss allerdings leider zugeben, dass ich an dieser Stelle die Formeln im paper nicht ganz nachvollziehen konnte – bevor Bob die Messung macht, ist der Zustand bei ihm eine Überlagerung aus einem 1-Photon-Zustand und dem Vakuum-Zustand; die Messung von Alice beeinflusst diesen Zustand. Bei der Rechnung wird dann mit Dichtematrizen hantiert – aber wie das für eine einzelne Messung funktioniert, ist mir nicht klar, vermutlich fehlt mir da irgendein Verständnistrick in Sachen Quantentomographie und “homodyne measurement”. Falls jemand das kurz erklären kann oder einen Link parat hat, hinterlasst gern einen Kommentar.)

Bob merkt davon zunächst aber nichts – denn was genau Alice getan hat, kann er nicht wissen. Er sieht ja nur das Bild von oben mit dem gleichmäigen Mischmasch.

Jetzt kann Alice aber Bob sagen, wann sie den Zustand ihres “Anteils” des Photons wie beeinflusst hat, also wann sie welche Messung gemacht hat. Der Einfachheit halber beschränken wir uns auf zwei Möglichkeiten für Alices Messung, kurz mit “+” und “-” gekennzeichnet. Bob teilt jetzt seine Ergebnisse entsprechend auf, je nachdem, ob Alice ein + oder ein – gemessen hat. So sieht sein Ergebnis aus:

qmKollaps3

Die Ergebnisse von Bob und Alice sind also klar korreliert: je nachdem, was bei Alice passiert, ändern sich die Ergebnisse bei Bob. Das Photon muss also tatsächlich in irgendeiner Weise an beiden Orten zugleich sein – welche Ergebnisse die Messung bei Bob zeigt, lässt sich durch die Messung von Alice beeinflussen.

Merken kann Bob die Beeinflussung aber nur durch einen Vergleich der Ergebnisse mit Alices Messung von + oder -; ohne diesen Vergleich sieht Bob nur den Mischmasch von oben mit der gleichmäßigen Verteilung. Die Methode kann also definitiv nicht dazu verwendet werden, um Nachrichten zu schicken, weil Bob immer noch die Extra-Information über Alices Messung braucht.

Falls ihr euch übrigens die Frage stellt, wie das Experiment zur speziellen Relativitätstheorie passt (eine hinreichend schnell bewegte Beobachterin sieht ja Bobs Messung vor der von Alice) – es ist zwar im paper nicht erklärt, aber das Experiment ist in der Hinsicht letztlich symmetrisch, soweit ich sehe. Wir können genauso gut sagen, dass es Bobs Messung ist, die den Zustand des Photons festlegt und die dann die Messung von Alice beeinflusst.

Das Experiment zeigt aber noch einmal ganz klar, dass das Photon in dem Moment, wo Alice ihre Messung macht, in einem überlagerten Zustand ist. Wäre es eindeutig schon auf dem Weg zu Bob, dann könnte das, was Alice tut, ja keinen Einfluss mehr haben. Die Quantenwelt ist also wirklich ziemlich seltsam.

               

Fuwa, Maria, et al. “Experimental proof of nonlocal wavefunction collapse for a single particle using homodyne measurements.” Nature communications 6 (2015).

Kommentare (88)

  1. #1 Eheran
    14. Juni 2015

    Wie werden denn aus dem Mischmasch die zwei Ergebnisse “extrahiert”? Wenn ich dazu extra-Informationen von Alice brauche… dann habe ich doch gar keine Veränderungen gemessen?

    Ich stelle mir grad vor wie irgendwelche Esoetriker so argumentieren 😀

  2. #2 dgbrt
    14. Juni 2015

    Das EPR Paradoxon (https://en.wikipedia.org/wiki/EPR_paradox) ist ja eigentlich schon eine alte Geschichte.

    Die QM ist nach wie vor nicht zu verstehen, wenn man einfaches menschliches Verständnis als Grundlage nimmt. Da ist auch schon Einstein drüber gestolpert, wie es mir immer noch heute geht. (Ich möchte mich natürlich nicht mit Einstein vergleichen).

    “Gott würfelt nicht” soll Einstein mal gesagt haben, und bei allen Messungen die Alice und Bob machen ist einfach der/die erste, wodurch die Messung eindeutig wird.

    Man sollte sich nicht die QM mit einem Teilchen-Paar versuchen zu erklären. Das geht schon bei dem berühmten “Spalt-Experiment” nicht.

  3. #3 MartinB
    14. Juni 2015

    @Eheran
    Bob kann ja die Experimente durchnummeirieren und dann vergleichen – oder was meinst du?

    @dgbrt
    ” wenn man einfaches menschliches Verständnis als Grundlage nimmt.”
    Also eigentlich kommen wir Menschen ganz gut mit der Qm klar – sonst könnten wir ja solche Experimente nicht planen oder durchführen.
    Das mit dem Teilchenpaar verstehe ich nicht, hier geht es ja nur um ein Teilchen.

  4. #4 Artur57
    14. Juni 2015

    Was mich etwas wundert: ein und dasselbe Photon soll sowohl bei Alice als auch bei Bob eine Reaktion hervorrufen, je nach “Überlagerungszustand”? Dagegen spricht dieses Experiment:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Wechselwirkungsfreie_Quantenmessung

    Hier ist nur ein einziges Photon unterwegs und es nimmt eindeutig einen Weg, entweder links oder geradeaus. Aber auch wenn es nicht den Weg mit der Bombe nimmt, so “weiß” es trotzdem um die Bombe im anderen Weggang. Es existiert also bereits am Halbspiegel ein gewisses “Vorwissen”, was wir hier auch wieder finden. Das Vorwissen bezieht sich auf Alices Manipulationen, welches die Entscheidung, welcher Weg zu nehmen ist, beeinflusst.

    Noch weiter geht dieser Versuch aus der Delayed-Choice-Serie. Kurz gesagt: das “Vorwissen” über den künftigen Weg scheint sich überlichtschnell auszubreiten. Die Autoren sahen sich zur Annahme einer “Pilotwelle” genötigt. Tachyonen? Im Grunde genommen die einzig plausible Erklärung.

    https://arxiv.org/ftp/quant-ph/papers/0409/0409059.pdf

  5. #5 Niels
    14. Juni 2015

    @Artur57

    Hier ist nur ein einziges Photon unterwegs und es nimmt eindeutig einen Weg, entweder links oder geradeaus.

    Nein, eben nicht. Es befindet sich in einem Überlagerungszustand, bis entweder die Bombe explodiert (Wahrscheinlichkeit 50%) oder es in Detektor 1 (Wahrscheinlichkeit 25%) bzw. Detektor 2 (Wahrscheinlichkeit 25%) gemessen wird.
    Der Witz ist also, dass man eine Wahrscheinlichkeit von 25% hat, eine scharfe Bombe im Strahlengang vorherzusagen, ohne sie zur Explosion zu bringen. (Mit 50% hat man Pech gehabt und der Aufbau explodiert, bei den übrigen 25% ist keine Aussage möglich, man muss das Experiment wiederholen.)
    Durch geschickte Variation des Experiments kann die Vorhersagewahrscheinlichkeit sogar von 25% auf 100% erhöhen.

    Es existiert also bereits am Halbspiegel ein gewisses “Vorwissen”, was wir hier auch wieder finden.

    Nein, das ist nicht so.

    Noch weiter geht dieser Versuch aus der Delayed-Choice-Serie. Kurz gesagt: das “Vorwissen” über den künftigen Weg scheint sich überlichtschnell auszubreiten. Die Autoren sahen sich zur Annahme einer “Pilotwelle” genötigt. Tachyonen? Im Grunde genommen die einzig plausible Erklärung.

    Ich hab nur kurz ins Paper geschaut. Die Autoren reden über das “De Broglie-Bohm picture”.
    Es geht also um die bohmsche Mechanik.
    Dabei handelt es sich um eine bestimmte Interpretation der Quantenmechanik, und zwar um eine nichtlokale und deterministische Interpretation.
    Hier gibt es also tatsächlich “Vorwissen” und überlichtschnelle (eigentlich sogar instantane) “Ausbreitung”.
    Da kommen dann auch die “Pilotwellen” ins Spiel, auf englisch nennt man diese Theorie sogar “pilot wave theory”.

  6. #6 Strudel
    14. Juni 2015

    Danke für den interessanten Artikel!

    > Merken kann Bob die Beeinflussung aber nur durch einen
    > Vergleich der Ergebnisse mit Alices Messung
    Warum ist das in diesem Fall so? Ich dachte das ist gerade der Kniff bei der Quantenkryptografie, dass durch eine statistische Analyse der Mithörer entdeckt werden kann.

  7. #7 tinkabell
    unwichtig
    15. Juni 2015

    Was wenn es ein Rückkopplungseffekt ist? Ich teile Einsteins satz. Gott würfelt nicht, mit anderen Worten das kausale Prinzip was sich im großen zeigt muss auch im kleinen exestieren. Die frage ist also, welchen Prozess fehlinterpretieren wir?

  8. #8 Artur57
    15. Juni 2015

    @Niels

    Danke für die Antwort. Du schreibst:

    “Nein, eben nicht. Es befindet sich in einem Überlagerungszustand, bis entweder die Bombe explodiert (Wahrscheinlichkeit 50%) oder es in Detektor 1 (Wahrscheinlichkeit 25%) bzw. Detektor 2 (Wahrscheinlichkeit 25%) gemessen wird.”

    Aber was zwingt uns zu der Annahme eines Überlagerungszustandes? Es handelt sich ja dann gewissermaßen um eine Bilokation eines einzigen Photons. Das entzieht sich wirklich jeder Anschauung und es ist schon die Frage, ob wir diese Annahme tatsächlich brauchen.

    Dieses Zitat aus dem Paper sagt, dass ein einzelnes Photon sowohl in Alices wie auch Bobs Detektor eine Reaktion auslösen kann, je nach Überlagerungszustand. Das halte ich durch den Elizur-Versuch für widerlegt. Denn das Photon nimmt tatsächlich nur einen der Wege und kann nur in dem Zweig, in dem es sich befindet, eine Wirkung entfalten, in diesem Fall das Zünden der Bombe. Eine “Halbzündung” und somit Zwischenzustände, gibt es nicht.

    Um nun alle drei Versuche befriedigend zu erklären, kommt man wohl um die Pilotwelle nicht herum. Immerhin scheint diese These den Status “diskutabel” zu haben, wie Du schreibst. Verdient, würde ich sagen.

  9. #9 MartinB
    15. Juni 2015

    @Niels
    “Durch geschickte Variation des Experiments kann die Vorhersagewahrscheinlichkeit sogar von 25% auf 100% erhöhen.”
    Ich glaube, das stimmt nicht ganz – man kann sich den 100% beliebig annähern, sie aber nicht erreichen.

    @Strudel
    Bei der Quantenkryptographie arbeitet man mit zwei verschränkten teilchen, so dass jede eins abbekommt. Das ist hier anders, hier ist es ja nur ein Photon. Auch bei der Quantenkryptographie wird aber durch die Messung verschränkter Zustände allein keine Information übertragen.

    @tinkabell
    ” Ich teile Einsteins satz. Gott würfelt nich”
    Dieser Satz ist nach allem was wir wissen falsch – Gott würfelt. (Auswege bieten nur Dinge wie Viele-Welten-Modelle, aber auch da ist es für jede einzelne Beobachterin letztlich Zufall, ich welchem der vielen Universen sie gerade ist.)

    @Artur57
    “Dieses Zitat aus dem Paper sagt, dass ein einzelnes Photon sowohl in Alices wie auch Bobs Detektor eine Reaktion auslösen kann, je nach Überlagerungszustand.”
    Nein, das geht nicht. Alice kann auf ihrer Seite den Zustand des Photons beeinflussen (z.B. durch einen polfilter o.ä.), aber wenn sie das Photon misst, dann misst Bob es nicht und umgekehrt.

    “Um nun alle drei Versuche befriedigend zu erklären, kommt man wohl um die Pilotwelle nicht herum.”
    Nein, soweit ich sehe sind sich alle gängigen Interpretationen der QM über dieses Experiment einig, egal ob Kopenhagen, Bohm oder Viele-Welten.

    Und auch die Pilotwellentheorie ist nichtlokal.

  10. #10 ulfi
    15. Juni 2015

    Ich habe ein ganz grundsaetzliches verstaendnisproblem: Aus meinem laecherlichen verstaendnis des Doppelspaltexperiments geht doch hervor, dass bei einer Messung der Wellencharakter des Teilchens verloren geht und in dem moment nicht mehr das Teilchen durch beide Schlitze geht.

    Muesste, wenn Alice das Teilchen misst, nicht aehnliches passieren, denn nun muss es sich ja “entscheiden” ob es reflektiert wird oder nicht.

  11. #11 Niels
    15. Juni 2015

    @MartinB
    Stimmt, da war ich zu ungenau.

  12. #12 MartinB
    15. Juni 2015

    @ulfi
    Alice misst das Teilchen ja zunächst nicht, sie manipuliert im ersten Schritt nur seine Phase. Erst hinterher misst dann entweder sie oder Bob das Photon. (Das ist hier genau der knifflige Trick.)

  13. #13 Niels
    15. Juni 2015

    @MartinB

    Dieser Satz ist nach allem was wir wissen falsch – Gott würfelt.

    Na ja, so einfach kann man das aber auch nicht sagen. Schließlich gibt es ja außer many-minds und many-worlds noch andere deterministische Interpretationen. Etwa die schon erwähnte bohmsche Mechanik oder die time symmetric quantum mechanics.
    Da würfelt Gott sicherlich nicht.

    Einstein hat mit “Gott würfelt nicht” natürlich gemeint, dass die Quantenmechanik zu einer klassischen Theorie vervollständigt werden müsste, also realistisch und lokal sein sollte.
    Das ist selbstverständlich experimentell wiederlegt.
    Ohne diese Zusatzerklärung finde ich deine Aussage aber problematisch.

  14. #14 MartinB
    15. Juni 2015

    @Niels
    Du hast konzeptionell recht – für alle praktischen Zwecke ist es aber doch egal, ob ein Zufallsprozess in einem einzigen Universum entscheidet, was passiert, oder ob sich das Universum in viele aufspaltet und jede einzelne Beobachterin nicht erklären kann, warum in ihrem Universum gerade dieses Messergebnis herauskam. Das wollte ich mit meinem Nachsatz andeuten.

  15. #15 Realistischer
    15. Juni 2015

    Wieso muss man die Ergebnisse von A und B verlgeichen? Kann man nicht vorab festlegen dass A in einem bestimmten Zeitfenster bestimmte Messungen vornimmt und in einem anderen andere … dann müsste B das in seinen Ergebnissen erkennen könnten, somit wäre eine Nachrichtenübertragung möglich. Warum macht man das Experiment nicht so, würde es dann etwa nicht mehr funktionieren? Das ist doch die grundlegende Kritik an der “Quantenteleportation” u.ä.: es wird theoretisch etwas versprochen, das aber praktisch doch nicht geht.

  16. #16 Harleaquin
    15. Juni 2015

    @Realistischer
    Ob das Photon gespiegelt wird ist immernoch zufällig. Daher weiß werder A noch B das wievielte abgesendete Photon es gerade gemessen hat. Daher kann man im Vorfeld dummerweise nichts absprechen.

  17. #17 MartinB
    15. Juni 2015

    @realistischer
    “Das ist doch die grundlegende Kritik an der “Quantenteleportation” u.ä.: es wird theoretisch etwas versprochen, das aber praktisch doch nicht geht.”
    ??Die Quantenteleportation ist experimentell sehr gut nachgewiesen, sie geht also auch “praktisch”.

  18. #18 Volker Distelrath
    Waakirchen
    15. Juni 2015

    @martin
    Wenn schon diese Albernheit mit Alice und Bob (beide” sie”), dann bitte auch konsistent durchhalten.
    Wenn ich mich recht erinnere dann hat Prof. Anton Zeilinger in Wien dieses und viele ähnliche und recht komplexe Experimente über große Entfernungen durchgeführt. Hättest Du mal erwähnen können.

  19. #19 MartinB
    15. Juni 2015

    @Volker
    “dann bitte auch konsistent durchhalten.”
    Nörgelst du auch sonst bei jedem Blog, wenn irgendwo etwas nicht 100% korrekt ist? (Nett wäre wenigstens gewesen zu sagen, wo ich nicht konsistent war.)

    Und nein, dieses Experiment hat Zeilinger nicht durchgeführt – seine Experimente funktionieren anders.

  20. #20 Realistischer
    15. Juni 2015

    @Harleaquin
    Man könnte vorab festlegen dass A die erste Halbzeit der Testreihe eine Art von Messungen/Manipulationen durchführt, und die zweite Halbzeit eine andere Art. Das ist doch naheliegend, jedenfalls für mich.
    @MartinB
    Die Quantenteleportation kann für die Nachrichtenübermittlung verwendet werden? Davon habe ich noch nie gehört! Es legt zwar der Begriff nahe, und auch die Erklärung, dass erst mit der Messung des einen Teils auch der andere Teil festgelegt würde … aber seltsamer Weise endet diese Wechselwirkung immer dort, wo man nach einer Verwendbarkeit für die Nachrichtenübertragung fragt. Das ist doch sehr erklärungsbedürftig, finde jedenfalls ich.

  21. #21 MartinB
    15. Juni 2015

    @Realistischer
    “Die Quantenteleportation kann für die Nachrichtenübermittlung verwendet werden?”
    Nein, aber da das auch niemand jemals behauptet hat, ist deine Aussage “es wird theoretisch etwas versprochen, das aber praktisch doch nicht geht.”
    trotzdem falsch.

    Was den anderen teil deiner Frage angeht – das paper ist an der Stelle sehr knapp, aber soweit ich es sehe, braucht Bob sowohl die Information, was Alice eingestellt hat, als auch die, was bei der jeweiligen Messung herausgekommen ist, um seinen Plot in die zwei Teile aufzutrennen.

  22. #22 Niels
    16. Juni 2015

    @MartinB

    Du hast konzeptionell recht – für alle praktischen Zwecke ist es aber doch egal, ob ein Zufallsprozess in einem einzigen Universum entscheidet, was passiert, oder ob sich das Universum in viele aufspaltet und jede einzelne Beobachterin nicht erklären kann, warum in ihrem Universum gerade dieses Messergebnis herauskam. Das wollte ich mit meinem Nachsatz andeuten.

    Schon klar.
    Ich wollte darauf hinaus, dass es bei anderen deterministischen Interpretationen wie etwa der Bohmschen Mechanik aber gar keine derartige Aufspaltung gibt.

    Ein Beobachter kann natürlich dennoch nicht vorhersagen, dass gerade dieses Messergebnis herauskommt.
    Trotzdem hat “Gott” nicht gewürfelt, das Ergebnis stand seit dem Urknall fest.

    Aber offensichtlich reden wir gerade aneinander vorbei. Das ist dir schließlich alles absolut klar.
    Ich sehe aber leider gerade nicht, wobei und warum ich dich falsch verstehe?

  23. #23 MartinB
    16. Juni 2015

    @Niels
    O.k., wahrscheinlich war ich einfach zu lax.
    Das statement von tinkabell war ja, dass Gott nicht würfelt und dass wir nach einem Weg suchen sollen, die Kausalität wiederherzustellen. Und wenn ich es richtig sehe, dann ist es im Moment so, dass es zwar denkbar ist, dass Gott nicht würfelt, dass es aber für uns unmöglich ist, unser Universum von dem mit einem würfelnden Gott zu unterscheiden. Entsprechend ist es nicht sinnvoll, da nach Auswegen zu suchen, um die kausalität wieder herzustellen.

  24. #24 Niels
    16. Juni 2015

    @MartinB

    Und wenn ich es richtig sehe, dann ist es im Moment so, dass es zwar denkbar ist, dass Gott nicht würfelt, dass es aber für uns unmöglich ist, unser Universum von dem mit einem würfelnden Gott zu unterscheiden.

    Sehe ich jedenfalls auch so.

    Entsprechend ist es nicht sinnvoll, da nach Auswegen zu suchen, um die kausalität wieder herzustellen.

    Okay, da habe ich tinkabell einfach anders verstanden.
    Ich bin davon ausgegangen, dass es um die grundlegenden Aussagen der QM über die Realität selbst geht und nicht um die prinzipiellen Erkenntnisgrenzen für den Menschen.
    Ist für die physikalische Eindeutigkeit einer Aussage eben nicht unbedingt hilfreich, wenn man Gott mit ins Spiel bringt. 😉

  25. #25 Herr Senf
    16. Juni 2015

    zu#14/22: “… in einem einzigen Universum entscheidet, was passiert, oder ob sich das Universum in viele aufspaltet und jede einzelne Beobachterin nicht erklären kann, warum in ihrem Universum …”
    Diese Lesart der VWI “Aufspaltung in Universen” ist ein bissel zu “populistisch”.
    Es handelt sich doch vielmehr um eine Superposition von (vielen) Zweigen,
    wobei durch Dekoheränz die “nicht gebrauchten” verschwinden.
    Eine Interpretation “ersetzt” eine andere, um den Kollaps der WeFu zu umgehen.
    Es bleibt bei einer Beobachterin, es werden nicht irgendwo geklont immer mehr.

  26. #26 MartinB
    17. Juni 2015

    @Niels
    “Ich bin davon ausgegangen, dass es um die grundlegenden Aussagen der QM über die Realität selbst geht”
    Dagegen sprach für mich der Satz “welchen Prozess fehlinterpretieren wir?” Der deutet ja an, dass die stochastische Interpretation echt falsch ist.

    @Herr Senf
    Ja, da hast du recht, ich habe mich mal wieder sejr salop ausgedrückt…

  27. #27 omnibus56
    20. Juni 2015

    Ich denke, dass die Verständnis-Probleme aus dem falschen Verständnis herrühren, dass ein Photon ein lokalisierbares “kompaktes Teilchen” (vergleichbar einer Billardkugel) sei. Dem ist aber nicht so. Ein Photon kann nur in bestimmter Art und Weise gemessen werden, s. d. es wie ein Teilchen erscheint. Wenn man sich von der Vorstellung des Photons als eines “kompakten Teilchens” löst, und es als ein den Experimentaufbau durchdringendes Feld betrachtet, verschwindet das Problem. Eine Messung (Beeinflussung) des Feldes hat einen Einfluss auf

  28. #28 omnibus56
    20. Juni 2015

    oops

    …Eine Messung (Beeinflussung) des Feldes an irgendeinem Ort (Alice) hat einen Einfluss auf das Feld insgesamt (also auch bei Bob und seine Messung).

  29. #29 Stefan
    München
    23. Juni 2015

    Kann sich irgendjemand vorstellen, dass die Quantenmechanik zur Hälfte falsch ist?
    Kann sich jemand vorstellen, dass die Resultate der QM zwar richtig (und sehr beeindruckend), aber die Voraussetzungen falsch sind?
    Kann sich jemand vorstellen, dass ein Elektron sehr wenig (fast nichts) mit der Wellenfunktion gemein hat?

  30. #30 JoJo
    24. Juni 2015

    Ein aktuelles Experiment demonstriert sehr eindrucksvoll, wie seltsam die Quantenmechanik tatsächlich ist.

    Von einem gewissen Standpunkt aus sind solche Experimente ziemlich langweilig: Die QT macht irgendwelche Vorhersagen, und diese werden in einem dazu ersonnenen Experiment bestätigt. Einzig die Finesse des Versuchsaufbaus — die ihren Niederschlag in einer entsprechend komplexen theoretischen Analyse findet — mag Technik-Fans begeistern.

    Für die QT wird es erst dann interessant, wenn sie die Ergebnisse nicht mehr erklären kann…

    Erwähnenswert im Zusammenhang mit solchen Experimenten und deren Ergebnissen ist daher bestenfalls die Begründung, warum das jeweilige Resultat nicht klassisch erklärbar ist (was wohl auch die Intention der Experimentatoren ist), d.h. mögliche Loopholes auszuschließen. Dass Bob z.B. nur ein “statistisches Mischmasch” erkennt, impliziert keineswegs, dass die Daten nicht klassisch mit Alices Daten verbandelt sind, und im Artikel ist in Fig.5 zu erkennen, dass der nichtklassiche Bereich insgesamt ziemlich klein ist. Die Ergebnisse liegen recht nahe an dessen Rand.

    Leider ist für nicht-Experten das Versagen der Klassik nicht gerade offensichtlich, und jeder Teil des Aufbaus und des Formelwerks würde locker einen eigenen Artikel ergeben. Zum Beispiel wie man von (1) auf (2) kommt (die vereinfachte Analyse ohne 0-Photon- und 2-Photon-Zustände). Offenbar hat sich dafür der Begriff “Steering” etabliert um das “spooky” zu vermeiden 🙂

  31. #31 MartinB
    24. Juni 2015

    @Stefan
    Ich kann mir vieles vorstellen, aber zum Aufstellen physikalischer Theorien hilft es wenig, zu sagen “Diese Annahme ist falsch” – man muss auch sagen, was an die Stelle dieser Annahme treten soll und die Konsequenzen berechnen. Ansonsten sind es nette Gedankenspielereien, die machen zwar Spaß, bringen aber nicht viel.

    @JoJo
    In gewisser Weise richtig. Auf der anderen Seite hatte man vor 10 oder 20 Jahren nicht ansatzweise gedacht, dass solche Experimente, die Quantenzustände detailliert untersuchen können, überhaupt jemals möglichs einw ürden, viele Konzepte (auch die Quantentomographie) wurden erst ind en letzten Jahren entwickelt.
    Der Begriff “steering” stammt schon aus der Anfangszeit der QM – dazu gab es auch mehr in diesem Artikel:
    https://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2011/05/29/quantenmechanik-nichtlokalitat-und-unscharfe/

  32. #32 Adent
    24. Juni 2015

    @Stefan

    Kann sich irgendjemand vorstellen, dass die Quantenmechanik zur Hälfte falsch ist?

    Ja, ich aber ich kann mir auch vorstellen, dass sie zu 72% richtig ist. Ich halte ihre Aussage für einen Strohmann, ahnen sie warum?

  33. #33 Stefan
    24. Juni 2015

    @Adent: Was meinen Sie mit Strohmann?
    @Martin: Wenn man nicht nach einer Alternative sucht, wird man auch keine finden.
    Warum sollte man danach suchen??
    Weil die QM das Doppelspalt-Experiment nicht erklären kann. Wir Menschen können das Ergebnis vorhersagen, aber wir haben keine Idee wie das Licht, die Photonen ihr Verhalten erzeugen. Damit aus einer Welle ein Teilchen wird, braucht man ein Wunder. Nun sind wundervollbringende Engel in der Wissenschaft etwas aus der Mode gekommen. Deshalb wurde wohl das schöne Wort Welle-Teilchen-Dualismus erfunden. Aber eine Erklärung ist es nicht.
    An der QM stört die Unverbesserlichen (?) doch nicht die komplexe / komplizierte Mathematik, sondern die widersprüchlichen Annahmen.
    Natürlich muss man nicht nach einer Alternative suchen. Die QM, QED,… liefern hervorragende Ergebnisse. Damit haben sie zweifellos einen hohen Nutzen. Aber sie enthalten auch viele “Engel die Wunder vollbringen müssen”. Man könnte mal wieder die Zahl der Engel verringern.
    Mich erinnert das sehr an das geozentrische Weltbild. Dieses lieferte auch genaue Vorhersagen, verwendete hochsymmetrische Objekte (Kreise) und war gut zu vermitteln. Und es war falsch in seinen Annahmen.

  34. #34 MartinB
    25. Juni 2015

    @Stefan
    Ich glaube, du hast grundlegend missverstanden, was die Aufgabe der Physik ist: es ist nicht die Aufgabe “Erklärungen” zu finden, die in unsere alltäglichen Konzepte passen.
    Eigentlich ist es überhaupt nicht die Aufgabe, Erklärungen zu finden, wie ich mal vor sehr langer Zeit hier geschrieben habe:
    https://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2010/08/31/kann-die-physik-die-welt-erklaren/

    Aber dessen ungeachtet – es ist ein Irrtum, zu glauben, die Physikerinnen würden sich im Erfolg der Theorien sonnen und nie darüber nachdenken, sie durch andere zu ersetzen. Im Gegenteil, vermutlich verwendet jede Physik-Studentin einiges an Gehirnschmalz darauf, zu spekulieren “was wäre wenn…”

    Das Problem ist eben nur, dass das erst dann zur Physik wird, wenn man mehr tut als zu sagen “Diese Annahme der Qm gefällt mir nicht, sie ist unanschaulich, seltsam, wunderlich…”
    Man muss sich überlegen, was an die Stelle dieser Annahme treten soll und was dann die Konsequenzen der neuen Annahme sind. Und da setzt das, was wir wissen (z.B. die Bellsche Ungleichung) sehr enge Grenzen.

    Wenn man populärwissenschaftliche Bücher liest, entsteht oft der Eindruck, dass Physikerinnen einfach mal schnell ein paar alte Ideen über Bord werfen und dafür neue Annehmen und – voila – die Physik ist revolutioniert. Aber da siehst du eben nur die Spitze des Eisbergs und natürlich wird auch hier die Geschichte von den Siegerinnen geschrieben – all die vielen 1000 Irrwege, die die Leute gegange sind und noch gehen, sind oft nicht mal publiziert und werden in üblichen Darstellungen der Physik auch nicht erwähnt.
    Siehe auch diesen Text hier:
    https://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2011/08/13/buchersommer-r-feynman-the-character-of-physical-law-wie-man-neue-gesetze-findet/

    Zur konkreten Frage: Nein, damit aus einer Welle ein Teilchen wird, braucht man kein Wunder. Das teilchenbild ergibt sich im Rahmen der QFT quasi zwangsläufig von selbst aus den Gleichungen, die nur mit Feldern (also letztlich Wellen) anfangen. Ich habe das ein bisschen in Teil 7 oder 8 meiner QFT-Serie erläutert, schreibe aber demnächst vielleicht nochmal was dazu. Es gibt aber auch einen schönen Artikel mit dem Titel “There are no particles, there are only fields” – wir hantieren gern mit dem teilchenbild, weil es anschaulich ist, gewisse Aspekte des Bildes folgen wie gesagt direkt aus der QFT, aber man kann die Welt auch ganz ohne “Teilchen” nur mit Feldern und Wellen beschreiben. (Wobei das Problem des “Kollapses der Wellenfunktion” dadurch zugegebenermaßen nicht gelöst wird – vermutlich ist es eigentlich das, was dich tatsächlich stört.)

    Und widersprüchliche Annahmen macht die QM nicht – sie widersprechen nur unserer Alltagsanschauung, aber es gibt auch keinen besonderen Grund, warum die evolutionär auf das Leben in der Savanne oder einer Eiszeit getrimmten Gehirne makroskopischer Großsäuger so verdrahtet sein sollten, dass ihnen subatomare Prozesse besonders intuitiv sind.

  35. #35 Adent
    25. Juni 2015

    @Stefan
    Die Aussage ist deshalb ein Strohmann, weil natürlich irgendjemand sich vorstellen kann, dass die QM zu 50% falsch ist, jemand anderes kann sich wiederum vorstellen sie sei zu 72% richtig (mein Beispiel) und noch jemand anderes kann sich vorstellen sie sei zu 88% falsch. Da
    jedoch niemand behauptet sie sei zu 100% richtig ist die ganze Frage unsinnig und eine Diskussion darüber geht am Thema vorbei. Sowas nennt man dann einen Strohmann, der von Ihnen aufgestellt wurde.
    Eine korrekte Frage wäre zum Beispiel gewesen: Inwieweit ist die QM abgesichert und was daran könnte verbessert werden? Diese Frage ist neutral und gibt dem Antwortenden Gelegenheit zum Beispiel auszuführen in welchem Rahmen die QM richtige Aussagen trifft und unter welchen Bedingungen Probleme damit bestehen.

  36. #36 Stefan
    25. Juni 2015

    @Adent und @Martin: Das ist dann ein 2:0 für die Voraussetzungen der Quantenmechanik.

    Meine Strohmann-Frage zielte darauf ab, einen Physiker zu finden, der sich trotz aller Erfolge der QM vorstellen kann, dass ein Elektron gar nichts (oder fast nichts) mit der quantenmechanischen Psi-Funktion zu tun hat. (Das hätte übrigens den Vorteil, dass man sie dann auch nicht interpretieren bräuchte.)

  37. #37 MartinB
    25. Juni 2015

    @Stefan
    Wie gesagt, ich kann mir abends beim Spekulieren ne Menge verrücktes Zeug vorstellen – das hat aber mit Physik wenig zu tun.
    Was soll ein Elektron sein? Welche Vorhersagen macht Deine Annahme? Wie passen die zu dem, was wir wissen? Das sind die Fragen, die du beantworten musst, damit aus “Vorstellen können” Physik wird.

    PS: Und bitte sag jetzt nicht, dass du da eine tolle Idee hast, die “nur noch jemand durchrechnen muss” – mails von der Art bekomme ich dauernd…

  38. #38 A-Mol
    25. Juni 2015

    @MartinB

    “…wir hantieren gern mit dem teilchenbild, weil es anschaulich ist…aber man kann die Welt auch ganz ohne “Teilchen” nur mit Feldern und Wellen beschreiben.”

    Warum gibt es dann den Unterschied zwischen Wellen- und Teilcheneigenschaften am Doppelspalt in Abhängigkeit einer Messung? Warum haben Elektronen nach Präzisionsmessungen eine perfekte Kugelgestalt? Die Schrödingergleichung hat nur die Struktur einer Wellengleichung – es “wellt” ja in Wirklichkeit nichts. Also ist es im Prinzip falsch, ein Teilchen nur als Welle zu betrachten.

  39. #39 JoJo
    25. Juni 2015

    Eine Messung (Beeinflussung) des Feldes an irgendeinem Ort (Alice) hat einen Einfluss auf das Feld insgesamt (also auch bei Bob und seine Messung).

    Wenn ich’s recht verstehe, geht es nicht um klassische Felder oder eine Beeinflussung, die sich mit c fortpflanzt. A und B können ebenso raumartig getrennt sein. Der Artikel sagt zwar nichts dazu, und in Experiment sind A und B (vermutlich) nur zeitartig getrennt. Aber sie raumartig zu trennen würde am Ergebnis nichts ändern.

    Wobei das Problem des “Kollapses der Wellenfunktion” dadurch zugegebenermaßen nicht gelöst wird

    Das Problem fängt doch erst an, wenn aus dem Formalismus ontologische Folgerungen gezogen werden, d.h. wenn die Wellenfunktion als Element der Realität (was immer darunter zu verstehen ist) betrachtet wird.

    Die Verwirrung fängt schon damit an, aus Youngs Experiment zu folgern “Licht ist eine EM Welle”. Zu sagen “Licht lässt sich als EM Welle beschreiben“, d.h. nur eine Aussage über die (momentane) Erkenntnis zu machen, ist m.E. die bessere Wahl.

    Welcher physikalische Prozess entspricht dem Kollaps der Wellenfunktion?

    Oder: Welcher physikalische Prozess entspricht der Energieerhaltung? Die Natur verhält sich eben so, dass der Energieerhaltungssatz erfüllt ist. Warum wird der Energieerhaltungssatz nicht ebenso scharf kritisiert wie die QM? Niemand kann erklären, warum dieser Satz gilt.

    Nachdem ein Photon einen Halbspiegel durchlaufen hat gilt für die Anzahl der Photonen, die A und B zusammengezählt beobachten, nun mal A+B = 1, egal wie die Natur dafür sorgt dass dieses “Erhaltungsgesetz” erfüllt ist. Antsprechend gibt es “Invarianten”, die bei Verschränkung erfüllt sind. Wie die Natur das anstellt ist bei Lichte betrachtet nicht weniger intuitiv als Energie- oder Impulserhaltung oder die träge Masse.

  40. #40 MartinB
    25. Juni 2015

    @A-Mol
    Verstehe ich nicht. Selbsterständlich beschreibt man Elektronen zutreffend mit der Quantenfeldtheorie, und die ist eine Theorie von Feldern, nicht von Wellen.
    Und die “Kugelgestalt” des Elektrons bedeutet ja nur, dass man räumlich isotropes Verhalten hat, man kann ein Elektron ja nicht als Kugel beschreiben.

    “es “wellt” ja in Wirklichkeit nichts”
    Wieso nicht? Wenn wir die SGL nehmen, “wellt” die Wellenfunktion (immerhin oszilliert sie), wenn wir Quantenfeldtheorie betreiben, dann haben wir Quantenfelder, die letztlich auch “wellen” (siehe den Artikel neulich über das Photon).

  41. #41 MartinB
    26. Juni 2015

    @JoJo
    Sehe ich anders – die Energieerhaltung ist (Probleme mit der Energiedefinition in der ART mal außen vor gelassen) lokal und kann durch realistische Modelle dargestellt werden. (Sie muss auch lokal sein, sonst könnte man sie verletzen, in dem man sich in ein anderes Bezugssystem setzt.)
    Die QM ist nichtlokal oder/und nicht-realistisch, das ist in meinen Augen schon ganz was anderes.
    Siehe auch hier:
    https://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2012/10/10/quantenmechanik-und-realitat/

  42. #42 Physik-Fan
    26. Juni 2015

    @Stefan
    Kann sich jemand vorstellen, dass ein Elektron sehr wenig (fast nichts) mit der Wellenfunktion gemein hat?

    Betrachten wir das Doppelexperiment (wie Feynman mal sagte, zeigt sich hier bereits die Kernproblematik der Quantenphysik). Man könnte annehmen, dass ein Photon in Wahrheit immer durch einen Spalt geht und dass das Interferenzmuster durch die Wechselwirkung mit anderen Photonen, die sich zur gleichen Zeit im Experimentaufbau befinden, zustandekommt. Wenn man aber die Intensität so runtersetzt, dass im Experimentaufbau pro Zeit im Mittel nur ein Photon vorhanden ist, dann entsteht im Laufe der Zeit genau dasselbe Interferenzmuster! Jedes Photon muss also irgendwie mit sich selbst interferieren, so wie eine Welle es tun, was für ein Teilchen äußerst seltsam ist. Im Wellenmodell des Lichts ist das kein Problem, da interferiert’s immer. Bloß, wie kommen dann die Lichtblitze auf dem Leuchtschirm zustande? Die sind eindeutig scharf lokalisiert. Weitere Experimente zeigen, dass man diese Lichtblitze tatsächlich als Teilchen betrachten kann (z.B. die Streuung beim Comptoneffekt). Was ist das Licht nun? Es scheint irgendwie beides zugleich zu sein.

    Das “Würfelspiel von Gott” zeigt sich darin, dass die einzelnen Photonen scheinbar in einer nicht vorhersagbaren Art und Weise auftreten und die einzige Regelmäßigkeit die statistische Häufigkeit pro Ort ist (womit wir wieder beim Wellenbild sind, nämlich der jeweiligen Lichtintensität gemäß dem Interferenzmuster).

    Noch was zur Bohmschen Formulierung, weil das hier schon erwähnt wurde. Die scheint das die Wellen-Teilchen-Problematik auflösen zu können. Aber schon Einstein, in dessen Weltbild das ja hätte passen sollen, war davon nicht überzeugt. Er meinte, das sei “zu billig”. Die Crux bei Bohm ist die Nichtlokalität des Bohmschen Potentials. Eine Änderung kann überall zugleich eintreten, über beliebige Entfernungen hinweg. Wie das möglich ist, sagt Bohm nicht. Er erkauft also die Auflösung der Welle-Teilchen-Problematik durch das Ad-hoc-Postulat eines Feldes mit nichtlokalen Eigenschaften.

  43. #43 Stefan
    28. Juni 2015

    Wendet man das Poppersche Falsifikationsprinzip auf das Doppelspalt-Experiment an,
    passiert folgendes:

    1. Annahme: Licht ist eine Welle
    Dann kann es aber nicht in einem kleinen Raumbereich auf einem Detektor eine Wirkung erzielen.

    2. Annahme: Licht ist ein Teilchen
    Dann kann es aber nicht beide Spalte des Doppelspalts gleichzeitig “ausleuchten”.

    Folglich ist Licht weder Welle noch Teilchen.

    Frage: Gibt es einen Physiker oder Mathematiker, der dem folgt?
    Den würde ich gerne kennen lernen.

  44. #44 MartinB
    28. Juni 2015

    @Stefan
    Licht ist ein Quantenfeld – es ist weder Welle noch Teilchen, hat aber Aspekte von beidem. Dem sollte eigentlich jede Physikerin folgen können.
    Es ist eine irrige Annahme zu glauben, dass Konzepte wie “Welle” oder “Teilchen”,d ie letztlich auf unsere makroskopisch geprägten Anschauung beruhen, sich direkt in der Quantenwelt wiederfinden müssen.

  45. #45 Gebhard Greiter
    28. Juni 2015

    @MartinB
    Und was genau ist denn nun eigentlich ein Quantenfeld?

  46. #46 MartinB
    28. Juni 2015

    Dafür habe ich ja eine nicht ganz kurze Serie mit dem Titel “Quantenfeldtheorie für alle” geschrieben, sowie diverse andere Texte zum Thema…

  47. #47 Gebhard Greiter
    2. Juli 2015

    @MartinB #46

    Mir scheint der Begriff des Quantenfeldes auch in jener Serie nur indirekt definiert, aber nicht wirklich in der Form: “Unter einem Quantenfeld versteht man …”.

    Deswegen ist mir auch nicht klar, ob die Feldvektoren, denn nun die Werte der Wellenfunktion eines Quantensystems sind oder die Werte der Wirkwahrscheinlichkeit (die sich aus dem Quadrat jener Wellenfunktion ergibt).

    Vielleicht versteht man ja auch beides darunter?

    Und wie kommt in den Feldwerten zum Tragen, dass in einem Quantensystem ja i.A. alle 4 Grundkräfte der Natur eine Rolle spielen? Wie hält das Feld sie auseinander?

    Mindestens die Gravitationskraft ist ja offenbar überhaupt nicht Gegenstand der QFT.

    Ist dann vielleicht jeder der anderen 3 Kräfte ein eigenes Feld zugeordnet?

  48. #48 MartinB
    3. Juli 2015

    @Gebhard
    “Vielleicht versteht man ja auch beides darunter?”
    Nein, man versteht keins von beiden darunter.
    Bei geladenen Teilchen entspricht das Quadrat des Quantenfeldes der lokalen Ladungsdichte.
    Beim Photon entspricht das Feld dem elektromagnetischen (Vektor)-Potential.
    “Wie hält das Feld sie auseinander?”
    Jede Teilchensorte hat ihr eigenes Quantenfeld – es gibt das Elektronfeld, das Neutrinofeld, usw. Entsprechend gibt es auch Felder für alle Wechselwirkungen.

  49. #49 Stefan
    4. Juli 2015

    Die Quantenfeldtheorie macht Aussagen über Wechselwirkungen, Streuquerschnitte, Teilchenerzeugung und Vernichtung… Die ermittelten Ergebnisse erreichen zum Teil Genauigkeiten von 10 Dezimalstellen (Google: Precision_tests_of_QED) Dies macht die Quantenfeldtheorie so nützlich.

    Sie stellt dazu – wie bereits vom Martin gesagt – die Objekte (Teilchen…) durch Felder dar. Dies ist eine Annahme.

    Es ist aus mathematischer Sicht unzulässig von der Richtigkeit der Ergebnisse (Streuquerschnitte…) auf die Richtigkeit der Annahme(n) (Objekte sind Felder) zu schließen.

    Zur Klärung oder Erklärung des Doppelspalt-Experiments trägt die Quantenfeldtheorie nichts bei.

    @Martin: Es ist weniger meine Physikausbildung, sondern meine mathematische Ausbildung, die mich hier so aufbegehren lässt.

    Bitte streichen Sie mich von der Liste der Physiker die akzeptieren: “Licht ist ein Quantenfeld”.

    Dr. Stefan Freundt, Abitur an der H2O in Berlin, Physik-Studium in Berlin (Exzitonen in Halbleiterkristalliten), Promotion in Göttingen (Halbleiterphysik, Laserphysik)

    PS: Hätten Sie vielleicht Lust einmal etwas über den Quanten-Hall-Effekt zu schreiben?!

  50. #50 MartinB
    4. Juli 2015

    @Stefan
    Dann ist es letztlich mathematisch genauso unzulaessig, aus dem Bild, das meine Augen empfangen, auf die Existenz des Baums in meinem Garten zu schliessen.
    Kann man so sehen, aber zu jeder Aussage dazuzusagen, dass ich mir nicht zu 100%sicher sein kann, ist ermuedend und wenig erhellend.
    In meinen Augen kann ich “Licht ist ein Quantenfeld” so sagen, wie ich sagen kann “Dieser Tisch ist aus Holz”. Mit absoluter Sicherheit kann ich beides nicht wissen, aber es ist die beste Beschreibung, die mit allen beobachtbaren Fakten uebereinstimmt.
    Was wuerden Sie denn sagen, was Licht ist? Ein simples “wissen wir nicht” akzeptiere ich eher nicht – warum sollten wir dann Physik betreiben, wenn wir nicht annehmen, dadurch irgendetwas ueber die Welt zu lernen.

    Zum QHE zu scgreiben, habe ich im Moment wenig Interesse.

  51. #51 erik d ..
    7. Juli 2015

    Gute Fragen zum richtigen Zeitpunkt bringen auch gute/richtige Antworten.
    Danke für “objekte als Felder” zu betrachten/denken.
    Danke für den Hinweis “QHE”: ein Formalismus, welcher in der Atmosphäre der Erde und in der Festkörperphysik zu finden ist (quasi Fachbereich übergreifend). . . . .. und: nur von fundamentalen Naturkonstanten abhängig ist . . . ..
    ich: da sehe ich das Prinzip von Welle-Teilchen-Dualismus und ein wirken von “lokaler” und “globaler” Gravitation (die Anführungsstriche verwende ich, weil Gravitation sich als ein Feld mit lokal und global wirkenden “Informationsaustausch minus 1 plus +1 = 0” (oder auch Wechselwirkung genannt) darstellt.
    Antwort: Licht ist Wechselwirkung zum zwecke von Informationsaustausch . . . .. diese Antwort wirft wieder Fragen auf . . . .. absolut!!!

    Danke für die Inspiration . . . .. eri . . . ..

  52. #52 eri . . . ..
    8. Juli 2015

    „The Black Hole Information Loss Problem“ von St. Hawking setze ich gegenüber: “… non local wavefunktion collapse for a single particle . . . ”
    Zur Zeit wären meine Worte: “Was war vor dem BigBäng? Das Jetzt!” und Was kommt nach einem Schwarzen Loch? Das selbe Jetzt!” Wer das Jetzt näher beschreiben möchte, schaue auf Einsteins Armbanduhr und verringere die Breite des Sekundenzeigers bis auf die Grösse des Planckschen Wirkungsquantums. Dieser PWq-Zeiger wandelt sich zu einem schmalem Pfad und kann sich nicht in seinem Anfangspunkt zurück ziehen . . . .. weil das π mit seiner unendlich kleinen Unendlichkeit den Kopf des Zeigerpfades am Kreisumfang fest bindet . . . .. eine non local wavefunktion collapse for a single particle wäre keine Lösung, da der unendlich grosse Kreisumfang des Einen BigBäng ihm am verschwinden im Loch behindert . . . ..

    Ff auf fb

  53. #53 Gebhard Greiter
    12. Juli 2015

    @Stefan #49 und MartinB #50

    Physikalische Modelle sind Werkzeuge, die die Physiker ersinnen, um beschreiben und vorherzusagen zu können, wie wir die Natur erleben.

    Wir dürfen nicht glauben, dass sie uns die Natur als das zeigen, was sie wirklich ist, denn das können sie ganz prinzipiell nicht. Niels Bohr etwa hat hierauf immer wieder hingewiesen.

    Der Grund hierfür: Ein allgemein verbindliches, authentisches Bild von der Natur stellt sie uns nicht zur Verfügung.

    Wir kennen sie nur so, wie wir sie wahrnehmen (sprich: wie kennen sie nur aus bestimmten Blickwinkeln heraus und stets nur über beobachterspezifisch erzeugte Eindrücke).

  54. #54 MartinB
    13. Juli 2015

    @Gebhard
    Sicher, dazu habve ich ja schon inreichend oft etwas geschrieben. Es gilt nur eben genauso für jede Aussage, die wir im Alltag machen. Wer also nicht darauf besteht, dass man bei Aussagen wie “dieser Tisch ist aus Holz” entsprechende Einschränkungen macht, sollte das auch nicht für jedes Statement in der Physik fordern.
    Licht ist ein Quantenfeld so wie der Tisch in meinem Wohnzimmer aus Holz ist. Beide Aussagen sind Aussagen darüber, wie ich die Wirklichkeit erkenne.

  55. #55 e . . .
    13. Juli 2015

    . . . .. man könnte verstehen, es könne kein RICHTIG im Denken und Wahrnehmen von Physikerinnen geben . . . .. Mathematik spricht dagegen: eine andere Sprache. Die Gleichung 1+1=2 hat genau nur eine RICHTIGE Lösung und dem gegenüber stehen (∞ minus 1) FALSCHE Lösungen, Aussagen, Anschauungen . . . Meinungen. Aus diesem Zusammenhang heraus kann das Wirken von Gravitation im Kleinen und dem einen Grossen verstanden und beschrieben werden . . . ..

  56. #56 Stefan
    16. Juli 2015

    @Martin und @Gebhard
    Es ist ein Unterschied, ob ich die Planeten-Bewegung im Heliozentrischen oder im Geozentrischen Weltbild beschreibe.
    Im ersteren nehme ich an, dass sich die Planeten in Kreisen um die Sonne, im zweiten, dass sie sich in Kreisen um die Erde bewegen. BEIDE kommen zu richtigen Vorhersagen. Aber nur eines geht von richtigen Annahmen aus. Man kann also aus Falschem sehr gut zu Wahrem kommen. Die Astronomen haben das – wie man weiß – anderthalb Jahrtausende mit großem Erfolg praktiziert.

    Was ich hier vorbringe ist keines dieser fruchtlosen philosophischen Argumente, ob der Mond auch da ist, wenn keiner hinguckt.

    Es geht einzig um mathematische Formalismen. Diese sind meist nur eindeutig, aber nicht eineindeutig. Zum Beispiel kann man von der berechneten Summe nicht zurück auf die Summanden schließen. Das Gleiche gilt für die Betragsbildung. Ist der Betrag einer Zahl =1, gibt es in den reellen Zahlen bereits zwei Möglichkeiten, bei komplexen Zahlen sogar unendlich viele, deren Betrag =1 ist.

    Und jetzt zur QM:
    Die berechnete Wellenfunktion ist komplexwertig und kann nicht gemessen werden (!) was schon schlecht ist. Das Betragsquadrat können wir auch nicht messen. Wir messen im Gegenteil einzelne Lichtblitze (räumlich begrenzte Einzelereignisse). Ich persönlich sehe die Wellenfunktion damit als falsifiziert an – auch wenn ich damit ziemlich alleine stehe. (Wir messen keine Welle – ich kann doch auch nichts dafür.)
    Weiterhin kommt man vom Betragsquadrat nicht zurück auf die komplexwertige Funktion, sondern hat im Gegenteil in jedem Punkt des Raumes unendlich viele Möglichkeiten zur Auswahl.

    Die QFT macht alles nur genauer, aber nicht besser. Es ist nicht möglich von den berechneten Integral-Werten eindeutig auf die Funktionen unter dem Integral zu schließen.

    @Martin: ” … Ein simples “wissen wir nicht” akzeptiere ich eher nicht…”
    Das ist eine sehr interessante Bemerkung. Ich kann sehr gut mit einem “wissen wir nicht” leben. Und so lange niemand eine bessere Idee hat kann man ja immer noch QM und QFT lehren. Deren ingenieursmäßiger Nutzen steht ja außer Zweifel.
    Und wie oben schon erwähnt, sind die Astronomen anderthalb Jahrtausende von Falschem ausgegangen und haben mit Erfolg die Position der Planeten vorhersagen können.

    @Martin: Kennen Sie Bill Bryson: “Eine kurze Geschichte von fast allem.” ??

    VG
    Stefan

  57. #57 Niels
    17. Juli 2015

    @Stefan

    Es ist ein Unterschied, ob ich die Planeten-Bewegung im Heliozentrischen oder im Geozentrischen Weltbild beschreibe.
    […]
    Im ersteren nehme ich an, dass sich die Planeten in Kreisen um die Sonne, im zweiten, dass sie sich in Kreisen um die Erde bewegen. BEIDE kommen zu richtigen Vorhersagen. Aber nur eines geht von richtigen Annahmen aus. Man kann also aus Falschem sehr gut zu Wahrem kommen.

    Wenn das Geozentrischen Weltbild genau genug werden soll, braucht man aber Dinge wie das “Centrum Deferentis”, das “Centrum Equantis” und Epizykel auf Epizykeln auf Epizykeln auf …
    Letztlich nähert man damit über eine Fourier-Entwicklung dem keplersche Modell an, mit unendlich vielen Epizykeln erhält man also eine mathematisch zum heliozentrisches Weltbild äquivalente Beschreibung.

    Dass man aus allgemein aus “Falschem” sehr gut zu Wahrem kommen kann, ist allerdings eigentlich nicht besonders verwunderlich, oder?
    Wir rechnen schließlich praktisch nie mit der Quantenfeldtheorie, sondern fast immer mit irgendwelchen Modellen, die für das betrachtete Problem eine hinreichend genaue Näherung liefern. Das sind natürlich immer Grenzfälle (unter bestimmte Bedingungen und damit für bestimmte Gültigkeitsbereiche ) einer fundamentalen Theorie.
    Bei der Quantentheorie verhält sich das mit Sicherheit auch nicht anders, auch hier werden wir irgendwann noch fundamentalere Theorien finden.
    Die Grenzfälle sind damit aber natürlich nicht einfach falsch, sondern eben Grenzfälle und damit Näherungslösungen.

    Das Betragsquadrat können wir auch nicht messen.

    Doch?
    Das Betragsquadrat der Wellenfunktion ergibt die Wahrscheinlichkeitsdichte, die kann man doch durchaus bestimmen. Zum Beispiel kann man Atomorbitale ausmessen.

    Die berechnete Wellenfunktion ist komplexwertig und kann nicht gemessen werden (!) was schon schlecht ist.

    In der Physik gibt es nicht nur Messgrößen. Auch außerhalb der Quantenmechanik tauchen Dinge wie etwa die Wirkung auf und in der Quantenphysik gibt es noch ziemlich viele andere Größen, die man ebenfalls nicht messen kann.
    Auch eine noch fundamentalere Theorie wird mit Sicherheit nicht ausschließlich nur mit Messgrößen auskommen.

    Es ist nicht möglich von den berechneten Integral-Werten eindeutig auf die Funktionen unter dem Integral zu schließen.

    Verstehe ich nicht. Aus Größen wie der elektrischen Gesamtladung kann man doch selbstverständlich auch nicht auf die Ladungsverteilung und aus der Schwerpunktbewegung nicht auf Einzelimpulse schließen.

    Es geht einzig um mathematische Formalismen. Diese sind meist nur eindeutig, aber nicht eineindeutig.

    Wie gesagt, das passt doch zur beobachteten physikalischen Umwelt? Eine Messgröße gehört doch auch nicht eineindeutig zu einem einzigen physikalischen System.

    Ich kann sehr gut mit einem “wissen wir nicht” leben. Und so lange niemand eine bessere Idee hat kann man ja immer noch QM und QFT lehren.

    Na ja, diese bessere Idee wird auch wieder ein bestimmter Grenzfall einer noch fundamentaleren Idee sein. Zumindest wird man nie das Gegenteil beweisen können.

    Da unsere fundamentalsten physikalischen Theorien eben exakt das am besten bestätigte Modell unsere Realität sind und die genausten Vorhersagen ermöglichen, “wissen” wir mit dem von dir formulierten Anspruch dann aber doch überhaupt nichts. Schließlich ist alles andere noch weniger gesichert.

    Wobei die Physik letztlich immer nur das “Wie” erklären kann, nicht das “Warum”. Vielleicht liegt ja hier das Problem?
    Siehe auch Kann die Physik die Welt erklären?

  58. #58 MartinB
    17. Juli 2015

    @Niels
    “Letztlich nähert man damit über eine Fourier-Entwicklung dem keplersche Modell an, mit unendlich vielen Epizykeln erhält man also eine mathematisch zum heliozentrisches Weltbild äquivalente Beschreibung.”
    Danke, dass du das mal explizit so sagst – ich habe immer vermutet, dass das so ist, es aber nie irgendwo gelesen.

    @Stefan
    “Ich persönlich sehe die Wellenfunktion damit als falsifiziert an – auch wenn ich damit ziemlich alleine stehe.”
    Man kann auch z.B. statische elektrische Felder nicht direkt “messen” – wir messen Kräfte auf Testladungen (und die Kräfte wiederum messen wir durch Auslenkungen im Raum o.ä.).
    Die Annahme der klassischen Physik, dass ein Feld eine an jedem Raumpunkt definierte Größe ist, ist auch etwas, das wir nie real nachmessen können:
    https://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2010/08/17/ist-die-klassische-physik-anschaulich-teil-3-felder/
    Was wir in der Physik tun, ist (siehe auch den von Niels verlinkten Text) Beschreibungen der Welt zu finden, mit denen wir unsere Beobachtungen auf möglichst einfache Weise möglichst genau beschreiben und ggf. neue vorhersagen können.
    In wie weit wir dann den mathematischen Entitäten der Theorie “Realität” zusprechen, ist letztlich immer eine offene Frage (wobei die QM da natürlich schon eine neue Dimension aufmacht) – man hat ja seinerzeit z.B. den Äther eingeführt, weil man dem mathematischen Konzept “Feld” eben keine Realität zusprechen wollte.
    Ob die Wellenfunktion “real” ist, dazu gibt’s ja auch nen Text hier
    https://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2012/10/10/quantenmechanik-und-realitat/

    “Das ist eine sehr interessante Bemerkung. Ich kann sehr gut mit einem “wissen wir nicht” leben. Und so lange niemand eine bessere Idee hat kann man ja immer noch QM und QFT lehren.”
    Ich habe prinzipiell auch kein Problem, etwas nicht zu wissen. Aber beim Licht wissen wir eben verdammt gut, wie es sich benimmt und dass wir es mit Quantenfeldern beschreiben können – bisher gibt es meines Wissens keine Beobachtung, die dem entgegensteht. Jetzt haben wir zwei Möglichkeiten. Wir können sagen
    1. Licht verhält sich so, dass es durch ein Quantenfeld beschrieben werden kann – also *ist* Licht ein Quantenfeld. oder
    2. Licht verhält sich so, dass es durch ein Quantenfeld beschrieben werden kann, aber da das Verhalten von Quantenfeldern nicht meinen Vorstellungen von dem entspricht, was “Realität” sein sollte, glaube ich trotzdem nicht, dass es ein Quantenfeld ist – es kann nur so beschrieben werden.

    Ist ein bisschen analog zum Turing-test – was sich wie ein intelligentes Wesen verhält, ist für mich eins, aber viele Dualistinnen sehen das ja anders (und haben seltsame Ideen von “Zombies” etc.). Ich sehe nicht, warum unsere Gehirne, die evolutionär für ganz andere Aufgaben erfunden wurden, unbedingt die richtigen Konzepte zum Thema “Realität” verwenden sollten, die auch auf Quantenebene noch passen.

  59. #59 Stefan
    24. Juli 2015

    @Niels
    “Letztlich nähert man damit über eine Fourier-Entwicklung dem keplersche Modell an…”

    Das ist eine sehr starke Behauptung.
    Sie haben da sicherlich eine präzise mathematische Herleitung, die Sie durchgearbeitet haben
    und die Sie mir zuschicken können. Ich möchte das gerne einmal nachrechnen.

    stefan.freundt@web.de

    Es ist nämlich nicht zusehen, wie man aus einer immer genaueren Berechnung des Winkels “en passant”
    auch den Abstand korrigiert.

    Meiner Meinung nach kann man mit der geozentrischen Epizykel-Theorie die Winkel beliebig genau bestimmen
    und liegt beim Abstand Erde Planet trotzdem beliebig falsch.
    In diesem Fall nähert man sich auch mit unendlich vielen Epizyklen NICHT dem heliozentrischen Welbild an.

    @Martin
    So lange Sie glauben, mit dem geozentrischen Weltbild auf natürliche Weise beim helozentrischen Weltbild
    herauszukommen, habe ich keine Chance.
    Auch an Sie die Frage: Wieso sollte eine immer genauere Berechnung der Winkel auch den Abstand korrigieren???

  60. #60 MartinB
    24. Juli 2015

    @Stefan
    Ich habe, wie gesagt, keine Ahnung, ob man mit lauter Epizyklen tatsächlich am Ende Ellipsen bekommen kann – deswegen hatte ich Niels das ja auch oben gefragt.
    Insofern kann und muss ich die Frage auch nicht beantworten, weil ich das nie behauptet habe.

  61. #61 Niels
    25. Juli 2015

    @Stefan @MartinB
    Zum Beispiel siehe
    Quasi periodic motions from Hipparchus to Kolmogorov, Giovanni Gallavotti.
    Laut dieser Veröffentlichung wurde das erstmals 1874 von G. Schiaparelli erkannt.

    Es ist nämlich nicht zusehen, wie man aus einer immer genaueren Berechnung des Winkels “en passant” auch den Abstand korrigiert.

    Dazu ist der Deferent da, oder? Die Erde liegt eben nicht im Mittelpunkt dieses Kreises.
    Oder nach der Wiki:
    Dieser rechnerische Kunstgriff reichte aber nicht aus, die genauer beobachtete Bewegung der Planeten vollständig zu beschreiben. So war es notwendig, weitere Stufen von Epizykeln hinzuzufügen (Epizykel auf Epizykeln). Die Epizykeltheorie wurde außerdem spätestens von Ptolemäus mit der Exzentertheorie Hipparchs verbunden und die Erde damit aus dem Zentrum des Deferenten geschoben. Ferner führte Ptolemäus den Äquanten ein als den scheinbaren Mittelpunkt der gleichförmigen Kreisbewegung, der weder mit dem Mittelpunkt der Kreisbahn noch dem Standpunkt der Erde übereinstimmen muss.

  62. #62 MartinB
    25. Juli 2015

    @Niels
    Danke, Danke, Danke.
    Seit ich vor etwa 30 Jahren in der Schule das mit den Epizyklen erklärt bekommen habe, habe ich mich gefragt, ob man aus Epizyklen nicht auch Ellipsenbahnen bauen kann, so dass die Frage Epizykel vs. Ellipse eher eine Frage der Darstellung ist.
    Wenn ich es jetzt richtig verstehe, lautet die Antwort also “Ja, geht, aber nur mit unendlich vielen Epizyklen.”

  63. #63 Niels
    25. Juli 2015

    @MartinB
    Richtig.
    Ging mir übrigens ähnlich wie dir. Deswegen habe ich es mir auch gemerkt, als ich das irgendwann irgendwo gefunden habe.
    Das ist aber wieder so eine Sache, die einem seltsamerweise nie jemand erzählt.
    Na ja, anscheinend finden wir beide häufiger Dinge wichtig und interessant, die die meisten Lehrenden als unerheblich ansehen.

  64. #64 MartinB
    25. Juli 2015

    @Niels
    Great minds think alike 😉

  65. #65 Stefan
    25. Juli 2015

    @Niels, Danke für den Artikel. “Irgendwo” wäre zum Bsp auch hier:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Epizykeltheorie
    Für den Artikel brauche ich eine Weile.

    Bis dahin die Frage:
    Mit welchem Experiment wollen Sie das Quadrat der Wellenfunktion einzelner Atome
    messen?(Ihre Bemerkung vom 17.07.2015)

    Ein Freund von mir leitet eine Raster-Tunnel-Mikroskopie-Gruppe.
    Die untersuchen die Oberfläche von Kristallen
    und sehen in der Tat die bekannten Berge und Täler.
    Allerdings sind hier alle abgerasterten Atome in einem Kristallverbund
    und nicht einzeln.

  66. #66 Niels
    26. Juli 2015

    @Stefan

    @Niels, Danke für den Artikel. “Irgendwo” wäre zum Bsp auch hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Epizykeltheorie

    Witzig. Aufgrund Ihres Kommentars habe ich mir diesen Wiki-Artikel mal etwas genauer angeschaut (bzw. ehrlich gesagt betrunken sehr oberflächlich überflogen) .
    Dort findet man jedenfalls:
    Ihrem Prinzip nach kann man die Epizykeltheorie als eine Approximation der tatsächlichen Planetenbahnen durch Fourier-Reihen betrachten


    Dass das Betragsquadrat der Wellenfunktion die Wahrscheinlichkeitsdichte ergibt, ist tatsächlich etwas derart Grundlegendes, dass mir im Moment keine Experimente speziell dazu einfallen. Das ist doch etwas absolut Grundlegendes?
    [Allerdings komme ich gerade von der Hochzeit eines Freundes, bin in­tel­lek­tu­ell also nicht gerade auf der Höhe. (Sprich besoffen und meine Freundin sagt, ich soll endlich den Computer ausmachen. Sorry.
    Vielleicht springt Martin für mich ein, sonst melde ich mich am Montag wieder. 😉 No harm done? :-)]
    (Sorry, falls TMI.)

    @MartinB
    Ich dachte, das heißt:
    Zwei Dumme, ein Gedanke.
    {Na gut, diese Bemerkung war zugegeben ein bisschen kokett, aber solange es unter uns bleibt … 😉
    (Ich glaube, ich verwende in diesem Post insgesamt zu viele Smilies und Klammern?)}

  67. #67 MartinB
    26. Juli 2015

    @Niels
    Naja, dumm sind doch immer nur die anderen, oder?

    @Stefan
    Typischerweise misst man natürlich nicht das Quadrat der WF an einem einzelnen Objekt – sobald man die erste Messung macht, kollabiert die ja.

    Aber inzwischen gibt es ja verdammt ausgeklügelte Techniken wie die hier diskutierte Tomographie oder die Messungen von Haroche an Photonen oder das hier
    https://www.nature.com/nature/journal/v474/n7350/full/nature10120.html

  68. #68 Alderamin
    26. Juli 2015

    @Niels

    Dass das Betragsquadrat der Wellenfunktion die Wahrscheinlichkeitsdichte ergibt, ist tatsächlich etwas derart Grundlegendes, dass mir im Moment keine Experimente speziell dazu einfallen.

    Atome durch einen Spalt schießen und dahinter die Verteilung der Einschläge auf einem Schirm messen? Oder bin ich im falschen Film?

  69. #69 Stefan
    26. Juli 2015

    @Martin: Danke für den Artikel. Ich werde ihn mir durchlesen.
    @Alderamin
    Ein solches Experiment gleicht dem Einfach- (oder Doppel-) spaltexperiment mit Photonen. Man würde dann die ‘Welleneigenschaften’ eines solchen Atoms sehen (de Broglie – Wellenlänge) Die größten Brocken mit denen man dies durchgeführt hat, sind meines Wissens Fullerene (C60-Bälle).
    Siehe zum Beispiel Anton Zeilinger: “Einsteins Schleier” S. 26. Das verwendete Gitter hatte hier eine Strichbreite von 50nm.
    Worauf ich bei der Diskussion hinaus will ist folgendes:
    Die Wellentheorie liefert (nach Mittelung über viele Ereignisse) eine Erklärung für (Interferenz-)Streifen hinter dem Gitter, sie kann aber die Absorption nicht erklären.
    Die Teilchentheorie liefert eine Erklärung für die räumlich gut auflösbaren Einschläge (Absorption) auf einem Detektor (sowohl für Licht, als auch für C60), kann aber das Streifenmuster nicht erklären.
    Es ist aber auch nach 100 Jahren nicht gelungen beide Vorstellungen zu vereinen. Es gibt auch heute keinen Wellenzusammenbruch-Operator. Zusammenbruch der Wellenfunktion ist nur ein Wort für ein Ereignis das passiert, von dem wir aber nicht wissen, wie es passiert.
    Die Gemeinde der Physiker sagt:: “Licht ist sowohl als auch” … und wir Menschen sind nur zu dumm dies zu verstehen.
    Ich sage: “Licht ist weder noch” … dann habt ihr die Chance ein Modell zu erfinden, das beides kann.

    Meine Argumentation wirk sicherlich etwas blaß, weil ich kein solches Modell habe – das ist mir bewusst.

  70. #70 rolak
    26. Juli 2015

    Wellentheorie .. Teilchentheorie .. Es ist aber auch nach 100 Jahren nicht gelungen beide Vorstellungen zu vereinen

    Da hast Du etwas mißverstanden, Stefan. Da diese beiden Theorien innerhalb der QuantenTheorien nicht existieren, hat auch noch keiner versucht sie zu vereinigen. Quanten sind halt Objekte, die sich in manchen Situationen in gewissen Grenzen recht gut über ein Wellenmodell beschreiben lassen, die sich aber auch in manchen Situationen in gewissen Grenzen recht gut über ein Teilchenmodell beschreiben lassen. Das heißt aber keineswegs, daß sie dann auch Teilchen oder Welle wären.

    Die Deinerseits zum Erfinden ausgelobten Modelle sind also schon längst da, Deine Meinung über die PhysikerGemeinde ist unzutreffend. Erster Schritt zum besseren Verständnis ist eine saubere Unterscheidung zwischen formal korrekter Beschreibung in wissenschaftlichen Arbeiten und flapsiger, doch eingängiger Formulierung in (populärwissenschaftlichen) Texten.

  71. #71 MartinB
    26. Juli 2015

    @Stefan
    “Es gibt auch heute keinen Wellenzusammenbruch-Operator. ”
    Naja, der ist halt nicht unitär und enthält eine Zufallskomponente, aber na klar kann ich mathematisch genau festlegen, wie der Kollaps der Wellenfunktion zu beschreiben ist (zerlege nach den Eigenfunktionen des jeweiligen Messoperators und ziehe eine davon mit Wahrscheinlichkeit c²); dass wir dafür keinen mathematischen Operator haben, der das als ein Objekt hinschreibt, ist ja reine Konvention (Und Penrose spricht ja auch vom R-Prozess im Gegensatz zum U-Prozess, wenn ich mich recht erinnere).
    Wir wissen eigentlich ziemlich genau, was da passiert (oder besser gesagt, wie man es mathematisch korrekt beschreibt).

    Wenn deine Aussage
    “Es ist aber auch nach 100 Jahren nicht gelungen beide Vorstellungen zu vereinen.”
    richtig wäre, dann könnten wir Experimente nicht korrekt vorhersagen. Das können wir aber. Wir wissen einigermaßen genau, wann wir welche Operation nehmen müssen (reine Zeitentwicklung der SGL vs. Kollaps der WF). Da steckt das Problem nicht – das Problem steckt in Dingen wie der Frage, ob der WF und ihrem Kollaps ein realer Charakter zukommt etc.

  72. #72 Stefan
    27. Juli 2015

    @Martin, der Niels hat mich darauf gebracht (17.07.2015)

    Angenommen wir haben einen unbekannten Körper KP.
    Zu diesem gibt es eine Theorie A) mit deren Hilfe man den Schwerpunkt des Körpers berechnen kann.
    Da die Form des Körpers unbekannt ist, macht die Theorie A) einige plausible aber auch sehr spezielle
    Annahmen über die Form des Körpers. Mit Hilfe aufwändiger Berechnungen kann man nun den Schwerpunkt auf
    10 Dezimalstellen berechnen.
    Glücklicher Weise kann man den Schwerpunkt auch messen. Auch auf 10 Dezimalstellen. Und jetzt kommt’s!
    Theorie und Experiment stimmen überein. Auf 10 Dezimalstellen!

    Frage:
    Sind damit die Annahmen die Theorie A) macht, bestätigt?
    Hat man die Form des Körpers KP verstanden?
    Kann es sein dass die gemachten Annahmen grundlegend falsch sind,
    Theorie A) aber die Möglichkeit geben, ein sehr präzises Ergebnis zu liefern?

  73. #73 MartinB
    27. Juli 2015

    @Stefan
    “Sind damit die Annahmen die Theorie A) macht, bestätigt?”
    Offensichtlich nicht notwendigerweise – weil es mehrere Möglichkeiten der Anordnung geben kann.
    Das ist auch logisch – du kannst aus einer Messung mit drei Werten (den drei Schwerpunktskoordinaten) auch maximal drei Größen einer Theorie bestimmen.

    Das ist aber nicht die Situation der QED- dort haben wir keine Ahnung wie viele Tausende oder Millionen Messwerte (allein die unglaublich vielen Beschleunigerdaten von Teilchen kollisionen, die ja im Nieder-Energie-Bereich alle sehr gut zur QED passen). Die 10-Stellen-Genauigkeit ist halt die *beste* Zahl die wir haben, aber nicht die einzige.

  74. #74 Stefan
    27. Juli 2015

    @Martin: … deren Berechnungen alle ein oder mehrere Integrale enthalten …

    “… weil es mehrere Anordnungen geben kann.”
    ==> Es gibt immer unendlich viele mögliche Anordnungen, die zum gleichen Schwerpunkt führen. Man hat da immer eine sehr hohe Wahlfreiheit.

  75. #75 MartinB
    27. Juli 2015

    @Stefan
    Natürlich – wie gesagt, aus 3 zahlen kannst du nur drei Zahlen bestimmen, nicht eine unendliche Vielfalt von Dingen. Wenn ich dir sage, der Schwerpunkt eines Objekts befindet sich bei den Koordinaten x,y,z – was weißt du dann über das Objekt? Nichts.
    Insofern verstehe ich dein Beispiel im Zusammenhang unserer Diskussion hier nicht.

  76. #76 Stefan
    28. Juli 2015

    @Martin: Genau das ist das Problem: Unter den Integralen der QFT kann es auch ganz anders aussehen.
    Die Mathematik lässt dies zu und das Schwerpunkt-Beispiel veranschaulicht es auf drastische Weise.

    Licht als Wellen oder Quantenfelder zu betrachten wäre ja akzeptabel,
    wenn es keine Doppelspalt-Experimente mit Absorption gäbe.
    Sie haben selbst festgestellt, dass ein solcher “Absorptions-Operator”
    ein gewisse Zufälligkeit enthalten müsste.
    Die QF-Theorien enthalten eine solche Zufälligkeit aber nicht.

    Wie wäre es mit folgendem: Wir modellieren unsere Welt nicht in einem homogenen Raum,
    sondern in einem Netzwerk mit vielen Knoten und Kanten.
    Elementarteilchen wären in diesem Modell zum Bsp. Ordnungszustände,
    verteilt über viele Knoten und Kanten.

    Selbstverständlich wartet auf jemanden der dies in Angriff nimmt viel Arbeit.

    Das Modell ermöglicht aus sich heraus aber auch viele Erklärungen:
    – Da das Netzwerk überall etwas anders aussehen kann, hat man automatisch eine gewisse Zufälligkeit
    in einem vollkommen deterministischen System.
    – Da die Objekte als Ordnungszustand über viele Knoten modelliert werden, sind sie sehr
    groß und können problemlos einen Doppelspalt ausleuchten.
    – Eine Absorption wiederum kann in einem Knoten ausgelöst werden und man hat die geforderte Zufälligkeit
    und räumliche Auflösung, entsprechend der Experimente.

    Was denken Sie?

  77. #77 MartinB
    28. Juli 2015

    @Stefan
    “das Schwerpunkt-Beispiel veranschaulicht es auf drastische Weise.”
    Nein, weil wie gesagt das Schwerpunktbeispiel nur zeigt, dass man zum Validieren und Verifizieren einer Theorie mindestens so viele Daten braucht, wie in die Theorie als Modellannahmen eingehen. Angesichts Tausender oder millionen von mit der QED vorhersagbaren Ergebnissen, ist das sicher gegeben.

    “Die QF-Theorien enthalten eine solche Zufälligkeit aber nicht.”
    Dann haben Sie QFT nicht verstanden – dort berechnet man auch immer nur Amplituden, d.h. Wahrscheinlichkeiten. (Siehe z.B. meine Serie über Feynman-Diagramme.)

    “Was denken Sie?”
    Ich denke, dass es super-leicht ist, solche Modelle anschaulich zu entwerfen und sich vorzustellen, dass die Welt so sein könnte. (Wobei ich bei dem einfachen Knoten-Modell schon auf Anhieb einige Probleme sehe, beispielsweise Lorentz-Invarianz.) Das hat nur wenig mit Physik zu tun – Physik besteht darin, solche Annahmen sauber zu formulieren und die Konsequenzen durchzurechnen, und zu zeigen, dass das zu dem, was wir wissen, passt. Hat bisher keiner geschafft – bis dahin akzeptiere ich die QFT als Beschreibung der Welt.

  78. #78 Stefan
    29. Juli 2015

    Ich hatte ja nochversprochen den Artikel zu lesen:

    https://www.nature.com/nature/journal/v474/n7350/full/nature10120.html
    =
    ArXiv: Lundeen 1112.3575
    Direct Measurement of the Quantum Wavefunction

    Es werden Photonen untersucht, keine Elektronen um einen Atomkern.
    – Grundlage für Licht sind die Maxwell-Gleichungen. Diese gelten für viele Photonen.

    Es werden single Photonen untersucht.
    – Dann wäre die Bestimmung von E und H besonders interessant.Dies wird aber nicht gemessen,

    Sondern das Photon wird wie ein Teilchen behandelt, mit Ort x und Impuls am Ort x.
    Ich bin unschlüssig, ob ich dies gut oder schlecht finden soll.

    Man misst dann trickreich Re(Psi(x)) und Im(Psi(x)) für alle Photonen mit Impuls p(x)=0
    mit einer Auflösung von x = 1mm.

    Wer es genauer wissen will, muss sich den Artikel selber durchlesen.
    Eine erreichbare Quelle habe ich oben angegeben.

    Witzig sind noch die Quellenangaben zu “Weak-Measurement” und Hardys-Paradox.
    zB ArXiv: Yokota: Direct observation of Hardy’s paradox…

  79. #79 Norbert Ammermann
    Osnabrück
    16. November 2015

    Also ich helfe mir immer so, daß ich nict auf die Metapher “Teilchen” reinzufallen versuche. Man sieht ja dann doch letztlich eine Erbse durch den Spiegel fliegen. Wenn ich mir das Teilchen als Wellenraum vorstelle, dann ist es klar, daß Bob die Veränderung von Phasen mißt, die Alice gemessen hat. Die ganzen Phasenpakete bleiben in sich geschlossen. Beobachtende stehen dann an den Außenseiten des Systems. Oder anders gesagt: der Wellenraum ist vierdimensional geschlossen, wo wir uns mit dem Problem der Zeit herumquälen müssen. So helfe ich mir … aber das ist natürlcih auch nur eine Denkhilfe. Und ob das so weiterhilft? Hm Hm

  80. #80 MartinB
    16. November 2015

    Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was Du mit “Wellenraum” meinst…
    Aber nur über Wellenfunktionen zu reden, löst das Problem ja nicht wirklich.

  81. #81 Gebhard Greiter
    10. Dezember 2015

    Frage an MartinB:

    Wäre es richtig zu sagen, das Higgs-Feld sei die Summe aller Wellenpakete, die Higgs-Bosonen darstellen?

  82. #82 MartinB
    11. Dezember 2015

    @Gebhard
    Nein, das wäre falsch, sogar eigentlich mwehrfach falsch.
    Zum einen beschreiben wir das Higgs-Boson über ein Quantenfeld, nicht über mehrere Wellenpakete, die wir aufsummieren (das wäre nur eine sehr grobe Näherung), zum anderen sind Higgs-Feld und Higgs-Teilchen nicht dasselbe. Siehe die ziemlich vielen Texte zum Thema (einfach in der tag-Wolke auf Higgs klicken), z.B. hier für den Überblick:
    https://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2012/07/05/das-higgs-teilchen-im-schnelldurchgang/

  83. #83 Gebhard Greiter
    11. Dezember 2015

    @MartinB

    Ich frage mich halt, ob der Unterschied zwischen Ihrer und meiner Formulierung nicht einfach nur ein Spiel um Worte ist.

    Wenn dem nicht so ist, muss ich weiter fragen:
    Was genau bedeutet es denn, dass das Higgs-Boson über ein Quantenfeld beschrieben wird. Damit gemeint ist doch wohl, dass das Boson als Anregung des Feldes gesehen wird. Ist diese Anregung nun aber nicht eine Welle? Oder gar ein Wellenpaket? Und was ist die Anregung, wenn man auch noch die Unschärferelation mit berücksichtigt?

  84. #84 MartinB
    12. Dezember 2015

    “ob der Unterschied zwischen Ihrer und meiner Formulierung nicht einfach nur ein Spiel um Worte ist. ”
    Denke ich nicht – auch wenn die Präzision in der Physik meist in Formeln steckt, sind manche Begriffe schon einigermaßen scharf definiert.

    Ja, das Higgs-Boson kann als Anregung eines Quantenfelds gesehen werden. Man könnte in dem Sinne sagen, dass das zugehörige Quantenfeld die Summe aller dieser Anregungen ist – allerdings plus dem Vakuumzustand, der ja auch nicht trivial ist. (Deswegen schrub ich oben von grober Näherung.)
    Dieses Quantenfeld ist aber nicht das (ganze) Higgsfeld.

    Die Unschräferelation spielt da eigentlich nicht rein, solange wir bei der Beschreibung mit Feldern bleiben.

  85. #85 Gebhard Greiter
    12. Dezember 2015

    @MartinB
    Sie schreiben: Dieses Quantenfeld (plus Vakuumzustand – so meinen Sie wohl -) sei noch nicht das ganze Higgsfeld.

    FRAGE also: Was muss denn noch hinzukommen, damit das Higgsfeld komplett ist?

    Und gilt Ähnliches auch für das Feld beliebiger anderer Teilchentypen (z.B. dem der Gesamtheit aller Elektronen)?

  86. #86 MartinB
    12. Dezember 2015

    @Gebhard
    Das steht alles in den Artikeln zum Higgsfeld, die ich oben verlinkt habe. Kurz: Das Higgsfeld hat mehrere Komponenten, von denen einige für die Massen der Vektorbosonen sorgen und nicht als eigene Teilchen beobachtbar sind. Es bleibt eine Komponente übrig, die zum Higgs-Teilchen gehört.

    Und nein, das gilt für andere Teilchen nicht.

  87. #87 Gebhard Greiter
    15. Dezember 2015

    @MartinB:
    Wenn das für andere Teilchen nicht gilt, sollte ich vielleicht doch noch weiteren einen Versuch machen, das Prinzip der Feldtheorien zu verstehen – jetzt aber vielleicht besser anhand des Elektronfeldes (statt des offenbar komplizierteren Higgsfeldes):

    Was mich vor allem verwirrt, ist die (in den Augen eines Mathematikers) zu wenig präzise Sprechweise der Physiker. Auf Seite https://www.spektrum.de/lexikon/astronomie/quantenfeldtheorie/370 liest man ja nun wirklich “Die Bezeichnungen Teilchen, Feld und Welle werden synonym verwendet ” (was im Fall des Higgsfeldes ja nun offenbar falsch ist — aber ist es auch falsch fürs Elektronfeld? Auch hier ignoriert doch jeder, der statt “Feld” “Welle” sagt, mindestens den Beitrag des Vakuumzustandes zum Feld).

    Nebenbei noch: Ist der Wert des Feldes eines einzigen Elektrons seine Wellenfunktion? Oder sind diese beiden Dinge was völlig Verschiedenes? Wenn ja: Was genau beschreibt der Feldwert dann?

    Und was betrachtet der Physiker denn, wenn er mit dem Elektronfeld oder dem Higgsfeld zu rechnen beginnt: Betrachtet er da einige wenige Teilchen (etwa die Elektronen eines Moleküls) oder betrachtet er alle im Raum vorhandenen der betrachteten Art?

    Letzteres kann man sich kaum vorstellen – jedenfalls nicht als Mathematiker, der dann ja an eine konkrete Gleichung denkt. Wenn aber ersteres zutrifft – man also doch nur ein System aus recht wenigen Teilchen betrachtet – warum spielt dann der Beitrag des Quantenvakuums zum Feld der Teilchen der betrachteten Art eine Rolle? Und wie lässt dieser Teil sich mathematisch berücksichtigen angesichts der Tatsache, dass er unendlich viele virtuelle Teilchen umfasst?

  88. #88 MartinB
    16. Dezember 2015

    @Gebhard
    “was im Fall des Higgsfeldes ja nun offenbar falsch ist ”
    Nein – es gibt schon ein feld für das Higgs-Teilchen – das ist halt nur nicht das ganze Higgsfeld. Bei sowas sind Physikerinnen aber immer etwas schludrig, das stimmt schon. Physik ist halt keine axiomatische Wissenschaft.

    “Ist der Wert des Feldes eines einzigen Elektrons seine Wellenfunktion?”
    Jein. Wenn ich ein isoliertes Elektron habe, dann sind die beiden mathematisch äquivalent, im Normalfall aber nicht. In der normalen QM werden Teilchen quantisiert, d.h. ich gebe z.B. für jede Position eine Wahrscheinlicheit an. In der QFT werden Felder quantisiert, d.h. ich gebe für jede mögliche Konfiguration des Elektronfeldes eine Wahrscheinlichkeit an.

    “Betrachtet er da einige wenige Teilchen (etwa die Elektronen eines Moleküls) oder betrachtet er alle im Raum vorhandenen der betrachteten Art? ”
    Wenn man QFT macht, dann aus einem von zwei Gründen
    1. Man hat sehr hohe Energien, so dass die Zahl der Teilchen nicht eindeutig ist und sich ändern darf (z.B. Streuprozesse am CERN).
    2. Man hat sehr viele Teilchen, deren Zahl sich evtl. auch ändern kann (z.B. Elektronen oder Schwingungszustände in Kristallen).

    “Und wie lässt dieser Teil sich mathematisch berücksichtigen angesichts der Tatsache, dass er unendlich viele virtuelle Teilchen umfasst?”
    Das macht man oft mit Feynman-Diagrammen (siehe die entsprechenden Artikel dazu) – letztlich eine Reihenentwicklung, weil die Terme höherer Ordnung immer kleiner werden. (Einen mathematisch strengen Beweis dafür, dass diese Reihen konvergieren, gibt es meines Wissens nicht, aber das kümmert mich als Physikerin wenig, Hauptsache es klappt…)